Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.05.2015, Az. 4 StR 164/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10741

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 164/15

vom
21. Mai
2015
in der Strafsache
gegen

wegen [X.]iebstahls mit Waffen u.a.

-
2
-
[X.]er 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 21.
Mai
2015
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22.
[X.]ezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen
II.
4 und 5 der [X.] verurteilt
ist;
b)
im gesamten Rechtsfolgenausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
[X.]ie weiter
gehende Revision
wird verworfen.

Gründe:
[X.]as [X.] hat den Angeklagten wegen [X.]iebstahls mit Waffen, vor-sätzlicher Körperverletzung, unerlaubten Führens einer Schusswaffe, [X.]ieb-stahls in drei Fällen, Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem
Fahren 1
-
3
-
ohne Fahrerlaubnis und Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz
in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, davon in einem Fall in (weiterer) Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und in einem anderen Fall in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. [X.]aneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von vier Jahren
keine Fahr-erlaubnis
zu erteilen. [X.]ie hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegrün-det im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
[X.]ie Annahme eines jeweils tateinheitlich begangenen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in den Fällen
II.
4 und 5 der [X.] hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a)
Nach den hierzu getroffenen Feststellungen brachte der Angeklagte in der [X.] zwischen dem 12. und 19.
[X.]ezember 2013 an einem nicht zugelasse-nen Pkw der Marke [X.], Modell [X.],
für ein anderes Fahrzeug ausgege-bene amtliche Kennzeichen an, die er zuvor zu diesem Zweck entwendet hatte.
[X.]abei verfolgte er die Absicht, das so präparierte Fahrzeug anschließend im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen. Am 19.
[X.]ezember 2013 befuhr er mit dem Pkw [X.] [X.] ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein und ohne Bestehen eines Haftpflichtversicherungsvertrages die H.

-Straße
in [X.].

. Von dort aus bog er gleichgültig gegenüber den anderen Verkehrs-
teilnehmern mit
derart überhöhter Geschwindigkeit
in die B.

straße ein,
dass er über die beiden Fahrspuren für den Geradeausverkehr und die rechte der beiden Linksabbiegerspuren fuhr. [X.]abei nahm er der [X.]

, die die
2
3
-
4
-
linke der beiden Linksabbiegerspuren befuhr,

Zufall geschuldet war, dass er nicht mit ihr kollidierte

(Fall
II.
4 der [X.]). Am 26.
[X.]ezember 2013 fuhr er mit dem Pkw [X.] [X.] aufgrund eines neuen Tatentschlusses in der J.

-Straße in [X.].

gleichgültig
gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern mit derart
überhöhter Geschwin-digkeit, dass er
von der Fahrbahn abkam, auf den in gleicher Fahrtrichtung ein-gerichteten Fahrradschutzstreifen geriet und einen mit einer Lichtzeichenanlage

überfuhr. [X.]ort kollidierte er mit der rechten Front seines Fahrzeugs mit dem Vorderrad des [X.].

. [X.]ies hatte zur Folge, dass der Fahrrad-
lenker gegen das Knie des Zeugen schlug, der dadurch Schmerzen erlitt. [X.]ass der Zeuge nicht unmittelbar angefahren und erheblich verletzt wurde, ist ledig-lich dem Zufall zu verdanken. Nach einer entschuldigenden Geste setzte der Angeklagte seine Fahrt fort und entfernte sich durch die angrenzende [X.] (Fall
II.
5 der Urteilsgründe).
b)
[X.]ie im Fall
II.
4 der Urteilsgründe auf §
315c Abs.
1 Nr.
2 Buchstabe
a [X.] gestützte Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des [X.] hat keinen Bestand, weil
nicht belegt ist,
dass durch die dem Angeklagten angelastete Nichtbeachtung der Vorfahrt (zum Vorsatz siehe [X.] in: [X.] Kommentar zum [X.], 12.
Aufl., §
315c Rn.
190) Leib oder Leben eines ande-ren Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert (konkret) gefährdet worden sind.
aa)
Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der

was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist

die Sicherheit einer bestimmten 4
5
-
5
-
Person oder Sache von bedeutendem Wert so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht
(vgl. [X.], Urteil vom 22.
März 2012

4
StR
558/11, [X.], 384; Urteil vom 30.
März 1995

4
StR 725/94, NJW 1995, 3131
f.; Urteil
vom 4.
Septem-ber 1995

4
StR
471/95, NJW 1996, 329
f., zu §
315b [X.]; [X.]/
[X.], 2.
Aufl., §
315c Rn.
22
ff.).
bb)
Ob Leib oder Leben der [X.]

oder eine fremde Sache von
bedeutendem Wert durch das Fahrverhalten des Angeklagten tatsächlich in diesem Maße gefährdet waren, lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Zwar teilt das [X.] mit, dass das [X.] einer Kollision zwischen den Fahrzeugen des
Angeklagten und der Zeugin nur dem Zufall geschuldet

war. Offen bleibt
aber, inwieweit im Fall
einer Kollision auch Leib und Leben der Zeugin bedroht gewesen wären. Hierzu wären nähere Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und zu der Be-schaffenheit des Fahrzeugs der [X.]

erforderlich gewesen
(vgl. [X.],
Beschluss vom 29.
April 2008

4
StR
617/07, [X.], 289). Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es

da insoweit das vom Angeklagten geführte Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Januar 1999

4
StR
663/98, [X.], 350, 351; Urteil vom 28.
Oktober 1976

4
StR
465/76, [X.]St 27, 40)

bestimmter Angaben zum Wert des Fahrzeugs der Zeugin und zur Höhe des drohenden Schadens bedurft (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
September 2010

4
StR
245/10, [X.], 215, 216; Beschluss vom 29.
April 2008

4
StR 617/07, [X.], 289; zur maßgeblichen Wertgrenze siehe [X.], Beschluss vom 28.
September 2010

4
StR
245/10, [X.], 215; zu
den Prüfungsschritten siehe [X.], Beschluss
vom
20.
Oktober 2009

4
StR
408/09, [X.], 216, 217).
6
-
6
-
c)
Im Fall
II.
5 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte gemäß §
315c Abs.
1 Nr.
2 Buchstabe
c [X.] an einem Fuß-gängerüberweg falsch gefahren ist.
§
315c Abs.
1 Nr.
2 Buchstabe
c [X.] erfasst nur das [X.] an Fußgängerüberwegen im Sinne des §
26 [X.]. [X.]as sind allein die durch Zei-chen
293 (Zebrastreifen) markierten Fahrbahnflächen (vgl. [X.], Urteil vom 15.
April 2008

4
StR
639/07, [X.], 528, 529; [X.] in: [X.] Kom-mentar zum [X.], 12.
Aufl.,
§
315c Rn.
102; [X.]/[X.], 2.
Aufl.,
§
315c Rn.
17 mwN), an denen zu Fuß Gehende und ihnen gleichgestellte [X.] nach §
26 Abs.
1 Satz
1 [X.] vor Fahrzeugen uneinge-schränkt Vorrang haben und Fahrzeug
Fahrende
gemäß §
26 Abs.
1 Satz
2, Abs.
2 und 3 [X.] sowie §
41 Abs.
1 StVG i.V.m. Anlage
2 und Zeichen
293 besonderen Pflichten unterliegen (Einzelheiten bei [X.] in: [X.]/[X.]/
[X.]auer, Straßenverkehrsrecht, 43.
Aufl.,
[X.],
§
26 Rn.
18-21,
23-25 mwN). [X.] und damit um einen Fußgängerüberweg im Sinne der §
315c Abs.
1 Nr.
2 Buchstabe
c [X.], §
26 [X.] gehandelt hat, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werdr--sachen nicht zu ersetzen

267 Abs.
1 Satz
1 StPO). Schließlich bleibt auch offen, ob die angeführte Lichtzeichenanlage in Betrieb war und deshalb ihre
Lichtzeichen nach §
37 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 Nr.
2 [X.] einer etwa bestehen-den Vorrangregel oder Vorrang regelnden Verkehrszeichen vorgingen (vgl. da-zu [X.] in: [X.]/[X.]/[X.]auer, Straßenverkehrsrecht, 43.
Aufl.,
[X.], §
26 Rn.
11 mwN; zum persönlichen Schutzbereich des §
315c Abs.
1 Nr.
2 Buchstabe
c [X.] siehe [X.] in: [X.] Kommentar zum [X.], 12.
Aufl., §
315c Rn.
103 mwN).
7
8
-
7
-
2.
Auch die konkurrenzrechtliche Beurteilung der Fälle
II.
4 und 5 der
Urteilsgründe (Tatmehrheit) begegnet rechtlichen Bedenken.
[X.]as [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte im Fall
II.
4 der Urkundenfälschung in der Variante des Herstellens einer unech-ten (zusammengesetzten) Urkunde gemäß §
267 Abs.
1 1.
Alt. [X.] schuldig ist,
weil er für ein anderes Fahrzeug ausgegebene amtliche Kennzeichen an dem von ihm genutzten nicht zugelassenen Pkw anbrachte (vgl. [X.], [X.] vom 29.
Januar 2014

4
StR
528/13, [X.], 214; Urteil vom 7.
September 1962

4
StR
266/62, [X.]St 18, 66,
70). Auch trifft es zu, dass der Angeklagte den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten
Urkunde gemäß §
267 Abs.
1 3.
Alt. [X.] verwirklicht hat, indem er in den
Fällen
II.
4 und II.
5 das mit falschen amtlichen Kennzeichen versehene Fahr-zeug im öffentlichen Straßenverkehr nutzte und dadurch den anderen [X.]n die unmittelbare Kenntnisnahme der am Fahrzeug ange-brachten Kennzeichen ermöglichte ([X.], Beschluss vom 29.
Januar 2014

4
StR
528/13, [X.], 214; vgl. Urteil vom 14.
[X.]ezember 1988

2
StR 613/88, [X.]St 36, 64, 65). [X.]ie [X.] hat jedoch nicht ausreichend be-dacht, dass nur eine Urkundenfälschung vorliegt, wenn eine gefälschte Urkunde mehrfach gebraucht wird und dieser mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des [X.] entspricht ([X.], Beschluss vom 30.
Oktober 2008

3
StR
156/08, [X.]R [X.] §
267 Abs.
1 Konkurrenzen
3; insoweit in [X.]St 53, 34 nicht abgedruckt; vgl. auch [X.] vom 7.
Mai 2014

4
StR
95/14, [X.] 2014,
349; Beschluss vom 29.
Januar 2014

4
StR
528/13, [X.], 214). [X.]anach hätte die [X.] prüfen müssen, ob neben der Nutzung des Fahrzeugs am 19.
[X.]ezember 2013 (Fall
II.
4 der Urteilsgründe) auch die Fahrt
am 26.
[X.]ezember 2013 (Fall
II.
5) dem schon bei dem Anbringen der Kennzeichen bestehenden kon-9
10
-
8
-
kreten Gesamtvorsatz des Angeklagten entsprach. [X.]ies hätte zur Folge, dass auch der mit der Fahrt am 26.
[X.]ezember 2013 verwirklichte Gebrauch einer unechten Urkunde und deren Herstellung als tatbestandliche Handlungseinheit eine Tat der Urkundenfälschung bildeten und damit auch die weiteren während der Fahrt am 26.
[X.]ezember 2013 begangenen [X.]elikte hierzu in Tateinheit stün-den. [X.]ass die Fahrt vom 26.

f-grund eines neuen Tatente-gen.
3.
[X.]ie Sache bedarf daher hinsichtlich der Fälle
II.
4 und 5 der [X.] neuer Verhandlung und Entscheidung. [X.]ie Aufhebung der Schuldsprü-che
wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen Urkundenfälschung, vor-sätzlichen
Fahrens
ohne Fahrerlaubnis und Verstoßes
gegen das Pflichtver-sicherungsgesetz im Fall
II.
4 der Urteilsgründe und Urkundenfälschung, vor-sätzlichen
Fahrens
ohne Fahrerlaubnis, Verstoßes
gegen das Pflichtversiche-rungsgesetz, fahrlässiger Körperverletzung und unerlaubten
Entfernens
vom Unfallort im Fall
II.
5 der Urteilsgründe (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
April 2015

2
StR
402/14, Rn.
17 juris).
Sie entzieht neben der Gesamtstrafe auch dem [X.] die Grundlage, da sowohl die Anordnung nach §
69a Abs.
1 Satz
3 [X.], als auch die auf §
64 [X.] gestützte Unterbringung in
11
-
9
-
einer Entziehungsanstalt an die Verurteilung in den Fällen
II.
4 und 5 der
Urteilsgründe anknüpfen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke

Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 164/15

21.05.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.05.2015, Az. 4 StR 164/15 (REWIS RS 2015, 10741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10741

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 354/16

Zitiert

4 StR 164/15

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