Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.10.2018, Az. XI R 35/16

11. Senat | REWIS RS 2018, 2781

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Gegenstand

Fortsetzungsfeststellungsklage nach erledigter Arrestanordnung


Leitsatz

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung sind auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage diejenigen Umstände maßgebend, die aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung tatsächlich vorgelegen haben .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Oktober 2016  10 K 10324/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine im Juni 2006 gegründete GmbH, war in der Baubranche tätig. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war in den Jahren 2007 bis 2009 (Streitjahre) Herr ... ([[[X.].].]). In den Streitjahren unterhielt die Klägerin Geschäftsbeziehungen mit dem in [[[X.].].] ansässigen Unternehmen ... ([[X.].]), dessen Inhaber der Vater des [[[X.].].], Herr ... ([[X.].]), bis November 2009 war, das von diesem geführt wurde und das im Jahr 2010 seinen Geschäftsbetrieb einstellte.

2

Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[[X.].]--) die Klägerin für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß veranlagt hatte, führte das [[X.].] bei ihr ab März 2013 eine Außenprüfung für die Zeiträume 2006 bis 2011 durch. Im April 2013 wurde durch die [[X.].] des [[X.].] D gegen [[[X.].].] ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie von [[X.].] zur Körperschaftsteuer zugunsten der Klägerin eingeleitet. Ferner wurde seitens des [[X.].] gegen [[[X.].].] und [[X.].] ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des [[X.].] im Zusammenhang mit der [[X.].] geführt. Im Rahmen der Ermittlungen ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass bezüglich der Streitjahre nicht alle Betriebseinnahmen verbucht und tatsächlich nicht angefallene Betriebsausgaben geltend gemacht wurden.

3

Mit Bescheid vom 28. August 2013 ordnete das [[X.].] zur Sicherung seiner --im Einzelnen bezifferten und die Streitjahre betreffenden-- Ansprüche wegen Körperschaftsteuer und [[X.].] in Höhe von insgesamt 216.955 € den dinglichen Arrest gemäß § 324 der Abgabenordnung ([[[X.].].]) in das Vermögen der Klägerin an.

4

Zum Arrestgrund führte das [[X.].] im Wesentlichen aus, die Straf- und Bußgeldsachenstelle des [[X.].] D führe gegen [[[X.].].] ein Strafverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Steuerhinterziehung zugunsten der Klägerin. Unter Berücksichtigung aller bisher bekannten Umstände sei zu befürchten, dass nach dem Vollzug weiterer strafprozessualer Maßnahmen und bei der Höhe der zu erwartenden Steuernachforderungen Vorkehrungen zur Vermögensverschiebung jeglicher Art getroffen würden, so dass die spätere Beitreibung der Geldforderung unmöglich, zumindest aber erheblich erschwert werde.

5

Gegen die Arrestanordnung legte die Klägerin Einspruch ein.

6

In Auswertung des Teilberichts über die Außenprüfung vom 25. Oktober 2013 erließ das [[X.].] gegen die Klägerin für die Streitjahre am 6. November 2013 u.a. [X.] über Körperschaftsteuer und [[X.].]. Mit Bescheid vom 17. März 2014 setzte das [[X.].] die Vollziehung der genannten [X.] über Körperschaftsteuer in Höhe von 67.475 € (2007), 807 € --dem verbliebenen [X.] (2008) und 11.742 € (2009) sowie der [X.] über [[X.].] in entsprechender Höhe aus.

7

Das Finanzgericht ([X.]) gewährte mit Beschluss vom 9. September 2015  10 V 10118/14 die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des [X.] in Höhe des verbliebenen [X.] und lehnte die AdV des [X.] 2007 über das vom [[X.].] gewährte Maß hinaus ab.

8

Nachdem das [[X.].] mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 erklärt hatte, das [X.] wegen Körperschaftsteuer und [[X.].] der Streitjahre habe sich durch den Erlass der Änderungsbescheide vom 6. November 2013 erledigt, hat die Klägerin vor dem [X.] Klage auf Feststellung erhoben, dass die Arrestanordnung des [[X.].] rechtswidrig gewesen sei.

9

Das [X.] gab der Klage statt. Es entschied, die von der Klägerin erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage sei zulässig, da sich die Arrestanordnung mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit der am 6. November 2013 erlassenen [X.] bereits vor Klageerhebung erledigt habe. Das Feststellungsinteresse der Klägerin sei aufgrund der von ihr beabsichtigten Schadensersatzklage gegen das [X.] zu bejahen.

Die Klage sei auch begründet, da die Arrestanordnung rechtswidrig sei. Es könne dahinstehen, ob ein Arrestanspruch vorliege, da es jedenfalls an einem Arrestgrund fehle. Es lägen insbesondere keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verlagerung von Vermögen ins Ausland vor, zumal der Betrieb der [[X.].] im Jahr 2010 eingestellt worden sei. Die mögliche, ohnehin nicht dargelegte [X.] des [[[X.].].] reiche nicht aus. Es fehlten ferner Angaben zum Stand bzw. Ausgang der gegenüber [[[X.].].] eingeleiteten Strafverfahren. Im Übrigen ließen ggf. in [X.] oder auch strafbarer Weise auf die Verringerung der Steuerlast gerichtete Aktivitäten nicht ohne weitere Anhaltspunkte zwingend den Schluss zu, dass der Steuerpflichtige bereit und in der Lage sei, kurzfristig den bestehenden Zustand seines Vermögens zu verändern, um die zukünftige Zwangsvollstreckung zu vereiteln oder wesentlich zu erschweren.

Soweit der Vertreter des [[X.].] in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, dass der aktuelle Geschäftsführer der Klägerin offensichtlich im Geschäftsverkehr mit einem gefälschten Ausweis auftrete und nicht auffindbar sei, sowie dass die Klägerin im April 2014 ihre Betriebseinrichtung, ihr Anlagevermögen und ihren Kundenstamm für 635.000 € an die Y-GmbH veräußert habe, wobei der Kaufpreis durch Übernahme von Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber [[[X.].].] erbracht worden und lediglich ein Restbetrag von 15.000 € zum 30. Juni 2014 fällig und zahlbar sei, führe dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Arrestanordnung. Zwar könnten solche Tatsachen, die erst nach Erlass der Arrestanordnung entstanden sind, aber den zwingenden Schluss zulassen, dass eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung gegeben war, diese rechtfertigen. Im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage seien die nach Erlass bzw. erst nach Erledigung der Arrestanordnung eingetretenen Umstände nicht in die Beurteilung des Arrestgrundes einzubeziehen, sondern es sei auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung abzustellen, die vorliegend die Annahme eines Arrestgrundes nicht gerechtfertigt hätten.

Das [X.]-Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2017, 186 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das [[X.].] die Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Auffassung, die Arrestanordnung sei rechtmäßig gewesen. Nach dem objektiven Gesamtbild aller Umstände sei zu befürchten gewesen, dass ohne die Arrestanordnung die Beitreibung vereitelt oder zumindest wesentlich erschwert worden wäre. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, dass im Falle der Fortsetzungsfeststellungsklage im Gegensatz zur Anfechtungsklage nur der Sachstand zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes berücksichtigt werden solle. Diese Einschränkung des Kenntnisstandes sei gerade im Hinblick auf den Sicherungsgedanken des § 324 [[[X.].].] nicht gerechtfertigt.

Das [[X.].] beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die [X.] des [[X.].] genügten nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung. In der Sache hätten weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund vorgelegen. Im Übrigen verteidigt sie die angefochtene Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat ist aufgrund Teil [X.]. Senat Nr. 2 sowie III. Nr. 2 der Ergänzenden Regelungen des [X.] des [X.] ([X.]) für das [X.] zur Entscheidung der vorliegenden Streitsache berufen.

III.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Revision zulässig. Die [X.] des [X.] nimmt Bezug auf die Gründe, aufgrund derer das [X.] die Revision zugelassen hat, und bezeichnet eingehend die Umstände i.S. von § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O), aus denen sich nach Ansicht des [X.] die Rechtsverletzung ergibt (vgl. zu den Begründungsanforderungen z.B. [X.]-Urteil vom 3. Februar 2010 IV R 26/07, [X.]E 228, 365, [X.], 751, Rz 16).

IV.

Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

Das [X.] hat verkannt, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung auch im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung maßgebend sind, zu denen auch diejenigen Umstände zu rechnen sind, die rückwirkend betrachtet aus der Sicht der letzten mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung tatsächlich vorgelegen haben.

1. Entgegen der Auffassung des [X.] hat das [X.] allerdings zutreffend entschieden, dass die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat, dass die Arrestanordnung rechtswidrig gewesen ist.

a) Nach § 100 Abs. 1 Satz 4 [X.]O kann, wenn ein mit der Klage angefochtener Verwaltungsakt sich im Verlauf des Klageverfahrens erledigt hat, das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts feststellen. Diese Regelung ist nach der Rechtsprechung des [X.] entsprechend anzuwenden, wenn ein Verwaltungsakt sich schon vor der Klageerhebung erledigt hat (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 26. September 2007 I R 43/06, [X.]E 219, 13, [X.], 134; vom 4. Dezember 2012 VIII R 5/10, [X.]E 239, 19, [X.], 220, Rz 15).

Dies ist vorliegend der Fall, da mit Erlass der Änderungsbescheide für die Streitjahre über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 6. November 2013 vollstreckbare Steuerbescheide vorliegen, die die durch den streitgegenständlichen Arrest gesicherten Steuerforderungen beinhalten. Hierdurch wurde das [X.] in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet und die Arrestanordnung vor Klageerhebung gegenstandslos (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse vom 20. September 2000 VII B 33/00, [X.]/NV 2001, 458, unter 1., Rz 9; vom 6. Juli 2001 III B 58/00, [X.]/NV 2001, 1530, unter 2., Rz 8).

b) "Berechtigtes Interesse" an der Feststellung der Rechtswidrigkeit i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 [X.]O ist jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende Interesse rechtlicher, tatsächlicher oder wirtschaftlicher Art. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem dieser Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers zu führen (vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 219, 13, [X.], 134, unter [X.], Rz 12; vom 10. Februar 2010 XI R 3/09, [X.]/NV 2010, 1450, Rz 21; [X.]-Beschluss vom 19. April 2016 II B 66/15, [X.]/NV 2016, 1059, Rz 5; jeweils m.w.N.).

aa) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann insbesondere dann anzuerkennen sein, wenn die Feststellung des [X.] dazu dienen soll, die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen vor den Zivilgerichten zu erleichtern. Voraussetzung ist, dass die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass die finanzgerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil nicht unerheblich und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. [X.]-Urteil vom 22. Juli 2008 VIII R 8/07, [X.]E 222, 46, [X.], 941, unter [X.], Rz 16; Beschlüsse des [X.] vom 16. Januar 2017  7 B 1/16, [X.] 406.25 § 16 BImSchG Nr.3; vom 31. August 2017  1 WB 36/16, juris, Rz 23).

bb) Ein solches Feststellungsinteresse hat die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren mit Anlage [X.] zur Klageschrift vom 11. November 2014 dargetan, wonach sie die Erstattung der [X.] der aus ihrer Sicht rechtswidrigen Arrestanordnung [X.] anwaltlichen Kosten in Höhe von 3.323,55 € begehrt.

Dem Feststellungsinteresse steht vorliegend nicht entgegen, dass die Frage, ob ein Kläger im Falle der Erledigung des Rechtsstreits Ersatz seiner durch den Rechtsstreit verursachten Kosten vom Gegner verlangen kann, grundsätzlich durch die Kostenentscheidung des zuständigen [X.] beantwortet wird und diese Frage nicht Gegenstand eines anschließenden Schadensersatzprozesses ist (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 222, 46, [X.], 941, unter [X.], Rz 17). Denn im Streitfall war im Zeitpunkt der Erledigung der Arrestanordnung wegen dieser keine Anfechtungsklage anhängig, weshalb über das Tragen der Kosten der betreffenden Rechtsverfolgung nicht durch Kostenentscheidung nach § 138 [X.]O, in deren Rahmen das Gericht die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren erklären kann (§ 139 Abs. 3 Satz 3 [X.]O) und die das Rechtsschutzinteresse an einer solchen Fortsetzungsfeststellungsklage hätte entfallen lassen, hat entschieden werden können (vgl. Tormöhlen in [X.], [X.] § 324 Rz 67).

2. Das [X.] hat jedoch in Abweichung vom [X.]-Urteil vom 10. März 1983 V R 143/76 ([X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401) rechtsfehlerhaft über die Klage in der Sache entschieden, ohne das Vorbringen des [X.] in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2016 inhaltlich zu würdigen und hierzu Feststellungen zu treffen.

a) Gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach den §§ 249 bis 323 [X.] den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Der Arrest ist das Mittel zur Sicherung künftiger Geldvollstreckung [X.]/Werth, [X.], 14. Aufl., § 324 Rz 2). Er soll verhindern, dass der Steuerpflichtige einen bestehenden Zustand verändert, um die zukünftige Zwangsvollstreckung zu gefährden (vgl. [X.]-Beschluss vom 6. Februar 2013 XI B 125/12, [X.]E 239, 390, [X.] 2013, 983, Rz 21).

b) Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gemäß § 324 Abs. 1 [X.] den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen der Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und der [X.] zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen, aber doch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 26. Februar 2001 VII B 265/00, [X.]E 194, 40, [X.] 2001, 464; vom 13. September 2001 IV B 87/01, [X.]/NV 2002, 352, unter [X.]a, Rz 32; in [X.]E 239, 390, [X.] 2013, 983, Rz 28; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 324 [X.] Rz 24; "überwiegende Wahrscheinlichkeit" verlangend: [X.]/ Werth, a.a.[X.], § 324 Rz 9; Hohrmann in [X.]/[X.]/ [X.] --[X.]--, § 324 [X.] Rz 35).

c) Ein [X.] besteht nach ständiger Rechtsprechung, wenn bei objektiver Würdigung unter ruhiger und vernünftiger Abwägung aller Umstände die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse in [X.]E 194, 40, [X.] 2001, 464, unter [X.], Rz 29; in [X.]E 239, 390, [X.] 2013, 983, Rz 30). Dabei kann es auf die Möglichkeit eines schnellen und unmittelbaren und damit auch eines sicheren Zugriffs ankommen (vgl. [X.]-Beschluss vom 25. April 1995 VII B 174/94, [X.]/NV 1995, 1037). Der [X.] hat z.B. erkannt, dass eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung bereits dann zu besorgen ist, wenn der Steuerpflichtige ein wertvolles Grundstück veräußert, weil Bargeld oder Geldforderungen der Vollstreckung leichter entzogen werden können als unbewegliches Vermögen, oder wenn auch nur die nach außen zutage getretene Absicht besteht, den wertvollsten Gegenstand des Vermögens, ein Grundstück, zu veräußern (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401, unter 2., Rz 15). Ebenso wie [X.] im Inland können auch Vermögensverlagerungen ins Ausland einen [X.] darstellen (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 1995, 1037, unter 1., Rz 17).

Demgegenüber vermag die allgemein schlechte Vermögenslage des [X.]s ebenso wie die bloße Möglichkeit, dass der [X.] sein Vermögen beiseiteschaffen könnte, für sich genommen keinen Arrest zu rechtfertigen. Ebenso genügt der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung oder sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit für sich allein nicht zur Begründung einer Arrestanordnung (vgl. z.B. [X.]-Beschlüsse in [X.]E 194, 40, [X.] 2001, 464, unter [X.], Rz 30; in [X.]E 239, 390, [X.] 2013, 983, Rz 31).

d) Anders als bei der Frage der Aufhebung eines dinglichen [X.] nach § 325 [X.], bei der zu prüfen ist, ob sich die Umstände nach Ergehen der Arrestanordnung so geändert haben, dass das Aufrechterhalten des [X.] nicht mehr gerechtfertigt erscheint (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 17. Dezember 2003 I R 1/02, [X.]E 204, 30, [X.] 2004, 392, unter II.3., Rz 16, 19; Hohrmann in [X.], § 325 [X.] Rz 4), ist bei der Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage wegen einer Arrestanordnung auf den Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401, unter 2., Rz 12). Denn anderenfalls würde der [X.] eine Sicherung erhalten und behalten, die ihm einen ungerechtfertigten Vollstreckungsvorteil gegenüber anderen Vollstreckungsgläubigern verschafft. Die Tatsachen, die den [X.] im Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung belegen, können allerdings erweitert oder ersetzt werden. Ob sie der Finanzbehörde im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung ganz oder teilweise bekannt waren, ist unerheblich. Es genügen sogar solche Tatsachen, welche erst nach Erlass der Arrestanordnung entstanden sind, aber den zwingenden Schluss rechtfertigen, dass eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung gegeben war (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401, unter 2., Rz 13).

e) Im vorliegenden Verfahren ließ es das [X.] dahinstehen, ob ein Arrestanspruch gegeben ist, da es jedenfalls an einem [X.] fehle. Es hätten im Zeitpunkt des Erlasses der Arrestanordnung keine konkreten Anhaltspunkte für eine Verlagerung von Vermögen ins Ausland vorgelegen, die mögliche, nicht konkret dargelegte [X.] des Geschäftsführers der Klägerin reiche für einen [X.] ebenso wenig aus wie das ihm gegenüber eingeleitete Strafverfahren. Die vom [X.] erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstände --das Verhalten des aktuellen Geschäftsführers, die Rückabwicklung der [X.] und die Veräußerung des Vermögens der [X.] könnten im vorliegenden Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht in die Beurteilung des [X.]es einbezogen werden.

f) Damit ist das [X.] bei seiner Entscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen als der [X.] in seinem Urteil in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401 (unter 2., Rz 13); die Vorentscheidung ist daher aufzuheben.

aa) [X.] ist die Besorgnis der Erschwerung oder Vereitelung der Vollstreckung. Als Tatsachen, die den [X.] auf den Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung belegen, genügen nach dem [X.]-Urteil in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401 (unter 2., Rz 13) auch solche Tatsachen, welche erst nach Erlass der Arrestanordnung entstanden sind, aber den zwingenden Schluss rechtfertigen, dass eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung gegeben war.

Danach kann aus nachträglich entstandenen äußeren Tatsachen etwa geschlossen werden, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung --für diese bedeutsame-- innere Tatsachen vorlagen.

bb) Dafür, dass die [X.]-Rechtsprechung in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401 für den Bereich der Fortsetzungsfeststellungsklage keine Geltung für sich beanspruchen konnte, d.h. im Gegensatz zum Fall einer Anfechtungsklage aus nachträglich entstandenen Tatsachen keine Schlüsse auf diejenigen Umstände gezogen werden dürften, die im Zeitpunkt des Erlasses einer Arrestanordnung tatsächlich vorgelegen haben, ist nichts ersichtlich.

Vielmehr verbietet sich ein abweichender Prüfungsmaßstab insbesondere im Hinblick auf das infolge der Vollziehung der Arrestanordnung (§ 324 Abs. 3 [X.]) entstehende Sicherungspfandrecht. Die Rechtsauffassung des [X.] führte zu dem nicht vertretbaren Ergebnis, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ein und derselben Arrestanordnung ggf. davon abhinge, ob diese --bis zum Erlass des betreffenden [X.] Gegenstand einer Anfechtungsklage ist oder --nach dem Erlass des betreffenden [X.] nunmehr Gegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage. Von dem Erlass des betreffenden Steuerbescheides oder dessen [X.] kann nicht die Rechtsfolge abhängen, ob der [X.] sein erworbenes Sicherungspfandrecht verliert oder nicht (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 204, 30, [X.] 2004, 392, unter [X.], Rz 18).

cc) Soweit sich das [X.] für seine Rechtsauffassung auf das Urteil des Hessischen [X.] vom 10. Januar 1996  6 K 1804/90 (E[X.] 1996, 414) beruft, unterscheidet dieses bereits nicht zwischen der Anfechtung einer Arrestanordnung und der Frage der Aufhebung derselben nach § 325 [X.] (hierzu oben [X.]). Ferner ist das Urteil des Hessischen [X.] in E[X.] 1996, 414, soweit es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Arrestanordnung nachträglich entstandene Tatsachen außer [X.] lässt, die den zwingenden Schluss rechtfertigen, dass eine konkrete Gefahr der Vollstreckungserschwerung oder -vereitelung bereits im Zeitpunkt des [X.] der Arrestanordnung gegeben war, nicht mit den Grundsätzen des [X.]-Urteils in [X.]E 138, 16, [X.] 1983, 401 zu vereinbaren.

3. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das [X.] hat es --auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung zu [X.] dahinstehen lassen, ob ein Arrestanspruch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit (hierzu oben [X.]) vorliegt. Es hat auch zu dem vom [X.] in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten [X.], insbesondere zu erfolgten [X.], weder tatsächliche Feststellungen getroffen noch das Vorbringen des [X.] inhaltlich gewürdigt. Die Sache geht deshalb zur Nachholung dieser erforderlichen Feststellungen an das [X.] zurück.

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 35/16

17.10.2018

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 13. Oktober 2016, Az: 10 K 10324/14, Urteil

§ 324 Abs 1 AO, § 100 Abs 1 S 4 FGO, § 138 FGO, § 139 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.10.2018, Az. XI R 35/16 (REWIS RS 2018, 2781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2781

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