Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.03.2023, Az. 1 W-VR 4/23

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2023, 2113

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Gegenstand

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes


Leitsatz

Nach der unanfechtbaren Ablehnung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann ein neuer Antrag zum selben Streitgegenstand zulässig nur gestellt werden, wenn sich entscheidungserhebliche Umstände verändert haben.

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Tatbestand

1

Der Antragsteller begehrt eine einstweilige Anordnung zur Verhinderung ihm nachteiliger Äußerungen oder Handlungen.

2

Der ... geborene Antragsteller ist Berufssoldat. Er ist - nach eigenen Angaben rechtskräftig - wegen Missbrauchs der Dienststellung als Offizier mit höherem Dienstgrad zu unzulässigen Zwecken in Tateinheit mit Anmaßen von [X.] zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Wegen des dem Strafurteil zugrunde liegenden Sachverhaltes ist beim [X.] Süd ein gerichtliches Disziplinarverfahren (Az. [X.] VL 34/20) anhängig.

3

Bereits mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2022 hatte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der das [X.] verpflichtet werden sollte, keine weiteren Entscheidungen zu seinen Lasten auf der Grundlage der [X.] zu treffen. Er machte geltend, das rechtskräftige Strafurteil sei fehlerhaft und könne nicht Grundlage rechtmäßiger Entscheidungen staatlicher Organe sein. Die Strafgerichte hätten die angewandten Strafnormen gebeugt, gegen das [X.], den [X.] verstoßen, sein rechtliches Gehör verletzt und unvertretbare tatsächliche Feststellungen getroffen. Mit Beschluss vom 14. November 2022 hat der Senat den Antrag abgelehnt, weil es an dem für einen Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle (BVerwG 1 W-VR 24.22).

4

Unter dem 18. Februar 2023 hat der Antragsteller erneut eine einstweilige Anordnung beantragt. Er macht geltend, offensichtlich unschuldig zu sein und weder eine Straftat noch ein Dienstvergehen begangen zu haben. Die Verfahren gegen ihn beruhten auf Verleumdungen und falschen Verdächtigungen durch das [X.]. Ein hochdotierter Soldat sei mit dienstlichen Akten beauftragt worden, ihn zu verleumden und falsch zu verdächtigen. Das Strafurteil sei verfassungsfeindlich und laufe dienstlichen Zwecken zuwider. Ein Anordnungsanspruch ergebe sich aus den geschützten Rechtsgütern der verletzten Straftatbestände und der Bindung des [X.] an das Gesetz. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus der Forcierung des Strafverfahrens und der Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens. Es bestehe Wiederholungsgefahr, sofern dem [X.] durch das Gericht nicht Einhalt geboten werde. Einer anderen Entscheidung würde durch eine Anordnung nicht vorgegriffen. Ein verfassungsfeindliches rechtskräftiges Strafurteil rechtfertige nicht die Abwendung von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, um ihn weiter zu verleumden und falsch zu verdächtigen. Die Berufung auf rechtswidrige Vorschriften verleumde ihn, um ihm mit einem unverhältnismäßigen Beförderungsverbot auf Lebzeit zu stigmatisieren.

5

Der Antragsteller beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung das [X.] und die unterstellten Bereiche zu verpflichten, die Verleumdung und falsche Verdächtigung zu seinen Lasten sowie weitere verfassungsfeindliche Handlungen und Ansichten, die sich gegen ihn richten und geeignet sind, ihn zu diskreditieren, zu unterlassen,

bezüglich des nachgeordneten Bereichs hilfsweise, das [X.] im Wege der einstweiligen Anordnung zum sofortigen Einschreiten zu verpflichten.

6

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

7

Der Antrag sei unzulässig. Da nicht erkennbar sei, welche Repressalien der Antragsteller befürchte, sei der Antrag zu unbestimmt. Es sei nicht erkennbar, welche Handlungen mit welchem Gegenstand durch die beantragte einstweilige Anordnung untersagt werden sollen. Soweit sich der Antragsteller auf das gegen ihn beim [X.] anhängige gerichtliche Disziplinarverfahren beziehe und eine Bezugnahme hierauf untersagen lassen wolle, liefe dies auf eine unzulässige Inzidentprüfung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens und der [X.] hinaus. Gegen Maßnahmen nach der [X.] seien nur die in dieser Prozessordnung geregelten Rechtsbehelfe vorgesehen. Diese gesetzgeberische Entscheidung dürfe nicht durch [X.] nach der [X.] unterlaufen werden. Schriftsätzliche Äußerungen von Vorgesetzten in gerichtlichen Antragsverfahren und Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes könnten nicht zum Gegenstand neuer Verfahren gemacht werden. Dies gelte auch für antizipierte Stellungnahmen von Vorgesetzten. Der Antrag sei nicht begründet. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Dem gerichtlichen Disziplinarverfahren lägen rechtskräftige [X.] zugrunde. Der Antragsteller sei daher weder offensichtlich unschuldig, noch werde er verleumdet oder falsch verdächtigt. Das [X.] und der unterstellte Bereich würden weder verfassungsfeindliche Handlungen tätigen noch sich von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung abwenden. Im Übrigen gingen die vom Antragsteller beanstandeten [X.] davon aus, dass dieser zum Tatzeitpunkt nicht Vorgesetzter der fraglichen Soldatin, sondern Offizier mit höherem Dienstgrad gewesen sei, und sich eine Befehlsbefugnis angemaßt habe.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig, weil ihm die Rechtskraft des Beschlusses des Senats vom 14. November 2022 - 1 W-VR 24.22 - entgegensteht und sich relevante Umstände nicht verändert haben, so dass der Antragsteller immer noch kein berechtigtes Interesse an der Gewährung von vorbeugendem Rechtsschutz glaubhaft gemacht hat.

Wird der Erlass einer einstweiligen Anordnung - wie hier mit Beschluss des Senats vom 14. November 2022 - unanfechtbar abgelehnt, kommt auch dem ablehnenden Beschluss nach § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] i. V. m. § 121 VwGO analog materielle Rechtskraft zu (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], VwGO, 28. Aufl. 2022, § 123 Rn. 41 m. w. N). Diese steht einem neuen Antrag zu demselben Streitgegenstand bzw. einem Abänderungsantrag analog § 80 Abs. 7 VwGO (i. V. m. § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.]) nur dann nicht entgegen, wenn der neue Antrag sich auf eine Veränderung relevanter Umstände stützt (vgl. [X.], [X.] vom 23. Oktober 2007 - 2 BvR 542/07 - NVwZ 2008, 417 <417 f.>; [X.], Beschluss vom 19. Juni 2013 - 1 M 56/13 - juris Rn. 4; [X.], Beschluss vom 15. April 2019 - 10 CE 19.650 - juris Rn. 17; [X.], Beschluss vom 26. November 2019 - 6 S 199/19 - NVwZ-RR 2020, 824 Rn. 4; [X.], Beschluss vom 29. August 2000 - 5 TG 2641/00 - NVwZ-RR 2001, 366 <366>).

Eine Veränderung entscheidungserheblicher Umstände ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Der Antragsteller will - wie bereits mit dem Antrag vom 3. Oktober 2022 - auch mit dem Schriftsatz vom 18. Februar 2023 vorbeugenden Rechtsschutz gegen Maßnahmen des [X.] und der diesem unterstellten Behörden erlangen, die diese mit der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des Antragstellers begründen könnten, obwohl der Antragsteller die Strafurteile für schwerwiegend rechtsfehlerhaft hält. Beide Anträge richten sich mithin der Sache nach auf die Verhinderung dienstrechtlicher Konsequenzen aus einer rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung. Damit betreffen die Anträge denselben Streitgegenstand, nämlich die Gewährung von vorbeugendem Rechtsschutz gegen künftige dienstrechtliche Maßnahmen auf der Grundlage der Feststellungen der rechtskräftigen Strafurteile.

Eine Änderung von rechtlichen oder tatsächlichen Umständen, auf die es nach Maßgabe der im Beschluss vom 14. November 2022 - 1 W-VR 24.22 - dargelegten Grundsätze für die Zulässigkeit von vorbeugendem Rechtsschutz ankommt, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Insbesondere zeichnen sich in die Zuständigkeit des [X.] nach § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] fallende drohende Maßnahmen seitens des [X.] oder einer ihm unterstellten Behörde in der Folge des rechtskräftigen Strafurteils immer noch nicht so konkret ab, dass der Senat sie überprüfen könnte. Es ist zudem weiterhin nicht erkennbar, welche konkreten, nicht wiedergutzumachenden, schwerwiegenden Nachteile drohen könnten, wenn der Antragsteller auf die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes nach dem Ergehen einer konkreten für ihn nachteiligen Maßnahme in der Folge des laufenden Disziplinarverfahrens verwiesen wird. Aus den Gründen des Beschlusses vom 14. November 2022 - 1 W-VR 24.22 - ist der Antrag auf vorbeugenden Rechtsschutz daher unzulässig.

Meta

1 W-VR 4/23

21.03.2023

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 23a Abs 2 S 1 WBO, § 80 Abs 7 VwGO, § 123 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.03.2023, Az. 1 W-VR 4/23 (REWIS RS 2023, 2113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 S 199/19

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