Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2014, Az. 4 StR 522/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8026

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4
StR 522/13

vom
11. Februar
2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
zu 1.: erpresserischen [X.] u.a.

zu 2.: Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat am 11.
Februar
2014
nach Anhö-rung des [X.] und der Beschwerdeführer gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 12.
April 2013 mit den Feststellungen auf-gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte M.

wegen erpresserischen Men-
schenraubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und gefährlicher Kör-perverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten [X.]

wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in
Tateinheit mit räuberischer
Erpressung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Vollstre-ckung der letztgenannten Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Ferner hat das [X.] eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
1
-
3
-
Mit ihren Revisionen beanstanden die Angeklagten jeweils allgemein die Verletzung sachlichen Rechts. Die Rechtsmittel haben Erfolg und führen
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].
I.
Die tateinheitliche Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen [X.] bzw. wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub [X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat die Tatbe-standsvoraussetzungen dieser Strafvorschrift
in den Urteilsgründen nicht hinrei-chend belegt.
1.
Das [X.] hat in diesem Zusammenhang im Wesentlichen Fol-gendes festgestellt:
Am Tattag, dem 4.
Oktober 2011, verschafften sich beide Angeklagte sowie die gesondert verfolgten Zeugen Kr.

und Ka.

Zugang zur Woh-
nung des Geschädigten, des Zeugen Z.

in Herne. [X.] be-
hauptete die Angeklagte M.

die Staatsanwalt-
schaft

bei ihr gewesen, da er, der Geschädigte, Spionage betrieben habe. Sie forderte ihn zur Herausgabe seiner Ausweise
auf; der gesondert verfolgte Zeuge Ka.

verlieh dieser Forderung
Nachdruck, indem er mit seiner Faust in die Rippen des Geschädigten schlug. Die Angeklagte M.

nahm sodann den
Ausweis und
das Mobiltelefon des
Geschädigten an sich, ferner sein Portemonnaie mit Krankenversicherungskar-te, Führerschein, Fahrzeugschein, EC-Karte und etwas Bargeld sowie seinen [X.]. Der Geschädigte ließ dies geschehen, weil er aufgrund der 2
3
4
5
-
4
-
Schläge und der Drohungen keine Möglichkeiten zur Abwehr sah. Spätestens jetzt erkannte der Angeklagte [X.]

, dass der Geschädigte mit Gewalt und
Drohungen zur Herausgabe von Gegenständen genötigt werden sollte und dass seine, des Angeklagten Anwesenheit und sein Verhalten dazu beitrugen, den Druck auf den Geschädigten aufrechtzuerhalten und im Zusammenspiel mit den anderen Tatbeteiligten die Tat der Angeklagten M.

ermöglichten. Nachdem
sich der Geschädigte auf Geheiß der Angeklagten M.

auf ein Sofa gesetzt
hatte, verabreichte sie ihm Schläge
mit der flachen Hand ins Gesicht und gegen das Ohr, zwei Tritte
mit dem Knie zwischen die Beine sowie einen
Sprühstoß aus einer Haarspray-Dose ins Gesicht und warf ihm vor, er [X.] seine Frau, sperre sie ein und halte sie finanziell kurz. Sie forderte den Geschädigten auf, im [X.] einen Kreditantrag bei einer Bank über 5.000
Euro auszufüllen. Der Geschädigte kam der Forderung nach, trennte jedoch unbemerkt die Inter-net-Verbindung, so dass es zu
keinem Vertragsabschluss kam. Unter [X.] Wiederholung ihrer Vorwürfe durchwühlte die Angeklagte M.

die Ak-
tentasche des Geschädigten und forderte ihn auf, die Sachen seiner Frau ein-zupacken und am nächsten Tag die 5.000
Euro aus dem Bankkredit bei ihr vor-bei zu
bringen.
Sollte er danach nicht
jeden Monat 500
Euro an sie zahlen,
werde sie mit ihren Begleitern wieder kommen. Anschließend
trugen der Ange-klagte [X.]

sowie die Zeugen Kr.

und Ka.

die in Kartons und Ta-
schen gepackten Sachen der Ehefrau des Geschädigten sowie einen Drucker zum Auto des Zeugen Kr.

. Ferner nahmen sie den Ausweis, das Portemon-
naie, den [X.], das Mobiltelefon und die Aktentasche des Geschädig-ten mit sich. Nach insgesamt etwa zwei Stunden verließen sie die Wohnung des Geschädigten und fuhren in die Wohnung der Angeklagten M.

zurück.

Bei einer zwei Tage später durchgeführten polizeilichen Durchsuchung wurden das Mobiltelefon, der Fahrzeugschlüssel, die Fahrzeugpapiere, der Ausweis -
5
-
und die Aktentasche des Geschädigten Z.

sowie der Drucker in der Woh-
nung der Angeklagten M.

sichergestellt.
2.
Diese Feststellungen belegen die Tatbestandsvoraussetzungen des erpresserischen [X.] im Sinne von §
239a Abs.
1 StGB weder
unter dem Gesichtspunkt des Entführens-
oder Bemächtigungstatbestandes (Abs.
1 Halbs.
1) noch unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzungstatbestandes (Abs.
1 Halbs.
2).
a)
In der Variante des Entführens bzw. Sichbemächtigens im [X.] ist
§
239a Abs.
1 StGB nach ständiger Rechtsprechung des [X.] dahin einschränkend auszulegen, dass der Täter durch die Anwendung von Gewalt oder durch Drohungen gegen das Opfer eine stabile Bemächtigungslage schaffen und beabsichtigen muss, diese Lage für sein wei-teres Vorgehen auszunutzen. Aus dieser Bemächtigungslage muss sich über die in jeder mit Gewalt verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherr-schungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation auf das Opfer
ergeben. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch [X.] bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs-
und [X.] zusammenfallen ([X.]], Beschluss vom 22.
Novem-ber
1994

GSSt
1/94, [X.]St
40, 350, 359; Urteil vom 31.
August 2006

3
StR
246/06, [X.]R StGB §
239a Sichbemächtigen
9, [X.]. 8 mwN).
Gemessen daran sind die Voraussetzungen des erpresserischen [X.] bis zur vollendeten Wegnahme von Ausweis, Mobiltelefon, [X.] und [X.] des Geschädigten im vorliegenden Fall nach den Feststellungen nicht hinreichend dargetan. Durch die bis dahin erfolgte Gewalt-6
7
8
-
6
-
anwendung, ausgeführt von dem anderweitig verfolgten Zeugen Ka.

durch Faustschläge in die Rippen des Geschädigten, unter deren Eindruck die-ser die Wegnahme der genannten Gegenstände duldete, hatten die Angeklag-ten zwar eine andauernde physische Herrschaft über ihr Opfer erlangt. Die Wegnahme erfolgte jedoch bereits im unmittelbaren, engen Zusammenhang mit der dadurch entstandenen Beherrschungssituation, so dass, entgegen der [X.] [X.], eine stabile Bemächtigungslage als Basis einer weiteren Erpressung zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergestellt war.
b)
Auch die Voraussetzungen des Ausnutzungstatbestandes im Sinne von §
239a Abs.
1 Halbs.
2 StGB sind nicht belegt.
Diese Tatvariante liegt vor, wenn sich der Täter nach einer von ihm selbst oder ihm zurechenbar von einem Mittäter geschaffenen [X.] entschließt, diese zu einer Erpressung auszunutzen (SSW-StGB/
Schluckebier, 2.
Aufl., §
239a Rn.
14). Da der Tatbestand der Erpressung nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] den des Raubes mit umfasst, vermag die vom [X.] in diesem Zusammenhang festgestellte, im weiteren Geschehensverlauf in der Wohnung des Geschädigten erfolgte
Wegnahme des Druckers und der Aktentasche eine Strafbarkeit wegen er-presserischen [X.] grundsätzlich zu begründen (vgl. nur [X.],
Beschluss vom 4.
Dezember 2007

3
StR
459/07, [X.], 16, 17
mwN). Jedoch hat das [X.] diese Tatbestandsalternative nicht in den Blick genommen und keine Feststellungen dazu getroffen, ob gerade die von den [X.] geschaffene Bemächtigungslage den Raub ermöglichte und ob die Angeklagten diese Verknüpfung auch subjektiv herstellten. Es kommt hin-
zu, dass den Urteilsgründen ein vollendeter Raub nicht entnommen werden kann. Es ist weder festgestellt, in wessen Eigentum der mitgenommene Drucker 9
10
-
7
-
stand,
noch,
ob sich die Angeklagten die ihrem Opfer weggenommene [X.] und darin befindliche Sachen zueignen wollten oder die Aktentasche nur an sich nahmen, weil sie darin Bargeld oder andere wertvolle Gegenstände
vermuteten (zur st.
Rspr.
vgl. Senatsbeschluss vom 19.
Dezember 2012

4
StR
494/12, [X.], 309 mwN).
II.
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-dung. Gegebenenfalls wird der neue Tatrichter das Geschehen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Nötigung zu würdigen haben.

-Scheible ist urlaubsbedingt an der [X.] gehindert.
Cierniak
Cierniak
Franke

Mutzbauer

Bender

11

Meta

4 StR 522/13

11.02.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2014, Az. 4 StR 522/13 (REWIS RS 2014, 8026)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8026

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 279/20 (Bundesgerichtshof)

Erpresserischer Menschenraub: Absicht des Ausnutzens der Bemächtigungslage zur Begehung einer Erpressung


3 StR 385/11 (Bundesgerichtshof)

Erpresserischer Menschenraub: Voraussetzungen der Ausnutzungsvariante


4 StR 184/15 (Bundesgerichtshof)


4 StR 515/22 (Bundesgerichtshof)

Erpresserischer Menschenraub im Zwei-Personen-Verhältnis: Erfordernis einer über die Nötigungshandlung hinausgehenden Beherrschungssituation


4 StR 184/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen erpresserischen Menschenraubs: Schaffung einer stabilen Bemächtigungsgrundlage durch die Nötigungshandlung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.