Bundessozialgericht, Urteil vom 07.07.2020, Az. B 12 KR 21/18 R

12. Senat | REWIS RS 2020, 2410

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Gegenstand

Krankenversicherung - vorläufige Einstellung der Grundsicherungsleistung durch Grundsicherungsträger - Auffangpflichtversicherung - Prüfungskompetenz der zuständigen Krankenkasse hinsichtlich des Vorliegens eines den anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründenden materiell-rechtlichen Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung - Geltung einer vorläufigen Verwaltungsentscheidung


Leitsatz

Hat der Grundsicherungsträger Leistungen der Grundsicherung nicht endgültig bewilligt oder abgelehnt,

sondern nur vorläufig eingestellt, darf die für die Feststellung der Auffang-Pflichtversicherung zuständige Krankenkasse das Vorliegen eines den anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründenden und die Versicherungspflicht ausschließenden materiell-rechtlichen Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung uneingeschränkt prüfen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. September 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) seit 1.6.2014 streitig.

2

Der 1944 geborene Kläger ist gesundheitlich eingeschränkt und seit 1994 auf Dauer voll erwerbsgemindert im Sinne des [X.]. Seit Juni 2009 erhält er eine Altersrente der [X.]. Sie beläuft sich auf etwas mehr als 100 Euro monatlich. Von der beigeladenen Stadt B. erhielt der Kläger seit 1987 (aufstockend) Leistungen der Grundsicherung. Diese wurden durch schriftliche "Monatsbescheide" oder tatsächliche monatliche Auszahlungen bewilligt.

3

Zwecks Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse gab die Beigeladene dem Kläger mit Schreiben vom [X.] auf, den Verbrauch eines oberhalb der Schongrenze von 2600 Euro liegenden angesparten Betrags in Höhe von 3501,70 Euro bis zum [X.] nachzuweisen. Der Kläger legte daraufhin am 26.5.2014 einen [X.] vom 23.5.2014 über Gesamtkosten in Höhe von 3200 Euro vor. Bereits durch "Bescheid" der Beigeladenen vom [X.] wurde die "Leistung … vorläufig eingestellt". Obwohl das Guthaben des Girokontos des [X.] am 1.6.2014 nur 1504,12 Euro betragen hatte, beantragte er am 5.6.2014 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beigeladenen die Wiedergewährung von Grundsicherungsleistungen für die [X.] ab 1.7.2014. Dabei wies der zuständige Sachbearbeiter der Beigeladenen darauf hin, dass aufgrund der einmonatigen Unterbrechung des Leistungsbezugs nach dem [X.] eine Krankenversicherung im Rahmen der "Bürgerversicherung" möglich sei. Außerdem stellte er dem Kläger eine Bescheinigung aus, wonach aufgrund des § 90 [X.] ein Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] während des [X.]raums vom 1. bis zum [X.] nicht bestanden habe. Ab Juli 2014 gewährte die Beigeladene dem Kläger erneut Leistungen nach dem Vierten und Krankenhilfe nach dem Fünften Kapitel des [X.].

4

Den unter Vorlage der Bescheinigung der Beigeladenen vom 5.6.2014 am selben Tag gestellten Antrag des [X.] auf Feststellung der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 [X.] [X.] V für die [X.] ab 1.6.2014 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 8.4.2015). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2017). Das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe auch ab dem 1.6.2014 einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall gehabt. Die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem Vierten Kapitel des [X.] seien auch für Juni 2014 erfüllt gewesen, wovon mittlerweile selbst die Beigeladene ausgehe. Die Leistungseinstellung stehe dem nicht entgegen. Inhaltlich habe es sich dabei um eine schlichte Leistungsablehnung gehandelt, die zwar in Bestandskraft erwachsen sei. Sie schließe die Beanspruchung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des [X.] für den Monat Juni 2014 jedoch nicht aus. Bei der Anwendung von § 5 Abs 8a Satz 2 und 3 [X.] V sei letztlich allein auf die materiell-rechtliche Rechtslage abzustellen. Dies müsse zumindest dann gelten, wenn der Leistungsträger unter Ausnutzung der fehlenden Rechtskunde des Leistungsberechtigten offensichtlich zielgerichtet einen "Unterbrechungszeitraum" von genau einem Monat rechtswidrig konstruiere (Urteil vom 6.9.2018).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 5 Abs 1 [X.], Abs 8a Satz 2 [X.] V. Er habe für Juni 2014 keine Grundsicherungsleistungen empfangen. Diese seien bestandskräftig eingestellt worden. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich nur eine kurzfristige Leistungsunterbrechung von weniger als einem Monat für unbeachtlich erklärt. Auf die Rechtmäßigkeit der Unterbrechung komme es nicht an.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 6. September 2018 und des [X.] vom 24. Januar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit 1. Juni 2014 in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichertes Mitglied der Beklagten ist.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

9

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid der beklagten Krankenkasse vom 25.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Als Rechtsgrundlage für den Eintritt der Krankenversicherungspflicht kommt hier allein § 5 Abs 1 [X.] 13 [X.]B V (eingefügt mit Wirkung zum [X.] durch Art 1 [X.] a [X.] cc des [X.] des [X.] in der [X.] <[X.]-[X.]stärkungsgesetz - [X.]-W[X.]> vom [X.], [X.]) in Betracht. Danach sind ua Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Dieser Versicherungspflicht unterliegen nach § 5 Abs 8a Satz 2 iVm Satz 1 [X.]B V (in der Fassung des Art 1 [X.] c [X.]-W[X.]) ua jedoch nicht Empfänger laufender Leistungen der Grundsicherung nach dem [X.]B XII. Zu diesem von der Versicherungspflicht ausgeschlossenen Personenkreis zählte der Kläger auch im Juni 2014 trotz fehlenden Leistungsbezugs (dazu 1.), weil ihm für diesen Monat Leistungen nicht endgültig, sondern nur vorläufig versagt worden sind (dazu 2.). Mangels (eventueller) [X.] eines endgültigen Verwaltungsakts der Beigeladenen war die Beklagte berechtigt, das Vorliegen eines den anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall begründenden und damit die [X.] ausschließenden materiell-rechtlichen Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung zu prüfen (dazu 3.). Diesen Anspruch hatte der Kläger auch für Juni 2014 (dazu 4.).

1. Nach den Feststellungen des [X.] hat der Kläger im Juni 2014 - anders als zuvor und danach - tatsächlich keine Leistungen nach dem [X.]B XII erhalten. Wie der [X.] bereits entschieden hat (Urteil vom 6.10.2010 - B 12 KR 25/09 R - B[X.]E 107, 26 = [X.]-2500 § 5 [X.], Rd[X.] 18 ff mwN), kommt es für das Tatbestandsmerkmal "Empfänger laufender Leistungen" aber nicht auf den tatsächlichen Bezug von (Geld-)Leistungen an. Laufende Leistungen der Grundsicherung werden auch in dem [X.]raum "empfangen", für den sie durch Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers - gegebenenfalls auch rückwirkend - zuerkannt sind. Ein solch zuerkennender Verwaltungsakt des beigeladenen Grundsicherungsträgers existiert für Juni 2014 allerdings ebenfalls nicht. Denn die vor Juni 2014 und danach bezogenen Leistungen wurden von der Beigeladenen jeweils nur monatsweise durch Bescheid oder tatsächliche Auszahlung gewährt.

2. Dass sowohl ein Leistungen bewilligender Verwaltungsakt als auch ein tatsächlicher Leistungsbezug fehlt, schließt allerdings die Eigenschaft als "Empfänger laufender Leistungen" nicht aus. Denn auch ein Verwaltungsakt, der Grundsicherungsleistungen für Juni 2014 ablehnt, liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung des [X.] hat die Beigeladene mit ihrer Verlautbarung im "Bescheid" vom [X.], "Die Leistung wird vorläufig eingestellt", keine abschließende leistungsversagende Regelung getroffen.

Maßstab der Auslegung dieses Bescheids, die auch dem Revisionsgericht obliegt, ist der "[X.]" eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (B[X.] Urteil vom 12.12.2013 - [X.] AS 17/13 R - [X.]-1500 § 192 [X.] Rd[X.] 18). Der Wortlaut dieses Bescheids lässt für einen verständigen Empfänger unzweifelhaft erkennen, dass die Beigeladene einen Leistungsanspruch für Juni 2014 nicht endgültig versagen wollte. Auch die tatsächlichen Begleitumstände, insbesondere die Aufforderung an den Kläger vom 28.4.2014, bis [X.] Nachweise über den Vermögensverbrauch vorzulegen, bestätigen aus [X.] die Vorläufigkeit der [X.]. Auf eine endgültige Leistungsablehnung kann auch nicht aus dem Verhalten des Sachbearbeiters der Beigeladenen im Gespräch am 5.6.2014 geschlossen werden. Nach den Feststellungen des [X.] hat der Sachbearbeiter lediglich auf die mit der Leistungsunterbrechung einhergehende Möglichkeit einer "Bürgerversicherung" hingewiesen. Daher ist auch in der ausgestellten Bescheinigung zur Vorlage bei der Krankenkasse keine endgültige [X.] zu erblicken.

Dabei ist unerheblich, dass die Ermächtigung zu einer vorläufigen Entscheidung in § 44a Abs 1 [X.]B XII erst zum 1.7.2017 durch Art 3a [X.] des [X.] [X.] sowie zur Änderung des [X.] und des [X.] ([X.] 3159) eingeführt worden ist. Fehlt es an der Rechtsgrundlage für eine vorläufige Entscheidung, ist der Verwaltungsakt zwar rechtswidrig, gleichwohl aber existent. Er bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch [X.]ablauf oder auf andere Weise erledigt ist (§ 39 Abs 2 [X.]B X). Solange der Verwaltungsakt gilt, stellt er das Recht oder die Pflicht verbindlich fest ([X.] in [X.]/[X.], 9. Aufl 2018, VwVfG § 35 Rd[X.]45). Eine - wie hier - vorläufige und damit nur einstweilige Regelung gilt nur für einen begrenzten [X.]raum, ist von vorneherein auf Ersetzung durch einen endgültigen Verwaltungsakt angelegt und erledigt sich erst mit Erlass der endgültigen Verwaltungsentscheidung (B[X.] Urteil vom [X.] LW 1/17 R - B[X.]E 128, 1 = [X.]-5868 § 3 [X.], Rd[X.] 13). Einem vorläufigen Verwaltungsakt fehlt die für eine Regelung typische Verbindlichkeit (vgl [X.] in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B X, 2. Aufl Stand: 27.11.2018, § 31 [X.]B X Rd[X.]8 mwN). Die Vorläufigkeit vermindert die Bestandskraftwirkung der Regelung ([X.] in [X.]/[X.], aaO). Die Behörde darf eine vorläufig getroffene Regelung nicht beliebig lange aufrecht erhalten. Der Adressat hat vielmehr Anspruch darauf, dass die Behörde eine vorbehaltene Nachprüfung unverzüglich vornimmt, sobald der Grund für den Vorbehalt entfallen ist (BVerwG Urteil vom 19.11.2009 - 3 C 7/09 - BVerwGE 135, 238 Rd[X.]2; Formann, [X.]b 2016, 615, 619 unter Hinweis auf § 328 Abs 2 [X.]B III).

3. Fehlt es an einer vom Willen der Behörde getragenen, für den Erklärungsempfänger bei objektiver verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls erkennbaren endgültigen Regelung des [X.] über die in § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V genannten Leistungen sowohl im positiven (Zuerkennung) als auch im negativen (Ablehnung) Sinn, kann schon deshalb - hier für den Monat Juni 2014 - eine zwingende [X.] und damit eine Bindung der Krankenkasse an eine Entscheidung des [X.] nicht entstehen. Auf die Frage der Bindungswirkung rechtswidriger, aber bestandskräftiger Verwaltungsakte kommt es folglich nicht an (vgl hierzu B[X.] Urteil vom 24.6.2008 - B 12 KR 29/07 R - [X.]-2500 § 9 [X.] Rd[X.] mwN; B[X.] Urteil vom 17.6.1999 - B 12 KR 11/99 R - [X.] 3-5910 § 91a [X.], juris Rd[X.] 15 mwN; B[X.] Urteil vom 10.11.1994 - 12 RK 58/93 - [X.] 3-2500 § 175 [X.] 1, juris Rd[X.] 13).

Jedenfalls dann, wenn es an einer abschließenden Verwaltungsentscheidung des [X.] über die [X.] nach dem [X.]B XII mangelt, hat die für die [X.] zuständige Krankenkasse den eine Absicherung im Krankheitsfall auslösenden Anspruch auf laufende Leistungen im Sinne des § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V gegen den Sozialhilfe- und Grundsicherungsträger selbst zu prüfen und festzustellen, ob er nach dem anzuwendenden materiellen Recht besteht. Nur dieses Ergebnis trägt der Ausgestaltung der [X.] und der ihr zugrunde liegenden gesetzgeberischen Intention Rechnung. Der Gesetzgeber hat die Auswirkungen der Entscheidungen der Sozialhilfe- und Grundsicherungsträger auf das Zustandekommen des neu geschaffenen [X.]tatbestands berücksichtigt: In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf hat der Bundesrat ausdrücklich darauf hingewiesen, es bedürfe Regelungen, "die bei der angedachten Versicherungspflichtlösung eine Kostenverschiebung durch die Sozialhilfeträger" verhinderten. "Ausgeschlossen werden" müsse, "dass eine (unter Umständen 'gesteuerte') Unterbrechung des [X.] eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 [X.] 13 [X.]B V eintreten" lasse, die nach erneuter Bewilligung von Sozialhilfeleistungen bestehen bleibe (BT-Drucks 16/3950 [X.] zu Art 1 [X.] c). Der federführende Ausschuss für Gesundheit führte hierzu aus, § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V präzisiere die Regelung zum Vorrang der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers. Diese Vorrangregelung für die Erbringung von Hilfen zur Gesundheit solle nicht dadurch unterlaufen werden können, dass für eine unverhältnismäßig kurze [X.] der Leistungsbezug unterbrochen werde. Der Sozialhilfeträger habe daher nach der auf Anregung des [X.] übernommenen Regelung des § 5 Abs 8a Satz 3 [X.]B V auch dann Hilfen zur Gesundheit zu erbringen, wenn der Anspruch auf laufende Leistungen nach Satz 2 für weniger als einen Monat unterbrochen werde (BT-Drucks 16/4247 S 29 zu [X.] c). Kann damit der nachrangige [X.]tatbestand nur dann zum Tragen kommen, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V nicht (mehr) besteht, bedarf es jedenfalls dann einer Prüfung dieses Anspruchs durch die zuständige Krankenkasse, wenn hierüber der [X.]B XII-Träger noch nicht entschieden hat.

Dem steht nicht § 5 Abs 8a Satz 3 [X.]B V entgegen, wonach Satz 2 auch gilt, wenn der Leistungsanspruch "für weniger als einen Monat unterbrochen wird". Diese Formulierung bedeutet entgegen der Auffassung des [X.] nicht, dass § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V nur dann anzuwenden ist, wenn die Unterbrechung einen Monat nicht erreicht. Diese Regelung ordnet vielmehr den Vorrang der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers "auch" für den Fall an, dass der Leistungsanspruch nur geringfügig nicht besteht. Sie soll sicherstellen, dass die Vorrangregelung des § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V nicht durch lediglich kurzzeitige Unterbrechungen ausgehebelt wird, und nicht abweichend vom [X.] zwischen Sozialhilfe- und Krankenversicherungsträger den [X.]tatbestand eröffnen, obwohl ein Anspruch auf Leistungen nach § 5 Abs 8a Satz 2 [X.]B V besteht.

4. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hat der Kläger auch für Juni 2014 erfüllt. Das hat auch die Beigeladene zwischenzeitlich eingeräumt. Insbesondere unterschritt das vom [X.] festgestellte Bankguthaben des [X.] von rund 1500 Euro die Vermögensfreigrenze von 2600 Euro (§ 41 Abs 1 Satz 1 [X.]B XII in der bis 31.12.2015 gültigen Fassung des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011 <[X.] 453> iVm § 90 Abs 1 und 2 [X.] 9 [X.]B XII sowie § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] 1 Buchst b der nach § 96 Abs 2 [X.]B XII erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 [X.] 9 [X.]B XII in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] <[X.] 3022>).

Auch lag für Juni 2014 ein wirksamer Antrag des [X.] vor (über den der beigeladene Grundsicherungsträger noch nicht entschieden hat). Ein im Grundsicherungsrecht gestellter Antrag wirkt fort, so dass Folgeanträge für neue Bewilligungszeiträume nicht erforderlich sind (B[X.] Urteil vom [X.] - B 8 [X.] 13/08 R - B[X.]E 104, 207 = [X.]-3530 § 6 [X.] 1, Rd[X.]). Nach den Feststellungen des [X.] ist der ursprüngliche Antrag vom Kläger weder ausdrücklich noch konkludent für den Monat Juni 2014 zurückgenommen worden. Zu einer Rücknahme seines Leistungsantrags wäre der Kläger auch nicht berechtigt gewesen: Der damit verbundene Verzicht auf Grundsicherungsleistungen wäre nach § 46 Abs 2 [X.]B I unwirksam, da durch ihn die beklagte Krankenkasse als Leistungsträger belastet worden wäre (vgl B[X.] Urteil vom 3.5.2005 - B 7a/7 AL 40/04 R - [X.]-4300 § 194 [X.] 8 Rd[X.] 10) oder Rechtsvorschriften umgangen worden wären. § 46 Abs 2 [X.]B I soll nach dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drucks 7/868 S 31) "insbesondere" verhindern, dass durch einen Verzicht auf Sozialleistungen Unterhaltsverpflichtete und Leistungsträger stärker als gesetzlich vorgesehen belastet werden. Ein Anspruchsverzicht des [X.] würde die Zuständigkeit der Beklagten als Leistungsträger der [X.] durch eine von ihm unter Beteiligung des [X.] "gesteuerte" Mitgliedschaft in der [X.] begründen, die der Gesetzgeber - aus den bereits dargelegten Gründen - bei Einführung der [X.] gerade verhindern wollte.

5. [X.] beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 [X.]G.

Meta

B 12 KR 21/18 R

07.07.2020

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Köln, 24. Januar 2017, Az: S 24 KR 394/15, Urteil

§ 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5, § 5 Abs 8a S 2 SGB 5, § 5 Abs 8a S 3 SGB 5, § 39 Abs 2 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.07.2020, Az. B 12 KR 21/18 R (REWIS RS 2020, 2410)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2410

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