Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. IX ZR 184/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2750

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 184/08

vom

29. September 2011

in dem Rechtsstreit

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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] am [X.] als Vorsitzenden,
[X.], [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
29. September 2011
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Kläger wird die Revision gegen das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 29.
August 2008 zugelassen.

Auf die Revision der Kläger
wird das vorbezeichnete Urteil aufge-hoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 800.000

t-gesetzt.

Den Klägern wird für das
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
und das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Zahlungs-verpflichtung gewährt und Rechtsanwältin S.

beigeordnet.

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I.

Das [X.] hat nach Beweisaufnahme die Klage auf Zahlung von Schadensersatz dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten. Es hat [X.], der Beklagte zu
1 als Verkehrsanwalt und die Beklagten zu
2 bis 4 als Prozessanwälte hätten pflichtwidrig Schadensersatzansprüche gegen [X.]

(künftig: Erstanwalt)
verjähren lassen. Dieser sei von den [X.] umfassend mit der Förderung der Abwicklung des notariellen Kaufvertrags vom 22.
Mai 1995 beauftragt gewesen. Deswegen hätte ihn die Pflicht getrof-fen, die Zahlung des die Umsatzsteuer umfassenden Teils des Kaufpreises an die Kläger sicherzustellen. Dies hätten die Beklagten erkennen und den Klägern anraten müssen, vorerst von der Klage gegen den -
den Kaufvertrag beurkun-denden
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Notar abzusehen und den Erstanwalt zu verklagen.

Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das landge-richtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Frage, ob die Kläger den Erstanwalt umfassend mit der Abwicklung des [X.] beauftragt haben, anders gesehen
als das [X.]. Den Klägern sei es entgegen der
Ansicht des [X.]s nicht gelungen, ihre von den [X.] bestrittene Behauptung zu beweisen, sie hätten den Erstanwalt umfassend mit der Prüfung des notariellen Grundstückskaufvertrages in seiner Gesamtheit und damit auch hinsichtlich des hier entscheidenden Vertragsbestandteils (Ab-tretung des [X.]) beauftragt.
Damit komme eine An-waltspflichtverletzung des [X.] nicht in Betracht.

Hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung erreichen wol-1
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len. Sie rügen insbesondere die Verletzung rechtlichen Gehörs durch das [X.].

II.

Die Revision ist zuzulassen und begründet, weil das angegriffene Urteil den Anspruch der Kläger
auf rechtliches Gehör aus Art.
103 Abs.
1 GG
in ent-scheidungserheblicher Weise verletzt. Die Beschwerde führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das Berufungsgericht hat entscheidungserhebliches
Vorbringen der Klä-ger übergangen. Diese haben im ersten Rechtszug ausdrücklich darauf [X.], dass eine Haftung des [X.] auch bei Annahme eines beschränkten Mandats bestehe. Diesen habe dann die Nebenpflicht getroffen, die Kläger auch außerhalb des [X.] über die für ihn offenkundige Ge-fahr ihrer ungesicherten Vorleistungspflicht im Hinblick auf den sich auf die Um-satzsteuer beziehenden Kaufpreisteil hinzuweisen. Allerdings haben die Kläger diese Ausführungen
in der [X.] nicht ausdrücklich wiederholt. Sie mussten dies aber auch nicht, weil sie im ersten Rechtszug mit ihrer Haupt-begründung Erfolg hatten und das [X.] eine Haftung aus umfassendem Mandat angenommen hat. Jedenfalls durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, die Kläger hätten ihr Vorbringen fallen gelassen. Da diese in der Be-rufungserwiderung auf ihr Vorbringen aus erster Instanz Bezug genommen ha-ben, ist die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug als Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG
zu qualifizieren
([X.], Urteil vom 18.
Juli 2003 -
V
ZR 187/02, NJW
2003, 3205).
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Das Berufungsurteil beruht auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte ([X.], aaO, NJW
2003, 3205
f).
Auch wenn der Erstanwalt nur das vom [X.] angenommene beschränkte Mandat hatte, hätte geprüft
werden müssen, ob dieser nach
Treu und Glauben die Kläger vor den Gefahren der
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außerhalb des beschränkten Mandats liegenden
-
Klausel über die Abtretung der [X.] der Käuferin an die Kläger als Verkäufer im Grund-stückskaufvertrag hätte warnen müssen. Eine solche Nebenpflicht aus dem be-schränkten Mandat ist anzunehmen, wenn die Gefahren dem Anwalt bekannt oder offenkundig sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gefahren
Interes-sen des Auftraggebers betreffen, die mit dem beschränkten [X.] im engen Zusammenhang stehen ([X.]
in Zugehör/[X.]/[X.]/
[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 3.
Aufl., Rn.
553
mwN). Offenkundig bedeutet "für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick ersichtlich" ([X.], Urteil vom 18.
Dezember 2008 -
IX ZR
12/05, [X.], 1141 Rn.
14), die Gefahren müssen sich bei ordnungsgemäßer Bearbeitung aufdrängen ([X.], Urteil vom 29.
November 2001 -
IX
ZR 278/00, NJW
2002, 1117, 1118).

Die steuerliche Problematik des §
46 AO (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 23.
Oktober 2003 -
IX
ZR 324/01, WM
2004, 1290, 1294
f; BFH,
Urteil vom 24.
März 1983 -
V
R 8/81, [X.], 498
f; [X.], ZIP 1994, 1669; [X.], BB
2003, 1701) dürfte für einen durchschnittlichen Berater auf den ersten Blick möglicherweise nicht ersichtlich
sein. Es
ist jedoch nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht -
wie naheliegend
-
es als offenkundig angesehen hätte, dass die Kläger bezüglich der gestundeten Kaufpreisrate in Höhe der Umsatz-6
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steuer gänzlich ungesichert waren, solange die Abtretung dem Finanzamt [X.] nicht offengelegt war
und im Übrigen
dann, wenn das Finanzamt mit Gegenansprüchen
gegen die Käuferin aufrechnen konnte.
Denn nach dem Grundstückskaufvertrag sollte die Eigentumsübertragung unabhängig davon erfolgen, ob die Käuferin den die Umsatzsteuer betreffenden Kaufpreisteil [X.] hatte.
Hierauf aufbauend erscheint es möglich, dass das Berufungsgericht eine Haftung des [X.] und der Beklagten ohne die Gehörsverletzung dem Grunde nach bejaht hätte.

[X.]
Raebel
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.11.2006 -
4 O 1328/03 (176) -

OLG Oldenburg, Entscheidung vom 29.08.2008 -
6 U 242/06 -

Meta

IX ZR 184/08

29.09.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. IX ZR 184/08 (REWIS RS 2011, 2750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2750

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