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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - notwendige Beiladung - Sozialhilfe - Überleitung von Ansprüchen - Steuererstattung
[X.]ist, ob der Beklagte Ansprüche des [X.]gegen das Finanzamt [X.]auf Rückerstattung von Steuern auf sich überleiten durfte.
Der Kläger und seine Ehefrau bezogen vom [X.]bis 31.12.2004 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem [X.](BSHG). Beide gaben bei Antragstellung an, dass Geldforderungen - ua gegen das Finanzamt [X.]in Höhe von 1.236.707,50 DM - Gegenstand anhängiger Gerichtsverfahren seien. Die Aufwendungen des Sozialamts A für den Kläger und seine Ehefrau betrugen im Bezugszeitraum insgesamt 29.490,99 Euro. In Höhe diesen Betrags leitete das Sozialamt [X.]auf sich über (schriftliche Anzeige vom 8.11.2004 gegenüber dem Finanzamt [X.]und [X.]vom 9.11.2004 gegenüber dem Kläger) . Das Finanzamt [X.]zahlte daraufhin 29.485,92 Euro in zwei Teilbeträgen an das Sozialamt.
Widerspruch, Klage und Berufung des [X.]sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005; Urteil des Sozialgerichts <SG> [X.]vom 17.11.2005; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 22.11.2007) . Zur Begründung hat das [X.]im Wesentlichen ausgeführt, § 90 [X.]als Rechtsgrundlage für die Überleitung diene der Durchsetzung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs 1 BSHG. Das Sozialamt habe Sozialhilfe zur Abwendung einer Notlage geleistet; der Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt [X.]sei auch fällig gewesen. Der Überleitung stehe nicht entgegen, dass die [X.](teilweise) auf Zeiträume zurückzuführen seien, in denen die Kläger noch nicht Sozialhilfeempfänger gewesen seien. Ausreichend sei, dass der Hilfeempfänger im Zeitpunkt der Hilfegewährung berechtigt sei, den Anspruch gegen den [X.]geltend zu machen. Entgegen der Auffassung des [X.]handele es sich bei Steuererstattungen nicht um (gegebenenfalls geschütztes) Vermögen, sondern um Einnahmen in Form einmaliger Einnahmen. Ermessensfehler seien nicht unterlaufen. Zwar enthalte der Ausgangsbescheid keine Ermessenserwägungen; diese seien jedoch im Widerspruchsbescheid in ausreichendem Maße nachgeholt worden.
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs sowie die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz <SG[X.]X>, § 11 BSHG) . Zur Begründung führt er aus, das [X.]habe seine Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen, dass die Steuererstattung als (Rück-)Zufluss eigenen Vermögens anzusehen sei, weil durch sie nur der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt worden sei. Außerdem sei die mündliche Verhandlung vor genügender Erörterung der Sach- und Rechtslage geschlossen worden. Der angefochtene Überleitungsbescheid vom 9.11.2004 habe nicht alle wesentlichen Tatsachen enthalten, auf die die Verwaltung ihre Entscheidung gestützt habe; insbesondere habe er keinerlei Hinweise auf seine (des Klägers) Interessen einerseits und die der Öffentlichkeit andererseits enthalten, die bei der Ermessensbetätigung zu berücksichtigen seien. Dieser [X.]sei im Widerspruchsverfahren nicht geheilt worden. § 11 [X.]sei verletzt, weil der in der Steuerrückerstattung liegende Vermögenszufluss nur entweder - bei Bewertung als Einkommen gemäß §§ 76 ff [X.]- ab dem Monat des Zuflusses für einen gewissen Zeitraum - etwa bis zu einem Jahr - bzw bei Bewertung als Vermögen gemäß §§ 88 f [X.]unter Berücksichtigung der [X.]ab dem Monat des Zuflusses hätte berücksichtigt werden dürfen, sodass die Steuererstattung nicht bzw nicht in voller Höhe hätte übergeleitet werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.]aufzuheben und das Urteil des [X.]abzuändern sowie den [X.]vom 9.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom [X.]aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Revision ist iS der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) begründet. Das Verfahren leidet an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel; eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt.
Ob dem [X.]die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls hätte das [X.]das [X.]- möglicherweise auch die Ehefrau des [X.]- gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig zum Verfahren beiladen müssen. Der Verfahrensmangel der unterbliebenen notwendigen Beiladung ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl nur: BSGE 61, 197, 199 mwN = [X.]7323 § 9 [X.]1; BSGE 93, 283 ff = [X.]4-3250 § 14 [X.]1; Senatsurteil vom [X.]- B 8 [X.]19/08 R) .
Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung liegen vor. Nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Dritter iS dieser Regelung ist (jedenfalls) das [X.]als Träger der Finanzverwaltung, weil der Beklagte durch die Überleitung der [X.]des [X.](und seiner Ehefrau) unmittelbar in das Rechtsverhältnis des [X.]zur Finanzverwaltung eingegriffen hat; denn auf Grund der Überleitungsanzeige stand der Finanzverwaltung nunmehr ein neuer Gläubiger gegenüber, soweit der übergeleitete Anspruch bestand. Ob nach dieser Vorschrift auch die Ehefrau des [X.]dem Rechtsstreit beizuladen ist, hängt davon ab, ob sie hinsichtlich der [X.]zusammen mit dem Kläger Gesamtgläubigerin ist, weil dann auch ihr gegenüber eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überleitung nur einheitlich ergehen könnte.
Von einer Nachholung der Beiladung im Revisionsverfahren gemäß § 168 Satz 2 SGG mit Zustimmung des [X.]hat der Senat abgesehen, weil die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Verfügung im bisherigen Verfahren ohne Berücksichtigung der Rechtsposition des [X.]erfolgt ist.
Rechtsgrundlage für die Überleitungsanzeige ist § 90 Abs 1 BSHG. Nach dessen Satz 1 kann der Träger der Sozialhilfe für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen einen anderen, der kein Leistungsträger iS von § 12 [X.]- ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.
Der Beklagte hat die Überleitung des Anspruchs am 8.11.2004 schriftlich angezeigt, ohne die von der Überleitung Betroffenen zuvor anzuhören. Nach erfolgter Beiladung wird das [X.]zu beurteilen haben, ob der [X.]später geheilt worden ist und ob der dem Kläger erteilte inhaltsgleiche Bescheid vom 9.11.2004 den Anforderungen der Zustellung der Überleitungsanzeige an den [X.]genügt. Es wird ferner prüfen müssen, ob die Überleitungsanzeige hinreichend bestimmt gewesen ist (§ 33 Abs 1 SGB X), insbesondere ob aus ihr die übergeleiteten Ansprüche des [X.]gegen das Finanzamt hervorgehen, und ob der Beklagte das ihm durch § 90 Abs 1 Satz 1 [X.]eingeräumte Ermessen ausgeübt hat.
Ggf wird das [X.]auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben. |
Meta
02.02.2010
Urteil
Sachgebiet: SO
vorgehend SG Reutlingen, 17. November 2005, Az: S 7 SO 1751/05, Urteil
§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 2 Abs 1 BSHG, § 90 Abs 1 S 1 BSHG, § 24 Abs 1 SGB 10, § 33 Abs 1 SGB 10, § 41 Abs 1 Nr 3 SGB 10, § 38 AO 1977, § 36 EStG
Zitiervorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.02.2010, Az. B 8 SO 17/08 R (REWIS RS 2010, 9784)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 9784
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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