Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2016, Az. 1 StR 194/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2056

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:221116U1STR194.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR 194/16
vom
22. November 2016
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 22.
November 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Graf

als Vorsitzender,

die [X.]in am [X.]
Cirener,
die [X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher
und die [X.]in am [X.]
Dr.
[X.],

Staatsanwältin

in der Verhandlung ,
[X.] beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das
Urteil des [X.] vom 19.
Januar 2016
mit den Feststel-lungen aufgehoben.
2.
Die Sache
wird
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels
der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgerichtskammer zuständige Strafkam-mer des [X.]s
zurückverwiesen.
3.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
4.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. [X.] wenden sich die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte mit ihren jeweils auf materiell-rechtliche Beanstandungen gestützten Revisionen. Das zu [X.] des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, das sich vor allem gegen die Beweiswürdigung des [X.]s wendet, hat Erfolg. Die Revision des Angeklagten bleibt dagegen erfolglos.
1
-
4
-

I.
Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und [X.] getroffen:
1.
Der Angeklagte und der später geschädigte Nebenkläger waren am Tattag jeweils als Kraftfahrzeugführer mit ihren Pkws
unterwegs. Als der Ange-klagte wegen eines vor ihm nach links abbiegenden Fahrzeugs anhalten muss-te, machte der mit seinem Pkw hinter ihm zum Halten gekommene
Nebenkläger mit der Lichthupe auf sich aufmerksam. Dieser glaubte, es sei dem Angeklagten möglich, rechts an dem wegen des
geplanten Abbiegevorgangs haltenden
Fahrzeug
vorbeizufahren. Nach der Betätigung der Lichthupe gestikulierten beide in ihren
Fahrzeugen. Aus diesem Grund bemerkte der Angeklagte [X.] nicht, dass das bislang vor ihm stehende
Fahrzeug
mittlerweile
abgebo-gen und die Fahrbahn damit frei war.
Der Nebenkläger fuhr daraufhin an dem noch stehenden Pkw des Ange-klagten vorbei und setzte seine Fahrt rasch fort. Es entstand ein erheblicher Abstand zwischen beiden Fahrzeugen. Der Angeklagte war entschlossen, den Nebenkläger zur Rede zu stellen und beschleunigte seinen Wagen, um den Nebenkläger einzuholen. Als ihm dies nach rund einem Kilometer Fahrstrecke gelungen war, veranlasste er den
Nebenkläger durch
Handzeichen zum Anhal-ten.
Der Angeklagte erwartete im Folgenden eine Auseinandersetzung mit dem Nebenkläger. Nachdem dieser
aus seinem Fahrzeug ausgestiegen war, erkannte der Angeklagte angesichts der Statur des [X.], dass dieser
ihm bei einer körperlichen Auseinandersetzung überlegen sein
werde.
[X.] nahm
der Angeklagte ein im Wagen mitgeführtes Taschenmesser
mit einer Klingenlänge von gut 6,3 cm
an sich, bevor er aus seinem Fahrzeug
ausstieg.
2
3
4
5
-
5
-
Das Messer hielt
er in seiner geschlossenen rechten Hand. Es kam zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen beiden, in deren Verlauf der An-geklagte

weiterhin vom Nebenkläger
unbemerkt

das Taschenmesser auf-klappte. Als der Nebenkläger im Verlauf des Geschehens den Angeklagten
im Bereich des Hemdkragens anfasste, stach dieser unvermittelt mit dem Ta-schenmesser in einer bogenförmigen Bewegung von schräg unten
auf Höhe der Brustwarze
in den Thoraxbereich des [X.].
Dieser erlitt durch den Stich eine 10 bis 15 cm tiefe, lebensbedrohliche Wunde im Bereich des linken Thorax, die
später notfallmäßig operativ versorgt werden musste und eine drei-tägige stationäre Behandlung nach sich zog.
Der Nebenkläger bemerkte unmittelbar nach dem Stich die stark bluten-de Verletzung, wich zurück und lief vom Ort des Geschehens weg. Der Ange-klagte setzte
ihm zunächst nach. Als er erkannte, den Nebenkläger nicht einho-len zu können, kehrte er um, begab sich zu seinem Fahrzeug und fuhr davon.
2.
Das [X.] hat einen
(wenigstens)
bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint und ihn
wegen gefährlicher Körperverletzung (§
224 Abs.
1 Nr.
2 und Nr.
5 [X.]) verurteilt. Der Messerstich gegen den Nebenklä-ger sei unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Notwehrlage bestanden habe, jedenfalls wegen des aufgrund vorangegangener vorwerfbarer Provokati-on des Angeklagten eingeschränkten Notwehrrechts nicht geboten gewesen.

II.
Revision der Staatsanwaltschaft

Das
vom [X.]
vertretene Rechtsmittel
der Staatsan-waltschaft
hat
Erfolg.
Die der Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes zugrunde 6
7
8
-
6
-
liegende Beweiswürdigung des [X.]s hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1.
Das [X.] hat die Ablehnung bedingten Tötungsvorsatzes beim Angeklagten auf mehrere Erwägungen gestützt, denen es indizielle Bedeutung gegen ein billigendes Inkaufnehmen des Todes des [X.] trotz der er-

17) des ausgeführten Messerstichs bei-misst. So handele es sich um eine spontane Tat des sich in einer emotional aufgeladenen Stimmungslage befindlichen Angeklagten. Aufgrund des Vorge-schehens sei er in einem affektiven Erregungszustand gewesen, in dem er das Risiko der Verwirklichung des Totschlags falsch beurteilt habe.
2.
Diese Beweiserwägungen erweisen sich

auch unter Berücksichti-gung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (etwa [X.], Urteile vom 22.
März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 186 Rn.
25 mwN und
vom 13.
Juli 2016

1 [X.] Rn. 20 f.)

als rechtsfehlerhaft. Die Begründung,
mit der das [X.] darlegt, sich keine Überzeugung zumin-dest vom
bedingten Tötungsvorsatz verschaffen zu können, legen bereits einen nicht in jeder Hinsicht rechtsfehlerfreien Maßstab zugrunde. Zudem sind sie teils lückenhaft, teils stehen sie in Widerspruch zu sonstigen getroffenen Fest-stellungen.
a)
Bedingt vorsätzliches Handeln setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandli-chen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt, ferner dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestands-verwirklichung abfindet (st. Rspr.; [X.], Urteile vom 9.
Mai 1990

3 [X.], [X.]R [X.] § 15 Vorsatz, bedingter 7 mwN; vom 22.
März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 186 Rn.
26
und
vom 13.
Juli 2016

1 [X.] Rn.
23). Bezogen auf bedingten Tötungsvorsatz liegt bei äußerst gefähr-9
10
11
-
7
-
lichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit
rechnet, das Opfer könne zu Tode kommen und

weil er mit seinem Handeln gleichwohl fortfährt

einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt ([X.], Beschluss vom 7.
Juli 1992

5 StR 300/92, [X.], 587, 588; Urteile vom 22.
März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 186 Rn.
26
und
vom 13.
Juli 2016

1 [X.] Rn.
23). Zwar können das Wissens-
oder das [X.] gleichwohl im Einzelfall fehlen, so etwa, wenn dem [X.], obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben ge-fährdenden Behandlung machen, das Risiko der Tötung infolge einer [X.] Beeinträchtigung

z.B. Affekt, alkoholische Beeinflussung oder hirnor-ganische Schädigung ([X.], Beschluss vom 16. Juli 1996

4 [X.], [X.] 1997, 7; Urteile vom 22.
März 2012

4
[X.], [X.]St 57, 183, 186
f. Rn.
26
und vom
13.
Juli 2016

1 [X.] Rn.
23)

zur Tatzeit nicht [X.] ist (Fehlen des [X.]) oder wenn er trotz erkannter objektiver Gefährlichkeit der Tat ernsthaft und nicht nur vage auf ein Ausbleiben des tödli-chen Erfolges vertraut (Fehlen des Willenselements). Bei der erforderlichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände (vgl. [X.], Urteile vom 4. November 1988

1 [X.], [X.]St 36, 1, 9 f.; vom 21. Dezember 2011

1 [X.], [X.], 105 und vom 22.
März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 186 f. Rn.
26 mwN) darf der Tatrichter den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise für den Nachweis eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht so gering veranschlagen, dass auf eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Beweisanzeichen verzichtet wer-den kann ([X.], Urteil vom 7. Juni 1994

4 [X.], [X.] 1994, 654; vgl. näher [X.], Urteile vom 23.
Februar 2012

4 StR 608/11, NStZ 2012,
443; vom 22.
März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 187 Rn.
26 und vom 13.
Juli 2016

1 [X.] Rn.
23 jeweils mwN).
-
8
-

Soweit in der Rechtsprechung des [X.] im Rahmen der öhere Hemm-

abgestellt
worden ist (Nachw. in [X.], Urteil vom 22.
März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 189 Rn.
32), erschöpft sich dies in einem Hin-weis auf die Bedeutung des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdi-gung (§
261 StPO) bezüglich
der Überzeugungsbildung vom Vorliegen eines (wenigstens) bedingten Tötungsvorsatzes ([X.] aaO [X.]St 57, 183, 191 Rn.
34). Der [X.] hat immer wieder hervorgehoben, dass durch chtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als ein gewichtiges,
auf [X.] hinweisendes Beweisanzeichen nicht in Frage gestellt oder auch nur relativiert werden solle ([X.] aaO [X.]St 57, 183, 191 Rn.
34 mwN).
b)
Das [X.] ist bereits diesen Maßstäben für die inhaltlichen An-forderungen an den bedingten Tötungsvorsatz und dessen Nachweis im [X.] nicht in jeder Hinsicht gerecht geworden. Zwar hat es im rechtlichen Ausgangspunkt insoweit noch zutreffend zwischen auf das Rechtsgut Leben bezogenem [X.] und bedingtem
Tötungsvorsatz unterschieden. m-

17), weist es dem Aspekt der Hemmschwelle jedoch eine
Bedeutung für die Bewertung des Vorliegens oder [X.] bedingten Tötungsvorsatzes zu, die ihr nach der Rechtsprechung des [X.] nicht zukommt.
Das Tatgericht hat den von dem Angeklagten geführten Messerstich als sehr gefährliche Gewalt-handlung bewertet. Angesichts dessen hätte es tragfähiger Anhaltspunkte in der Beweiswürdigung dafür bedurft, auf die entweder die Einschätzung gestützt werden kann, der Angeklagte habe den Grad der Lebensgefährlichkeit seines Vorgehens nicht erkannt und sei sich deshalb der konkreten Möglichkeit der 12
13
-
9
-
Tötung des [X.] nicht bewusst gewesen oder er habe trotz Kenntnis von der konkreten Möglichkeit des Todes ernsthaft auf dessen Ausbleiben ver-traut. Weder das eine noch das andere wird durch die Beweiswürdigung des Tatgerichts in einer rechtsfehlerfreien Weise belegt.
c)
Zwar unterliegt die dem Tatrichter vorbehaltene Beweiswürdigung der Beurteilung durch das Revisionsgericht lediglich dahingehend, ob dem Tatge-richt Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswür-digung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, wenn sie gegen [X.] oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte An-forderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat
(st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteile vom 10. Dezember 2014

5 [X.] Rn.
20 mwN; vom 15.
Dezem-ber 2015

1 [X.]/15 Rn.
18 und vom 13.
Juli 2016

1 [X.] Rn.
21; Beschluss vom 25.
Februar 2015

4 StR 39/15 Rn.
2 [NStZ-RR 2015, 180 nur redaktioneller Leitsatz]). Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl.
[X.], Urteile vom 5. Dezember 2013

4 StR 371/13,
NStZ-RR 2014, 87 und vom 15.
Dezember 2015

1 [X.]/15 Rn.
18; siehe auch [X.], Urteil vom 12. Mai 2016

4 StR 569/15 Rn.
26; [X.] in [X.], 26.
Aufl., §
261 Rn.
182 mwN).
Für eine Beweiswürdigung zum bedingten Tötungsvorsatz bedarf es bei objektiv [X.] Vorgehen des [X.] zur Verneinung des voluntati-ven Vorsatzelements
jedoch
einzelfallbezogener tragfähiger Anhaltspunkte da-für, dass der Täter dennoch ernsthaft auf das Ausbleiben des [X.] hat ([X.], Urteil vom 22. März 2012

4 [X.], [X.]St 57, 183, 191 Rn.
34 mwN). Anderenfalls erweist sich die Beweiswürdigung als [X.].
Solche Rechtsfehler enthält die Beweiswürdigung des Tatgerichts zum bedingten Tötungsvorsatz.
14
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-
aa)
Soweit das [X.] vo-entnehmen, ob dem indizielle Bedeutung gegen das Wissens-
oder das Wol-lenselement des bedingten Tötungsvorsatzes beigemessen wird. Unabhängig davon finden aber beide herangezogenen Aspekte keine tragfähige Stütze in den übrigen Feststellungen. Der Angeklagte hatte nach dem wechselseitigen Gestikulieren während des verkehrsbedingten Haltens beider Fahrzeuge den Nebenkläger zielgerichtet verfolgt, um ihn
zur Rede zu stellen. Nachdem er die-sen zum Anhalten veranlasst hatte, begab sich der Angeklagte bewusst in eine Situation, in der er eine
Auseinandersetzung erwartete ([X.] S.
7). Trotz der Sorge um eine körperliche Unterlegenheit suchte er weiterhin die Auseinander-setzung und bewaffnete sich nach den Feststellungen, um die angenommene Unterlegenheit auszugleichen. Das aus seinem Fahrzeug mitgenommene [X.] verbarg er in der geschlossenen rechten Hand und klappte dieses vom [X.] unbemerkt
auf. Ausweislich der Feststellungen erfolgte dieses [X.] bereits bevor der Nebenkläger den Angeklagten im Bereich des [X.] anfasste ([X.] S.
7). Aus welchen tatsächlichen Umständen das Land-gericht die Spontaneität der Tatbegehung ableiten will,
lässt sich angesichts dessen nicht erkennen. Erweist sich die Annahme einer Spontantat nicht als tragfähig begründet, kann dem keine indizielle Bedeutung gegen
bedingten Tö-tungsvorsatz
zukommen.
bb)
Entsprechendes gilt für den vom [X.] angenommek-i-chung des Tatbestandes des §

17). Der vagen Formulierung mag noch entnommen werden können, dass das Tatge-richt dem Zustand indizielle Bedeutung gegen das Wissenselement des beding-ten Tötungsvorsatzes zumessen will. Der als Beweisanzeichen herangezogene affektive Erregungszustand findet jedoch selbst wiederum keine ausreichende 16
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11
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Grundlage in der Beweiswürdigung und lässt sich zudem
aus den im vorste-henden Absatz dargelegten Gründen
mit den sonstigen Feststellungen zum
Tatvorgeschehen und zur Tatausführung selbst nicht vereinbaren.
cc)
Das [X.] hat aus dem Nachtatverhalten des Angeklagten Schlüsse gegen einen
bei ihm vorhandenen
Tötungsvorsatz gezogen ([X.] S.
17
f.), was grundsätzlich im Rahmen der gebotenen Gesamtschau möglich ist. Auch diesen Schlüssen mangelt es aber vor dem Hintergrund der sonstigen Feststellungen an einer tragfähigen Grundlage. Soweit das Tatgericht zugrunde legt, der Angeklagte sei von [X.] schockiert und erschrocken gewesen, bedurfte es für eine lückenlose Beweiswürdigung zum Tötungsvor-satz einer Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass der Angeklagte dem nun zurückweichenden Nebenkläger nach der Ausführung des Stichs folgte und von der Verfolgung des [X.] im Laufschritt erst absah, als er erkannte, diesen nicht einholen zu können ([X.] S.
7).
3.
Auf der rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung beruht der Schuldspruch hinsichtlich der zum Nachteil des [X.] begangenen Tat. Nach den vom Tatgericht bisher getroffenen Feststellungen kommt ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom versuchten Tötungsdelikt nicht ernsthaft in [X.].
Die Rechtsfehler in der Beweiswürdigung bedingen auch die Aufhebung der
insgesamt getroffenen
Feststellungen (§
353 Abs.
2 StPO).

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-
12
-
III.
Revision des Angeklagten

Die auf die Revision des Angeklagten veranlasste Überprüfung des an-gefochtenen Urteils hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem
Nachteil ergeben.
1.
Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung (§
224 Abs. 1 Nr.
2 und Nr.
5 [X.]) wird von den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Fest-stellungen getragen.
Das [X.] hat im Ergebnis ebenfalls ohne Rechtsfehler eine Rechtfertigung des Angeklagten aufgrund Notwehr (§
32 Abs.
1 [X.]) verneint.
Auch sind Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die Intensität des vom [X.] unter Anwendung des [X.] angenommenen ge-genwärtigen Angriffs des [X.] aufgrund fehlerhafter Wahrnehmung der tatsächlichen Umstände falsch einschätzte und sich deshalb zum soforti-gen, nicht angedrohten Einsatz des Messers berechtigt wähnte, nicht ersicht-lich.
2.
Der Strafausspruch enthält keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
Wie vom [X.] zutreffend aufgezeigt,
hat das Landge-richt
zwar die rechtlich gebotene
Vorgehensweise bei der Prüfung eines minder
schweren Falls

hier gemäß §
224 Abs.
1 letzter Halbs. [X.]

nicht in jeder Hinsicht beachtet. Er wäre zu
erörtern gewesen, ob der angenommene vertypte Strafmilderungsgrund aus §
46a Nr.
1 [X.], durch dessen Heranziehung
der Angeklagte jedenfalls nicht beschwert ist, im Zusammenwirken mit den berück-21
22
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13
-
sichtigten allgemeinen Strafmilderungsgründen zur Annahme eines minder schweren Falls hätte führen können. Erst wenn das [X.]
auch mit Blick hierauf weiterhin die Bejahung eines minder schweren Falls
nicht für angemes-sen gehalten hätte, hätte es seiner Strafzumessung den gemäß §
46a, §
49 Abs.
1 [X.]
gemilderten Strafrahmen
des §
224 Abs.
1 Halbs.
1 [X.] [X.] legen dürfen (vgl. nur [X.], Beschluss vom
18.
März 2015

3 StR 7/15 Rn.
2 mwN). Angesichts der konkret verhängten Strafe und der bei der Vorge-hensweise des [X.]s niedrigeren Mindeststrafe als
bei
der des minder schweren Falls des §
224 Abs.
1 [X.] kann der Senat aber ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht.
Graf Cirener Radtke

Mosbacher [X.]

Meta

1 StR 194/16

22.11.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2016, Az. 1 StR 194/16 (REWIS RS 2016, 2056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2056

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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