Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2016, Az. 3 StR 109/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 6967

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Amtsanmaßung: Ausdrücklicher oder konkludenter Hinweis auf Funktion als Amtsinhaber


Leitsatz

Als Inhaber eines öffentlichen Amtes gibt sich aus, wer auf seine Funktion als Amtsinhaber ausdrücklich oder konkludent, sei es auch nur durch eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger, hinweist; des Zugehörigkeitshinweises zu einer bestimmten Dienststelle bedarf es nicht.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 27. November 2015 wird

a) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Diebstahls in 34 Fällen, des Betrugs in neun Fällen, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit Amtsanmaßung, des [X.] in elf Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, sowie der Amtsanmaßung in zehn Fällen schuldig ist;

b) der Angeklagte im Übrigen freigesprochen. Insoweit fallen die ausscheidbaren Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

c) der Angeklagte im Fall II. 32 der Urteilsgründe zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls in 34 Fällen, [X.] in 17 Fällen, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb, wegen Amtsanmaßung in 16 Fällen sowie wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 [X.].

2

I. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch Folgendes ergeben:

3

1. Die Verurteilung wegen Diebstahls in 34 Fällen, Betrugs in drei Fällen (Fälle [X.] der Urteilsgründe) und [X.] bzw. versuchten [X.] in den Fällen, in denen der Angeklagte die gestohlenen EC- und Kreditkarten einsetzte, ohne zuvor die [X.] von den Geschädigten zu erfragen (Fälle [X.]4-17, 51-54, 60 und 65-66 der Urteilsgründe), erweist sich aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen als rechtsfehlerfrei.

4

2. Gleiches gilt für die jeweilige Verurteilung wegen Amtsanmaßung in den Fällen [X.], 8, 12, 33, 35, 37, 46, 49, 57 und 59 der Urteilsgründe.

5

Insoweit belegen die Urteilsgründe nach ihrem Gesamtzusammenhang, dass der Angeklagte nicht nur in den drei Fällen, in denen die [X.] die Telefonate mit den Geschädigten wörtlich wiedergegeben hat, so aufgetreten ist, wie aus den [X.] ersichtlich, sondern auch in den übrigen Fällen. Er befasste sich daher mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes im Sinne von § 132 Alternative 1 [X.], indem er - ausdrücklich - auf seine angebliche Funktion als Amtsinhaber hinwies und sich so verhielt, als nehme er Aufgaben und Befugnisse der ihm verliehenen Amtsstellung - der eines Polizisten - wahr. Entgegen der Auffassung der Revision war auch schon eine allgemein gehaltene Kennzeichnung als Funktionsträger von Polizeigewalt ausreichend. Im Gegensatz zu § 132a Abs. 1 Nr. 1 [X.], der die Verwendung einer dem Täter nicht zukommenden förmlichen Amtsbezeichnung erfasst, wird § 132 [X.] maßgeblich durch die missbräuchliche Ausübung einer sachlich angemaßten Amtsbefugnis bestimmt, ohne dass es dabei auf die förmliche Bezeichnung oder überhaupt auf eine ausdrückliche Hervorhebung von Namen und Art des öffentlichen Amts ankommt; insbesondere bedarf es keines Zugehörigkeitshinweises zu einer bestimmten Dienststelle ([X.], Beschluss vom 3. April 2002 - 1 Ss 13/01, [X.], 301, 302; LK/[X.], [X.], 12. Aufl., § 132 Rn. 15; S/[X.], [X.], 29. Aufl., § 132 Rn. 4; [X.], [X.], 63. Aufl., § 132 Rn. 6; [X.], Beschluss vom 9. März 1989 - 1 Ss 81/89, [X.], 268 mit ablehnender Besprechung [X.], [X.], 477).

6

Der Angeklagte hat sich amtlich betätigt. Insoweit genügt es, dass sein Handeln nach außen als Ausübung hoheitlicher Tätigkeit erscheint, wobei auf den Empfängerhorizont eines unbefangenen Dritten abzustellen ist ([X.] aaO; LK/[X.] aaO, Rn. 22 mwN). Abzugrenzen ist solches Handeln von einem rein privaten Auftreten oder erwerbswirtschaftlich-fiskalischer Tätigkeit; im Übrigen braucht es sich nicht um eine für den jeweiligen angeblichen Hoheitsträger zulässige Amtsausübung zu handeln (LK/[X.] aaO, Rn. 20 mwN). So verhielt es sich hier: Der Angeklagte behauptete in den Gesprächen, die Polizei habe die aufgefundenen Zahlungskarten - routinemäßig - sperren lassen, was sowohl im Rahmen der [X.] als auch zur Verhinderung von Straftaten in den Zuständigkeitsbereich der Polizeibehörden fallen kann. Durch das Angebot in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse diese Sperrung wieder rückgängig zu machen, spiegelte der Angeklagte nicht nur vor, eine "[X.] Gefälligkeit" erbringen zu wollen, sondern vermittelte den Geschädigten, dass er - wenn auch in ihrem Interesse - sich amtlich betätigte.

7

Dass das [X.] in diesen Fällen nicht auch eine Strafbarkeit wegen tateinheitlich begangenen versuchten Betrugs geprüft hat, beschwert den Angeklagten nicht.

8

3. Entsprechend dem Antrag des [X.] bedarf der Schuldspruch im Übrigen aber der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung. In der Antragsschrift heißt es:

"In den Fällen, in denen der Angeklagte durch Täuschung der Geschädigten die [X.] für die zuvor entwendeten EC-Karten in Erfahrung brachte (Fälle [X.], 19, 23, 28, 62 und 68), ist er indes nicht - wie das [X.] mit der Begründung, nur die [X.], nicht aber die Bankkarten seien betrügerisch erlangt worden, angenommen hat - des [X.] sondern des Betrugs schuldig. Maßgebend ist insoweit, dass der Angeklagte den Geschädigten gegenüber einräumte, bereits im Besitz der Bankkarten zu sein und sie gleichzeitig darüber täuschte, wie er deren Besitz erlangt hatte. Indem diese ihm die [X.] nannten, räumten sie ihm nicht anders als bei einer auf die gleichzeitige Erlangung des Besitzes an einer EC- oder Kreditkarte und der [X.] gerichteten Täuschung (vgl. dazu BGHR § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 6; BGHR § 263a [X.] Anwendungsbereich 1; [X.], 337 ff.) oder der betrügerischen Erlangung nur des [X.] in Fällen, in denen dem Täter die [X.] bereits - wie der Geschädigte weiß - bekannt ist (vgl. [X.], 236 f.), irrtumsbedingt die faktische Verfügungsmöglichkeit ein, die es dem Angeklagten ermöglichte, unter Missbrauch des ihm entgegengebrachten Vertrauens anschließend die Geldabhebungen an den Geldautomaten zu tätigen. Dass der Angeklagte vortäuschte, die Bankkarten seien gesperrt, ändert daran schon deshalb nichts, weil er gerade vorgab, diese Sperrung alsbald selbst beseitigen und so die Verfügungsmöglichkeit wieder herstellen zu können.

Der Angeklagte hat sich daher in den Fällen [X.], 19, 23, 28, 62 und 68 nicht nur wegen Amtsanmaßung - insoweit gilt nichts anderes als in den Fällen [X.], 8, 12, 33, 35, 37, 46, 49, 57 und 59 - sondern tateinheitlich wegen Betrugs strafbar gemacht."

9

Diesen Ausführungen schließt sich der [X.] an und stellt den Schuldspruch entsprechend um. Dem steht § 265 [X.] nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Soweit die [X.] ihn in den Fällen [X.], 20, 24, 29, 63 und 69 der Urteilsgründe (Fälle 3, 17, 21, 26, 60 und 65 der Anklageschrift) wegen [X.] verurteilt hat, war er hingegen zur erschöpfenden Erledigung der Anklage, die von tatmehrheitlicher Begehung ausgegangen war, freizusprechen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 260 Rn. 13).

II. Zum Strafausspruch gilt das Folgende:

1. Die mannigfachen Einwendungen der Revision gegen die Strafzumessung dringen aus den in der Antragsschrift des [X.] genannten Gründen nicht durch; sie stellen vielmehr ganz überwiegend den im Revisionsverfahren unbehelflichen Versuch dar, eine eigene Bewertung der maßgeblichen Strafzumessungstatsachen an die Stelle derjenigen des dazu berufenen Tatgerichts zu setzen.

2. Der Teilfreispruch führt zum Wegfall der in den Fällen [X.], 20, 24, 29, 63 und 69 der Urteilsgründe verhängten [X.]n von zweimal acht Monaten, dreimal zehn Monaten und einmal einem Jahr.

3. Im Übrigen bedarf die im Fall [X.]2 der Urteilsgründe verhängte [X.] von sieben Monaten der Änderung. Der [X.] hat hierzu ausgeführt:

"Die im Fall [X.]2 verhängte [X.] beruht auf einem offensichtlichen Fassungsversehen. Nach den Feststellungen ist durch die Tat ein Gesamtschaden in Höhe von lediglich 20 Euro entstanden. Das [X.] hat die in den [X.] verhängten [X.]n maßgeblich an der Schadenshöhe ausgerichtet und bei Schäden bis zu 100 Euro jeweils auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten erkannt. Umstände, die im Fall [X.]2 ausnahmsweise eine höhere Strafe rechtfertigen könnten, sind weder im Zusammenhang mit der Strafzumessung dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere rechtfertigt der (erfolglos gebliebene) Versuch, von der Geschädigten im [X.] an den Diebstahl die [X.] zu erfahren (Fall [X.]3), keine höhere [X.], denn in den jeweils nur mit einer Freiheitsstrafe von vier Monaten geahndeten [X.], 11, 26, 27, 34, 36 und 38 bemühte sich der Angeklagte anschließend ebenfalls um telefonischen Kontakt zu der jeweils Geschädigten, konnte diesen auch teilweise herstellen und sie in den [X.] und 27 sogar zur Preisgabe der [X.] bewegen. Der [X.] kann das Fassungsversehen dergestalt korrigieren, dass er auf eine Freiheitsstrafe von vier Monaten erkennt."

Dem schließt sich der [X.] ebenfalls an.

4. Der Wegfall bzw. die Herabsetzung der genannten [X.]n lässt den [X.] unberührt. Der [X.] kann angesichts der verbleibenden 64 [X.]n, die in der Summe annähernd 16 Jahre betragen, ausschließen, dass das [X.] bei Vermeidung der aufgezeigten Rechtsfehler auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, zumal sich der Unrechtsgehalt insgesamt nicht wesentlich geändert hat: In den Fällen [X.], 19, 23, 28, 62 und 68 der Urteilsgründe ist zu der Verurteilung wegen Amtsanmaßung tateinheitlich der Schuldspruch wegen Betruges hinzugekommen, dessen Unrechtsgehalt mit demjenigen der Fälle [X.], 20, 24, 29, 63 und 69 der Urteilsgründe im Wesentlichen übereinstimmt.

VRiBGH [X.] ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.

        

Hubert     

        

RiBGH Mayer ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.

Hubert

                          

Hubert

        

     Gericke     

        

Tiemann     

        

Meta

3 StR 109/16

09.08.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 27. November 2015, Az: 18 KLs 13/15

§ 132 Alt 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2016, Az. 3 StR 109/16 (REWIS RS 2016, 6967)

Papier­fundstellen: NJW 2016, 3111 REWIS RS 2016, 6967

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 109/16 (Bundesgerichtshof)


2 StR 44/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 181/23 (Bundesgerichtshof)


4 StR 314/20 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Raubes u.a.: Anforderungen an eine sukzessive Mittäterschaft und Beihilfe


2 StR 15/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetrugs: Abgrenzung von Betrug und Computerbetrug


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 109/16

3 StR 63/21

4 StR 357/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.