Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2012, Az. IV R 4/09

4. Senat | REWIS RS 2012, 10178

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Gegenstand

Rücklage für Ersatzbeschaffung: Reinvestitionsfrist und Anforderungen an Investitionsabsicht - Voraussetzungen für die Aktivierung einer Forderung


Leitsatz

1. Nach Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung ist die Reinvestition innerhalb von vier Wirtschaftsjahren nach der Bildung der Rücklage auszuführen. Bei der beabsichtigten Herstellung eines neuen funktionsgleichen Gebäudes beträgt die Frist sechs Wirtschaftsjahre. Soweit das Ersatzwirtschaftsgut bis zum Ablauf der Frist nicht angeschafft oder hergestellt worden ist, ist die Rücklage bei Fristablauf gewinnerhöhend aufzulösen (Abweichung von R 35 EStR a.F.) .

2. Es wird widerleglich vermutet, dass die bei Bildung der Rücklage nachgewiesene Investitionsabsicht bis zum Fristablauf fortbesteht. Wird festgestellt, dass die Investitionsabsicht vor Ablauf der Reinvestitionsfrist aufgegeben worden ist, ist die Rücklage für Ersatzbeschaffung im Zeitpunkt der Aufgabe der Absicht aufzulösen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) übernahm mit [X.] vom 15. Juli 1998 zum 1. Juli 1998 den landwirtschaftlichen Betrieb seines [X.]aters ([X.]). Er führte die Buchwerte aus der Bilanz des [X.] fort und bilanzierte nach dem Normalwirtschaftsjahr für die Landwirtschaft (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) vom 1. Juli eines Jahres bis zum 30. Juni des Folgejahres.

2

Bereits im August 1996 war eine zum Betriebsvermögen des [X.] gehörende Scheune durch einen Brand fast vollständig zerstört worden. Da für die Scheune eine Gebäudeversicherung bei der X-[X.]ersicherung bestand, bilanzierte [X.] zunächst eine Forderung gegenüber der X-[X.]ersicherung in Höhe von 253.736,48 [X.] und bildete in gleicher Höhe eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nach [X.] der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) in ihrer damaligen Fassung ([X.]). [X.] begann sodann mit der Instandsetzung des vorderen Teils der beschädigten Scheune. Zum 30. Juni 1998 bestand aufgrund inzwischen geleisteter Teilzahlungen der X-[X.]ersicherung noch eine Forderung in Höhe von 135.159,21 [X.], die der Kläger in seine Bilanz auf den 1. Juli 1998 übernahm. Zugleich minderte sich die Rücklage für Ersatzbeschaffung auf denselben Betrag.

3

Die Forderung gegenüber der X-[X.]ersicherung und die Rücklage für Ersatzbeschaffung wies der Kläger zum 30. Juni 2001 unverändert mit 135.159,21 [X.] aus. Nachdem er für die [X.]eranlagungszeiträume 2001 und 2002 (Streitjahre) keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) zunächst die Besteuerungsgrundlagen mit unter dem [X.]orbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung stehenden [X.]n vom 17. November 2003 und 28. Oktober 2004. Mit [X.]n vom 24. November 2005 änderte das [X.] die Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 unter Aufhebung des [X.]orbehalts der Nachprüfung und erhöhte für das Wirtschaftsjahr 2001/02 den mit 145.000 [X.] nach [X.] geschätzten Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um den Betrag von 135.000 [X.] (69.105,81 €), resultierend aus der Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung auf den Betrag von 280.000 [X.] (143.161 €). Hiervon entfiel jeweils die Hälfte auf jedes Streitjahr.

4

Gegen die [X.] vom 24. November 2005 legte der Kläger unter Beifügung von Steuererklärungen jeweils Einspruch ein, denen das [X.] --nach Zustimmung durch den Kläger-- durch [X.] vom 9. Februar 2006 teilweise [X.]. Die Gewinnerhöhungen durch Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung behielt das [X.] allerdings bei, weshalb der Kläger gegen die Abhilfebescheide erneut Einspruch einlegte.

5

Das [X.] verwarf die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 2007 mit der Begründung als unzulässig, es fehle am Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, weil sich das Einspruchsverfahren durch Abhilfe erledigt habe. Auch materiell-rechtlich könne der Einspruch nicht zum Erfolg führen, da der Kläger die von [X.] begonnene Instandsetzung der abgebrannten Scheune nach [X.] nicht fortgesetzt habe. [X.]ielmehr habe er der X-[X.]ersicherung im Februar 2000 mitgeteilt, er wolle die Scheune entgegen der ursprünglichen Planung nicht mehr reparieren, sondern um eine freitragende Konstruktion in Form einer Stahlhalle erweitern. Weil nach der Einstellung der Instandsetzungsarbeiten im Spätsommer 1998 bis zum Einholen eines ersten Angebots für die Errichtung einer Stahlhalle am 18. April 2002 mehr als 42 Monate verstrichen seien, sei eine ernsthafte Absicht der Ersatzbeschaffung am Bilanzstichtag 30. Juni 2002 nicht mehr erkennbar gewesen.

6

Die dagegen gerichtete Klage wies das [X.] ([X.]) durch in [X.]Entscheidungsdienst 2009, 1419 veröffentlichtes Urteil als unbegründet ab. Zwar habe [X.] zu Recht eine Forderung auf Schadensersatz gegen die X-[X.]ersicherung in seine Bilanz eingestellt, die der Kläger im Wege der Übernahme und Fortführung des Betriebsvermögens zum 1. Juli 1998 übernommen habe. [X.] habe zugleich eine Rücklage für Ersatzbeschaffung bilden können, weil damals eine durch den Beginn der Wiedererrichtung der [X.] dokumentierte Absicht zur Ersatzbeschaffung bestanden habe. Zutreffend habe das [X.] allerdings die Rücklage für Ersatzbeschaffung zum Bilanzstichtag 30. Juni 2002 aufgelöst, weil der Kläger das Fortbestehen der Absicht der Ersatzbeschaffung nicht substantiiert dargelegt habe. So habe er lediglich auf die Möglichkeiten einer Ersatzbeschaffung nach den [X.]ersicherungsbedingungen der X-[X.]ersicherung verwiesen, aber keinerlei Gründe vorgetragen, warum die Wiedererrichtung der im August 1996 abgebrannten Scheune so lange hinausgezögert worden sei, bevor er dann am 21. März 2005 einen Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung gestellt habe.

7

Mit seiner Revision macht der Kläger eine [X.]erletzung materiellen Rechts geltend. Das [X.] habe die [X.]oraussetzungen für die Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung verkannt. Er, der Kläger, habe --wie sich aus objektiven tatsächlichen Umständen ergebe-- die Absicht der Ersatzbeschaffung nicht aufgegeben. So habe er bei der X-[X.]ersicherung keine Geldentschädigung beantragt, sondern ein erster Bauabschnitt sei bereits zum 30. Juni 1998 tatsächlich durchgeführt worden. Auch habe er entsprechend den ursprünglichen [X.]ersicherungsbedingungen tatsächlich das [X.] in gleicher Lage und funktionsgleich hergestellt. Jedenfalls nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erstellung des [X.]s und dem durch Brand untergegangenen Gebäude gegeben.

8

Der höchstrichterlichen Rechtsprechung lasse sich mit Blick auf die Rücklage für Ersatzbeschaffung keine starre Ausschlussfrist entnehmen. Eine solche Frist werde auch dem Sinn und Zweck der Rücklage nicht gerecht, mit der verhindert werden solle, dass --insbesondere bei Einwirkung höherer Gewalt-- die im untergegangenen Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven aufgedeckt werden müssten. Deshalb sei es ausreichend, dass die Wiederbeschaffung in angemessener Frist ernstlich geplant worden und zu erwarten gewesen sei. Dazu sei zu beachten, dass er, der Kläger, sich mit Blick auf die Ersatzbeschaffung an die [X.]orgaben der X-[X.]ersicherung gehalten und damit seinen Willen zur Wiederherstellung des untergegangenen Wirtschaftsguts nachgewiesen habe.

9

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Januar 2007 aufzuheben und die geänderten Einkommensteuerbescheide 2001 und 2002 vom 9. Februar 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Auflösung der Rücklage für Ersatzbeschaffung rückgängig gemacht wird.

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung führt das [X.] aus, eine Gewinnrealisierung könne unterbleiben, wenn ein Wirtschaftsgut infolge höherer Gewalt gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheide und alsbald ein [X.] angeschafft werde. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung setze in subjektiver Hinsicht die Absicht voraus, innerhalb eines engen zeitlichen Rahmens ein funktionsgleiches [X.] anzuschaffen oder herzustellen. Zwar könne die für die Ersatzbeschaffung zur [X.]erfügung stehende relativ kurze Frist im Einzelfall verlängert werden. Dazu müsse der Steuerpflichtige aber glaubhaft machen, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten sei und nur aus besonderen Gründen noch nicht habe durchgeführt werden können. Der Steuerpflichtige müsse insbesondere die Ernsthaftigkeit seines nach wie vor geplanten [X.] substantiieren. Daran fehle es im Streitfall, weil der Kläger keinerlei Unterlagen vorgelegt habe, aus denen sich die fortbestehende Investitionsabsicht ergebe. [X.]ielmehr habe er bis zum 30. Juni 2002 nicht mit der Herstellung begonnen und einen Bauantrag erst 2005 gestellt, ohne konkrete Planungsunterlagen beizufügen. Jedenfalls nach Ablauf der regulären Reinvestitionsfrist reiche die bloße Behauptung der weiter vorhandenen Wiederbeschaffungsabsicht nicht mehr aus.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen [X.]erhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zwar im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger zunächst zulässigerweise fortgeführte Rücklage für Ersatzbeschaffung aufzulösen war. Die Feststellungen des [X.] reichen allerdings nicht aus, um darüber entscheiden zu können, zu welchem Stichtag diese Auflösung vorzunehmen war.

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung in [X.] [X.] a.F. (jetzt R 6.6 [X.] 2008) übernommenen Grundsätzen zur sog. Rücklage für Ersatzbeschaffung kann eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur [X.]ermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird (vgl. Urteile des [X.] --BFH-- vom 12. März 1969 I 97/65, [X.], 178, [X.] 1969, 381; vom 18. September 1987 [X.]/84, [X.], 70, [X.] 1988, 330; vom 17. Oktober 1991 [X.]/89, [X.], 149, [X.] 1992, 392; vom 29. April 1999 [X.], [X.], 390, [X.] 1999, 488). Bei der Rücklage für Ersatzbeschaffung handelt es sich um ein inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2004 [X.], [X.], 489, [X.] 2004, 766), dem der Gedanke zugrunde liegt, dass die für die ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter erlangten Beträge ungeschmälert einer Ersatzbeschaffung zur [X.]erfügung stehen sollen, was nicht möglich wäre, wenn sie zum Teil besteuert würden (BFH-Urteile vom 24. Mai 1973 [X.]-24/68, [X.], 230, [X.] 1973, 582; vom 29. April 1982 [X.], [X.], 538, [X.] 1982, 568). Zweck der Anerkennung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung und deren Übertragung auf ein Ersatzwirtschaftsgut ist danach nicht allein, die als unbillig empfundene Besteuerung eines Gewinns, der durch die zwangsweise Aufdeckung stiller Reserven entsteht, zu vermeiden; vielmehr soll es dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden, die erlangte Entschädigung ungeschmälert zur Wiederbeschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteile vom 9. Dezember 1982 [X.], [X.], 453, [X.] 1983, 371; vom 11. Dezember 1984 IX R 27/82, [X.], 46, [X.] 1985, 250; vom 14. Oktober 1999 [X.], [X.], 356, [X.] 2001, 130).

2. Die Bildung der Rücklage bewirkt, dass der durch die Ersatzforderung bzw. Ersatzleistung realisierte Gewinn neutralisiert wird. Ihre Bildung setzt aber voraus, dass die Absicht zur Ersatzbeschaffung besteht; andernfalls bleibt es bei der Gewinnerhöhung (BFH-Urteile vom 19. Dezember 1972 [X.], [X.], 326, [X.] 1973, 297; in [X.], 149, [X.] 1992, 392; vom 22. Januar 2004 [X.], [X.], 168, [X.] 2004, 421). Der Steuerpflichtige hat das Bestehen der [X.] darzulegen und nachzuweisen. Ein bilanzierender Steuerpflichtiger dokumentiert diese Absicht bereits durch die ordnungsgemäße Bildung der Rücklage in seiner Bilanz (vgl. BFH-Urteil in [X.], 390, [X.] 1999, 488). Ein darüber hinausgehender Nachweis oder eine Glaubhaftmachung der [X.] wird für die erstmalige Bildung der Rücklage nicht verlangt, solange dem Steuerpflichtigen die [X.]ornahme der Investition objektiv möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 [X.], [X.] 219, 151, [X.] 2008, 119).

3. Die Rücklage für Ersatzbeschaffung muss gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn die Absicht der Ersatzbeschaffung aufgegeben wird (vgl. BFH-Urteile in [X.], 326, [X.] 1973, 297; in [X.], 149, [X.] 1992, 392; in [X.], 390, [X.] 1999, 488). Sie ist außerdem aufzulösen, wenn die Reinvestition nicht innerhalb einer bestimmten Frist durchgeführt wird.

a) Nach Auffassung der Finanzverwaltung beträgt die angemessene Reinvestitionsfrist bei Ausscheiden eines Grundstücks oder Gebäudes aus dem Betriebsvermögen zwei Jahre; die Frist soll im Einzelfall angemessen verlängert werden können, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten sei, aber aus besonderen Gründen noch nicht habe durchgeführt werden können ([X.] Abs. 4 Sätze 4 und 5 [X.] a.F.). Dieser Auffassung schließt sich der [X.] nicht an. Er hält es aus [X.]ereinfachungsgründen und zur [X.]erwirklichung eines gleichmäßigen und vorhersehbaren Gesetzesvollzugs für angebracht, die Frage nach einer angemessenen Reinvestitionsfrist unter Berücksichtigung des in § 6b Abs. 3 Sätze 2 und 3 [X.] allgemein zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens zu beantworten. Zu einer solchen Konkretisierung des von ihr entwickelten [X.] der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist die Rechtsprechung befugt.

aa) § 6b Abs. 1 [X.] eröffnet die Möglichkeit, die bei der [X.]eräußerung bestimmter Anlagegüter aufgedeckten stillen Reserven auf ein im Wirtschaftsjahr der [X.]eräußerung angeschafftes oder hergestelltes Ersatzwirtschaftsgut zu übertragen. Nach § 6b Abs. 3 [X.] kann der Steuerpflichtige die stillen Reserven auch auf ein später angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut übertragen, indem er im Wirtschaftsjahr der [X.]eräußerung eine gewinnmindernde Rücklage bildet und diese im Reinvestitionsjahr gegen Minderung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auflöst. Hierfür sieht § 6b Abs. 3 Satz 2 [X.] eine Frist von vier Wirtschaftsjahren vor. Diese Frist verlängert sich nach § 6b Abs. 3 Satz 3 [X.] bei neu hergestellten Gebäuden auf sechs Jahre, wenn mit deren Herstellung vor dem Schluss des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres begonnen worden ist. Eine darüber hinausgehende [X.]erlängerungsmöglichkeit sieht § 6b [X.] nicht vor.

bb) § 6b [X.] dient einem der Rücklage für Ersatzbeschaffung vergleichbaren Zweck. Die [X.]orschrift soll steuerliche Hindernisse für die [X.]eräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens abbauen, die im Unternehmen nicht mehr benötigt werden und deren [X.]eräußerung betriebswirtschaftlich geboten und volkswirtschaftlich wünschenswert wäre. Insoweit soll sie die [X.]eräußerung dieser Wirtschaftsgüter begünstigen und damit eine sinnvolle Anpassung der Unternehmen an strukturelle [X.]eränderungen ermöglichen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Steueränderungsgesetzes 1964 in [X.], [X.]; BFH-Urteil vom 14. November 1990 [X.]/87, [X.] 163, 58, [X.] 1991, 222). Indem die anlässlich solcher [X.]eräußerungen frei werdenden stillen Reserven auf Reinvestitionsgüter übertragen werden können, kommt es zur vorläufigen Freistellung des [X.]eräußerungsgewinns von der Einkommensbesteuerung, was dem Betrieb Mittel für dringend erforderliche Investitionsvorhaben verschafft (vgl. dazu die Stellungnahme des Finanzausschusses in [X.]/2617, S. 4).

[X.]or diesem Hintergrund wird die Zweckbindung von [X.]eräußerungsgewinn einerseits und Reinvestitionsmaßnahme andererseits bei Bildung der Rücklage nach § 6b Abs. 3 [X.] dadurch hergestellt, dass sie nach Ablauf der Reinvestitionsfrist von vier Jahren aufzulösen ist, wenn bis zu diesem [X.]punkt ein Reinvestitionsgut nicht angeschafft oder hergestellt oder bei Gebäuden mit der Herstellung noch nicht begonnen worden ist.

cc) Auch bei Beschaffung von Ersatz für ein aufgrund höherer Gewalt oder infolge oder zur [X.]ermeidung eines behördlichen Eingriffs aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenes Wirtschaftsgut geht es darum, dass die dadurch erlangte Gegenleistung (hier in Form einer Brandentschädigung) ungeschmälert zur Ersatzbeschaffung zur [X.]erfügung steht (BFH-Urteil in [X.], 230, [X.] 1973, 582). Unter diesem Aspekt sind Rücklage für Ersatzbeschaffung und Rücklage nach § 6b Abs. 3 [X.] vergleichbar (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1995 [X.], [X.] 179, 13, [X.] 1996, 60). Der [X.] hält es deshalb für angebracht, für die Bemessung einer angemessenen Reinvestitionsfrist an den in § 6b Abs. 3 [X.] zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken anzuknüpfen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, in Fällen der Ersatzbeschaffung nach [X.] [X.] a.F. eine kürzere Investitionsfrist vorzusehen, als sie von § 6b Abs. 3 [X.] geregelt wird. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass von § 6b [X.] privilegierte geplante Reinvestitionsmaßnahmen regelmäßig längerfristig vorbereitet werden, während die Ersatzbeschaffung eines Wirtschaftsguts wegen seines Untergangs aufgrund höherer Gewalt den Steuerpflichtigen unvorbereitet trifft und eine Reinvestition deshalb mindestens denselben [X.]bedarf auslöst.

b) [X.]or diesem Hintergrund bemisst der [X.] die Reinvestitionsfrist entsprechend dem Rechtsgedanken des § 6b Abs. 3 Sätze 2 und 3 [X.] auf einen [X.]raum von vier Wirtschaftsjahren nach der Bildung der Rücklage. Für die Herstellung eines neuen --im Bereich der Rücklage für Ersatzbeschaffung funktionsgleichen (vgl. BFH-Urteile in [X.], 326, [X.] 1973, 297; in [X.], 46, [X.] 1985, 250)-- Gebäudes beträgt die Reinvestitionsfrist sechs Jahre. Auf einen bestimmten Herstellungsbeginn kommt es dabei im Unterschied zur Regelung in § 6b Abs. 3 Satz 3 [X.] nicht an, weil die Bildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung bereits --wie ausgeführt-- den Nachweis der Investitionsabsicht erfordert und die Umsetzung dieser Absicht regelmäßig zu einem frühzeitigen Herstellungsbeginn führen wird. Eine über diese Fristen hinausgehende Möglichkeit zur Fristverlängerung im Einzelfall besteht nicht.

c) Während des Laufs der Reinvestitionsfrist bedarf es keiner ständigen Überprüfung, ob die ursprünglich festgestellte Investitionsabsicht noch fortbesteht. Der Fortbestand der Absicht wird [X.] vermutet. Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Investitionsabsicht, hat das [X.] diese darzulegen und ggf. nachzuweisen.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Unter Anwendung der vorgenannten Rechtsgrundsätze ist zwar davon auszugehen, dass [X.] die streitbefangene Rücklage für Ersatzbeschaffung zu Recht im Wirtschaftsjahr 1996/97 gebildet und der Kläger sie auch zu Recht fortgeführt hat. Der [X.] kann allerdings mangels entsprechender Feststellungen des [X.] nicht darüber entscheiden, zu welchem [X.]punkt die Rücklage aufzulösen war.

a) Zutreffend geht das [X.] zunächst davon aus, dass [X.] zum 30. Juni 1997 berechtigt war, eine Rücklage für Ersatzbeschaffung zu bilden, um mit Blick auf die zugleich aktivierte Forderung gegen die X-[X.]ersicherung eine Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden. Die Absicht der Ersatzbeschaffung hat [X.] bereits durch die Rücklagenbildung und durch die zeitnahe Aufnahme der Instandsetzungsarbeiten am vorderen Teil der beschädigten Scheune dokumentiert.

b) Da die Reinvestition auf die Herstellung eines Gebäudes gerichtet war, betrug die Frist für deren Ausführung sechs Wirtschaftsjahre seit Bildung der Rücklage. Die Rücklage war danach spätestens am 30. Juni 2003 aufzulösen. Bis dahin war von einer Investitionsabsicht auszugehen. Aus dem Umstand, dass der Kläger nach Übernahme des Hofes die Errichtung einer Stahlhalle anstelle der zunächst teilweise instandgesetzten [X.] plante, ist nicht auf eine Aufgabe der Investitionsabsicht zu schließen, weil die [X.] an die Stelle der Scheune treten sollte und damit ein geeignetes Ersatzwirtschaftsgut war.

c) Allerdings hat das [X.] angenommen, der Kläger habe die Absicht der Ersatzbeschaffung schon zum 30. Juni 2002 aufgegeben. Diese Annahme ist indessen nicht durch entsprechende Feststellungen gedeckt. [X.]ielmehr stützt sich das [X.] alleine darauf, dass der Kläger bezogen auf diesen Stichtag weder einen Nachweis zum Fortbestehen seiner [X.] erbracht noch Gründe vorgetragen habe, warum er die Wiedererrichtung der bereits im August 1996 abgebrannten Scheune bis zur Einreichung des Bauantrages am 21. März 2005 hinausgezögert habe. Nach den vorstehenden Grundsätzen bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass die Investitionsabsicht aufgegeben worden ist. Derartige Umstände kann der [X.] anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht erkennen. Der Hinweis des [X.] auf die nach den [X.]ersicherungsbedingungen noch laufende Frist für Ersatzleistungen dürfte insoweit nicht für, sondern eher gegen eine Aufgabe der [X.] sprechen. Gleiches gilt für vom Kläger in der [X.] vor dem 30. Juni 2003 eingeholte Angebote oder die am 28. Dezember 1999 an die X-[X.]ersicherung gestellte und von dieser am 21. Februar 2000 beantwortete Anfrage, ob statt der Wiedererrichtung einer Scheune der Bau einer Stahlhalle möglich sei. Das [X.] erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit, ergänzende Feststellungen zur Aufgabe der [X.] zu treffen.

d) Sollte das [X.] im zweiten Rechtsgang zu der Annahme gelangen, der Kläger habe seine [X.] vor dem 30. Juni 2003 aufgegeben, weist der [X.] auf Folgendes hin:

aa) [X.] sind grundsätzlich und vorrangig in der Bilanz des Wirtschaftsjahres zu berichtigen, in der es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 I[X.] R 53/09, [X.] 234, 221, [X.] 2011, 1017). Liegt für das Jahr, in dem es zu der fehlerhaften Bilanzierung gekommen ist, bereits ein Steuerbescheid vor, der aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden kann, so ist nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 [X.], [X.] 161, 451, [X.] 1990, 1044) der unrichtige Bilanzansatz grundsätzlich in der ersten Schlussbilanz richtigzustellen, in der dies unter Beachtung der für den Eintritt der Bestandskraft und der [X.]erjährung maßgeblichen [X.]orschriften möglich ist (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1992 I[X.] R 118/90, [X.] 170, 336, [X.] 1994, 381). Bei Land- und Forstwirten, die --wie im [X.] ihren Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] abweichend vom Kalenderjahr ermitteln, ist nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor Änderung des § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878) ein fehlerhafter Bilanzansatz selbst dann in der ersten noch offenen Bilanz richtigzustellen, wenn dadurch die auf den vorausgegangenen, aber bestandskräftig abgeschlossenen [X.]eranlagungszeitraum entfallende Gewinnerhöhung nicht mehr berücksichtigt werden kann (BFH-Urteil in [X.] 234, 221, [X.] 2011, 1017).

bb) Es wird zu prüfen sein, ob die etwaige Aufgabe der [X.] nach den [X.]ersicherungsbedingungen der X-[X.]ersicherung Auswirkungen auf den zu aktivierenden Entschädigungsanspruch des [X.] gegenüber der X-[X.]ersicherung haben kann. Aus den allgemeinen Regeln zur Gewinnrealisierung folgt insoweit, dass eine Forderung nur zu aktivieren ist, wenn sie wirtschaftlich in der [X.]ergangenheit verursacht und am Bilanzstichtag (noch) hinreichend sicher ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 [X.], [X.] 201, 228, [X.] 2003, 400; Blümich/[X.], § 5 [X.] [X.]).

Meta

IV R 4/09

12.01.2012

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 16. Dezember 2008, Az: 15 K 40/07, Urteil

§ 4 Abs 1 EStG 1997, § 6b Abs 3 EStG 1997, § 4 Abs 1 EStG 2002, § 6b Abs 3 EStG 2002, R 35 EStR 1996

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 12.01.2012, Az. IV R 4/09 (REWIS RS 2012, 10178)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10178

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