Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2014, Az. 5 StR 381/14

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3082

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 381/14

vom
9. September 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 9. September 2014
be-schlossen:

Auf die Revision des
Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. April 2014 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-schutzkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] und sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Revision
des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen der [X.] kannte der nicht vorbestrafte, im Tatzeitpunkt 38 Jahre alte Angeklagte die am 17. Oktober 1991 geborene Nebenklägerin im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Ju-gendwart der [X.] in [X.] als deren Mitglied und Gruppen-führerin. Im [X.] an einen von beiden besuchten Tanzabend am 1. Okto-ber 2005 näherte sich der Angeklagte der sich auf dem Heimweg befindlichen Nebenklägerin, zog sie in eine dunkle Ecke und begann sie ober-
und unterhalb der Bekleidung anzufassen; gemeinsam setzten beide den Heimweg fort. In unmittelbarer Nähe zu seinem Wohnhaus

das Elternhaus der Nebenklägerin befindet sich in derselben Straße

begann der Angeklagte, die Nebenklägerin 1
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zu küssen, fasste ihr in die Hose und unter ihr Oberteil und berührte ihren nack-
n-geklagte mit der Nebenklägerin in sein Wohnhaus. In seinem Schlafzimmer führte er

nachdem er ein Kondom übergestreift hatte

den [X.] mit der Nebenklägerin aus, die dabei entjungfert wurde.
2. Die Beweiswürdigung des [X.] hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die revisionsrechtliche Prüfung der Beweiswürdigung des Tatgerichts beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüch-lich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfah-rungssätze verstößt ([X.], Urteile vom 2. Dezember 2005

5 [X.], [X.], 925, 928, insoweit in [X.]St 50, 299 nicht abgedruckt, und vom 18.
September 2008

5 [X.], [X.], 401). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
Das [X.] stützt die Verurteilung des die Tat bestreitenden Ange-klagten im Wesentlichen auf die von ihm als glaubhaft bewertete Aussage der Nebenklägerin. Es ist sich dabei im Grundsatz bewusst, dass in der [X.] die Bekundungen der einzigen Be-lastungszeugin einer besonderen Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen sind. Indessen wird seine Beweiswürdigung den insoweit zu stellenden Anforderun-gen nicht in vollem Umfang gerecht.

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a) Die Nebenklägerin hat über Jahre hinweg niemandem von den Taten erzählt. Erst nachdem ihr Freund, den sie im [X.] 2010 kennengelernt hat-dem [X.] und später in einem ausführlicheren Brief über die Vorfälle ([X.] f.). Daraufhin erkundigte sich der Freund bei einem Frauennotruf, wie er ihr helfen könne; über den Frauennotruf bekam
die Nebenklägerin einen Therapieplatz vermittelt, sie begann im August 2011 mit der Therapie. Während dieser ent-schied sie sich, Anzeige gegen den Angeklagten zu erstatten; diese erfolgte im Oktober 2012.
Angesichts dieses Offenbarungsgeschehens hätte sich die [X.] nicht darauf beschränken dürfen, die Möglichkeit einer Suggestion nur im Hinblick darauf zu erörtern, ob eine solche im Rahmen der polizeilichen [X.] stattgefunden hat. Vielmehr war genauer zu überprüfen und darzule-gen, welche Angaben die Nebenklägerin zum Tatgeschehen gegenüber ihrem Freund sowie im Rahmen der Therapie gemacht hatte. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass es nach der Aussage der Nebenklägerin noch im [X.], mithin nach ihrem 14. Geburtstag,

[X.] ist ([X.] f.).
b) Nach Aussage ihrer Frauenärztin verschrieb sie der Nebenklägerin die ch die Nebenklägerin we-gen schmerzhafter und starker Regelblutungen in ihre Behandlung begeben hatte. Weitere Behandlungstermine fanden im März und Juni 2006 statt. Zu Beginn der Behandlung war verabredet, dass eine Untersuchung auf Chlamy-dien durchgeführt
werden sollte, sobald die Nebenklägerin ihren ersten Ge-6
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schlechtsverkehr gehabt habe. Dieser wurde von der Nebenklägerin erst im Juni 2006 berichtet. Der daraufhin durchgeführte Test ergab den Nachweis von

dafür spreche, dass zuvor tatsächlich ein

höchstwahrscheinlich ungeschützter

Geschlechtsverkehr

Diese Angaben der Frauenärztin lassen darauf schließen, dass sie zu Beginn der Behandlung, also Ende Dezember 2005, nach Durchführung einer gynäkologischen Untersuchung davon ausging, es habe noch kein Ge-schlechtsverkehr der Nebenklägerin stattgefunden. Diese Bekundungen der Frauenärztin stehen in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zur Bekun-dung der Nebenklägerin, sie sei bereits durch den Geschlechtsverkehr mit dem

3. Die Sache ist demnach neu zu verhandeln und zu entscheiden. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, auch die an sich rechtsfehlerfrei--

e-weisaufnahme ([X.]). Für die neue Hauptverhandlung weist er auf [X.] hin:
a) Die
Annahme von Tatmehrheit durch das [X.] fußt auf der

nicht weiter belegten

Unterstellung, der Angeklagte habe den Entschluss zur Aus-übung des Geschlechtsverkehrs mit der Nebenklägerin erst in seiner Wohnung gefasst ([X.]). Sollte die zur neuen Entscheidung berufene [X.] das objektive Tatgeschehen wiederum wie in dem angefochtenen Ur-teil feststellen, wird sie sich mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob nicht bereits die sexuellen Handlungen des Angeklagten auf dem Heimweg dazu 9
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dienten, die Nebenklägerin für einen letztlich beabsichtigten oder erwünschten Geschlechtsverkehr gefügig zu machen (vgl. zur Frage einer natürlichen Hand-lungseinheit bei mehreren Handlungen zulasten desselben Opfers: LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 177 Rn. 183).
b) Im Rahmen der Strafzumessung wird das neue Tatgericht neben dem beträchtlichen Zeitablauf und der Unbestraftheit des Angeklagten auch den

bislang jedenfalls nicht ausdrücklich beachteten

Umstand zugunsten des Angeklagten zu würdigen haben, dass die sexuellen Handlungen nur wenige Tage vor Erreichen der Schutzaltersgrenze der §§ 176, 176a StGB durch die Nebenklägerin stattfanden.

Basdorf

Sander Schneider

Dölp Bellay

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Meta

5 StR 381/14

09.09.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2014, Az. 5 StR 381/14 (REWIS RS 2014, 3082)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3082

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