Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.07.2017, Az. X S 15/17

10. Senat | REWIS RS 2017, 7601

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Gegenstand

Streitwert bei Antrag auf Steuererhöhung


Leitsatz

1. NV: Begehrt der Kläger eine Erhöhung der Steuer, so ist der Streitwert im Ausgangspunkt mit der Differenz zwischen der festgesetzten und der angestrebten Steuer zu bemessen .

2. NV: Die Anhebung des Streitwerts wegen offensichtlich absehbarer zukünftiger Auswirkungen setzt voraus, dass diese dem Grunde nach eindeutig bestimmbar sind .

3. NV: Ist die Höhe dieser Auswirkungen nicht exakt bezifferbar, ist diese zu schätzen .

4. NV: Offensichtlich absehbare Auswirkungen können auch solche sein, die ein Zutun des Steuerpflichtigen erfordern, sofern dieses bei verständiger Betrachtung zu erwarten ist .

5. NV: Tritt im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens eine Kostenrechtsänderung ein, ist die Streitwertbeschränkung nach der neueren Rechtslage zu bemessen, die auch für das Revisionsverfahren gilt .

Tenor

Der Streitwert für das Revisionsverfahren [X.]/13 wird auf 273.600 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Die Kläger, Revisionsbeklagten und Antragsteller (Antragsteller) sind die [X.]hefrau bzw. der [X.] des im Jahre 2008 verstorbenen [X.] Die Antragstellerin und [X.] wurden im Streitjahr 2002 zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt. Sie erklärten laufende Verluste aus Gewerbebetrieb des [X.] aus einer Beteiligung an einer KG von 835.697 € und einen Veräußerungsgewinn von 1.134.763 €, für den sie den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG) beantragten. Der Beklagte, Revisionskläger und Antragsgegner (das Finanzamt --[X.]--) veranlagte antragsgemäß und setzte die [X.]inkommensteuer auf 90.029 € fest.

2

Aufgrund einer Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen setzte das [X.] die [X.]inkommensteuer auf 81.323 € fest. Dem waren nunmehr laufende Verluste aus Gewerbebetrieb von 871.604 € zugrunde gelegt. Der Veräußerungsgewinn blieb unverändert. Mit ihrem [X.]inspruch beantragten die Antragsteller, auf die außerordentlichen [X.]inkünfte nicht den ermäßigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 [X.]StG anzuwenden. Das [X.] lehnte den Antrag ab. Das Finanzgericht ([X.]) hat der im Oktober 2011 erhobenen Klage mit Urteil vom 19. November 2013  13 K 3624/11 [X.] ([X.]ntscheidungen der Finanzgerichte --[X.][X.]-- 2014, 201) stattgegeben, der Senat auf die [X.]nde 2013 eingegangene Revision des [X.] das [X.]-Urteil aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Kosten des gesamten Verfahrens den Antragstellern auferlegt (Urteil vom 9. Dezember 2015 [X.], [X.][X.] 252, 241, [X.], 967).

3

Die Kostenstelle des [X.] ([X.]) hörte die Beteiligten zum Streitwert an. Das [X.] behauptete wie bereits im Revisionsverfahren, den Antragstellern sei es darum gegangen, den ermäßigten Steuersatz in einem anderen Veranlagungszeitraum (2005) zu beantragen, in dem ein wesentlich höherer potentiell begünstigter Veräußerungsgewinn angefallen war. Im Streitjahr 2002 hätte das Begehren zu einer Steuerfestsetzung von 92.060 € geführt, so dass sich eine Differenz zur festgesetzten Steuer in Höhe von 10.737 € ergebe. Im Jahre 2005 sei [X.]inkommensteuer von 2.739.013 € festgesetzt worden, während die Anwendung des § 34 Abs. 3 [X.]StG zu einer [X.]inkommensteuer von 1.808.832 € und damit zu einer Differenz von 930.181 € geführt hätte. Die Antragsteller hingegen erklärten nach einer zunächst abweichenden Berechnung, die Festsetzung der [X.]inkommensteuer 2002 ohne Berücksichtigung des Wahlrechts nach § 34 Abs. 3 [X.]StG hätte zu einer [X.]inkommensteuer von 172.519 € (gemeint wohl 172.523 €) geführt. Der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten und der begehrten Steuer (und damit der Streitwert) belaufe sich damit auf 91.200 €.

4

Mit Kostenrechnung vom 12. Mai 2016 [X.] 185/16 ([X.]) stellte die Kostenstelle des [X.] den Antragstellern eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 6120 des Kostenverzeichnisses des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Höhe von 23.980 € in Rechnung. Sie legte dabei einen Streitwert von 848.857 € zugrunde, den sie aus der Differenz einer angestrebten [X.] des Jahres 2005 in Höhe von 930.181 € und einer angestrebten Steuererhöhung im Streitjahr 2002 von 81.324 € (dies entsprach noch der ersten Berechnung der Antragsteller) errechnet hatte.

5

Hiergegen legten die Antragsteller [X.]rinnerung ein, die unter X [X.] 11/16 geführt wird, und beantragten im Rahmen der [X.]rinnerung die Festlegung des Streitwerts auf 91.200 €. Beide Anträge haben sie mit Schriftsatz vom 17. Juli 2017 zurückgenommen.

6

Sie hatten geltend gemacht: Der Streitwert betrage 91.200 €. [X.]r entspreche der von ihnen bestrittenen Geldleistung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG, die sich allein aus der Steuerdifferenz des Streitjahres berechne. § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG sei nicht einschlägig. Die mögliche Ausübung des Antrags auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem Streitjahr sei nicht "offensichtlich absehbar" im Sinne dieser Vorschrift.

7

Gemeint seien damit gesicherte Dauersachverhalte wie Änderungen der Bemessungsgrundlage für Abschreibungen. Soweit nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]ntscheidungen vom 11. Januar 1967 I R 49/64 (richtig: I 49/64), BStBl III 1967, 215, und vom 2. September 2003 V [X.] 2/02, [X.]/NV 2004, 73) die Auswirkung des Streits in einem anderen Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden könne, wenn die mögliche Auswirkung einigermaßen zuverlässig geschätzt werden könne, fehle es im Streitfall daran. In den diesen [X.]ntscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalten sei es um widerstreitende Steuerfestsetzungen nach § 174 der Abgabenordnung gegangen. Im Gegensatz zu jenen Fällen hätten im Streitfall zum Zeitpunkt der Anfechtung des [X.]inkommensteuerbescheids 2002 die steuerlichen Auswirkungen etwa im Jahre 2005 keineswegs festgestanden. Die Betriebsprüfung für das [X.] sei noch nicht abgeschlossen gewesen und habe tatsächlich nochmals zu Veränderungen des Veräußerungsgewinns geführt. Das Wahlrecht habe für 2005 zwar ausgeübt werden können, aber nicht müssen. [X.]in aktives Handeln des Steuerpflichtigen könne aber nicht gesichert vorhergesagt werden.

8

Umgekehrt seien u.a. zur [X.]rleichterung der Wertermittlung künftige Auswirkungen des Begehrens auch dann unerheblich, wenn sich das Begehren eines Klägers im Streitjahr vorteilhaft, in späteren Jahren oder bei einer anderen Steuer aber nachteilig auswirke.

9

Selbst wenn schließlich § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG anwendbar wäre, sei der Streitwert nach dieser Vorschrift doppelt begrenzt. Zum einen greife die Begrenzung nach § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG auf das Dreifache des Werts nach Satz 1. Im Streitfall sei der Streitwert aber auch nach § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG i.V.m. § 40 GKG auf den Wert des Streitgegenstandes des ersten [X.] begrenzt, da er im Revisionsverfahren nicht erweitert worden sei, und betrage damit unverändert 91.200 €.

Das [X.] hat auf Anfrage der Kostenstelle des [X.] mitgeteilt, es habe den Streitwert mit 91.200 € angesetzt und aus der Differenz zwischen der [X.]inkommensteuer ohne Anwendung des § 34 Abs. 3 [X.]StG (172.523 €) und der festgesetzten [X.]inkommensteuer (81.323 €) ermittelt.

Die Kostenstelle des [X.] half der [X.]rinnerung teilweise ab und erteilte am 16. September 2016 eine geänderte Kostenrechnung mit einer Gebühr von 11.415 €. Dabei ging sie von einem Streitwert in Höhe von 273.600 € aus. Dem lag die [X.]rwägung zugrunde, dass zwar der Antrag für das [X.] offensichtliche Auswirkungen i.S. des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG auf den Veranlagungszeitraum 2005 habe, der Streitwert aber auf das Dreifache der beantragten Steuererhöhung für 2002 begrenzt sei.

Die Vertreterin der Staatskasse hält die so geänderte Kostenrechnung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

II. Der Senat entscheidet nach § 63 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 [X.] über den Streitwert. Er hatte das Begehren der Kläger zunächst als Antrag auf Streitwertfestsetzung aufgefasst, der aber nach Rücknahme nicht mehr zu bescheiden ist. Gleichwohl bleibt die Festsetzung des Streitwerts durch das Prozessgericht angemessen im Sinne dieser Vorschrift. Die Bemessung des Streitwerts in einer Konstellation, in der die Kläger eine Steuererhöhung begehren, wirft Fragen grundsätzlicher Bedeutung auf. Den Klägern entsteht hierdurch kein Nachteil, da die Entscheidung gerichtsgebührenfrei ergeht.

III. [X.] ist auf 273.600 € festzusetzen. Ausgangsgröße ist nach § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] die für das Streitjahr begehrte Steuererhöhung um 91.200 €, die nach § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu verdreifachen und insoweit auch nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] auf den beim [X.] tatsächlich angesetzten Streitwert begrenzt ist.

1. [X.] bestimmt sich nach Maßgabe des [X.] in der Fassung des [X.] des Kostenrechts (2. [X.]) vom 23. Juli 2013 ([X.], 2586), in [X.] seit dem 1. August 2013. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] werden in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] gilt dies jedoch nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Die Revision im [X.] wurde Ende des Jahre 2013 und damit nach Inkrafttreten des 2. [X.] eingelegt.

2. Nach § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist in Fällen, in denen der Antrag des [X.] eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgebend. Das gilt nicht nur für den Regelfall, in dem der Kläger eine Herabsetzung der Steuer begehrt. Es gilt auch dann, wenn eine Erhöhung der Steuer angestrebt wird (so bereits [X.]-Urteil vom 26. Januar 1970 IV 204/64, [X.], 4, [X.] 1970, 493; ebenso in neuerer [X.] [X.] vom 3. September 1998 I E 1, 2/98, [X.] 1999, 483, sowie in [X.] 2004, 73). Die zuletzt genannte Entscheidung war zu § 13 Abs. 2 [X.] a.F. ergangen. Diese Vorschrift ist wortlautidentisch mit § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] i.d.F. des 2. [X.], so dass der Senat an dieser Rechtsprechung festhält.

Im Streitfall hatte das [X.] die Einkommensteuer auf 81.323 € festgesetzt, während die Antragsteller mit ihrem Antrag eine Festsetzung von 172.523 € begehrten. Beide Beteiligten sind hinsichtlich der Richtigkeit dieser Zahl zum Schluss einig gewesen. Die Differenz und damit der Ausgangspunkt der Streitwertberechnung nach § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] beträgt 91.200 €.

3. [X.] ist nach § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] um das Dreifache zu erhöhen. Diese Vorschrift wurde durch das 2. [X.] eingeführt. Danach ist, wenn der Antrag des [X.] offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte hat, die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. Solche Auswirkungen bestanden im Streitfall auf die Einkommensteuerfestsetzung 2005 in einem das Dreifache des Werts nach Satz 1 übersteigenden und deshalb entsprechend begrenzten Umfang.

a) Im finanzgerichtlichen Verfahren liegen offensichtlich absehbare zukünftige Auswirkungen in diesem Sinne vor, wenn ohne umfangreiche Prüfung oder aufwändige Überlegungen, also auf den ersten Blick, erkennbar ist, dass der konkret verwirklichte Sachverhalt auch die Höhe zukünftiger Steuerfestsetzungen beeinflusst. Es reicht nicht aus, wenn dieselbe rechtliche Problematik zwar in zukünftigen [X.]räumen auftritt, die Verwirklichung des entsprechenden konkreten Sachverhalts aber nicht hinreichend sicher absehbar ist. Es muss zum [X.]punkt der die Instanz einleitenden Antragstellung eindeutig bestimmbar sein, ob solche zukünftigen Auswirkungen bestehen. Ist anhand der dem [X.] vorliegenden Unterlagen nicht eindeutig bestimmbar, dass die Entscheidung Auswirkungen für zukünftige Steuerjahre haben wird, so scheidet eine Erhöhung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] aus (vgl. im Einzelnen [X.] vom 17. August 2015 XI S 1/15, [X.], 327, [X.] 2015, 906, unter II.4.a).

aa) Es reicht dabei grundsätzlich aus, wenn eindeutig bestimmbar ist, dass solche Auswirkungen dem Grunde nach eintreten werden. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Betrag der offensichtlich absehbaren Auswirkungen der Höhe nach offensichtlich und genau bestimmt ist. Der Senat billigt ausdrücklich die durch das [X.] Köln mit Beschluss vom 16. März 2016  10 Ko 2520/15 (E[X.] 2016, 836, dort unter [X.] cc (2)) vorgenommene Interpretation des vorgenannten [X.]es, der zufolge der genaue Betrag der offensichtlich absehbaren Auswirkungen auf die Folgejahre seinerseits nicht offensichtlich sein muss, sondern es genügt, wenn dieser ohne Schwierigkeiten anhand der Steuerakten für die Folgejahre ermittelbar ist.

bb) Es genügt aber darüber hinausgehend auch, wenn die Höhe der offensichtlich feststehenden Auswirkungen lediglich einigermaßen zuverlässig geschätzt werden kann (ebenfalls im Sinne einer Schätzung --für die Rechtslage vor Inkrafttreten des 2. [X.]-- [X.] in [X.] 2004, 73). Andernfalls liefe § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] im Wesentlichen leer, was keine zutreffende Auslegung sein kann. Welche steuerlichen Auswirkungen eine bestimmte Entscheidung in einem anderen Jahr hat, lässt sich so gut wie niemals genau vorhersagen. Das gilt selbst dann, wenn durch diese Entscheidung Bemessungsgrundlagen der künftigen Steuer genau bestimmt werden, wie etwa in einem Streit über die Bemessungsgrundlage für Absetzungen für Abnutzung (AfA) oder die [X.], die als typische Dauersachverhalte als Musterfälle des § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] gelten (vgl. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, vor § 135 [X.]O Rz 119a). Die Steuerfestsetzung eines anderen Jahres kann sich zu fast jeder [X.] aufgrund von Umständen, die mit dem Inhalt der der Streitwertfrage zugrunde liegenden Entscheidung nichts zu tun haben, in einem nicht prognostizierbaren Umfang noch ändern. Das kann durch gesonderte Feststellungen und deren Änderung, durch Änderung von Vorläufigkeitsfestsetzungen, durch Verlustvor- und -rückträge oder auch durch Außenprüfungen oder Fahndungsprüfungen geschehen. In solchen Fällen kann sich mit der Steuerfestsetzung je nach [X.] auch die steuerliche Auswirkung der bezifferten Bemessungsgrundlage ändern. Die zahlenmäßigen Auswirkungen i.S. des § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] können daher stets nur ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen.

b) Nach diesen Maßstäben stand im Streitfall mit hinreichender Sicherheit fest, dass die steuerliche Auswirkung der Frage, ob das Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG im Jahre 2002 verbraucht worden war, im Veranlagungszeitraum 2005 wenigstens das Dreifache des Streitwerts des Jahres 2002 beträgt.

aa) Es kann zunächst als sicher betrachtet werden, dass die Antragsteller in dem Veranlagungszeitraum 2005 (von einem anderen Jahr war nie die Rede) das Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG erneut ausüben würden und dies zu einer [X.] führen würde, die die Steuererhöhung des Jahres 2002 übersteigt. Andernfalls wäre die Rechtsverfolgung insgesamt wirtschaftlich unsinnig und die Klage unzulässig gewesen.

Soweit die Antragsteller einwenden, ein aktives Handeln könne nicht gesichert vorhergesagt werden, entspricht die zugrunde liegende Vorstellung von "Vorhersage" nicht den für die Beantwortung der vorliegenden Rechtsfrage anzusetzenden Maßstäben. Die Gewissheit in der Beurteilung der künftigen Auswirkung fordert keinen naturwissenschaftlich unabwendbaren Kausalzusammenhang. Sie kann deshalb auch ein dem freien Willen eines Beteiligten unterliegendes Handeln einschließen, sofern dieses bei verständiger Betrachtung der steuerlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen überwiegend wahrscheinlich ist.

Zum [X.]punkt der Einleitung des Revisionsverfahrens rechneten die Antragsteller zudem jedenfalls nicht ernstlich mit solch gravierenden Änderungen des Veräußerungsgewinns 2005, dass sie deshalb von ihrem Plan Abstand genommen hätten, den Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG im Jahre 2005 zu stellen. Sie sind vielmehr davon ausgegangen, dass die Besteuerung im Jahre 2002 ohne Anwendung des ermäßigten Steuersatzes wirtschaftlich sinnvoll ist, was wiederum eine zu erwartende höhere [X.] im Jahre 2005 voraussetzt.

bb) Der Höhe nach legt der Senat zunächst die Berechnungen des [X.] zugrunde, wonach die Ausübung des Wahlrechts nach § 34 Abs. 3 EStG im Jahre 2005 nach dem zum [X.]punkt der [X.] maßgebenden Kenntnisstand zu einer [X.] von 930.181 € geführt hätte. Die Antragsteller sind der diesbezüglichen Angabe des [X.] nicht entgegengetreten. Dabei handelt es sich um mehr als das Zehnfache der für das [X.] begehrten Steuererhöhung. Die Anhebung des Streitwerts nach § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] ist demgegenüber auf das Dreifache dieser Steuererhöhung begrenzt.

4. Eine weitere Begrenzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] findet nicht statt. Nach dieser Vorschrift ist der Streitwert durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt, es sei denn, der Streitgegenstand werde erweitert (Satz 2). Das [X.] hat den Streitwert für sein Verfahren mit 91.200 € beziffert. Da § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] erst durch das 2. [X.] eingeführt wurde, das Klageverfahren vor dem [X.] aber bereits vor dessen Inkrafttreten eingeleitet worden war, hat es den Streitwert gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] allein nach § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] berechnet und nicht nach § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] angehoben.

Im Rahmen von § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist jedoch nicht der tatsächlich angesetzte Streitwert, hier 91.200 €, sondern der Streitwert von 273.600 € maßgebend, so dass sich aus dieser Vorschrift keine weitere Minderung des Streitwerts ergibt.

a) Zunächst ist nicht der Streitwert maßgebend, den das [X.] tatsächlich im Rahmen seiner Kostenberechnung angesetzt hat, sondern der zutreffende Streitwert. Der [X.] ist an die Streitwertbemessung des [X.] nicht gebunden (vgl. [X.] vom 2. Oktober 2014 III S 2/14, [X.]E 247, 119, [X.] 2015, 37, unter [X.], m.w.N.).

b) Für die Bemessung der [X.] nach § 47 Abs. 2 [X.] ist das [X.] i.d.F. des 2. [X.] und damit auch § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] maßgebend. Die Vorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist im Lichte des § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] zu betrachten. Tritt im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens eine Rechtsänderung ein, ist die Streitwertbeschränkung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 [X.] nach der neuen Rechtslage zu bemessen, die auch für das Revisionsverfahren gilt. Mit Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 31/96 ([X.] 1999, 1333) hat der [X.] für eine Rechtsänderung, in der der [X.] nach Einleitung, aber vor Abschluss des [X.]-Verfahrens angehoben worden war, der Anwendung von § 14 Abs. 2 [X.] a.F. (wortgleich mit dem heutigen § 47 Abs. 2 [X.]) nicht den bisherigen, sondern den neuen [X.] zugrunde gelegt, da sich durch die Rechtsänderung der Wert des Streitgegenstandes des Klageverfahrens tatsächlich erhöht hatte. In Anwendung dieser Grundsätze ist im [X.] für die Streitwertbegrenzung nach § 47 Abs. 2 [X.] derjenige Streitwert zugrunde zu legen, der sich aus dem nach Einleitung, aber vor Abschluss des [X.]-Verfahrens in [X.] getretenen § 52 Abs. 3 Satz 2 [X.] i.d.F. des 2. [X.] ergibt. Damit bleibt es bei dem nach Maßgabe von [X.], 3. anzusetzenden Streitwert von 273.600 €.

IV. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Meta

X S 15/17

21.07.2017

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 34 Abs 3 EStG 2002, § 40 GKG vom 23.07.2013, § 47 Abs 2 S 1 GKG vom 23.07.2013, § 52 Abs 3 S 1 GKG vom 23.07.2013, § 52 Abs 3 S 2 GKG vom 23.07.2013, § 63 Abs 2 S 2 Alt 1 GKG, § 63 Abs 2 S 2 Alt 2 GKG, § 71 Abs 1 S 1 GKG, § 71 Abs 1 S 2 GKG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.07.2017, Az. X S 15/17 (REWIS RS 2017, 7601)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7601

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