Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2005, Az. 5 StR 464/04

5. Strafsenat | REWIS RS 2005, 3050

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5 [X.]/04
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VO[X.]KES URTEI[X.]
vom 16. Juni 2005 in der Strafsache gegen

wegen Vergewaltigung u. a.

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Hauptverhand-lung vom 15. und 16. Juni 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in [X.],

[X.], [X.]in [X.], [X.] Dr. Brause, [X.] [X.]

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin der [X.],

Rechtsanwalt [X.], Rechtsanwalt K

als Verteidiger,

Rechtsanwältin [X.]

als Nebenklägervertreterin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 - in der Sitzung vom 16. Juni 2005 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.]and-gerichts [X.] vom 8. April 2004 im Ausspruch über die [X.] aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des [X.]andgerichts zurückver-wiesen.

[X.] Von Rechts wegen [X.]

G r ü n d e
Das [X.]andgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in [X.] mit vorsätzlicher Körperverletzung zu acht Jahren Freiheitsstrafe und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Nebenklägerin verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten führt zu einem Teilerfolg.

- 4 - [X.] Das [X.]andgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Der Angeklagte bewegte die ihm bis zum Tattag unbekannte Neben-klägerin dazu, seine Wohnung zu betreten. Als er sich ihr dort plötzlich nahe-zu nackt präsentierte, sagte sie ihm deutlich und scharf, daß sie keinen Sex wolle und jetzt gehen werde. Daraufhin wurde der Angeklagte völlig überra-schend handgreiflich, ergriff sie an den Haaren und zog sie so durch die Wohnung. Er riß der eingeschüchterten Nebenklägerin die Hose, die Strumpfhose und den Slip herunter, zog sie in das Schlafzimmer und dort auf die Matratze. Er zwang sie zunächst, ihn oral zu befriedigen, sodann ihren Finger bei sich vaginal einzuführen. Er zerschlug ein Ei auf oder über ihrem Kopf, wusch ihr sodann im Badezimmer das Ei aus dem Haar, wobei er [X.] als die Nebenklägerin sich wehrte [X.] sie so heftig nach unten drückte, daß sie glaubte, der Angeklagte würde ihr am Badewannenrand den Kiefer zerschla-gen. Anschließend zog er sie erneut ins Schlafzimmer und fesselte ihr die Hände auf dem Rücken. Nun zwang er sie erneut, ihn über einen längeren Zeitraum oral zu befriedigen. Wenn sie dadurch keine [X.]uft mehr bekam oder sich sträubte, schlug er sie schmerzhaft auf das Gesäß und zwickte in ihre Brustwarzen. Durch diese Vorgehensweise wollte er auch seine eigene [X.]ust steigern. Mehrmals würgte er die Nebenklägerin, so daß sie Atemprobleme und Schluckbeschwerden bekam. Daneben drang er mit einem seiner Finger und seinem Glied vaginal in die Nebenklägerin ein. Später urinierte der An-geklagte auf ihr Gesicht und in ihre Haare, um sich weiter zu stimulieren. Auch versuchte er noch, mit einem Finger und seinem Glied anal in sie ein-zudringen. Weiterhin fragte er die Nebenklägerin, ob sie schon einmal Sex mit zwei Männern gehabt habe, rief sodann [X.] an und versuchte, ihn zum Herkommen zu überreden. Der Angeklagte sagte dabei zu [X.], er habe eine —billige Fotzefi da. Die Nebenklägerin geriet in [X.]. Sie glaubte, in das Rotlicht- oder Drogenmilieu geraten zu sein, und - 5 - befürchtete, —gebrochenfi werden zu sollen. Danach ließ er sich weiterhin oral befriedigen.
Als der Angeklagte nach etwa fünf Stunden müde wurde und sein Inte-resse an der Nebenklägerin verlor, wagte diese die Wohnung zu verlassen. Sie ging zu einer Bushaltestelle und sagte einem Passanten, daß sie verge-waltigt worden sei.
I[X.] Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Schuld- und Strafaus-spruch sowie die Adhäsionsentscheidung richtet, offensichtlich unbegründet. Jedoch hält die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklag-ten [X.] in Übereinstimmung mit der Auffassung des [X.] in der Revisionshauptverhandlung [X.] der rechtlichen Prüfung nicht stand. Abweichend von dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständi-gen, der das Vorliegen eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint hatte, hält das [X.]andgericht einen Hang des Angeklagten ebenso für gegeben wie dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit. Daß unter Heran-ziehung der vom Sachverständigen verwendeten statistischen Prognosever-fahren und des klinischen Verfahrens ein Hang zu verneinen sein könnte, schließt das [X.]andgericht aus. Den Ausführungen des Sachverständigen kön-ne insoweit nicht gefolgt werden, als dieser die strafrechtlich relevante Vor-geschichte des Angeklagten nicht ausreichend berücksichtigt habe. Aufgrund eigener Sachkunde vertritt das [X.]andgericht die Auffassung, die Intensität und Gefährlichkeit der vom Angeklagten begangenen Taten wiesen von versuch-ter sexueller Nötigung über sexuelle Nötigung bis zu Vergewaltigung mit er-heblicher überschießender Gewaltanwendung eine kontinuierliche Steige-rung auf. Bei ihm bestehe die fest eingewurzelte Neigung, notfalls mit Gewalt die Durchführung von Geschlechtsverkehr zu erzwingen. Er sei willens-schwach und vermöge [X.] nicht zu widerstehen. - 6 - Diese für sich plausibel erscheinenden Erwägungen begegnen inso-weit durchgreifenden Bedenken, als sie die hierfür maßgebliche Grundlage gewonnener eigener Sachkunde des [X.]andgerichts nicht belegen, die ihm nur durch den nach § 246a StPO zuzuziehenden Sachverständigen zu vermitteln war. Der Tatrichter ist zwar nicht gehindert, von dem Gutachten eines ver-nommenen Sachverständigen abzuweichen; denn dieses kann stets nur eine Grundlage der eigenen Überzeugungsbildung sein. [X.] der Tatrichter eine Frage, zu der er einen Sachverständigen gehört hat, im Widerspruch zu [X.] Gutachten lösen, muß er sich jedoch in einer Weise mit den Darlegun-gen des Sachverständigen auseinandersetzen, die erkennen läßt, daß er mit Recht eigene Sachkunde in Anspruch genommen hat (vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 5; [X.], 437; NStZ-RR 2005, 39; Scho-reit in KK 5. Aufl. § 261 Rdn. 33 m.w.[X.]).
Der Tatrichter muß die Darlegungen des Sachverständigen im [X.] wiedergeben, insbesondere dessen Stellungnahme zu den [X.], auf welche das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (vgl. BGHR StPO § 261 Sachverständiger 1, 5). Das gilt namentlich, wenn es um die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Siche-rungsverwahrung geht (vgl. hierzu auch [X.], 159). Dabei ist erforderlich, daß der Tatrichter, der sich auf eigene Sach-kunde stützen will, im einzelnen belegt, welche Prognoseverfahren der Sachverständige herangezogen hat, welchen Aussagewert sie haben und welche Vorgehensweise bei ihnen zu beachten ist.
Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das [X.]andgericht hat lediglich mitgeteilt, der Sachverständige sei unter [X.] der von ihm verwendeten statistischen Prognoseverfahren und eines klinischen Verfahrens zu seinem Ergebnis gelangt. Dabei sei die [X.] insbesondere in einer Wertungsfrage, nämlich der strafrechtlich relevan-ten Vorgeschichte des Angeklagten, vom Sachverständigen abgewichen. - 7 - Den vom Sachverständigen als ungünstig eingeschätzten Umständen [X.] re-gelmäßiger Substanzmißbrauch, subjektives Bekenntnis zu sadomasochisti-schen Sexualpraktiken und fehlendes Begreifen der Verletzung von Normen in der Vergangenheit [X.] kommt nach Ansicht der Strafkammer eine weitaus größere Bedeutung zu, als es nach Auffassung des Sachverständigen, der dies lediglich als Anlaß zur Sorge bezeichnet, der Fall ist. Diese Ausführun-gen lassen die erforderliche Nachprüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
Es kommt hinzu, daß nicht erkennbar wird, von welchen weiteren Aussagen des Sachverständigen die Strafkammer abgewichen ist, ob sie die Abweichungen mit dem Sachverständigen diskutiert hat und wie dieser hier-zu Stellung genommen hat.
Auch wird nicht erkennbar, aufgrund welcher Erkenntnisse das [X.]and-gericht zu der Schlußfolgerung gelangt ist, der Angeklagte sei nicht nur sexuell sadistisch, sondern darüber hinaus antisozial und schizoid. Ob und wie sich der Sachverständige hierzu geäußert hat, ob etwa dieser Wertung sogar seine Angaben zugrunde liegen, wird nicht deutlich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue Tatrich-ter wird die Frage der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen vornehmen können, die freilich neuen Wertungen mit Hilfe eines (naheliegend weiteren) Sachverständigen - 8 - unterzogen und um solche ergänzt werden können, die den bisherigen nicht widersprechen.

[X.] Basdorf Gerhardt Brause [X.]

Meta

5 StR 464/04

16.06.2005

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2005, Az. 5 StR 464/04 (REWIS RS 2005, 3050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3050

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