Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2012, Az. VII ZB 84/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3992

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Gegenstand

Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel: Prozesskostenhilfebewilligung mit Rechtsanwaltsbeiordnung für einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses


Leitsatz

Wegen der sich aus der Regelung des § 850d ZPO ergebenden rechtlichen Schwierigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel ist es in der Regel erforderlich, einem Unterhaltsgläubiger, dem Prozesskostenhilfe für die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gewährt wird, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt beizuordnen.

Tenor

1. Auf die Rechtsmittel der Gläubiger werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 16. September 2011 und der den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückweisende Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - [X.] vom 7. April 2011 aufgehoben.

2. Den Gläubigern wird für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Rechtsanwalt     L.    , [X.]     , beigeordnet.

Gründe

I.

1

Die durch ihre Mutter vertretenen minderjährigen Gläubiger betreiben gegen ihren Vater aus einem Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger und laufender Unterhaltsansprüche. Sie haben für einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, mit dem die Ansprüche des Schuldners gegen seinen Arbeitgeber auf Zahlung von Arbeitseinkommen sowie Forderungen des Schuldners gegen eine Bank gepfändet und ihnen zur Einziehung überwiesen werden sollten, Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] beantragt.

2

Das Amtsgericht hat ihnen mit Beschluss vom 7. April 2011 für die Zwangsvollstreckungsmaßnahme "Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses" Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt, den Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts für diese Zwangsvollstreckungsmaßnahme jedoch zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das [X.] mit am 22. September 2011 zugestelltem Beschluss zurückgewiesen. Der [X.] hat den Gläubigern für die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde mit am 1. Dezember 2011 zugestelltem Beschluss Prozesskostenhilfe gewährt und ihnen die Sozietät Rechtsanwälte Prof. Dr. V. und [X.]. beigeordnet. Die Gläubiger haben am 9. Dezember 2011 Rechtsbeschwerde eingelegt und wegen Versäumung der Fristen für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der [X.] hat dem Antrag bezüglich der Versäumung der [X.] mit Beschluss vom 22. Dezember 2011 entsprochen. Mit der am 2. Januar 2012 begründeten Rechtsbeschwerde verfolgen die Gläubiger ihren Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt [X.] weiter.

II.

3

1. Dem fristgerecht gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde war gemäß § 233 ZPO zu entsprechen. Die Gläubiger waren aus finanziellen Gründen erst nach Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalts zur Begründung der Rechtsbeschwerde in der Lage. Die Versäumung dieser Frist war damit entschuldigt. Die einmonatige Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde nach Zustellung des Beschlusses über die Gewährung von Prozesskostenhilfe haben die Gläubiger eingehalten.

4

2. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

5

a) Das [X.] ist der Auffassung, die Beiordnung eines Rechtsanwalts sei nicht erforderlich. Da eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben und der Schuldner nicht durch einen solchen vertreten sei, komme eine Beiordnung nach § 121 Abs. 2 1. Alt. ZPO nur in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erforderlich sei. Insoweit seien neben Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der beabsichtigten Vollstreckungsmaßnahme vor allem auch die Kenntnisse und Fähigkeiten des Gläubigers bzw. seines gesetzlichen Vertreters sowie anderweitige Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dazu seien zumindest aussagekräftige und plausible Darlegungen zu diesen Punkten seitens des Gläubigers erforderlich. Daran fehle es.

6

b) Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7

aa) In Verfahren ohne Anwaltszwang ist nach § 121 Abs. 2 ZPO unter anderem ein Rechtsanwalt beizuordnen, wenn die [X.] dies beantragt und die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist der Fall, wenn Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache Anlass zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage sein, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen in mündlicher oder schriftlicher Form zu veranlassen. Danach hängt die Notwendigkeit der Beiordnung einerseits von der Schwierigkeit der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie und andererseits von den persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen gerade des Antragstellers ab ([X.], Beschluss vom 18. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 3136; [X.], [X.], 352).

8

bb) Das Beschwerdegericht stellt zu hohe Anforderungen an die Darlegung der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts. Der [X.] hat bereits in seinem Beschluss vom 18. Juli 2003 ([X.], aaO) ausgeführt, es liege nahe, dass ein juristisch nicht ausgebildeter Antragsteller bei der Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen, insbesondere beim Vorhandensein mehrerer Unterhaltsberechtigter, auch mit Hilfe der Rechtsantragstelle häufig kaum in der Lage sein werde, einen korrekten Antrag zu stellen. Jedenfalls für Verfahren der erweiterten Pfändung von Arbeitslohn oder Lohnersatzleistungen dürfe dem Gläubiger daher nicht ohne Prüfung des Einzelfalls die Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels Erforderlichkeit versagt werden. Nachfolgend hat der [X.] wiederholt den Hinweis erteilt, es sei bei der insoweit vorzunehmenden Einzelfallprüfung zu beachten, dass die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Pfändung aus einem Unterhaltstitel wegen der Regelung des § 850d ZPO es in der Regel geboten erscheinen lassen, einen Rechtsanwalt beizuordnen ([X.], Beschlüsse vom 20. Dezember 2005 - [X.], [X.], 1204; vom 29. März 2006 - [X.], [X.] 2006, 309 und [X.], [X.], 856). Von der Beiordnung eines Rechtsanwalts kann damit - entgegen der Auffassung des [X.] - nur in Ausnahmefällen, insbesondere bei einem juristisch vorgebildeten oder wirtschaftlich erfahrenen Gläubiger abgesehen werden. Diese Voraussetzungen liegen weder bei den Gläubigern noch deren gesetzlicher Vertreterin vor, die derzeit als Hausfrau tätig und auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.

3. Dem Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts [X.] war daher unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] und des diesen Antrag zurückweisenden Beschlusses des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - zu entsprechen.

[X.]                                                 [X.]                                                 Eick

                            Leupertz                                                             [X.]

Meta

VII ZB 84/11

09.08.2012

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Tübingen, 16. September 2011, Az: 5 T 120/11

§ 121 Abs 2 ZPO, § 850d ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2012, Az. VII ZB 84/11 (REWIS RS 2012, 3992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3992

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