Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.05.2010, Az. X R 49/08

10. Senat | REWIS RS 2010, 6598

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Gegenstand

(Änderungsbefugnis gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO - Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids - Gewerbesteuerzerlegungsbescheid als Folgebescheid - Schuldzinsen als Betriebsausgaben - Umwidmung einer Darlehensverbindlichkeit)


Leitsatz

NV: Eine allein in bei Ihm archivierten Akten festgehaltene Tatsache muss das FA nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen, wenn für die Hinzuziehung dieser Akten nach den Umständen des Falls eine besondere Veranlassung bestand.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für die Streitjahre 1996 bis 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt aus einer Handelsvertretung Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.

2

Für die Streitjahre ergingen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheide und [X.]. Die Festsetzungen waren jeweils lediglich wegen einzelner verfassungsrechtlicher Fragen vorläufig. Auch die [[X.].] für 1997 bis 1999 ergingen endgültig.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung beim Kläger vertrat der Prüfer und ihm folgend der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Auffassung, [X.]insen in Höhe von 35.163,82 [X.] (für 1997), von 33.258,63 [X.] (für 1998) und von 28.105,73 [X.] (für 1999) seien nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Die [X.]ahlungen beruhten auf zwei Darlehen, die nicht im [X.]usammenhang mit betrieblichen Vorgängen ständen.

4

Die Kläger hatten mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 1983 das mit einem [X.]weifamilienhaus bebaute Grundstück [X.] in [X.] zu einem Kaufpreis von 845.000 [X.] erworben. [X.]ur Finanzierung des Kaufpreises nahm die Klägerin bei der Stadtsparkasse [X.] zwei Darlehen über 520.000 [X.] (Kontonummer: [X.]; künftig SSK [X.]) und 280.000 [X.] (Kontonummer: [X.]; künftig SSK [X.]) auf. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1985 machten die Kläger die [X.] beider Darlehen als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. In der Gewinnermittlung für die klägerische Handelsvertretung 1986 buchte der Kläger zunächst über das [X.] das Darlehen SSK [X.] in Höhe von 512.299,20 [X.]. In seiner Bilanz zum 31. Dezember 1986 sowie in den Folgejahren wies er dieses Darlehen in Höhe von 506.403,61 [X.] als Verbindlichkeit aus. Im Rahmen der Gewinnermittlung für das [X.] verfuhr der Kläger mit dem Darlehen über den Ursprungsbetrag von 280.000 [X.] (SSK [X.]) entsprechend.

5

Das [X.] erließ nach § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung ([[X.].]) am 4. September 2001 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1997 bis 1999, in denen der Gewinn des [X.] aus Gewerbebetrieb unter anderem um die genannten [X.]insbeträge erhöht wurde. Eine entsprechende Korrektur der für diese Jahre ergangenen [X.] und [[X.].] wurde vom [X.] nach § 35b des [X.] ([X.]) vorgenommen. Der gegen diese geänderten Einkommensteuerbescheide gerichtete Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das [X.] in erneut geänderten Einkommensteuerbescheiden für 1997 bis 1999 die [X.]insen aus den streitbefangenen Darlehen anteilig (der Höhe nach unstreitig) steuermindernd als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte.

6

[X.]udem erließ das [X.] unter dem 14. Dezember 2001 einen auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [[X.].] gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid 1996. In diesem wurden die klägerischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die [X.]insen aus den streitbefangenen Darlehen erhöht, diese jedoch gleichzeitig aber anteilig in unstreitiger Höhe bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

7

Die Einsprüche blieben erfolglos.

8

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 231 veröffentlichten Urteil ab. Die zu beurteilenden Schuldzinsen seien nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen seien nicht zu betrieblichen [X.]wecken verwandt worden. Ein solcher betrieblicher [X.]usammenhang sei auch nicht nachträglich durch eine Umwidmung hergestellt worden. Hierfür sei der bloße buchmäßige Ausweis der Darlehen in der Bilanz der Kläger nicht ausreichend. Durch eine bloße Willensentscheidung des Steuerpflichtigen könne ein wirtschaftlicher [X.]usammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart nicht hergestellt werden.

9

Das [X.] sei auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 [[X.].] zum Erlass der geänderten Steuerbescheide berechtigt gewesen. Nachträglich sei bekannt geworden, dass ein privates, durch die Ehefrau des [X.] aufgenommenes, der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zuzuordnendes Darlehen nur aufgrund eines Willensaktes des [X.] als betriebliches Darlehen behandelt worden sei. Aus den Bilanzen des [X.] sei dieser Vorgang auch unter Einbeziehung der Akten der Vorjahre so nicht erkennbar gewesen. Denn im Falle einer steuerlich anzuerkennenden Umwidmung hätte der buchmäßige Ausweis der Darlehensverbindlichkeit in gleicher Weise erfolgen müssen.

Mit ihrer Revision machen die Kläger weiterhin geltend, das [X.] sei nicht berechtigt gewesen, die Steuerbescheide zu ändern und die in Frage stehenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abzuziehen. Eine Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [[X.].] scheide im Streitfall aus. Sie, die Kläger, hätten in vollem Umfang ihrer steuerlichen Mitwirkungspflicht dadurch genügt, dass sie die Darlehen offen in der Bilanz 1986 bzw. 1989 neu als Verbindlichkeit ausgewiesen und im Gegenzug eine Buchung auf dem [X.] vorgenommen hätten. Durch die Einbuchung der bis dahin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Darlehen als nunmehr betriebliche Verbindlichkeiten und deren eindeutige Kennzeichnung im Rahmen der Beschriftung der Konten im [X.] hätten sie diesen Vorgang für das [X.] offenkundig gemacht. Dass das [X.] die steuerliche Behandlung nicht beanstandet habe, beruhe ausschließlich darauf, dass es seiner Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Unerheblich sei der Vortrag des [X.], in den Streitjahren habe kein Anlass für weiter gehende Ermittlungen vorgelegen. Da dem [X.] (aufgrund der Steuererklärungen 1986 und 1989) die Umwidmung der Darlehen bekannt gewesen sei, hätte es, sofern sie diese für fragwürdig gehalten hätte, seinerzeit weitere Nachforschungen anstellen müssen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das Urteil des [X.] sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die Einkommensteuer 1996 bis 1999) aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 vom 14. Dezember 2001 und die geänderten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 jeweils vom 7. Februar 2002 in der Weise zu ändern, dass Schuldzinsen von 32.733 [X.] (1996), von 35.163 [X.] (1997), von 33.258 [X.] (1998) und von 28.105 [X.] (1999) vollständig steuermindernd berücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt des Weiteren,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004 (bezogen auf die [X.] 1997 bis 1999 und die Bescheide über die [X.]erlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1997 bis 1999) die [X.] 1997 bis 1999 jeweils vom 11. September 2001 und die [[X.].] 1997 bis 1999 jeweils vom 20. September 2001 in der Weise zu ändern, dass die für diese Jahre vorstehend genannten Schuldzinsen vollständig gewinnmindernd berücksichtigt werden.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [[X.].] lägen vor.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass die zu beurteilenden Schuldzinsen keine Betriebsausgaben sind (unter 1.). Im Ergebnis zu Recht ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass das [X.] gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide berechtigt war (unter 2.). Daher konnte es auch die zuvor ergangenen Gewerbesteuermessbescheide und [X.] entsprechend ändern (unter 3.).

1. Zutreffend hat das [X.] angenommen, dass die hier zu beurteilenden Schuldzinsen wegen fehlender betrieblicher Veranlassung (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind.

a) Schuldzinsen sind dann Betriebsausgaben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn ein Steuerpflichtiger liquide Mittel seines Betriebs entnimmt und zur Tilgung privater Verbindlichkeiten verwendet und er betriebliche Vorgänge mittels eines Kredits finanziert (sog. [X.]; vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] --[X.]-- vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, [X.], 7, [X.], 193; [X.]-Urteil vom 20. Juni 2000 VIII R 57/98, [X.] 2001, 28, und Senatsurteil vom 21. September 2005 [X.], [X.], 238, [X.], 125). Da allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensvaluta maßgebend ist, sind Schuldzinsen nicht bereits deshalb betrieblich veranlasst, wenn der Steuerpflichtige mittels des Kredits ein privates Wirtschaftsgut finanziert, er aber in der Lage gewesen wäre, eine Finanzierung über das [X.] durchzuführen ([X.]-Urteile in [X.] 2001, 28, und vom 29. August 2001 [X.]/00, [X.] 2002, 188).

b) Auch ist es nach Auffassung des Großen Senats des [X.] nicht möglich, einen betrieblichen Veranlassungszusammenhang durch eine bloße wirtschaftliche Umschuldung herzustellen. Ein zu privaten Zwecken aufgenommenes Darlehen kann nicht dadurch wirtschaftlich umgeschuldet werden, dass der Steuerpflichtige durch den bilanziellen Ausweis des Darlehens den Verwendungszweck des privaten Darlehens verändert (Beschluss des Großen Senats des [X.] in [X.], 7, [X.], 193, unter [X.] der Gründe). Denn für die Besteuerung ist allein --auf der Grundlage des tatsächlich verwirklichten [X.] maßgebend, wofür die [X.] verwendet wurden. Auch kann ein wirtschaftlicher Zusammenhang des Darlehens mit dem Betrieb des Steuerpflichtigen nicht durch einen bloßen Willensakt desselben begründet werden ([X.]-Urteile vom 12. September 1985 VIII R 336/82, [X.]E 145, 327, [X.] 1986, 255, und vom 17. Dezember 2003 [X.], [X.] 2004, 1277).

c) Allerdings wird eine Darlehensverbindlichkeit dann Bestandteil des Betriebsvermögens, wenn mittels des Darlehens ein privates Wirtschaftsgut finanziert worden ist, das durch eine Privateinlage in das (notwendige oder gewillkürte) Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird. In einem solchen Fall teilt die Darlehensverbindlichkeit das steuerliche Schicksal des mit dem Darlehen finanzierten Wirtschaftsguts ([X.]/[X.], EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 229). Hingegen kann eine Darlehensverbindlichkeit nicht isoliert als gewillkürtes Betriebsvermögen behandelt werden ([X.]-Urteile vom 17. April 1985 [X.]/81, [X.]E 143, 563, [X.] 1985, 510, und in [X.]E 145, 327, [X.] 1986, 255).

d) Schließlich kann hinsichtlich einer Darlehensverbindlichkeit ein betrieblicher Veranlassungszusammenhang nachträglich dadurch hergestellt werden, dass ein mittels des Darlehens finanziertes Wirtschaftsgut des Privatvermögens veräußert und der Kaufpreis in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt wird (sog. Umwidmung; vgl. [X.]-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 68/94, [X.]E 182, 312, [X.] 1997, 454).

e) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen sind im Streitfall die zu beurteilenden Schuldzinsen nicht betrieblich veranlasst. Die ihnen zugrunde liegenden Darlehen der Stadtsparkasse X stehen nicht im Zusammenhang mit der Finanzierung betrieblicher Vorgänge des [X.]. Nach den Feststellungen des [X.], an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden ist und die von den Klägern auch nicht angegriffen wurden, wurde mittels dieser Darlehen der Kauf eines zum Privatvermögen der Kläger gehörenden bebauten Grundstücks finanziert. Dieses Grundstück wurde weder zu einem späteren Zeitpunkt in das Betriebsvermögen des [X.] überführt noch veräußert. Es blieb Privatvermögen.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das [X.] angenommen, dass das [X.] gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zum Erlass geänderter Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre berechtigt war.

a) Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das [X.] im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte ([X.]-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, [X.]E 149, 141, [X.] 1987, 416). Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des [X.] organisatorisch berufenen Dienststelle ([X.]-Urteil vom 23. März 1983 [X.], [X.]E 138, 313, [X.] 1983, 548). Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist ([X.]-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, [X.]E 143, 520, [X.] 1985, 492).

Das [X.] ist allerdings gehindert, einen Steuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu ändern, wenn dem [X.] die Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre, sofern der Steuerpflichtige seinerseits seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat ([X.]-Urteil vom 13. November 1985 II R 208/82, [X.]E 145, 487, [X.] 1986, 241). Gleiches gilt, wenn das [X.] seine Ermittlungspflicht und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt haben, die Verletzung der Ermittlungspflicht im konkreten Einzelfall aber deutlich überwiegt ([X.]-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, [X.]E 156, 339, [X.] 1989, 585).

b) Es erscheint zweifelhaft, ob die Annahme des [X.] zutrifft, bei der damaligen Bearbeitung der Steuererklärungen 1986 und 1989 sei für das [X.] nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger zu Unrecht private Darlehen in das Betriebsvermögen eingebucht hatte.

Die Zweifel ergeben sich vorliegend daraus, dass jedenfalls in Bezug auf das [X.] aus der vom Kläger eingereichten Bilanz und den hierzu gegebenen Erläuterungen, auf deren Inhalt das [X.] Bezug genommen und diesen damit festgestellt hat, für das [X.] erkennbar gewesen sein musste, dass weder eine Finanzierung nach dem [X.] erfolgt war noch eine sog. Umwidmung stattgefunden hatte.

c) Einer abschließenden Beurteilung dieser Problematik bedarf es indessen nicht, weil sich das angefochtene Urteil aus anderen Gründen als zutreffend erweist. Im Streitfall besteht nämlich die Besonderheit, dass die die Einbuchung der Darlehen in das Betriebsvermögen des [X.] betreffenden Vorgänge nicht aus den in den Streitjahren 1996 bis 1999 vom [X.] geführten aktuellen Akten, sondern lediglich aus den vom [X.] archivierten Akten der Jahre 1986 und 1989 ersichtlich sind.

Hinsichtlich archivierter Akten entspricht es der gefestigten [X.]-Rechtsprechung, dass die zuständige Dienststelle des [X.] den Inhalt dieser Akten nur dann als bekannt gegen sich gelten lassen muss, wenn zur Hinzuziehung dieser Vorgänge nach den Umständen des Falles, insbesondere nach dem Inhalt der zu bearbeitenden Steuererklärung eine besondere Veranlassung bestand. Nur wenn diese Voraussetzung gegeben ist, führt die unterlassene Beiziehung der archivierten Akten zu einer Verletzung der Ermittlungspflicht ([X.]-Urteile vom 13. Juli 1990 [X.]/86, [X.]E 161, 11, [X.] 1990, 1048, und vom 11. Februar 1998 [X.]/97, [X.]E 185, 568, [X.], 552; [X.]-Beschlüsse vom 9. Dezember 1998 [X.], [X.] 1999, 900, und vom 12. August 1999 [X.], juris).

Eine besondere Veranlassung zur Beiziehung der archivierten Akten bestand im Streitfall nicht. Nach dem von den Klägern nicht bestrittenen Vorbringen des [X.] in seiner Einspruchsentscheidung vom 18. August 2004, auf die das [X.] im Tatbestand seines Urteils Bezug genommen hat, wiesen die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der Streitjahre unter Berücksichtigung der vorliegenden aktuellen Akten keine gravierenden Abweichungen zu den Vorjahren auf. Auch waren keine besonderen oder auffälligen Positionen in der Gewinnermittlung erkennbar. Bei dieser Sachlage war das [X.] zur Beiziehung der archivierten Akten nicht gehalten.

d) Unerheblich ist, dass das [X.] den für das Streitjahr 1996 ergangenen Einkommensteueränderungsbescheid auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] gestützt hat. Für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ist nicht entscheidend, ob die zutreffende Änderungsnorm genannt ist, sondern dass die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind, die das [X.] zur Änderung verpflichtet ([X.]-Urteil in [X.]E 145, 487, [X.] 1986, 241). Dies ist hier der Fall, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllt sind.

3. Das [X.] war auch zum Erlass geänderter Gewerbesteuermessbescheide und [X.] für 1997 bis 1999 berechtigt.

Die Befugnis zur Änderung der Gewerbesteuermessbescheide folgt aus § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG. Danach ist ein Gewerbesteuermessbescheid zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid geändert wird und die Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb betrifft. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des [X.] beeinflusst. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil das [X.] zu Recht die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 geändert und die hier zu beurteilenden Schuldzinsen nicht mehr als Betriebsausgaben abgezogen hat.

Die Befugnis zur Änderung der [X.] 1997 bis 1999 folgt aus § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Denn Änderungen des Gewerbesteuermessbescheids führen dazu, dass auch der [X.] als Folgebescheid zu ändern ist (Blümich/Hofmeister, GewStG, § 28 Rz 26, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Meta

X R 49/08

18.05.2010

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 10. Januar 2008, Az: 1 K 4908/04 E, G, Urteil

§ 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 1 AO, § 4 Abs 4 EStG 1990, § 4 Abs 4 EStG 1997, § 4 Abs 1 EStG 1990, § 4 Abs 4 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 18.05.2010, Az. X R 49/08 (REWIS RS 2010, 6598)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6598

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