Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2015, Az. 2 StR 126/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 4860

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2
StR 126/15

vom
24. September
2015
in der Strafsache
gegen

wegen
bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 24. September
2015
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung sonstiger Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und mate-riellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Teil mit der Sach-, zum Teil mit der Verfahrensrüge Erfolg.
1. Soweit der Angeklagte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln in zwölf Fällen verurteilt worden ist, hat die Revision mit der Rüge einer Verletzung von § 261 StPO Erfolg. Das [X.] durfte den
ihr aus einem anderen Verfahren bekannten
Wirkstoffgehalt der beim
gesondert Ver-1
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folgten F.

sichergestellten Betäubungsmittel nicht als gerichtskundig be-handeln.
a) Der Tatrichter darf seiner Entscheidung über die Schuld-
und Straffra-ge nur die Erkenntnisse zugrunde legen, die er in der Hauptverhandlung nach den Regeln des [X.] gewonnen hat. Dies schließt es grundsätzlich aus, außerhalb der Hauptverhandlung erlangtes Wissen ohne förmliche [X.] zum Nachteil des Angeklagten zu verwerten (vgl. [X.]St 19, 193, 195, 45, 354, 357; [X.], 367). Eine Ausnahme kann für ge-richtskundige Tatsachen gelten, wenn -
was das Revisionsgericht im Zweifel freibeweislich nachprüft -
in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen wurde, dass sie der Entscheidung als offenkundig zugrunde gelegt werden könnten. Dies ist erforderlich, um den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör zu gewäh-ren (vgl. [X.]St 36, 354, 359; [X.], 121 u. 357). Auf den Einzelfall bezogene Wahrnehmungen über Tatsachen, die unmittelbar für Merkmale des äußeren und inneren Tatbestandes erheblich oder mittelbar für die Überführung des Angeklagten von wesentlicher Bedeutung sind, dürfen nicht als [X.] behandelt werden (vgl. [X.]St 45, 354, 358 f.; 47, 270, 274; [X.] NStZ-RR 2007, 116, 117).
b) Nach diesen Maßstäben konnten die nicht anderweitig eingeführten Erkenntnisse zum Wirkstoffgehalt der beim gesondert Verfolgten F.

si-chergestellten Betäubungsmittel, die der gesondert Verfolgte B.

zuvor beim Angeklagten erworben hatte, nicht -
wie geschehen -
als gerichtskundig verwer-tet werden. Denn der Wirkstoffgehalt war für die Frage, ob der Angeklagte in Fall II.11 mit Betäubungsmittel
in nicht geringer Menge Handel getrieben hat, unmittelbar erheblich. Zudem war er ein wesentliches Indiz dafür, dass auch die vom Angeklagten in den Fällen II.1
bis 10 und
12 veräußerten bzw. zum Ver-3
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kauf vorrätig gehaltenen Betäubungsmittel jeweils nicht geringe Mengen im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bildeten.
Das Urteil beruht auch auf diesem Rechtsfehler (vgl. [X.], in: KK-StPO 7.
Aufl., § 261 Rn. 80). Das [X.] hat sich unter Verwertung der nicht prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführten Erkenntnisse die Überzeugung vom Vorliegen jeweils nicht geringer Mengen in den Fällen II.1 bis 12 gebildet.
2. Auch die Verurteilung im Fall [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe belegen nicht, dass der Angeklagte im Hinblick auf die Aufbewahrung von nicht geringen Mengen Metamphetamin im [X.] eines [X.] sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung
von Menschen geeignet oder bestimmt sind, oder Schusswaffen im Sinne von §
30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt hat.
Hinsichtlich der in der Wohnung des Angeklagten gelagerten, ungelade-nen Schreckschusspistolen, dem [X.] sowie der Machete lässt sich den Urteilsgründen schon -
wie der [X.] in seiner An-tragsschrift im Einzelnen ausgeführt hat -
nicht entnehmen, ob es sich bei ihnen um taugliche Gegenstände im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG handelt.
Soweit davon auszugehen ist, dass es sich bei der Armbrust mit vier Pfeilen, die der Angeklagte "zugriffs-
und einsatzbereit" in seiner Wohnung be-reit hielt, um einen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfassten Gegenstand handelt, fehlt es hier an einem "Mitsichführen". Denn es ist nicht dargetan, dass der An-geklagte die Armbrust jedenfalls bei einem Teilakt des Handeltreibens -
wie es die Rechtsprechung des [X.] voraussetzt (vgl. [X.]St 43, 8, 10
f.; [X.] NStZ 2011, 99; [X.], 663) -
bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hatte, dass er sich ihrer jederzeit ohne nennenswerten Zeitauf-5
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wand bedienen konnte. Vom Lagerort der Betäubungsmittel im Nachbarhaus hatte er keinen schnellen Zugriff auf die Armbrust. Der bloße Aufenthalt in der Wohnung selbst stellt noch keinen Teilakt des Handeltreibens mit Betäu-bungsmitteln dar, weshalb der vom [X.] angeführte Umstand, der An-geklagte habe mit der Armbrust aus der Wohnung heraus sofort auf jedermann schießen können, der sich dem [X.]eingang des [X.] genähert hätte, für die Erfüllung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht genügt. Soweit die [X.] im Übrigen davon ausgeht, dass die im Nachbarhaus gelagerten Betäubungsmittel
in der Wohnung des Angeklagten später an Käufer überge-ben werden sollten, ist damit allein
die insoweit für die Tatbestandserfüllung nicht ausreichende Absicht des Angeklagten dargetan, bei einem künftigen Teilakt des Handeltreibens einen von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfassten [X.] mit sich zu führen ([X.] NStZ 2007, 533, 534).
3. Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Ent-scheidung.
Fischer Krehl Eschelbach

[X.]

Zeng
9

Meta

2 StR 126/15

24.09.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2015, Az. 2 StR 126/15 (REWIS RS 2015, 4860)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4860

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