Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2014, Az. 4 StR 168/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 5099

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 168/14

vom
4. Juni
2014
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 4.
Juni
2014
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 17.
Januar 2014 aufgehoben, jedoch blei-ben die Feststellungen zu
Ziffer
II. der Urteilsgründe aufrecht erhalten.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Straf-kammer des [X.]s zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision
wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körper-verletzung in vier tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Seine hiergegen eingelegte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg.
1
-
3
-
I.
Die Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zum
Nachteil des [X.] H.

Y.

und dessen [X.] B.

A.
, sowie
der Zeugin D.

E.

hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1.
Das [X.] hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
a)
Am 17.
März 2013 wartete der Angeklagte mit seinem Pkw Ford
Galaxy vor einer Rotlicht zeigenden Ampel an einer Kreuzung im Stadtgebiet von

. Als er auf dem Gehweg der kreuzenden Straße den Nebenkläger
M.

E.

in Begleitung seiner schwangeren Ehefrau D.

E.

und den
Nebenkläger H.

Y.

mit seinem 7-jährigen [X.] B.

A.

erblickte,
fasste er aus Verärgerung über die Nebenkläger, die in der Vergangenheit sei-ne von ihm getrennt lebende Ehefrau unterstützt hatten, spontan den Ent-schluss in diese Personengruppe hineinzufahren und diese zu verletzen. [X.] die Lichtzeichenanlage auf Grün geschaltet hatte, beschleunigte der An-geklagte auf die größtmögliche Geschwindigkeit, bog in die querende Straße ein und lenkte sein Fahrzeug nach einer weiteren Kurvenfahrt mit einer Ge-schwindigkeit von noch mindestens 16,6
km/h mittig auf die Personengruppe zu, die sich zu diesem Zeitpunkt in Höhe einer Tankstelleneinfahrt befand. Ihm war dabei bewusst, dass es bei einem Zusammenprall der Personen mit sei-nem Pkw zu erheblichen Verletzungen kommen würde. Solche Verletzungen wollte er bei den [X.], weil er sie für das Scheitern seiner Ehe ver-antwortlich hielt; bezüglich D.

E.

und B.

A.

nahm er sie zumindest
billigend in Kauf. Die Nebenkläger konnten im letzten Augenblick zur Seite springen und ihre jeweiligen Begleiter wegziehen. Dabei flüchtete M.

E.

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3
4
-
4
-
mit seiner Ehefrau nach vorne, während H.

Y.

seinen [X.] nach hin-
ten wegzog. Allein aufgrund dieser schnellen Reaktion blieben alle vier [X.] unverletzt.
Der Angeklagte bremste seinen Wagen ab und setzte kurz in Richtung des [X.] Y.

und dessen [X.] B.

A.

zurück. Dann fuhr er
stark beschleunigend in Richtung des [X.] M.

E.

, der auf den
Tankstellenshop zugerannt war. Als M.

E.

hinter einem stehenden Auto
an einer Zapfsäule Zuflucht gefunden hatte, stoppte der Angeklagte seinen Wagen. Sein Vorhaben,
die Nebenkläger M.

E.

und H.

Y.

zu
überfahren und dadurch zu verletzen, ließ sich nun nicht mehr umsetzen, weil sich beide in Sicherheit gebracht hatten.
b)
Das [X.] hält einen Rücktritt vom Versuch gemäß §
24 Abs.
1 StGB für nicht gegeben, weil der Angeklagte an der weiteren Tatausführung r-

die Zapfsäule der Tankstelle versperrt gewesen sei. Da sich die Geschädigten mittlerweile aus dem Einfahrtsbereich entfernt hätten, habe auch durch ein Zurücksetzen oder ein sonstiges Fahrmanöver eine weitere Tatbegehung keinen Erfolg mehr ver-sprochen (UA
33).
2.
Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte sei von dem Versuch der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des [X.] H.

Y.

und der Geschädigten B.

A.

und D.

E.

nicht zurückgetre-
ten, wird von den
Feststellungen nicht getragen.

5
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-
5
-
a)
Ein strafbefreiender Rücktritt nach §
24 StGB scheidet aus, wenn der Versuch fehlgeschlagen ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 30.
Novem-ber
1995

5
StR
465/95, [X.]St 41, 368, 369; Urteil vom
10.
April 1986

4
StR
89/86, [X.]St 34, 53, 56). Ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, ist für jedes im Versuchsstadium stecken gebliebene Delikt ungeachtet der [X.] Bewertung gesondert zu prüfen ([X.], Beschluss vom 27.
Fe-bruar 2014

1
StR
367/13, Rn.
13; Urteil vom 23.
Mai 2012

5
StR
54/12, [X.], 562). Von einem fehlgeschlagenen
Versuch ist auszugehen, wenn die Tat nach dem [X.] des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den
bereits eingesetzten oder anderen naheliegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt. Gleiches gilt, wenn eine [X.] objektiv zwar noch möglich ist, der Täter diese aber subjektiv nicht mehr für möglich hält. Maßgeblich dafür ist nicht der ursprüngliche Tatplan, dem je nach Fallgestaltung allenfalls Indizwirkung für den [X.]
des [X.] zukommen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 2.
November 2007

2
StR
336/07, [X.], 393), sondern dessen Vorstellung nach Abschluss der
letzten
Ausführungshandlung (st. Rspr.;
vgl. nur [X.], Urteil
vom 25.
Okto-ber 2012

4
StR
346/12, [X.], 156, 157; Beschluss vom 22.
März 2012

4
StR
541/11, [X.], 239, 240 mwN). Lässt sich den Urteilsfeststel-lungen das zur revisionsrechtlichen Prüfung unerlässliche Vorstellungsbild des
Angeklagten nicht hinreichend entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand ([X.], Beschluss vom 7.
Mai 2014

4
StR
82/14, Rn.
5; Urteil vom 19.
März 2013

1
StR
647/12, NStZ-RR
2013, 273, 274).
b)
Bei der Prüfung, ob ein fehlgeschlagener Versuch einer gefährlichen Körperverletzung vorlag, hat das [X.] ausschließlich auf den Zeitpunkt abgestellt, als M.

E.

sich vor dem stark beschleunigend auf ihn zufah-
renden Pkw hinter einem Fahrzeug in Sicherheit bringen konnte. Damit ist das 8
9
-
6
-
[X.] zwar rechtsfehlerfrei von einem Scheitern der Tatvollendung in [X.] auf M.

E.

ausgegangen. Es hat aber außer [X.] gelassen, dass es
für die Prüfung, ob auch in Bezug auf die weiteren Tatopfer ein fehlgeschlage-ner
Versuch vorlag, nicht auf diesen Zeitpunkt, sondern auf die Vorstellungen und Möglichkeiten des Angeklagten
nach der letzten gegen sie gerichteten [X.] ankam.
Dazu wurden keine ausreichenden Feststellungen getroffen.
In Bezug auf die
nach hinten ausgewichenen H.

Y.

und
B.

A.

bleibt
bereits offen, welches Fahrmanöver als letzte gegen diese
Personen gerichtete Ausführungshandlung anzusehen war. Die
Feststellungen lassen nicht erkennen, ob
es sich bei dem Zurücksetzen des Fahrzeugs in de-ren Richtung noch um eine Fortsetzung des mit dem [X.] in die
Personengruppe begonnenen Versuchs einer gefährlichen Körperverletzung handelte.
In diesem Fall wäre für die Bewertung des Rücktrittshorizonts
nicht auf den Erkenntnisstand des Angeklagten nach dem [X.] des zunächst vorgestellten Tatablaufs
([X.] in die Personengruppe), sondern auf sein

gleichfalls nicht festgestelltes

Vorstellungsbild nach
dem Abbruch

dieses Fahrvorgangs abzustellen
(vgl. [X.], Urteil
vom 8.
Februar 2007

3 StR
470/06, [X.], 399, Rn.
3;
Urteil vom 10.
April 1986

4
StR
89/86, [X.]St 34, 53, 58).
Auch hinsichtlich der Möglichkeiten und Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf die Herbeiführung einer Tatvollendung
zum Nachteil
von D.

E.

sind auf der Grundlage der Feststellungen des [X.]s verlässliche
Rückschlüsse auf einen Fehlschlag des Versuchs nicht möglich. Die Urteils-gründe
teilen schon nicht mit, wo sich D.

E.

nach dem [X.] in
10
11
-
7
-
die Personengruppe aufhielt und ob sie sich vor weiteren Angriffen in Sicherheit gebracht hatte.
II.
Der aufgezeigte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils insge-samt, obgleich die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen gefähr-lichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§
315b Abs.
1 Nr.
3, Abs.
3 i.V.m. §
315 Abs.
3 Nr.
1a StGB) und wegen gefährlicher Körperverletzung (§
224 Abs.
1 Nr.
2 und 5 StGB) zum Nachteil des [X.] M.

E.

an sich rechts-
fehlerfrei erfolgt ist (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 1997

4
StR
642/96, [X.]R StPO §
353 Aufhebung
1). Da das Urteil nur Lücken zum Rücktrittshori-zont des Angeklagten in Bezug auf die gefährliche Körperverletzung zum Nach-teil der drei weiteren Tatopfer aufweist,
können die
im Übrigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Vortatgeschehen (II.1. der Urteilsgründe), zum Tagesablauf bis zum Tatgeschehen (II.2.a der Urteilsgründe) und zum unmittel-baren Tatgeschehen ([X.] der Urteilsgründe) bestehen bleiben.
Der neue Tatrichter wird daher lediglich ergänzende, zu den aufrecht erhaltenen Feststel-lungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen zu den Möglichkeiten und den Vorstellungen des Angeklagten in Bezug auf eine Tatvollendung zum
12
-
8
-
Nachteil des [X.] Y.

, des B.

A.

und der D.

E.

nach
der jeweils letzten Ausführungshandlung zu treffen haben.
Sost-Scheible
Cierniak
Franke

Bender
Quentin

Meta

4 StR 168/14

04.06.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2014, Az. 4 StR 168/14 (REWIS RS 2014, 5099)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5099

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