Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2011, Az. 4 AZR 79/10

4. Senat | REWIS RS 2011, 471

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Gegenstand

Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel als Gleichstellungsabrede


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 3. November 2009 - 16 [X.] 1228/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Rahmen einer Zahlungsklage über die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel.

2

Die [X.]lägerin ist seit dem 20. August 1992 aufgrund eines [X.] als stellvertretende Filialleiterin bei der [X.] beschäftigt. § 3 ihres Arbeitsvertrages vom 7. August 1992 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

        

„§ 3 - Gehalt

        

Der Angestellte erhält monatlich nachträglich ein Gehalt von brutto DM 1743,-- + 200,-- brutto übertarifl. Zulage, da stell. [X.] unter Vereinbarung der Tarifgruppe [X.] 2 5. Bj. … Im übrigen richtet sich das Anstellungsverhältnis nach den jeweils geltenden Tarifverträgen der infrage kommenden Sparte.

        

...“   

3

Die Beklagte war im [X.]punkt des [X.] Mitglied im [X.] Dieser hatte sowohl den Manteltarifvertrag für den Einzelhandel im Bundesland [X.] ([X.]) als auch den Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland [X.] ([X.]) geschlossen. Beide Tarifverträge waren in den neunziger Jahren - mit Unterbrechungen - für allgemeinverbindlich erklärt worden. Im Jahre 1997 wurden die Geschäftsanteile der [X.] von der [X.] übernommen. Sie verlegte ihren Sitz nach [X.] und trat aus dem [X.] aus. Die [X.]lägerin war und ist nicht Mitglied der den Tarifvertrag für den Einzelhandel des Landes [X.] schließenden [X.]. Seit 2000 sind die Einzelhandelstarifverträge in [X.] nicht mehr allgemeinverbindlich.

4

Die Beklagte zahlte der [X.]lägerin nach ihrem Austritt aus dem Einzelhandelsverband 1997 weiterhin das Entgelt entsprechend dem zu diesem [X.]punkt geltenden Tarifvertrag. In den Jahren 1999 bis 2002 gewährte sie ihr darüber hinaus Sonderzuwendungen und Einmalzahlungen.

5

Die Beklagte zahlte der [X.]lägerin bis Juni 2008 ein Gehalt iHv. 1.697,00 Euro brutto und seit dem 1. Juli 2008 iHv. 1.747,00 Euro brutto. Mit Schreiben vom 3. März und 6. Mai 2008 verlangte die [X.]lägerin unter Berufung auf ihren Arbeitsvertrag von der [X.] vergeblich die Zahlung einer Vergütung „nach dem geltenden Tarifrecht des Landes [X.]“. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. September 2008 beanspruchte die [X.]lägerin Zahlung eines monatlichen Bruttoentgelts nach der Gehaltsgruppe [X.] 2, 7. Berufsjahr nebst übertariflicher Zulage iHv. 102,26 Euro brutto für die stellvertretende Filialleitung für den [X.]raum von Dezember 2007 bis September 2008. Für die [X.] ab dem 1. Oktober 2008 forderte sie die Zahlung eines monatlichen Bruttoentgelts einschließlich der Zulage für die stellvertretende Filialleitung iHv. insgesamt 2.138,57 Euro brutto.

6

Mit ihrer am 17. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen [X.]lage hat die [X.]lägerin die Beklagte ua. auf Zahlung rückständiger Vergütung für die Monate Dezember 2007 bis November 2008 zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, ihr stehe auch für den dann folgenden [X.]raum Vergütung nach dem aktuellen Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland [X.] idF vom 12. Januar 2006 zu. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel handele es sich nicht um eine sog. [X.]. Eine solche Auslegung verstoße gegen § 305c Abs. 2 BGB. Dies gelte auch unter dem Gesichtspunkt des durch die Rechtsprechung des [X.] gewährten Vertrauensschutzes, der jedenfalls zu weitgehend sei. Der Gesetzgeber habe in Art. 229 § 5 EGBGB in der allgemeinen Überleitungsvorschrift zum Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 Grundsätze zur Überleitung und zum Vertrauensschutz geregelt und eine Jahresfrist zur Umstellung von Dauerschuldverhältnissen für ausreichend erachtet. Im Übrigen habe die Beklagte durch die Leistung der Sonderzahlungen und Einmalzahlungen deutlich gemacht, dass sie sich auch nach ihrem Verbandsaustritt dynamisch an die Bezugnahmeklausel habe halten wollen.

7

Die [X.]lägerin hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt:

        

1.    

Die Beklagte wird verurteilt, an die [X.]lägerin 3.406,55 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 280,00 Euro seit dem 16. Januar 2008, seit dem 16. Februar 2008, seit dem 16. März 2008, seit dem 16. April 2008, seit dem 16. Mai 2008, seit dem 16. Juni 2008 und seit dem 16. Juli 2008 sowie aus jeweils 289,31 Euro seit dem 16. August 2008, seit dem 16. September 2008, seit dem 16. Oktober 2008, seit dem 16. November 2008 und seit dem 16. Dezember 2008 zu zahlen.

        

2.    

Es wird festgestellt, dass die [X.]lägerin ab dem 1. Dezember 2008 Vergütung nach der Vergütungsgruppe [X.] 2 nach dem 7. Berufsjahr des Tarifvertrages Löhne, Gehälter, Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland [X.] zu beanspruchen hat.

8

Die Beklagte hat sich für ihren [X.]lageabweisungsantrag darauf berufen, dass es sich bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel um eine sog. [X.] handele. Dies habe dazu geführt, dass der bis zu ihrem Austritt aus dem tarifschließenden Einzelhandelsverband im Jahre 1997 maßgebliche Tarifvertrag lediglich statisch weiter auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sei. Dies entspreche dem Vertrauensschutz in die frühere Rechtsprechung zur [X.], die vom [X.] für vor dem 1. Januar 2002 vereinbarte [X.] gewährt werde. Den sich daraus für die [X.]lägerin ergebenden Vergütungsanspruch habe die Beklagte erfüllt.

9

Das Arbeitsgericht hat der [X.]lage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die [X.]lage im noch streitigen Umfang abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die [X.]lägerin in der Sache die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das [X.] hat die Klage, soweit sie in der Revisionsinstanz noch zur Entscheidung angefallen ist, zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht die geltend gemachte Vergütungsdifferenz nicht zu. Die Bezugnahmeklausel in dem Arbeitsvertrag vom 7. August 1992 ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Das ergibt sich aus dem der Beklagten nach der Senatsrechtsprechung zu gewährenden Vertrauensschutz.

I. Das [X.] hat seine Entscheidung damit begründet, es handele sich bei der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Parteien um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des [X.], weshalb nach dem Wegfall der [X.] der Arbeitgeberin der zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Tarifvertrag statisch weiter gelte. Der streitgegenständliche Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland [X.] idF vom 12. Jan[X.]r 2006 finde weder aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 4 [X.] noch aufgrund einer Tarifbindung der Parteien Anwendung. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus betrieblicher Übung, weil die Beklagte bis zum [X.] die Zahlung der Sonderzuwendung nach den aktuellen Tarifverträgen vorgenommen habe.

II. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die auch hinsichtlich des Antrages zu 2) als Elementenfeststellungsklage zulässige (vgl. dazu [X.] 21. April 2010 - 4 [X.] - Rn. 19 ff. [X.], [X.] ZPO 1977 § 256 Nr. 101 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 9) Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütungsdifferenz für die Monate Dezember 2007 bis einschließlich November 2008 noch auf Feststellung eines entsprechenden Anspruchs ab Dezember 2008.

1. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich weder aus § 5 Abs. 4 [X.], da der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel im Bundesland [X.] nicht für allgemeinverbindlich erklärt ist, noch aus § 4 Abs. 1 [X.], weil es an einer mitgliedschaftlichen Bindung der Parteien an den streitgegenständlichen Tarifvertrag fehlt.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat sie auch keinen die Klage begründenden einzelvertraglichen Anspruch. Die Bezugnahmeklausel in § 3 Satz 4 des Arbeitsvertrages der Parteien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats aus Gründen des Vertrauensschutzes als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen, die keine von der [X.] der Beklagten unabhängige zeitdynamische Verweisung auf die in ihr genannten Tarifverträge in der jeweiligen Fassung zum Inhalt hat. Daraus folgt, dass die tariflichen Änderungen nach dem Austritt der Beklagten aus dem Einzelhandelsverband im Jahre 1997 nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis der Parteien einwirken. Die in Bezug genommenen Tarifverträge sind in ihrer zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung statisch weiter auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden. Die gegen diese Rechtsprechung vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.

a) Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind. Die Auslegung derartiger typischer Vertragsklauseln nach den §§ 133, 157 [X.] durch das [X.] kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur [X.] 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 15 [X.], [X.]E 132, 261; 26. August 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 44 [X.], [X.]E 132, 10).

b) § 3 Satz 4 des Arbeitsvertrages vom 7. August 1992 ist eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Senats.

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum gehe, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Maßgeblichkeit des in Bezug genommenen Tarifwerks für das Arbeitsverhältnis gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem normativ an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag ersetzt werden solle, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur [X.] 23. Febr[X.]r 2011 - 4 [X.] - Rn. 17 [X.], [X.] [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 86; 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 17 [X.], [X.] [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85; 26. August 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 48 [X.], [X.]E 132, 10). Daraus folge, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder Begleitumstände bei Vertragsschluss bei [X.] des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge [X.] in aller Regel als sog. [X.] auszulegen seien. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reiche, wie der Arbeitgeber gegenüber einem tarifgebundenen Arbeitnehmer tarifrechtlich aus neu abgeschlossenen Tarifverträgen verpflichtet sei, also dann ende, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen [X.] nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei. Ab diesem Zeitpunkt seien die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden (vgl. nur [X.] 23. Febr[X.]r 2011 - 4 [X.] - Rn. 18 [X.], aaO; 17. November 2010 - 4 [X.] - aaO; 26. August 2009 - 4 [X.]/08 - aaO).

bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Verweisungsklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Jan[X.]r 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die [X.], die auch dann gilt, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag, an den der Arbeitgeber kraft Verbandsmitgliedschaft gebunden ist, zum Zeitpunkt des [X.] für allgemeinverbindlich erklärt war ([X.] 27. Jan[X.]r 2010 - 4 AZR 570/08 - [X.] [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 74 = EzA [X.] § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 46), aus Gründen des Vertrauensschutzes jedoch weiterhin auf [X.] an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Jan[X.]r 2002 vereinbart worden sind ([X.] 14. Dezember 2005 - 4 [X.] - Rn. 24 ff., [X.]E 116, 326; 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 29 ff., [X.]E 122, 74; 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 64, [X.]E 130, 286; 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 31, [X.] [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85). Eine von Arbeitnehmerseite erhobene Verfassungsbeschwerde gegen diese Rechtsprechung ist vom [X.] nicht zur Entscheidung angenommen worden ([X.] 26. März 2009 - 1 BvR 334/09 -).

[X.]) Danach ergibt die Auslegung der streitgegenständlichen Bezugnahmeklausel, dass es sich um eine Gleichstellungsabrede iSd. früheren Senatsrechtsprechung handelt.

(1) Ausgangspunkt der Auslegung der Bezugnahmeklausel ist der Wortlaut der streitgegenständlichen Vereinbarung. Dieser ist hinsichtlich der Bezeichnung des in Bezug genommenen Regelwerks nicht ganz eindeutig. Bei dem verwendeten Vertragsformular handelt es sich um einen branchenunabhängigen Vordruck für kaufmännische Angestellte, der von den Vertragsparteien mit den entsprechenden Daten auszufüllen ist. Die Klausel bezeichnet kein konkretes Bezugnahmeobjekt, sondern verweist nur auf die jeweils geltenden Tarifverträge der infrage kommenden Sparte.

(2) Die erforderliche Auslegung der Vertragsbestimmung zur Frage, welches Regelwerk mit welchem Inhalt Bestandteil des Arbeitsverhältnisses der Parteien werden sollte, führt zu dem Ergebnis, dass sich die Parteien auf die Anwendung der jeweils einschlägigen Tarifverträge und damit der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Tarifverträge für den Einzelhandel im Land [X.] geeinigt haben.

(a) Der Verweis auf die „infrage kommende Sparte“ legt nahe, dass sich die Klausel zumindest an der für den Arbeitgeber verpflichtenden Regellage orientiert. Die Formulierung „infrage kommen“ bedeutet [X.]. „geeignet/passend sein“ ([X.] [X.] 8. Aufl. S. 545 und S. 582). „Sparte“ steht für „Geschäftszweig“ ([X.] [X.] 8. Aufl. S. 1380). Die Regelung stellt mithin auf den jeweiligen Arbeitgeber als Verwender und sein Geschäftsfeld ab und leitet daraus das einschlägige Tarifwerk her. Das bedeutet eine Bezugnahme auf die Tarifverträge, an die der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages gebunden ist bzw. bei einem tarifungebundenen Arbeitgeber auf die für den Betrieb einschlägigen. Insoweit bietet die von den Arbeitsvertragsparteien nicht weiter modifizierte Bestimmung keine Anhaltspunkte dafür, dass sie einen fachfremden Tarifvertrag anwenden wollten. Davon gehen sie auch selbst nicht aus.

(b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bezifferung des zustehenden Gehalts in § 3 Satz 1 des Arbeitsvertrages. Hierbei handelt es sich nicht um eine abweichende Regelung im Sinne der Einschränkung der Bezugnahmeklausel durch die Worte „Im übrigen“. Dafür fehlt es an Anhaltspunkten. Die [X.] weist lediglich aus, wie hoch das [X.] zur [X.] war. Das folgt aus der konkreten Benennung im Arbeitsvertrag, welche tarifliche Eingruppierung zur [X.] dem ausgewiesenen Gehalt zugrunde liegt, nämlich die Tarifgruppe K 2, 5. Berufsjahr (vgl. hierzu [X.] 26. September 2001 - 4 [X.], [X.]E 99, 120). Dies hat letztlich auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt.

(c) Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Auffassung, es handele sich nicht um eine Gleichstellungsabrede, auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte von 1999 bis 2002 die tariflich vorgesehenen Sonderzuwendungen und Einmalzahlungen gewährt hat.

(aa) Dass hieraus ein gesonderter Anspruch auf dynamische Anwendung des gesamten Tarifwerks für den Einzelhandel Berlin-[X.] aus betrieblicher Übung erwachsen sein soll, hat das [X.] verneint. Hiergegen hat sich die Klägerin in der Revision auch nicht gewandt, so dass die Klageabweisung insoweit rechtskräftig geworden ist. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung ist gegenüber einem einzelvertraglichen Anspruch aus einer dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag ein eigenständiger Streitgegenstand, hinsichtlich dessen eine Revision gesondert zu begründen ist (vgl. insoweit zur gesonderten Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz [X.] 24. Febr[X.]r 2010 - 4 [X.] - Rn. 22 [X.], [X.] ZPO § 551 Nr. 68).

(bb) Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass die von der Beklagten geleisteten Zahlungen auf einer Änderung des entsprechenden Tarifvertrages beruhen, die nach dem Austritt der Beklagten aus dem Einzelhandelsverband erfolgt ist. Nur dann käme überhaupt in Betracht, dass die Beklagte einen Tarifvertrag dynamisch anwendet und auch anwenden will, an den sie selbst nicht mehr gebunden ist. Unabhängig davon, ob sich hieraus überhaupt eine vertraglich wirksame Bestätigung eines dynamischen Bindungswillens unabhängig von der ursprünglich als Gleichstellungsabrede vereinbarten Verweisungsklausel ergeben kann, hätte die Klägerin jedenfalls darlegen müssen, dass die von der Beklagten geleisteten Sonderzahlungen bei Annahme einer Gleichstellungsabrede nicht als Vertragserfüllung geschuldet gewesen seien. Aus der Verpflichtung der Beklagten zur weiteren statischen Anwendung des entsprechenden Tarifvertrages könnte sich eine solche Leistungspflicht auch ergeben, etwa aus dem unverändert gebliebenen § 12 B MTV über die Sonderzuwendung.

([X.]) Aus einer zwischenzeitlichen Zahlung tariflicher Sonderzuwendungen kann die Klägerin ferner nicht schließen, dass die Beklagte sich trotz ihres vorherigen [X.] und der Einstellung der Übernahme laufender Tariferhöhungen an die Dynamik der Tarifentwicklung, insbesondere hinsichtlich der [X.], vertraglich anbinden wollte. Unabhängig von dem für die Beklagte maßgebenden Motiv der vorübergehenden Gewährung einer Sonderzahlung war für die Klägerin deshalb ein Rückschluss auf einen entsprechenden Rechtsbindungswillen der Beklagten hinsichtlich einer von der [X.] unabhängigen vertraglichen Bindung an die „Tarifverträge der infrage kommenden Sparte“ nicht möglich.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt in der unbeschränkten Gewährung von Vertrauensschutz für vor dem 1. Jan[X.]r 2002 geschlossene Verträge kein Wertungswiderspruch zu Art. 229 § 5 EG[X.]. Zu dieser Bestimmung fehlt der Bezug. Die Vorschrift befasst sich mit der Anwendung des durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geänderten Bürgerlichen Rechts. Das betrifft [X.]. die Geltung der §§ 305 ff. [X.] für Dauerschuldverhältnisse, zu denen nach dem Wegfall der Bereichsausnahme des § 24 [X.] nach der Maßgabe des § 310 Abs. 4 Satz 2 [X.] auch Arbeitsverträge zählen. Die Rechtsprechungsänderung stützt sich jedoch nicht unmittelbar auf die Regelungen über die Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. [X.] und insbesondere auch nicht auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 [X.]. Maßstab der Auslegung der Vertragsklausel sind die §§ 133, 157 [X.] (ausf. [X.] 22. April 2009 - 4 [X.] - Rn. 65 [X.], [X.]E 130, 286; 18. November 2009 - 4 [X.] - Rn. 19 [X.], [X.]E 132, 261; 26. August 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 52 [X.], [X.]E 132, 10; 18. April 2007 - 4 [X.] - Rn. 24, 53 ff., [X.]E 122, 74; 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 36 ff. [X.], [X.]E 128, 185). Die Aufgabe der bisherigen [X.] ist nicht unmittelbar auf eine Änderung der materiellen Rechtslage, wie sie etwa durch das Inkrafttreten der Schuldrechtsreform eingetreten ist, zurückzuführen, sondern beruht auf den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung. Deshalb besteht auch keine Vergleichbarkeit mit den Fällen, die das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EG[X.] regelt, wie die Klägerin meint. In der Folge kann bei der Festlegung eines Stichtages, bis zu dem Vertrauensschutz gewährt werden soll, kein Wertungswiderspruch zu einer gesetzlichen Übergangsregelung bestehen, die einen anderen Sachverhalt regelt (siehe [X.] 22. April 2009 - 4 [X.] - aaO). Eine zeitlich begrenzte Klarstellungsmöglichkeit für den [X.] durch einzelvertragliche Änderungsangebote hat der Senat verworfen ([X.] 17. November 2010 - 4 [X.] - Rn. 32 [X.], [X.] [X.] § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 85; 14. Dezember 2005 - 4 [X.] - Rn. 27, [X.]E 116, 326). Hieran etwas zu ändern, sieht der Senat keinen Anlass.

III. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Hannig    

        

    Drechsler    

                 

Meta

4 AZR 79/10

14.12.2011

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Cottbus, 29. April 2009, Az: 2 Ca 1884/08, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2011, Az. 4 AZR 79/10 (REWIS RS 2011, 471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 471

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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