Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2007, Az. IX ZR 53/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 984

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 8. November 2007 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 103 Abs. 2 Die für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den vorläufigen Insolvenz-verwalter gerichtete Aufforderung zu erklären, ob die Erfüllung eines Vertrages [X.] werden wird, bleibt auch dann nach der Eröffnung des Verfahrens wirkungslos, wenn vorläufiger und endgültiger Verwalter personenidentisch sind. [X.], Urteil vom 8. November 2007 - [X.] - [X.]

LG Hamburg

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2007 durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 4. Februar 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Mit Beschluss vom 8. Dezember 1999 wurde der Kläger zum vorläufigen Verwalter im Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Ver-mögen des E.

(fortan: Schuldner) bestellt. Der Schuldner war selb-ständiger Tischlermeister. Er unterhielt mehrere Versicherungen bei der [X.], unter anderem eine Dynamische Sachversicherung (Inhaltsversicherung), eine Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung und eine Gebäudeversiche-rung. Mit Schreiben vom 21. Februar 2000 unterrichtete die [X.] den Klä-ger über die bestehenden Verträge. Wörtlich heißt es in dem Schreiben weiter: 1 - 3 - "Für den Fall, dass es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen sollte, bitten wir um Ihre Entscheidung, ob Sie Erfüllung der Verträge verlangen oder [X.] gemäß § 103 [X.] erklären." 2 3 In einem weiteren Schreiben vom 29. Februar 2000 wies die [X.] auf einen weiteren Vertrag hin und bat insoweit ebenfalls um eine Entscheidung nach § 103 [X.]. Am 1. Mai 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 26. Mai 2001 kam es zu einem Brand in der Tischlerei des Schuldners, die daraufhin geschlossen werden musste. Mit Schreiben vom 12. Juni 2001 erklärte die [X.], die Verträge seien mit Wirkung vom 1. Mai 2001 beendet, weil der Klä-ger ihrer Aufforderung zur Ausübung seines Wahlrechts nicht nachgekommen sei. Der Kläger antwortete unter dem 21. Juni 2001, er wähle die Erfüllung [X.], im Einzelnen bezeichneter Verträge. Eine entsprechende Erklärung hatte er bereits mit Schreiben vom 7. Juni 2001 an die A.

AG abgegeben. Bereits mit Schreiben vom 13. Juni 2001 hatte die [X.] es abgelehnt, für die Folgen des [X.] einzustehen. Mit seiner am 23. Oktober 2001 eingereichten und am 30. November 2001 zugestellten Klage hat der Kläger Zahlung von 202.136,69 • nebst Zinsen sowie die Feststellung verlangt, dass die [X.] zum Ersatz aller weitergehenden Schäden aus dem Brand verpflichtet sei. In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die bisherigen [X.] weiter. 4 - 4 - Entscheidungsgründe: 5 Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das [X.]. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger könne nicht auf der Er-füllung der Versicherungsverträge bestehen, weil er auf die Aufforderungen der [X.]n vom 21. und 29. Februar 2000 hin nicht unverzüglich nach der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens erklärt habe, dass er die Verträge erfüllen wolle. Ob ein Aufforderungsschreiben, das dem Verwalter vor seiner Bestellung über-sandt werde, generell als zugegangen angesehen werden könne, könne offen bleiben. Dem Kläger sei es jedenfalls nach [X.] und Glauben verwehrt, sich auf den —verfrühtenfi Zugang des [X.] zu berufen; denn er sei bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit den Vermögensangele-genheiten des Schuldners befasst gewesen und habe nicht geltend gemacht, die Aufforderungsschreiben seien verloren gegangen oder in Vergessenheit geraten. 6 [X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Kläger hat das Recht, die Erfüllung der Versicherungsverträge zu [X.], nicht nach § 103 Abs. 2 Satz 3 [X.] verloren. 7 - 5 - 1. Ist ein gegenseitiger [X.] der Eröffnung des [X.] vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als [X.] geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Aus-übung seines Wahlrechts auf, hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterlässt er dies, kann er auf der Erfüllung nicht bestehen (§ 103 [X.]). 8 2. Das Wahlrecht aus § 103 Abs. 1 [X.] steht ausschließlich dem Insol-venzverwalter zu, nicht dem vorläufigen Insolvenzverwalter. Dies ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Wortlaut des Gesetzes, das vom [X.] - nicht vom vorläufigen Insolvenzverwalter - spricht, sowie aus der systematischen Stellung des § 103 [X.] im [X.] (§§ 80 bis 147), welcher die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens behandelt, und wird folgerichtig in Rechtsprechung und Literatur nicht in Zweifel gezogen (vgl. etwa [X.] 97, 87, 90; 130, 38, 42, jeweils zur Konkursordnung; [X.] Z[X.] 2005, 820, 821; [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 35 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.] 12. Aufl. § 103 Rn. 62; [X.]/[X.], [X.] § 103 Rn. 51; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 103 Rn. 57). § 22 [X.], welcher die Rechtsstellung des vorläufigen Insol-venzverwalters regelt, enthält keine Verweisung auf § 103 [X.]. 9 3. Aus den gleichen Gründen ist die Aufforderung nach § 103 Abs. 2 Satz 2 [X.] ausschließlich an den Insolvenzverwalter zu richten (vgl. OLG Düs-seldorf OLG-Report 1992, 340, 341 f; [X.]/[X.], [X.] § 103 Rn. 70). Auch im zweiten Absatz des § 103 [X.] geht es allein um den [X.] - 6 - ter, und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird vorausgesetzt. Ihrem Sinn und Zweck nach kann die Vorschrift ebenfalls erst nach Eröffnung des [X.] Anwendung finden. Sie soll dem Vertragspartner des [X.] ermöglichen, die Unsicherheit darüber zu beseitigen, ob ein gegenseitiger Vertrag erfüllt werden wird oder nicht, sowie eine etwaige Scha-densersatzforderung zu berechnen und zur Tabelle anzumelden [X.] 1983], [X.]). Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht diese Unsicherheit nicht. Die Anordnung der vorläufigen Verwaltung hat keinen Einfluss auf den Fortbestand der Verträge. Der "Schwebezustand" tritt erst mit der Eröffnung ein. Die Anmeldung zur Tabelle hat ebenfalls erst nach der Eröffnung zu erfolgen (§ 174 [X.]). Solange nicht feststeht, ob das Verfahren überhaupt eröffnet wer-den wird, wäre die Ausübung des erst für das eröffnete Verfahren geltenden Wahlrechts ohne Sinn.
4. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen bedarf dieses Ergebnis auch nicht in den Fällen einer Korrektur, in denen vorläufiger und endgültiger Insol-venzverwalter personenidentisch sind und der Verwalter nicht schlüssig darle-gen kann, das verfrühte Aufforderungsschreiben bis zur Eröffnung vernichtet, verlegt oder vergessen zu haben. 11 a) Die Aufforderung nach § 103 Abs. 2 Satz 2 [X.] ist an den Insolvenz-verwalter zu richten, nicht an den vorläufigen Verwalter. Das ist allen Beteiligten auch bekannt. Insbesondere weiß der Vertragspartner des Schuldners, dass erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Erfüllung des [X.] entschieden werden kann. Er bedarf insoweit auch keines besonderen Schutzes. Den Zeitpunkt der Eröffnung erfährt er dadurch, dass der [X.] veröffentlicht (§ 30 Abs. 1 [X.]) und den Gläubigern und 12 - 7 - Schuldnern des Insolvenzschuldners zugestellt (§ 30 Abs. 2 [X.]) wird. Darauf kann er dann so reagieren, wie er es für richtig hält. Frühere Aufforderungen, die erst für den Insolvenzfall gelten, würden für ihn wenig oder keinen Zeitge-winn bedeuten, könnten die Arbeit des Verwalters jedoch nicht unerheblich er-schweren. b) Die Entscheidung des [X.] aus dem Jahre 1908 ([X.] 1909, 162 ff), auf welche die Vorinstanzen sich für ihre gegenteilige Ansicht berufen haben, betraf einen Sonderfall. Das Konkursverfahren war am 30. Juli 1907 um 12.30 Uhr eröffnet worden. Der Vertragspartner des Gemeinschuldners hatte das an "die Konkursverwaltung" - nicht an einen Sequester - adressierte Auffor-derungsschreiben am Vormittag des [X.] in den Geschäftsräumen des Gemeinschuldners abgeben lassen, offensichtlich in der Annahme, der Konkursverwalter werde es erhalten, sobald er seine Tätigkeit aufnehmen wür-de. In den folgenden (drei) Wochen beachtete der Konkursverwalter das Schreiben nicht. Nach Ansicht des [X.] hätte die Möglichkeit der Kenntnisnahme, auf die es für § 130 BGB ankam, in diesem Zeitraum jedenfalls bestanden. Die Frage des Zugangs vor Eröffnung und vor Übernahme des [X.] stellte sich nicht. Der jetzt zu entscheidende Fall ei-nes bewusst an den vorläufigen Verwalter gerichteten Schreibens, das eine Aufforderung für den Fall der Eröffnung enthält, liegt anders. 13 I[X.] Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), 14 - 8 - das nunmehr zu prüfen haben wird, welche Ansprüche aus den [X.] bestehen. [X.] Raebel Kayser [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.05.2002 - 331 O 331/01 - [X.], Entscheidung vom 04.02.2004 - 9 U 116/02 -

Meta

IX ZR 53/04

08.11.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2007, Az. IX ZR 53/04 (REWIS RS 2007, 984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 984

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9 U 116/02

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