Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2012, Az. VI ZR 79/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8734

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/11
Verkündet am:

28. Februar 2012

Holmes

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 253; § 823 Ah, I
Für Klagen auf Zahlung einer Geldentschädigung, die auf ehrkränkende [X.] in einem anderen Gerichtsverfahren bzw. gegenüber den [X.] gestützt werden, besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbe-dürfnis, wenn die Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienten oder in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten [X.] wurden.

[X.], Urteil vom 28. Februar 2012 -
VI [X.]/11 -
Saarländisches OLG

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
28. Februar 2012
durch den Vorsitzenden [X.],
die Richter
[X.], Pauge, [X.] und die Richt[X.] von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5.
Zivilsenats des Saarländi-schen [X.]s
vom 16.
Februar 2011 wird auf Kosten des [X.]n zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der [X.] nimmt den klagenden Lebensversicherer (nachfolgend: Kläg[X.]), soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Zahlung einer Entschädigung wegen ehrverletzender Äußerungen
in Anspruch.
Der [X.] hatte im Dezember 2001 bei
der
Kläg[X.]
einen [X.] abgeschlossen. Versicherte Person war seine Ehefrau. Die Versicherungssumme betrug
zuletzt 1.682.163

r-brachten der [X.] und seine Ehefrau einen Badeurlaub in [X.]. Am 1.
Januar 2004 kam die Versicherte unter im Einzelnen ungeklärten Umständen beim [X.] zu Tode. Sie wurde entsprechend der Bitte des [X.]n 1
2
-

3

-

nicht
obduziert. Der [X.] ließ den Leichnam am 3.
Januar 2004 ohne vor-herige Unterrichtung der Familie verbrennen. Der Verbleib der Urne mit der Asche
der Verstorbenen
ist ungeklärt. Das -
u.a. auf Betreiben der Kläg[X.]
-
von der Staatsanwaltschaft [X.] gegen den [X.]n eingeleitete Ermittlungsver-fahren wegen des Verdachts der Tötung seiner Ehefrau wurde gemäß §
170 Abs.
2 Satz 1 [X.] eingestellt.
In einem Vorprozess nahm der [X.] die Kläg[X.] auf Feststellung ih-rer
Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag in Anspruch. Die Klä-g[X.] berief sich auf Leistungsfreiheit gemäß §
170 Abs.
1 [X.] a.F.
Sie machte
geltend, der [X.] habe den Tod seiner
Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt, um in den Genuss der Versicherungsleistung
zu kommen. Sie listete eine Reihe von Indizien auf, die nach ihrer Ansicht den Vorwurf stützten, insbesondere [X.] in den verschiedenen Schilderungen des Geschehens durch den [X.]n, das Unterbleiben einer Obduktion, das rasche Verbrennen des Leichnams, das Verschwinden der Urne mit der Asche, das wegen der Höhe der Gesamtversicherungssummen bei verschiedenen Versicherern und angeb-licher finanzieller Schwierigkeiten des [X.]n naheliegende Tatmotiv sowie nach ihrer Einschätzung gegebene Zweifel an der allgemeinen persönlichen Integrität des [X.]n. In diesem Zusammenhang berief sie sich u.a. auf [X.] der mit der Sachaufklärung beauftragten A.
GmbH, auf Schilderun-gen aus dem Verwandten-
und Freundeskreis der Verstorbenen zum Verhältnis der Eheleute und auf Vorwürfe der sexuellen Belästigung asiatischer Haus-haltshilfen. Mit Urteil vom 21.
August 2007 wies das [X.] die Klage ab. Es hatte sich davon überzeugt, dass der [X.] den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt hatte. Mit Urteil vom 11.
November 2009 hob das [X.] die Entscheidung des [X.] auf und stellte fest, dass die Kläg[X.] verpflichtet ist, die Leistung aus dem Lebensversi-cherungsvertrag zu erbringen. Die Kläg[X.] habe die vorsätzliche Herbeiführung 3
-

4

-

des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer gemäß §
170 Abs.
1 [X.] a.F.
nicht bewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Wegen der im Vorprozess und gegenüber der Staatsanwaltschaft [X.] auf-gestellten Behauptungen verlangte der [X.] von der Kläg[X.] die Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Die Kläg[X.] hat daraufhin negative Feststellungsklage erhoben. Nachdem der [X.] Wi-derklage auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 20.000

negativen Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt. Das [X.] hat die Widerklage mangels [X.] als unzulässig ab-gewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung des [X.]n zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revi-sion verfolgt der [X.] sein Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unzulässig, weil die gegen den [X.]n erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem rechtlich ge-ordneten Verfahren geäußert worden seien. Es sei
mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs unvereinbar, wenn redli-cher Sachvortrag in einem Zivilprozess aus Gründen des [X.] zu straf-
oder zivilrechtlichen Nachteilen führe, weil die Behauptung sich später im Prozess als unrichtig oder unaufklärbar erweise. Zwar habe ein an Massivität kaum zu übertreffender Vorwurf im Raum gestanden. Dies ändere aber nichts daran, dass die Kläg[X.] in rechtlich zulässiger Weise und ohne Sanktionen 4
5
-

5

-

gewärtigen zu müssen, habe darlegen und zu beweisen versuchen dürfen, von ihrer versicherungsvertraglichen Leistungspflicht befreit zu sein. Da die Kläg[X.] keine eigenen Erkenntnisse über den Geschehensablauf gehabt habe, es durchaus [X.]altspunkte gegeben habe, die eine genauere Überprüfung ange-zeigt hätten erscheinen lassen und es u.a. auf die vom [X.]n veranlassten Maßnahmen zurückzuführen gewesen sei, dass eine Untersuchung des [X.] zur genauen Klärung der Todesursache nicht möglich gewesen sei, habe es der Kläg[X.] zugebilligt werden müssen, von ihren
prozessualen Rechten dadurch Gebrauch zu machen, dass sie einen ihr günstigen Sachverhalt be-hauptet, ihn stützende
Informationen zu ermitteln versucht und nach ihrer [X.] geeignete Beweismittel in das Verfahren eingeführt habe. Dieses Verhalten dürfe nicht rückwirkend mit dem Risiko einer Entschädigungspflicht behaftet werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Kläg[X.] mit "[X.] und irreführendem" Sachvortrag über die reine Rechtsverteidigung hinaus-gegangen sei. Die Kläg[X.] sei auch berechtigt gewesen, nicht unmittelbar mit dem Versicherungsfall zusammenhängende weitere Straftaten in den Raum zu stellen. Die diesbezüglichen Behauptungen ständen nicht völlig außerhalb des prozessrelevanten Sachverhalts. Die Kläg[X.] habe hierdurch versucht, Zweifel an der persönlichen Integrität des [X.]n zu untermauern, die naturgemäß auch für die Frage, ob jemandem eine schwere Straftat zuzutrauen sei, eine Rolle spiele. Der Einwand des [X.]n, die Kläg[X.] habe ihre diffamierende Kampagne auch außerhalb des Prozesses betrieben, indem sie versucht habe, ihn durch "eigene" Ermittlungen zu überführen,
und dabei gezielt Personen aus seinem Umfeld mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert
habe, gehe
fehl. Es liege in der Natur der Sache, dass das Einbringen von Sachvortrag und das Anbieten von Beweismitteln in ein gerichtliches Verfahren vorbereitend und begleitend außerprozessuale Maßnahmen einschließe. Das Verhalten der Klä-g[X.] sei stets auf die Vorbereitung und Geltendmachung ihrer Rechte im -

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-

Rechtsstreit bezogen gewesen.
Eine Entschädigungspflicht der Kläg[X.] sei auch im
Hinblick auf das "Initiieren"
und "In-Gang-Halten"
des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen. Auch im strafprozessualen [X.] hätten Äußerungen in einem rechtlich geordneten Verfahren im Raum gestanden, bezüglich derer die Kläg[X.] vor nachträglicher Sanktion zu [X.] sei. Außerhalb des [X.] bzw. des von der Staatsanwaltschaft [X.]
geführten Strafverfahrens sei die
Kläg[X.]
nicht zu dem Zweck
an Personen herangetreten, den [X.]n unabhängig von der Durchsetzung
ihrer Position im gerichtlichen Verfahren zu diffamieren. Im Übrigen könne niemand sicher sagen, auf welche Weise welche Personen Kenntnis von der Beschuldigung des [X.]n erlangt hätten. Dies könne ebenso infolge "durchsickernder" In-formationen aus dem Erstprozess zwischen den Parteien geschehen sein wie auch durch die den [X.]n des Mordes bezichtigenden Schwiegereltern
oder auch im Zusammenhang mit Zivilrechtsstreiten zwischen dem [X.]n und anderen Lebens-
oder Unfallversicherern. Die Kläg[X.] habe auch nicht vorsätzlich unwahre Behauptungen aufgestellt. Denn sie habe keine Kenntnisse aufgrund eigener Wahrnehmung haben können. Von Leichtfertigkeit sei im [X.] auf die von ihr zusammengetragenen Indizien, insbesondere den [X.], dass die Eltern der Verstorbenen selbst ihren Schwiegersohn des [X.] bezichtigt hätten, nicht auszugehen. An dieser Beurteilung änderten die Ermittlungsmethoden und Ermittlungsergebnisse der in [X.] ermittelnden Detektive nichts. Denn unstreitig habe nicht die Kläg[X.], sondern die E.
Le-bensversicherung
AG den entsprechenden Detektiv beauftragt; die Kläg[X.] habe unstreitig auf dessen Ermittlungsergebnisse keinen Einfluss genommen. Nach allem könne auch keine Rede davon sein, dass die Unhaltbarkeit der Vorwürfe auf der Hand gelegen habe. Die genaue Todesursache der Versicher-ten sei und bleibe unaufklärbar.

-

7

-

II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat die Widerklage zu Recht für
unzulässig gehalten, weil die Kläg[X.] die beanstandeten Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren zur
Rechtsverteidigung bzw.
gegenüber den [X.] gemacht
hat.
1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats
be-steht für [X.] gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung
oder
Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, in aller Regel
kein
Rechtsschutzbedürfnis (Senatsurteil vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, [X.], 357 Rn.
12 mwN; vgl. auch [X.], NJW-RR 2007, 840 f. mwN; [X.], Urteil vom 9.
April 1987 -
I
ZR 44/85, [X.], 627, 628 -
Gegenangriff).
Das sogenannte Ausgangsverfahren soll
nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten be-einträchtigt werden (vgl. Senatsurteile
vom 17.
Dezember 1991 -
VI
ZR 169/91,
VersR 1992, 443 mwN; vom 16.
November 2004 -
VI
ZR 298/03, [X.], 277 f.). Vielmehr müssen die Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird.
Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegen-den Ausgangsverfahren geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung Betroffene kann weder Unterlassungs-
noch Widerrufsansprüche geltend ma-chen
(vgl. Senatsurteile vom 10.
Juni 1986 -
VI
ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503 mwN.; vom 16.
November 2004 -
VI
ZR 298/03,
aaO, S. 278; vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
13). Dies trägt
dem Recht der [X.] auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz
aus Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Ge-6
7
-

8

-

hör aus Art.
103 Abs.
1 GG Rechnung
(vgl. [X.], NJW 1991, 29; NJW-RR 2007, 840, 841; [X.], Beschluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, juris
Rn.
17, jeweils
mwN).
Die Rechte des Betroffenen werden hinreichend
dadurch
gewahrt, dass ihm bereits im Ausgangsverfahren prozessual wie mate-riell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen be-reitstehen; er kann schon in diesem Verfahren
die Behauptung
des Prozess-gegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (vgl. Senatsurteile vom 14.
November 1961 -
VI
ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244; vom 10.
Juni 1986 -
VI
ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
13, 16).

Diese Grundsätze gelten entsprechend für Äußerungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden
(Senatsurteile vom 14.
November 1961 -
VI
ZR 89/59, NJW 1962, 243, 245; vom 10.
Juni 1986 -
VI
ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vgl. auch [X.]E 74, 257, 258, 262 f.; [X.], NJW 1991, 29, 30; Beschluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, juris Rn. 17). Wer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei seinen Verdacht mitteilt, dass ein anderer eine strafbare Handlung begangen habe, berührt
zwangsläufig die Ehre des anderen. Das kann ihm nicht verwehrt werden;
denn mit der Erstattung der [X.] übt er ein jedem Staatsbürger zustehendes Recht aus. Die Strafanzeige eines Bürgers liegt darüber hinaus
grundsätzlich
im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten
(vgl. [X.] vom 14.
November 1961 -
VI
ZR 89/59, aaO; [X.]E 74, 257,
262). Aus diesen Gründen
muss der [X.] im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren
grundsätzlich das vorbringen
dürfen, was er nach seinem Ermessen zur Aufklä-rung der Sache für erforderlich hält.
Den berechtigten Belangen des in seiner Ehre Betroffenen ist durch die Bestimmung des §
164 StGB (falsche Verdächti-gung), die Kostenregelung in §
469 [X.]
für den Fall einer vorsätzlich oder 8
-

9

-

leichtfertig erstatteten unwahren Anzeige
sowie die rechtsstaatliche Ausgestal-tung des Ermittlungsverfahrens hinreichend Rechnung getragen.
Für zivilrecht-liche Abwehransprüche ist dagegen in aller Regel
kein Raum
(vgl. Senatsurteile
vom 14.
November 1961 -
VI
ZR 89/59, aaO; vom 10.
Juni 1986 -
VI
ZR 154/85, aaO; [X.]E 74, 257, 262; Beschluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, aaO).
2. Zutreffend hat das Berufungsgericht diese Grundsätze auf Klagen auf Zahlung einer Geldentschädigung
übertragen, die auf ehrkränkende Äußerun-gen
in einem anderen Gerichtsverfahren bzw.
gegenüber den Strafverfolgungs-behörden
gestützt werden.
Auch für solche Klagen
besteht
in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Äußerungen
der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienten
oder
in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte
oder Pflichten
gemacht wurden
(vgl. Senatsurteile vom 5.
November 1963 -
VI
ZR 216/62, [X.], 136; vom 10.
Juni 1986 -
VI
ZR 154/85, aaO; Stau-dinger/[X.], [X.], 13.
Bearbeitung 1999, §
823 Rn.
[X.]; Münch-Komm[X.]/Rixecker, 6.
Aufl., [X.]. §
12 Rn.
191 f.; [X.], [X.], 207, 215
f.).
Dies gilt auch dann, wenn das andere Verfahren bereits abgeschlossen ist.
Denn mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
3 GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) ist es nicht vereinbar, wenn redliche
Äußerungen in einem Zivilprozess oder die redliche Wahrneh-mung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten im Straf(ermittlungs)verfahren aus Gründen des [X.] zu rechtlichen Nachteilen führen, weil die [X.] sich später im Prozess oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, juris
Rn.
17 mwN). Ein wirkungsvoller gerichtlicher Rechts-schutz in [X.] setzt voraus, dass der Rechtsu-chende, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, gegenüber den Organen der Rechtspflege alle Handlungen vornehmen kann, die nach seiner von gutem 9
-

10

-

Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten (vgl. Senatsurteil vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
16; [X.], NJW-RR 2007, 840, 841
mwN).
In entsprechender Weise führte es zu einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden, unzumutbaren Be-schränkung des Einzelnen und zu einer nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchti-gung der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege, wenn derjenige, der in gutem Glauben eine Strafanzeige erstattet hat, befürchten müsste, wegen seiner Äu-ßerungen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden mit einer Schadensersatz-klage wegen Ehrverletzung überzogen zu werden (vgl. [X.]E 74, 257, 263; [X.], Beschluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, juris
Rn.
17 mwN). Soweit dem Senatsurteil vom 10.
Juni 1986 ([X.], aaO
unter 5.) insoweit etwas anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht
festgehal-ten.

3. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht das Rechts-schutzbedürfnis für die vorliegende Klage zu Recht verneint.
a) Die Äußerungen der Kläg[X.]
im Vorprozess standen
in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Verfahrens
und waren dazu be-stimmt und geeignet, den
Standpunkt der Kläg[X.] darzulegen und zu [X.].
Nachdem der [X.] die Kläg[X.] auf Feststellung ihrer Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag in Anspruch genommen hatte, musste er
in Kauf nehmen, dass die näheren Umstände des
plötzlichen
Ablebens
seiner Ehefrau eingehend erörtert werden.
Die Kläg[X.] war in diesem [X.] grundsätzlich berechtigt, im Prozess all das
vorzutragen, was ihr für die Entscheidung über die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit gemäß §
170 Abs.
1 [X.]
a.F.
erheblich erschien, auch wenn es sich dabei um Äußerungen handelte, die geeignet waren, sich abträglich auf das
Ansehen des [X.]n auszuwirken.
10
11
-

11

-

Auf die Frage, ob der Beweis ihres Vorbringens
möglich oder von Anfang an ausgeschlossen erschien,
kommt es dabei
entgegen der Auffassung der Revision
nicht
an
(vgl. Senatsurteil vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
20). Es ist die ureigenste Aufgabe des mit dem Vorprozess befassten [X.], die ihm zur Rechtfertigung des Klagebegehrens und zur Rechtsverteidi-gung unterbreiteten
Tatsachen zu prüfen
und ihren Wahrheitsgehalt im Falle des Bestreitens durch eine Beweisaufnahme zu klären. Mit dem Rechtsstaats-prinzip und dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs wäre es unvereinbar, wenn
eine Partei in einem Zivilprozess
dem Ansehen des Gegners abträgliche
Tatsachen
zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nur dann
vortragen dürfte, wenn diese
nach vorläufiger Würdigung beweisbar erscheinen (vgl. [X.] vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
16; [X.], [X.] vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, juris
Rn.
17 mwN).
Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn das beanstandete Vorbringen -
wie im Streitfall
-
eine schwere Straftat zum Gegenstand hat und die Staatsanwaltschaft ein wegen des Verdachts dieser Straftat eingeleitetes Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß §
170 Abs.
2 Satz 1 [X.] eingestellt hat. Denn eine derartige Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft entfaltet keine Bindungswirkung für den Zivilprozess. [X.] haben die Zivilgerichte grundsätzlich selbständig und aufgrund freier Be-weiswürdigung (§
286 [X.]) über die Voraussetzungen des vor ihnen geltend gemachten Anspruchs zu befinden. Sie sind in der Regel selbst an [X.] in einem Strafurteil nicht gebunden (vgl. [X.], Urteile vom 9.
Juli 1951 -
IV
ZR
3/50, [X.]Z 3, 65, 69
f.; vom 22.
September 1982 -
IVb
ZR 576/80, [X.]Z 85, 32, 36 ff.; vom 26.
Januar 1989 -
X
ZR 100/87, juris Rn.
18). Dies gilt umso mehr für Feststellungen in einer Einstellungsverfügung gemäß §
170 Abs.
2 [X.]. Denn ihr kommt keinerlei Rechtskraftwirkung zu; das Ermittlungs-verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden (vgl. [X.], 315, 316; 12
-

12

-

Meyer-Goßner, [X.], 52.
Aufl., §
170 Rn.
9; [X.] Kommentar/[X.], [X.], 6.
Aufl., §
170 Rn.
23). Die Unschuldsvermutung wird hierdurch entgegen der Auffassung der Revision nicht verletzt.
Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht in Hinblick auf die -
den Grundsatz freier richterlicher Überzeugungsbildung einschränkende und über §
823 Abs.
2 [X.] ins Zivilrecht transformierte
(vgl. Senatsurteil vom 9.
Juli 1985 -
VI
ZR 214/83, [X.]Z 95, 212, 216
-
Wehrmachtsoffizier; [X.], StGB, 59.
Aufl., §
190 Rn.
4; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 28.
Aufl., §
190 Rn.
4)
-
Beweisregel des §
190 Satz
2 StGB geboten. Ihre Anwendbarkeit scheitert in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Ermittlungsverfahren gemäß §
170 Abs.
2 Satz 1 [X.] eingestellt
worden ist,
schon daran,
dass der Beschuldigte vor der inkriminierten Behauptung nicht -
wie in der Bestimmung vorausgesetzt
-
vom Vorwurf der Tatbegehung freigesprochen worden ist. Ab-gesehen davon kommt diese
Beweisregel im Zivilverfahren nur im Rahmen von Klagen wegen Ehrverletzung, nicht hingegen im [X.] zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zur Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 9.
Juli 1985 -
VI
ZR 214/83, aaO S.
216 -
Wehrmachtsoffizier).
b) Es kann dahingestellt werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis zu beja-hen wäre, wenn die Äußerungen der Kläg[X.]
im Vorprozess bewusst unwahr
oder
auf der Hand liegend falsch gewesen wären oder eine
Schmähung

darge-stellt hätten (vgl. Senatsurteile vom 14.
November 1961 -
VI
ZR 89/59, NJW 1962, 243,
244; vom 10.
Juni 1986 -
VI
ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
17; [X.],
NJW-RR 2007, 840 Rn.
14; [X.], Beschluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, Rn.
18).
Denn
eine derartige Fallkonstellation ist nach
den
vom Berufungsgericht
rechts-fehlerfrei getroffenen Feststellungen
nicht gegeben.
Die Kläg[X.]
hatte keine eigene Kenntnis von den Umständen des Ablebens der Ehefrau des [X.]n. 13
14
-

13

-

Zur Begründung ihres Vorwurfs, der [X.] habe den Tod seiner Frau [X.] herbeigeführt, hatte sie eine Reihe von Verdachtsmomenten vorgetra-gen, die das Landgericht als
zur Überzeugungsbildung ausreichend angesehen hatte.
Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht eine wissentliche [X.] oder auf der Hand liegende Unhaltbarkeit der Vorwürfe mit Recht ver-neint.
Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die zu einer anderen Beur-teilung des Vorbringens der Kläg[X.] führen
würden.
Soweit die Revision in [X.] Zusammenhang beanstandet, das Berufungsgericht habe die Akten des [X.] nicht beigezogen,
bleibt der Rüge der Erfolg versagt. Es
fehlt an den erforderlichen
Darlegungen dazu, dass das [X.] auf diesem Mangel beruht
(vgl. Senatsurteil vom 13.
Juli 1956 -
VI
ZR 150/55, LM
Nr.
6 zu §
280 [X.]; [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
551 Rn.
14).
Die beanstandeten Äußerungen stellen auch keine Schmähung dar
(vgl. zum Begriff der Schmähung: Senatsurteil vom 11.
Dezember 2007 -
VI
ZR 14/07, aaO Rn.
22 mwN). Im Vordergrund des Vorbringens der Kläg[X.] stand ersichtlich die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die Abwehr des ge-richtlich geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung der Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag, und nicht die Diffamierung der Person des [X.]n.
c) Das Berufungsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis auch insoweit zutreffend verneint, als die Klage auf das "Initiieren"
und "In-Gang-Halten"
des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Kläg[X.] gestützt ist. Insoweit hat die Kläg[X.] von ihrem staatsbürgerlichen Recht Gebrauch gemacht, den Strafverfolgungsbehörden den Verdacht einer Straftat mitzuteilen. Dass die Kläg[X.] hierbei wissentlich unwahre oder leichtfertig unhaltbare Behauptungen aufgestellt oder Äußerungen gemacht hätte, die in keinem inneren [X.] mit dem von ihr verfolgten berechtigten Anliegen stehen (vgl. [X.], Be-15
16
-

14

-

schluss vom 15.
Dezember 2008 -
1
BvR 1404/04, juris, Rn.
18), ist weder er-sichtlich noch dargetan.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 [X.].
Galke
[X.]
Pauge

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.07.2010 -
14 O 64/10 -

O[X.], Entscheidung vom 16.02.2011 -
5 [X.]-61 -

17

Meta

VI ZR 79/11

28.02.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2012, Az. VI ZR 79/11 (REWIS RS 2012, 8734)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8734

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 467/13 (Bundesgerichtshof)


VI ZR 86/16 (Bundesgerichtshof)


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VI ZR 79/11

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