Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2019, Az. I ZR 29/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3652

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Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr einen Notanwalt zur Wahrung ihrer Rechte im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 29. Januar 2015 beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert: 135.000 €

Gründe

1

I. Die Klägerin wendet sich mit einer Restitutionsklage gegen das im Vorprozess ergangene Berufungsurteil, mit dem gegen sie gerichteten Ansprüchen aus einem Werktitelrecht stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht hat die Restitutionsklage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

2

Gegen das am 6. Februar 2019 zugestellte Urteil ist am 12. Februar 2019 durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden. Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 11. Juni 2019 ist die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde an diesem Tag beim [X.] eingegangen. Zugleich hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, die Klägerin nach Einreichung des Begründungsschriftsatzes nicht mehr zu vertreten.

3

Ebenfalls am 11. Juni 2019 hat die Klägerin per Telefax den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt und mitgeteilt, ihrem Prozessbevollmächtigten das Mandat entzogen zu haben. Dieser hat mit Schriftsatz vom 4. Juli 2019 das Mandat ausschließlich zum Nachweis seiner Bevollmächtigung im Zeitpunkt der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sowie der Einreichung der Begründung wieder aufgenommen, seine entsprechende Bevollmächtigung anwaltlich versichert und eine am 4. Juli 2019 unterzeichnete [X.] der Klägerin überreicht, die sich ausdrücklich nicht auf die Einreichung einer Rechtsmittelbegründung erstreckt.

4

II. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist unbegründet.

5

1. Nach § 78b Abs. 1 ZPO hat das Gericht, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer [X.] auf ihren Antrag einen Notanwalt beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.

6

2. Hat die [X.] - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die [X.] die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Dabei rechtfertigen nach der Rechtsprechung des [X.]s allein Differenzen einer [X.] über die von ihrem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt avisierte Nichtzulassungsbeschwerdebegründung und die darauf folgende Mandatsniederlegung nicht die Beiordnung eines Notanwalts. Mit dem Ziel - wie hier -, die Einreichung einer inhaltlich ihren Vorstellungen entsprechenden Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zu erreichen, kann eine [X.] die Beiordnung eines Notanwalts nicht verlangen. Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen diese Rechtsmittel nur durch beim [X.] zugelassene Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen begründet werden, die auch die Verantwortung dafür tragen. Eine Beiordnung allein zu dem Zweck, die von einer nicht postulationsfähigen Person verfasste Rechtsmittelbegründung in das Verfahren einzuführen, liefe dem Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung zuwider und stünde im Widerspruch zur Eigenverantwortung der Rechtsanwälte. Scheitert die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung daran, dass der beauftragte postulationsfähige Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen der [X.] zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen beim [X.] ist, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in [X.] besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtsuchenden sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten erspart. Zugleich soll der [X.] von unzulässigen Rechtsmitteln entlastet werden. Dem liefe es zuwider, wenn die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen den Rat ihres Prozessbevollmächtigten durchzusetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2017 - [X.]/17, juris Rn. 3; Beschluss vom 5. Juli 2017 - [X.], juris Rn. 8 mwN). Danach kommt die Beiordnung eines Notanwalts hier nicht in Betracht. Die Restitutionsklägerin will damit allein erreichen, dass eine inhaltlich ihren Vorstellungen entsprechende Nichtzulassungsbeschwerdebegründung eingereicht wird.

7

3. Für die Beiordnung eines Notanwalts besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist rechtzeitig und wirksam von einem beim [X.] zugelassenen Anwalt eingereicht worden (dazu sogleich III). Normzweck des § 78b ZPO ist es, gleiche Chancen bei der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung zu sichern (vgl. [X.] in [X.], ZPO, 8. Aufl., § 78b Rn. 1; vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. Juni 2017 - [X.]/17, juris Rn. 3). Dieser Normzweck fordert hier keine Beiordnung. Die gleichen Chancen sind durch die fristgerecht eingereichte Begründung bereits gewahrt.

8

III. [X.] ist zulässig. Insbesondere ist sie innerhalb der (verlängerten) Frist von einem beim [X.] zugelassenen Anwalt begründet worden. Der Prozessbevollmächtigte konnte diese Prozesshandlung trotz Kündigung des Mandatsverhältnisses wirksam namens und in Vollmacht der Klägerin vornehmen.

9

1. Nach § 87 Abs. 1 ZPO erlangt die Kündigung des Vollmachtvertrags dem Gegner gegenüber erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in [X.] erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Dasselbe gilt gegenüber dem Gericht (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 1979 - [X.], [X.], 999 [juris Rn. 7]). Die Regelung soll verhindern, dass Ereignisse, die in der Sphäre einer [X.] liegen, dem Prozessgegner und dem Gericht die Fortführung und Abwicklung des Rechtsstreits erschweren ([X.] in Musielak/[X.], ZPO, 16. Aufl., § 87 Rn. 1).

2. Der Prozessbevollmächtigte hat danach trotz der Kündigung des Mandatsverhältnisses durch die Restitutionsklägerin am 11. Juni 2019 sowie die Niederlegung des Mandats am selben Tag die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wirksam fristgerecht eingereicht. Die ihm erteilte [X.] konnte gegenüber dem Gegner und dem Gericht erst dadurch enden, dass ein anderer beim [X.] zugelassener Anwalt seine Bestellung anzeigt. Da dies nicht geschehen ist, blieb der Prozessbevollmächtigte trotz Kündigung seines Auftrags durch die Klägerin weiterhin deren Vertreter im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1959 - [X.], [X.]Z 31, 32 [juris Rn. 12]). Somit konnte der Prozessbevollmächtigte, obwohl das seiner [X.] zugrundeliegende Mandat gekündigt war, gegenüber dem Gegner und dem Gericht rechtswirksam Prozesshandlungen - hier die Einreichung der Rechtsmittelbegründung - für die Restitutionsklägerin vornehmen (vgl. [X.], Beschluss vom 6. Dezember 1989 - [X.], [X.], 388 [juris Rn. 5]; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 87 Rn. 5). Etwas Anderes folgt nicht daraus, dass die schriftliche [X.] der Klägerin vom 4. Juli 2019 die Einreichung der Rechtsmittelbegründung ausdrücklich ausnahm. Gemäß § 83 Abs. 1 ZPO entfaltet diese Beschränkung im Außenverhältnis keine rechtliche Wirkung.

IV. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten [X.] greifen nicht durch und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert auch im Übrigen keine Entscheidung des [X.]. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

        

Löffler     

        

Schwonke

        

Pohl      

        

Schmaltz      

        

Berichtigungsbeschluss vom 25. März 2021

Der Tenor des Beschlusses vom 12. September 2019 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wie folgt berichtigt:

Statt "29. Januar 2015" muss es "29. Januar 2019" heißen.

Koch     

   

Schaffert     

   

Pohl

   

Schmaltz     

   

Odörfer     

   

Meta

I ZR 29/19

12.09.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 29. Januar 2019, Az: 5 U 110/17

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2019, Az. I ZR 29/19 (REWIS RS 2019, 3652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3652

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Notanwaltsbestellung und Wiedereinsetzung: Mandatsniederlegung des beauftragten Rechtsanwalts bei Differenzen; Darlegungslast der Partei für mangelndes Verschulden; …


XII ZR 11/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

I ZR 29/19

Zitiert

III ZR 63/17

XII ZR 11/17

Zitieren mit Quelle:
x

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