Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2012, Az. 1 StR 391/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1145

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 391/12

vom
21. November
2012
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

4.

wegen
Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 21. November
2012
be-schlossen:

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Dezember 2011 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]). Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden und von den [X.] nicht entkräfteten Ausführungen des [X.] in seinen [X.] vom 18. September 2012. Die Annahme lediglich bedingt vor-sätzlichen Handelns beschwert die Angeklagten jedenfalls nicht.

Ergänzend bemerkt der Senat zur Revision des Angeklagten R.

P.

:

1. Der Rüge nach §
338 Nr. 3 [X.] bleibt der Erfolg versagt; sie ist schon im Ansatz verfehlt. Der Beschwerdeführer sieht die bereits mit [X.] geltend gemachte Befangenheit der Berufsrichter der [X.] darin, dass diese sich im Zwischenverfahren konkret zu einem möglichen Strafmaß im Falle einer -
dann nicht zustande gekommenen -
Verständigung ungefragt geäußert haben. §
202a [X.] sieht jedoch gerade vor, dass das [X.] -
nach seinem Ermessen -
den Stand des Verfahrens mit den [X.] erörtern kann, was neben einer bloßen Strukturierung des weiteren -
3
-
Verfahrens auch die Vorbereitung einer verfahrensbeendenden Absprache um-fasst (vgl. [X.], [X.], 55. Aufl., § 202a Rn.
2; [X.] in BeckOK-[X.], § 202a Rn. 4; [X.]/[X.], [X.], §
202a Rn. 3). [X.] kann auch eine Strafober-
und eine Strafuntergrenze angegeben werden (vgl. § 257c [X.]).
§ 202a [X.] begründet für das Gericht weder eine Pflicht, verfahrensfördernde Gespräche zu führen, noch eine solche, bei einem [X.] bezüglich der Straferwartung zu schweigen. Eine Bindungswirkung
ent-faltet die Erörterung des [X.] nach §
202a [X.]
nicht
([X.], Beschluss vom 20. Dezember
2011 -
3 StR 426/11, [X.], 148), gleich ob der Verfahrensstand mündlich besprochen wurde oder dieser -
wie hier -
Eingang in eine schriftliche Ausarbeitung gefunden hat, die zum Gegen-stand eines Gesprächs mit den Verfahrensbeteiligten gemacht wurde. Nach §
202a Satz 2 [X.] ist der Inhalt geführter Erörterungen ohnedies zu doku-mentieren (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2010 -
1 [X.]/10,
wistra 2011, 139).

2. Auch die Rüge einer Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] wegen der Ablehnung eines Beweisantrags als aus tatsächlichen Gründen bedeu-tungslos greift nicht durch.

a) Die Verteidigung hatte beantragt, einen Referatsleiter der [X.] dazu zu vernehmen, dass die im Januar 2010 erklärte Zustimmung zur Erstattung von Umsatzsteuer ebenso wie eine auf Antrag erteilte Unbedenk-
ungstaktischer Erwägungen mit dem [X.]--
nach [X.] vom 5. Dezember 2012) -
als aus tatsächlichen Gründen -
4
-
bedeutungslos abgelehnt. Die Feststellung von Schuld und [X.] durch die unter Beweis gestellte Einbeziehung der Finanzbehörden nicht beeinflusst, zumal es sich (angesichts des seinerzeit nicht ausermittelten [X.] und des andernfalls gefährdeten [X.]) nicht um vor-werfbares Verhalten der Ermittlungsbehörden gehandelt habe, das die [X.] ausgelöst hätte.

b) Die Behandlung dieses Beweisantrags weist keinen Rechtsfehler auf. Sie entspricht vielmehr den im Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2010 (1
[X.],
NJW 2011, 1299 mwN) dargelegten Grundsätzen, von denen abzuweichen der Senat auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens keine Veranlassung sieht.

(1) Der Tatbestand der Steuerhinterziehung in der hier einschlägigen Va-riante des § 370
Abs. 1
Nr.
1
[X.] setzt keine gelungene Täuschung voraus; [X.] als bei § 263 StGB kann daher eine Tatvollendung auch nicht dadurch entf[X.], dass die Täuschung. Im Gegensatz zu § 370 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ist bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 [X.] -
schon nach seinem Wortlaut -
nicht auf eine Kenntnis oder Unkenntnis der Finanzbehörden abzustellen oder das un-geschriebene Merkmal der "Unkenntnis" der Finanzbehörde vom wahren Sach-verhalt in den Tatbestand hineinzulesen ([X.], Beschluss vom 14. Dezember 2010 -
1 [X.], NJW 2011, 1299 mwN; [X.] in [X.]/Gast/
[X.], Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 [X.] Rn. 198 f.).
Es genügt vielmehr, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkür-zung oder das [X.] nicht gerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden.
Selbst wenn (was hier nicht einmal behauptet wird) der zuständige Veranla-gungsbeamte
und die zuständige Finanzbehörde von [X.] für eine zutreffende -
5
-
Besteuerung bedeutsamen Tatsachen Kenntnis haben und im Besitz aller [X.] erforderlichen Beweismittel sind, kann dies einer Tatvollendung daher nicht entgegen stehen.

Entgegen der Auffassung der Revision gelten diese Grundsätze unbe-schadet davon, ob allein das Täterhandeln (wie z.B. in Fällen des § 168 Satz 1 [X.]) oder aber erst das hieran anknüpfende Handeln der Finanzbehörden (wie hier gemäß § 168 Satz 2 [X.]) die zum [X.] führende Steuerfestsetzung bewirkt. Für alle diese Fälle sieht §
370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 [X.]
eine Strafschärfung vor, wenn ein Finanzbeamter an der Tat mitwirkt. Da § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 2 [X.] nicht nur auf den unzuständigen Beamten anzuwenden
ist (die Unzuständigkeit ist nur eine Form des zur Strafschärfung führenden Amtsmissbrauchs;
vgl. [X.],
Urteil vom
6.
Juni 2007 -
5 [X.], [X.], 596
mwN; [X.], [X.], 11. Aufl. § 370 Rn. 285), kann auch die Kenntnis aller Tatumstände beim zuständigen Finanzbeamten (etwa demjeni-gen, der von ihm für seinen Zuständigkeitsbereich selbst gefertigte falsche Steuererklärungen bearbeitet) einer Tatvollendung nicht entgegenstehen, gleich ob er kollusiv mit dem Erklärenden zusammenwirkt oder nicht. In dem aus Sicht des [X.] erwartungsgemäß eingetretenen [X.] realisieren
sich stets der durch Abgabe einer unrichtigen Erklärung in Gang gesetzte Kausal-verlauf und die von §
370 [X.] rechtlich missbilligte Gefährdung des Steuerauf-kommens. Ein Vergleich mit Fällen eigenverantwortlicher Selbstschädigung (so [X.] wistra 2012, 45 ff.) muss versagen,
wie die unter Umständen
in Be-tracht kommende Strafbarkeit des wissenden,
aber pflichtwidrig (vgl. § 85 [X.]) gleichwohl veranlagenden Finanzbeamten nach §
266 StGB zeigt. Die Kenntnis des [X.] oder der Finanzbehörden vom wahren Sachverhalt, mag sie dem Täter bekannt oder unbekannt sein, entlässt diesen nicht aus [X.] Verantwortung zur Abgabe zutreffender Steuererklärungen; dass zu seinem -
6
-
Handeln das eigenverantwortliche Handeln eines Finanzbeamten hinzutritt, lässt die Zurechnung des vom Täter verursachten Handlungserfolgs nicht ent-f[X.].

(2) Mit dem Beweisantrag wurden auch keine Umstände behauptet, die zur Nichtigkeit eines die Steuerfestsetzung bewirkenden Verwaltungsaktes ge-führt haben. Weder die durch die Ermittlungen bestätigte materielle Unrichtig-n-Nichtigkeitsgrund i.S.v.
§ 125 [X.] dar. Ein Verwaltungsakt ist nicht allein deswegen nichtig, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt oder die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind. Die zur Nichtigkeit führende besondere Schwere
eines
Fehlers
liegt nur vor, wenn er die an eine ordnungsmäßige Verwaltung
zu stellenden [X.] in einem so hohen und offenkundigen Maße verletzt, dass von nieman-dem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen
([X.], Urteil
vom 16.
September 2010 -
V R 57/09,
DStR 2010, 2400). Hier durften die Finanzbehörden (zumal, wenn
dies -
wie behauptet -

mit dem [X.]) angesichts der Gefahr, andern-falls den Erfolg der äußerst umfangreichen Ermittlungen zur Aufdeckung und Zerschlagung eines groß angelegten Umsatzsteuerhinterziehungssystems (hier [X.] vor der Verhinderung einer einzelnen Tatvollendung durch Ablehnung der Zustimmung gemäß § 168 Satz 2 [X.] geben. Denn Straf-täter haben keinen Anspruch darauf, dass die Finanz-
oder die Ermittlungsbe-hörden rechtzeitig gegen sie
einschreiten, um den Eintritt des [X.]s zu verhindern
([X.], Beschluss vom 14. Dezember 2010 -
1 [X.], NJW 2011, 1299 mwN).
-
7
-

(3) Auch soweit die Revision vorbringt, die Beweisbehauptung habe für die subjektive Tatseite Bedeutung, weil die nur aus ermittlungstaktischen Grün-den erteilte Zustimmung nach § 168 Satz 2 [X.] und eine aus den gleichen Gründen influss auf
i-nen Rechtsfehler auf. Es kann dahinstehen, ob die Revision schon deswegen versagt, weil nach dem Hinweis in der Erklärung des Vorsitzenden und den Gründen des Ablehnungsbeschlusses offensichtlich war, dass die [X.] diese nicht naheliegende Bedeutung dem Beweisantrag nicht beizumessen vermochte, und es die Verteidigung gleichwohl unterlassen hat, diesem aus ihrer Sicht bestehenden Fehlverständnis entgegenzuwirken (zu diesem Rechtsgedanken vgl. [X.], Beschluss vom 3. September 2008 -
5 [X.], [X.], 382; [X.], Urteil vom 14. August 2008 -
3 [X.], [X.], 171; auch [X.], Beschluss vom 14. Januar 2010 -
1 [X.], Rn. 28). Denn es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass der Angeklagte zum Tatzeit-punkt davon ausging, dass die für das Bestehen eines [X.] sprechenden Umstände ([X.] ff.) nicht nur ihm, sondern auch den Finanzbehörden bekannt und damit Gegenstand von deren Prüfung waren, so dass nicht erkennbar
ist, dass der von der Revision angeführte Ge-sichtspunkt tatsächlich von Bedeutung hätte sein können.

(4) Die [X.] musste dem Beweisantrag auch mit Blick auf die Strafzumessung keine Bedeutung zubilligen. Es kann einen Täter regelmäßig nicht entlasten, dass Ermittlungsbehörden nicht rechtzeitig gegen ihn
einschrei-ten, um den Eintritt des [X.]s zu verhindern, oder
ihm laufende Ermittlun-gen nicht offenbart werden ([X.], Beschluss vom 14. Dezember 2010 -
1
[X.], NJW 2011, 1299 mwN). Umstände, die einen
über eine bloße Mitur-sächlichkeit hinausgehenden konkreten
Einfluss auf die Tatausführung gehabt
-
8
-
(hierzu vgl. [X.],
Urteil vom 29.
Januar 2009 -
3 [X.], [X.], 167) oder ein Einschreiten der
Finanz-
und Ermittlungsbehörden unabweisbar geboten hätten
(dazu vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar
2005 -
5 [X.], NJW 2005, 763) und die daher Einfluss auf die Strafzumessung hätten haben können (zum Ganzen auch [X.] in [X.], 2. Aufl.,
§ 46 Rn. 142 ff.; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 5.
Aufl.,
Rn. 1847, 1860; Meyberg
PStR 2011, 58, 59), hat die Verteidigung nicht unter Beweis gestellt.

Ri[X.] Dr. Wahl ist erkrankt

und deshalb an der Unter-

schrift gehindert.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Radtke

Meta

1 StR 391/12

21.11.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.11.2012, Az. 1 StR 391/12 (REWIS RS 2012, 1145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1145

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1 StR 275/10

V R 57/09

1 StR 587/09

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