Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2011, Az. IV ZR 255/10

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 3254

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV [X.]/10
vom

20. September 2011

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]

am 20. September 2011

beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des Hanseatischen
Oberlandesgerichts
Ham-burg

9.
Zivilsenat

vom 28.
Oktober 2010 gemäß §
552a ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe:

[X.] Der Kläger, ein Verbraucherschutzverein und eine qualifizierte Einrichtung i.S.
von §
4 [X.], nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung
von Klauseln in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingun-gen ([X.]) für kapitalbildende Rentenversicherungen nach dem [X.] von Altersvor-1
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sorgeaufwendungen ([X.])

"[X.]"

und Erstattung von Kosten in Anspruch.

Die beanstandeten Klauseln lauten:

"§ 6
Wann können Sie Ihre Versicherung kündigen oder
beitragsfrei stellen?

Kündigung
(1) Sie können Ihre Versicherung

jedoch nur vor dem vereinbarten Rentenbeginn

jederzeit mit Frist von ei-nem Monat zum Schluss eines jeden Beitragszahlungs-abschnitts ganz oder teilweise schriftlich kündigen, [X.] jedoch zum Schluss des ersten [X.].

[X.])

Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung bei Kün-digung
(3) Bei
Kündigung (Voll-
oder Teilkündigung gemäß Ab-satz
1) wandelt sich die Versicherung ganz oder [X.] in eine beitragsfreie Versicherung mit herabgesetzter Rente um. Ein Anspruch auf einen Rückkaufswert [X.] nicht.

Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung anstelle einer Kündigung
(7) Anstelle einer Kündigung nach Absatz 1 können Sie zu dem dort genannten Termin verlangen, ganz oder teilweise von der Beitragspflicht
befreit zu werden. In diesem Fall gelten die Absätze 4 und 5 entsprechend."

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das Berufungsge-richt die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger weiterhin
eine Verurteilung der Beklagten.

I[X.] Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von §
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO liegen nicht vor. Das Rechtsmittel hat auch [X.] auf Erfolg.

1. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, weder aus §
168 Abs.
3 [X.] noch aus §
169 [X.] oder §
10 Abs.
1 Nr.
2 EStG könne [X.] werden, dass der Gesetzgeber ein Leitbild der Unkündbarkeit sämtli-cher [X.] habe schaffen wollen. Mit den genannten Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes ([X.])
sollte erreicht werden, dass die Kündigungsmöglichkeit abbedun-gen werden
könne, eine Unkündbarkeit sei damit aber
nicht gefordert worden. Nach §
10 Abs.
1 Nr.
2 EStG müsse nur gewährleistet sein, dass die Ansprüche des [X.] nicht vererblich, übertragbar, [X.], veräußerbar und kapitalisierbar seien.

Die angegriffenen Bestimmungen seien auch weder überraschend oder mehrdeutig i.S.
von §
305c BGB noch seien sie intransparent oder unangemessen i.S.
von §
307 Abs.
1 Satz
2 und Abs.
2 BGB. Ein durch-schnittlicher Versicherungsnehmer könne nicht generell davon ausge-hen, dass die Kündigung eines derartigen [X.] einen Anspruch auf Auszahlung des [X.] auslöse. Der [X.] werde wiederholt darauf hingewiesen, dass in keinem
Fall der Rückkaufswert gezahlt werde.

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2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a)
Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (Senatsurteile vom 17.
Dezember 2008

[X.], [X.], 341 Rn.
16 m.w.N.; vom 23.
Juni 1993

[X.], [X.], 83, 85). Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse
und damit
auch

auf seine Interessen an
(vgl. Senatsurteil vom 23. Juni 1993
aaO
85).

Das bedeutet hier:

In §
6 [X.] unter der Überschrift "Wann können Sie Ihre Versiche-rung kündigen oder beitragsfrei stellen?", erfährt der [X.] die Möglichkeiten einer Vertragsbeendigung, wobei in Absatz
1 die Voraussetzungen
einer Kündigung genannt sind.
In Absatz
3 wird klar-gestellt, und zwar schon in der Überschrift, dass bei einer Kündigung nur eine Umwandlung in eine beitragsfreie Versicherung erfolgt. Seinem Satz
2
entnimmt der Versicherungsnehmer, dass ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht. In Absatz
5 Satz
1 findet sich zusätzlich der Hinweis, dass die Beitragsfreistellung der Versicherung mit
Nachteilen verbunden ist, die im Einzelnen genannt werden. Der Versicherungs-nehmer erfährt mithin bei Durchsicht der Klauseln in §
6
[X.], dass eine Kündigung nur mit der Rechtsfolge einer Beitragsfreistellung möglich ist und ein Anspruch auf den Rückkaufswert nicht besteht.

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b)
Bei diesem
Verständnis sind die Klauseln nicht intransparent i.S.
des §
307 Abs.
1 Satz
2 BGB. Die Beklagte hat nicht gegen ihre Ver-pflichtung verstoßen, den Klauselinhalt klar und deutlich zu formulieren.

aa) Nach dem Transparenzgebot ist
der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners [X.] klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur [X.] an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belas-tungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann ([X.], 137, 143; 147, 354, 361
f.). Diesen [X.] entsprechen die beanstandeten Klauseln.

bb) Allerdings verbindet ein Versicherungsnehmer mit dem Begriff "Kündigung"
üblicherweise die Erwartung einer vollständigen Vertrags-auflösung. Bei Lebens-
und Rentenversicherungen hat der Gesetzgeber diese Rechtsfolge aber nicht ausnahmslos mit einer Kündigung ver-knüpft. So regelt
§
2 Abs.
2 Satz
5 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, dass sich die Altersversorgung bei einer Kündigung in eine prämienfreie Versicherung umwandelt. Ferner zeigt
§
166 Abs.
1 [X.] für den Fall einer Kündigung des Versicherers, dass sich das Versicherungsverhältnis in eine prämienfreie Versicherung [X.].

Die Klauseln in §
6 Abs.
1, Abs.
3 und Abs.
7 [X.] enthalten zu-dem eine klare und durchschaubare Regelung, die dem Versicherungs-nehmer auch die Nachteile aufzeigt, die mit einer Kündigung verbunden 11
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sind. Mag die Überschrift von §
6 [X.] und dessen Absatz
1 noch die
Al-ternative von Kündigung oder
Beitragsfreistellung nahe legen, so wird in Absatz
3 und seiner Überschrift unmissverständlich klargestellt, dass Rechtsfolge einer Kündigung die Umwandlung in eine beitragsfreie Ver-sicherung mit herabgesetzter Rente ist und
ein Anspruch auf einen Rückkaufswert nicht besteht. Auch in §
6 Abs.
7 [X.] wird nochmals ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer die Umwandlung in eine bei-tragsfreie Versicherung verlangen kann.

Dem Versicherungsnehmer werden in §
6 Abs.
5 [X.] die [X.] einer Kündigung deutlich vor Augen geführt. Es ist für ihn bei [X.] in §
6 [X.] ohne weiteres erkennbar, dass eine Kündi-gung nur im Sinne einer Beitragsfreistellung möglich ist und ein [X.] auf den Rückkaufswert nicht besteht.
Dies ergibt sich auch aus der Leistungsbeschreibung und der Versicherungsurkunde unter der Rubrik "Rückkaufswerte".

c)
Die angegriffenen Klauseln weichen auch nicht vom gesetzli-chen Leitbild des §
168 Abs.
3 [X.] ab

307 Abs.
2 Nr.
1 BGB).

Nach §
168 Abs.
1 [X.] kann der Versicherungsnehmer das [X.] jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode kündigen, wenn laufende Prämien zu zahlen sind. Grundsätzlich kann sich der Versicherer auf eine Verein-barung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von dem Kündi-gungsrecht abweicht, nicht berufen. Die Regelung dient dem Schutz des Versicherungsnehmers vor überlangen Versicherungsverträgen und ist daher gemäß §
171 Satz
1 [X.] halbzwingendes Recht.

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§
168 Abs.
3 [X.] enthält nach der Begründung der [X.] zum Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvor-sorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung eine die-ser Regelung vorgehende Sonderregelung (BT-Drucks.
16/886, S.
14). Die Norm bestimmt, dass die Absätze
1 und 2 nicht auf einen für die [X.] bestimmten Versicherungsvertrag anzuwenden sind, bei dem der Versicherungsnehmer mit dem Versicherer eine Verwertung vor dem Eintritt in den Ruhestand unwiderruflich ausgeschlossen hat. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass nichts dafür ersichtlich sei, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung ein neues Leitbild der Unkündbarkeit sämtlicher [X.] habe schaffen
wollen, sondern lediglich eine Ausnahme vom Grundsatz der Kündbarkeit zugelassen habe. In Übereinstimmung damit ist in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des [X.] ausgeführt, dass generell darauf verzichtet wurde, für die einzelnen Versicherungszweige gesetzliche "Leitbilder" oder "Standardverträge"
festzulegen (BT-Drucks.
16/3945, S.
51). Etwas [X.] ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des [X.] zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines [X.] zur Änderung des Betriebsrentengesetzes
(BT-Drucks.
16/3007, S.
23), der inhaltlich mit der Begründung der [X.] zum genannten Regierungsentwurf übereinstimmt
(BT-Drucks.
16/886, S.
14). Soweit es dort heißt "unberührt von diesem Ausschluss der ordentlichen Kündigung", gibt es keinen Hinweis darauf, dass dieser Ausschluss zwingend sein soll. Sinn und Zweck der [X.] war die Anpassung des Versicherungsvertragsgesetzes an die Änderungen der Rahmenbedingungen der privaten Altersvorsorge zu Beginn des Jahres 2005. Wegen der Gewährung steuerlicher Förderung, 18
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des Ausschlusses der Anrechnung bei Sozialleistungen und der Gewäh-rung von Pfändungsschutz bestimmter Lebensversicherungsverträge zur Altersvorsorge, soll der Versicherungsnehmer hier ausnahmsweise lang-fristig gebunden werden können. Auch in der Literatur wird §
168 Abs.
3 [X.] in diesem Sinn nur als Sonderregelung zu §§
168 Abs.
1, 171 [X.] verstanden ([X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
168 Rn.
15; [X.] in [X.]/[X.], Praxiskommentar zum Versicherungs-vertragsrecht
§
168 Rn.
28
ff.; [X.]/[X.], [X.]-Kommentar
§
168 Rn.
7).

[X.]
[X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss

erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom
28.08.2009 -
324 O 1004/08 -

OLG Hamburg, Entscheidung vom 28.10.2010 -
9 [X.] -

Meta

IV ZR 255/10

20.09.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2011, Az. IV ZR 255/10 (REWIS RS 2011, 3254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3254

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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