Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.01.2013, Az. V S 27/12 (PKH)

5. Senat | REWIS RS 2013, 9097

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

(Anspruch auf Hinzuziehung eines Dolmetschers - Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses - Besetzungsrüge - Befangenheit eines Richters - Anwendbarkeit von § 145 FGO im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren)


Leitsatz

1. NV: Ein Anspruch auf Hinzuziehung eines Dolmetschers (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 185 GVG) besteht für die mündliche Verhandlung, nicht jedoch für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und zur Überprüfung von Entscheidungen eines Gerichts außerhalb der mündlichen Verhandlung .

2. NV: Über die Zuziehung eines Dolmetschers entscheidet das FG nach pflichtgemäßem Ermessen; es besteht kein Anspruch eines Beteiligten darauf, dass das FG bis zu einem bestimmten Zeitpunkt über die Bestellung eines Dolmetschers entscheidet .

3. NV: Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise dann keine Bindungswirkung zu, wenn er offensichtlich unhaltbar ist und sich in willkürlicher Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt .

4. NV: Ein Besetzungsmangel im Sinne des § 119 Nr. 1 FGO liegt nur vor, wenn an der Entscheidung ein zwar erfolglos wegen Befangenheit abgelehnter Richter mitgewirkt hat, die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs aber willkürlich war .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und [X.]ntragsteller ([X.]ntragsteller) ist für seine beiden Kinder [X.] und [X.], die mit ihm und seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt leben, als deren [X.]etreuer bestellt. Er und seine Frau bezogen von der [X.], [X.]eschäftigung, [X.] Sicherung-- ([X.]) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ([X.]) nach § 19 des [X.]. Das Kindergeld für die Tochter [X.], das die [X.]eklagte (Familienkasse) dem [X.]ntragsteller als dem [X.] auszahlte, rechnete die [X.] als Einkommen des [X.]ntragstellers auf [X.] II an.

2

[X.]ur Vermeidung der [X.]nrechnung des Kindergeldes auf [X.] II beantragte der [X.]ntragsteller mit Schreiben vom 29. März 2010, das Kindergeld für [X.] auf deren eigenes Konto bei der [X.] zu überweisen. Die Familienkasse teilte dem [X.]ntragsteller mit Schreiben vom 6. [X.]pril 2010 mit, dass das gesamte Kindergeld (das Kindergeld für [X.] und [X.]) grundsätzlich nur auf ein Konto überwiesen werden dürfe. Nur bei Verletzung der Unterhaltspflicht durch den [X.] sei die [X.]ahlung des Kindergeldes für ein Kind an einen [X.] möglich. Falls er selbst eine Änderung der Kontoverbindung wünsche, solle er dies mitteilen.

3

Den gegen das Schreiben vom 6. [X.]pril 2010 erhobenen Einspruch wies die Familienkasse als unzulässig zurück (Einspruchsentscheidung vom 13. [X.]pril 2010). Gleiches gilt für den gegen diese Einspruchsentscheidung erhobenen Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 23. [X.]pril 2010).

4

[X.]m 29. [X.]pril 2010 erhob der [X.]ntragsteller beim [X.] "Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 13. und 23.04.2010 ...". Nachdem das Sozialgericht den [X.]ntragsteller auf die Unzuständigkeit des [X.] für seine Klage hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, verwies es mit [X.]eschluss vom 17. Juni 2010 den Rechtsstreit an das [X.] ([X.]). Die hiergegen erhobene [X.]eschwerde blieb erfolglos ([X.]eschluss des [X.] vom 30. [X.]ugust 2010 L 6 SV 5/10 [X.]).

5

Die Familienkasse zweigte ab [X.]pril 2011 das Kindergeld für [X.] ab (Verfügung vom 30. März 2011).

6

Im Klageverfahren vertrat der [X.]ntragsteller die [X.]uffassung, er habe keine Klage beim [X.] erhoben und sei daher nicht [X.]eteiligter dieses Rechtsstreits. Das Sozialgericht hätte ihm die Klage "zurückgeben" müssen, weil es allein seine Entscheidung sei, bei welchem Gericht er Klage erheben wolle. Weil er den [X.]egriff "verweisen" irrtümlich als "empfehlen" verstanden habe, habe er, nachdem seine [X.]eschwerde gegen den Verweisungsbeschluss ohne Erfolg geblieben sei, gegen den [X.]eschluss des [X.] keine [X.]eschwerde beim [X.] ([X.]) und beim [X.] erhoben. Die Übersendung der [X.]kten an das [X.] stelle eine Verletzung der Menschenrechte dar; das Verfahren werde nur geführt, weil die Familienkasse seinen [X.]nträgen nicht gefolgt sei. Nachdem die Familienkasse seinen [X.]nträgen (für [X.] mit Verfügung vom 30. Mai 2011) jedoch inzwischen entsprochen habe, sei die [X.]ngelegenheit erledigt, die Sache beendet und die Kosten seien der Familienkasse aufzuerlegen.

7

Das [X.] wies durch den Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.] nach § 79a [X.]bs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2012 die Klage ab. Hiergegen wandte sich der [X.]ntragsteller mit Schreiben vom 29. März 2012.

8

Mit dem am 5. [X.]pril 2012 beim [X.] eingegangenen Schreiben beantragte der [X.]ntragsteller Prozesskostenhilfe ([X.]) mit der [X.]egründung, er habe keine Klage erhoben, er verstehe [X.] schlecht und übersetze alle seine Schreiben mit Hilfe eines Übersetzungsprogrammes. [X.]ußerdem erhob er "[X.]eschwerde" gegen die Willkür des Vorsitzenden [X.]s [X.] am [X.]. Das [X.] lud den [X.]ntragsteller am 4. Juli 2012 und einen Dolmetscher am 10. Juli 2012 zur mündlichen Verhandlung auf den 8. [X.]ugust 2012.

9

Mit Schreiben vom 7. [X.]ugust 2012 lehnte der [X.]ntragsteller den Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.], dem das Verfahren mit [X.]eschluss vom 3. [X.]pril 2012 gemäß §§ 5 [X.]bs. 3 Satz 1, 6 [X.]bs. 1 [X.]O als Einzelrichter übertragen worden war, ab. Dieser habe als Kränkung nicht vergessen, dass er, der [X.]ntragsteller, ihn bereits im Verfahren 1 K 1551/09 (Kg) abgelehnt habe. [X.] habe für die mündliche Verhandlung keinen Dolmetscher geladen, obwohl [X.], eine für aserbaidschanische und [X.] Sprachen öffentlich bestellte und allgemein beeidigte Dolmetscherin, auf seine [X.]nfrage schriftlich versichert habe, dass er ihrem "Eindruck nach der [X.] nicht mächtig und unzureichend" sei und sie schon bei mehreren Gerichtsprozessen als seine Dolmetscherin berufen worden sei. Dieses Schreiben (vom 17. Juli 2012) sei dem [X.] bekannt. [X.]uch habe [X.] mit [X.]eschluss vom 16. Juli 2012 den [X.]ntrag auf [X.] abgelehnt, weil er, der [X.]ntragsteller, keine Chance auf den Erfolg habe. [X.]ußerdem habe [X.] im [X.]-[X.]eschluss zu Unrecht auf § 17a [X.]bs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes ([X.]) hingewiesen, obwohl nach § 17a [X.]bs. 2 Satz 2 [X.] der [X.]ntragsteller das Gericht auswählen könne; er, der [X.]ntragsteller, wolle seine Rechte nur im kostenlosen Verfahren der [X.]barkeit verfolgen.

Das [X.] teilte dem [X.]ntragsteller am Tag vor der mündlichen Verhandlung per e-mail mit, der Termin zur mündlichen Verhandlung am 8. [X.]ugust 2012 werde nicht verschoben, weil ein Dolmetscher anwesend sein werde.

Mit [X.]eschluss vom 7. [X.]ugust 2012 wies das [X.] in der Senatsbesetzung ohne den Vorsitzenden [X.] das [X.]blehnungsgesuch zurück. [X.]ur [X.]egründung führte es aus, ein Dolmetscher für die mündliche Verhandlung sei bestellt worden und dies dem [X.]ntragsteller mitgeteilt worden. Die Vorbefassung eines [X.]s in einem anderen Verfahren desselben [X.]eteiligten rechtfertige keine [X.]blehnung.

Das [X.] wies die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung, zu der neben dem [X.]ntragsteller auch der geladene Dolmetscher erschienen war, mit Urteil vom 8. [X.]ugust 2012 ab.

Der in der mündlichen Verhandlung gestellte [X.]ntrag des [X.]ntragstellers, er sei nicht [X.]eteiligter geworden, sei nicht als Klagerücknahme auszulegen. [X.]war habe der [X.]ntragsteller vorgetragen, die Familienkasse habe seinen [X.]nträgen entsprochen; damit sei die [X.]ngelegenheit erledigt und sollte beendet und die Kosten der Familienkasse auferlegt werden. Nachdem der [X.]ntragsteller zuvor keine Rücknahme erklärt und es ihm nunmehr nur darum gehe, keine Gerichtskosten bezahlen zu müssen, weil er nicht [X.]eteiligter des Verfahrens geworden sei, sei sein [X.]ntrag als Feststellungsantrag auszulegen. Dieser habe jedoch schon deshalb keinen Erfolg, weil der [X.]ntragsteller Klage beim Sozialgericht gegen die Familienkasse erhoben habe und deshalb [X.]eteiligter dieses Verfahrens gewesen und nach Verweisung an das [X.] auch geblieben sei. [X.]n diesen Verweisungsbeschluss sei das [X.] nach § 17a [X.]bs. 2 Satz 3 [X.] gebunden, wie bereits das [X.] im [X.]eschluss vom 30. [X.]ugust 2011  L 6 SV 5/10 [X.] bestätigt habe. Ob eine Feststellungsklage mit dem [X.]ntrag des [X.]ntragstellers überhaupt zulässig sei, könne offen bleiben.

Im Übrigen habe sich entgegen der [X.]uffassung des [X.]ntragstellers auch der ursprüngliche Klageantrag (Überweisung des Kindergeldes auf ein Konto der Tochter [X.]) nicht in der Hauptsache erledigt. Der [X.]ntragsteller habe mit diesem [X.]ntrag erreichen wollen, dass das Kindergeld für [X.] weder auf [X.] II noch auf die Grundsicherungsleistungen für [X.] angerechnet werde. [X.]uch eine [X.]bzweigung des Kindergeldes nach § 74 [X.]bs. 1 Sätze 1 und 3 des Einkommensteuergesetzes habe jedoch zur Folge, dass das Kindergeld für [X.] auf die Grundsicherung für [X.] anzurechnen sei (vgl. [X.]eschluss des [X.]undesfinanzhofs --[X.]FH-- vom 11. [X.]ugust 2010 III S 19/10 ([X.]), [X.]FH/NV 2010, 2064, und [X.]-Urteil vom 8. Februar 2007 [X.] 9b [X.] 5/06 R, [X.]E 98, 121). Da dies seinem [X.]nliegen, eine [X.]nrechnung des Kindergeldes für [X.] auf andere Leistungen zu vermeiden, nicht entspreche, habe sich durch die [X.]bzweigung des Kindergeldes für [X.] ab [X.]pril 2011 auch sein ursprünglicher Klageantrag nicht erledigt.

Der [X.]ntragsteller beantragt nunmehr, ihm für eine [X.]eschwerde gegen das Urteil des [X.] [X.] zu gewähren. [X.]ur [X.]egründung trägt er im Wesentlichen vor, seinem [X.]nliegen, dass das Kindergeld für die beiden schwerbehinderten Kinder direkt auf deren Konto überwiesen werde, habe die Familienkasse bereits am 11. und 30. März 2011 Rechnung getragen. Er sei daher Sieger in dieser Sache. Er habe kein Geld und nach § 64 [X.]bs. 2 Satz 5 des [X.]ehnten [X.]uches Sozialgesetzbuch sei das Verfahren kostenfrei. Im Urteil des [X.] seien ihm durch den Einzelrichter, Vorsitzenden [X.] am [X.] [X.], rechtswidrig und willkürlich Kosten auferlegt worden. Dies stehe im Widerspruch zur europäischen Konvention und zur Konvention für [X.]ehinderte, die [X.]land auch unterzeichnet habe, und verstoße gegen § 119 [X.]bs. 1 und § 121 [X.]bs. 1 der [X.]ivilprozessordnung ([X.]PO). Ungesetzlich und willkürlich sei auch der [X.]eschluss vom 7. [X.]ugust 2012 durch die drei [X.] des [X.] sowie der ungesetzliche [X.]eschluss des Vorsitzenden [X.]s am [X.] [X.] vom 16. Juli 2012, mit dem ihm [X.] abgelehnt worden sei. Nachdem ihm [X.] einen Dolmetscher gestellt habe --viel zu spät, weil er ihm eine Frist bis 11:00 Uhr gesetzt habe und dieser erst nach vier Stunden und 36 Minuten und 45 Sekunden die [X.]estellung bestätigt habe--, sei der [X.] ablehnende [X.]eschluss annulliert worden. [X.]ereits am 10. [X.]ugust 2012 seien ihm das Urteil, das Protokoll sowie der [X.]eschluss über die [X.]blehnung zusammen zugesandt worden. Seiner Meinung nach sei das Urteil bereits fertig gewesen. Der von ihm als [X.]nlage zur mündlichen Verhandlung ([X.]nlage 8) mitgebrachte Schriftsatz in [X.]r Sprache sei nicht in einer schriftlichen Übersetzung mit dem Protokoll übersandt worden. Der [X.] habe dessen Übersetzung nur angehört und zu seinen darin gestellten Fragen an die Familienkasse bemerkt, auf diese Fragen sei später einzugehen. Diese wichtigen Fragen an die Familienkasse seien nicht beantwortet worden. Er habe einen [X.]nspruch, einen Dolmetscher zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung zu bekommen. [X.]uch sei der Tatbestand des Urteils falsch, wenn er dort nur als Vater und nicht als der gesetzlich bestellte [X.]etreuer bezeichnet worden sei. § 119 [X.]O sei nicht beachtet worden, weil sein [X.]blehnungsgesuch zu Unrecht abgelehnt worden sei.

Das Sozialgericht habe [X.] wie das [X.] bei der Entscheidung über seine [X.]eschwerde-- ohne eine mündliche Verhandlung entschieden und ihm keinen Dolmetscher gestellt.

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Der vom Antragsteller persönlich gestellte Antrag auf [X.] für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des [X.] vom 8. August 2012  1 K 1544/10 (Kg) ist zulässig, weil für den Antrag ungeachtet der Regelung des § 62 Abs. 4 [X.]O kein [X.] besteht (vgl. [X.] vom 18. Januar 2012 [X.] ([X.]), [X.], 758; vom 26. Januar 2012 V S 29/11 ([X.]), [X.], 763).

2. Die Voraussetzungen für die Gewährung von [X.] liegen mangels Erfolgsaussicht nicht vor.

Nach § 142 [X.]O i.V.m. § 114 ZPO ist einem Beteiligten, der außer Stande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts die Prozesskosten zu bestreiten, [X.] zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 142 [X.]O i.V.m. § 121 ZPO) ist nur möglich, wenn die Voraussetzungen für eine Bewilligung der [X.] nach § 142 [X.]O i.V.m. § 114 ZPO vorliegen.

Der Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde, für deren Durchführung der Antragsteller [X.] begehrt, hängt davon ab, ob ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O gegeben ist, d.h. ob die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) oder das Urteil des [X.] auf einem Verfahrensmangel beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O). Wird [X.] für eine noch zu erhebende Nichtzulassungsbeschwerde beantragt, muss daher eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines [X.] § 115 Abs. 2 [X.]O bestehen.

a) Die hinreichende Aussicht auf Erfolg fehlt nicht schon deshalb, weil die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O durch eine vor dem [X.] vertretungsberechtigte Person oder [X.] 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 [X.]O erhoben worden ist. Einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem [X.] unterliegt, innerhalb der Rechtsmittelfrist wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 [X.]O gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der [X.] zur Einlegung des Rechtsmittels schafft, d.h. mit seinem Antrag die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der gebotenen Form (§ 117 ZPO) beim Rechtsmittelgericht einreicht (z.B. [X.]-Beschluss in [X.], 763, m.w.N.) und zumindest in laienhafter Weise Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund darlegt ([X.]-Beschluss vom 4. August 2009 V S 16/09 ([X.]), Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, [X.], m.w.N.).

b) Bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung des Vortrags des Antragstellers, des Inhalts der vorliegenden Akten und des beanstandeten [X.]-Urteils ist jedoch kein Grund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 [X.]O zu erkennen, der eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

aa) Ohne Erfolg rügt der Antragsteller Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) in Bezug auf die Bestellung eines Dolmetschers.

Die Hinzuziehung eines Dolmetschers ist nach § 52 Abs. 1 [X.]O i.V.m. § 185 GVG erforderlich, wenn unter Beteiligung einer Person verhandelt wird, die der [X.] nicht mächtig ist. Ein fremdsprachiger Beteiligter soll die ihn betreffenden [X.] verstehen und sich in der Verhandlung verständlich machen können. Der Mitwirkung eines Dolmetschers bedarf es folglich nicht, wenn ein Beteiligter die [X.] zwar nicht beherrscht, sie aber in einem die Verständigung mit ihm in der mündlichen Verhandlung ermöglichenden Maße spricht und versteht ([X.] in [X.]/NV 2010, 2064; vom 29. Februar 2000 V B 18/99, [X.]/NV 2000, 983; Beschluss des [X.] vom 11. September 1990  1 CB 6/90, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 3102). Über die Zuziehung eines Dolmetschers entscheidet das [X.] nach pflichtgemäßem Ermessen ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2010, 2064, m.w.N.). Allein der Umstand, dass ein zu früheren Verfahren hinzugezogener Dolmetscher eine Hinzuziehung befürwortet, präjudiziert dessen Entscheidung nicht. Im Streitfall hat das [X.] für die mündliche Verhandlung zudem einen Dolmetscher bestellt.

Ein Anspruch auf Bestellung eines Dolmetschers besteht jedoch entgegen der Ansicht des Antragstellers weder zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung noch zum Zweck der Überprüfung von Entscheidungen eines Gerichts außerhalb der mündlichen Verhandlung. Dass das Sozialgericht und das [X.] bei den außerhalb einer mündlichen Verhandlung getroffenen Entscheidungen dem Antragsteller keinen Dolmetscher gestellt haben, rechtfertigt daher schon deshalb keine Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers. Auch besteht kein Rechtsanspruch auf eine schriftliche Übersetzung. Keinen Anspruch hat ein Beteiligter auf einen bestimmten Zeitpunkt für die Entscheidung über die Bestellung eines Dolmetschers. Gegenteiliges ergibt sich nicht aus der [X.] zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Auch für einen Anspruch aus einer "Konvention zum Schutz Behinderter" auf Bestellung eines Dolmetschers zur Vorbereitung auf Gerichtsverhandlungen ergeben sich keine Anhaltspunkte.

bb) Soweit der Antragsteller die sachliche Unzuständigkeit des [X.] rügt, ergibt sich hieraus kein Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O.

Ein Verweisungsbeschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend (§ 70 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 17a Abs. 1 GVG). Auch sachlich fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse binden das angewiesene Gericht und erlauben grundsätzlich keine weitere Überprüfung (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 20. Dezember 2004 VI S 7/03, [X.]E 209, 1, [X.] 2005, 573; Beschluss des [X.] vom 13. November 2001 [X.], Neue Juristische [X.] Zivilrecht 2002, 713). Einem Verweisungsbeschluss kommt ausnahmsweise nur dann keine Bindungswirkung zu, wenn er offensichtlich unhaltbar und sich in willkürlicher Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen [X.]s (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) entfernt ([X.] vom 27. September 2009 [X.], [X.]/NV 2009, 780; vom 19. Mai 2008 V B 29/07, [X.]/NV 2008, 1501, und in [X.]E 209, 1, [X.] 2005, 573).

Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Das Sozialgericht hat den Antragsteller --entgegen seiner Behauptung-- am 14. Mai 2010 auf seine Unzuständigkeit hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Im Übrigen wird zur zutreffenden Beurteilung der Zuständigkeit des [X.] für die Klage des Antragstellers zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe in dem gegenüber dem Antragsteller ergangenen Beschluss des [X.]s vom 30. August 2010 L 6 SV 5/10 B verwiesen, die der beschließende Senat teilt.

Eine Wahl zwischen mehreren Gerichten nach § 17a Abs. 2 Satz 2 GVG ist --was der Antragsteller verkennt-- nur zulässig, wenn mehrere Gerichte zuständig sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

cc) Auch soweit der Antragsteller geltend macht, ein [X.] [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 119 Nr. 1 [X.]O), habe das Urteil gefällt, rechtfertigt sein Vortrag nicht die Annahme, eine einzulegende Beschwerde werde Erfolg haben.

Ein Besetzungsmangel i.S. des § 119 Nr. 1 [X.]O liegt nur vor, wenn an der Entscheidung ein zwar erfolglos wegen Befangenheit abgelehnter [X.] mitgewirkt hat, die Zurückweisung des [X.] aber willkürlich war ([X.] vom 25. Mai 2012 VIII B 155/11, [X.], 1610; vom 11. Mai 2010 X B 192, 193/08, [X.]/NV 2010, 1645; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 9, m.w.N.). Eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Entscheidung rechtfertigt für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht (vgl. Beschluss des [X.] vom 20. März 2007  2 BvR 1730/06, nicht amtlich veröffentlicht, unter [X.] der Gründe; [X.]-Beschluss vom 13. November 2008 XI B 20/08, [X.]/NV 2009, 945).

Das [X.] dient allein dazu, den Beteiligten vor der Mitwirkung eines [X.]s zu bewahren, an dessen Unparteilichkeit Zweifel begründet sind. Behauptete Rechtsfehler eines [X.]s können daher nur dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass der Beteiligte bei objektiver und vernünftiger Betrachtung davon ausgehen darf, dass Verfahrensfehler auf einer unsachlichen Einstellung des [X.]s gegenüber dem ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (z.B. [X.] vom 20. Juni 2012 VII B 221/11, [X.], 1805; vom 13. Januar 2010 I B 83/09, [X.]/NV 2010, 913, m.w.N.).

Hierfür gibt der Vortrag des Antragstellers keinen Anlass. Weder der Umstand, dass der [X.] schon in einem anderen Verfahren zuungunsten des Antragstellers entschieden hat, noch dass er in einem anderen Verfahren vom Antragsteller abgelehnt worden war, rechtfertigen allein die Annahme der unsachlichen Einstellung gegenüber dem Antragsteller. Gleiches gilt für die --nach Ansicht des Antragstellers um ca. fünf Stunden verspätete-- Mitteilung über die Bestellung eines Dolmetschers zur mündlichen Verhandlung am Tag vor der mündlichen Verhandlung. Auch soweit der Antragsteller meint, die Entscheidung über seinen [X.]-Antrag sei fehlerhaft, rechtfertigt dies allein nicht schon die Besorgnis der Befangenheit, denn ein ausschließlich auf eine beanstandete vorangegangene Entscheidung gestütztes Ablehnungsgesuch ist als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich aus den Einzelheiten der Begründung und insbesondere aus der Art und Weise der Begründung der vorangegangenen Entscheidung --wie hier-- keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die beteiligten [X.] voreingenommen sein könnten. Insbesondere erlaubt weder die zügige Abfassung eines Urteils im [X.] an die mündliche Verhandlung noch der Umstand, dass ein in der mündlichen Verhandlung überreichter und vom Antragsteller übersetzter Schriftsatz nicht zusätzlich als schriftliche Übersetzung dem Protokoll beigefügt worden ist, die Annahme der Befangenheit des abgelehnten [X.]s. Zu Unrecht macht der Antragsteller unter Hinweis auf die Kostenfreiheit im Verfahren vor den Sozialgerichten geltend, ihm hätten keine Kosten auferlegt werden dürfen. Denn Verfahren vor dem [X.] sind, wie sich ohne Weiteres aus §§ 135 ff. [X.]O ergibt --anders als Verfahren vor den [X.] nicht kostenfrei.

dd) Soweit der Antragsteller geltend macht, das [X.] habe seinen Antrag auf Bewilligung von [X.] im Beschluss vom 16. Juli 2012 zu Unrecht abgelehnt, liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor.

[X.]-Beschlüsse sind gemäß § 128 Abs. 2 [X.]O zwar unanfechtbar. Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde kann eine Ablehnung des [X.]-Antrags jedoch als Verfahrensfehler berücksichtigt werden, wenn das [X.] den Antrag zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Antragsteller um die Möglichkeit gebracht hat, sich durch einen Prozessbevollmächtigten sachkundig vertreten zu lassen ([X.]-Beschluss vom 7. Oktober 2011 VII S 6/11 ([X.]), [X.], 242, m.w.N.). Eine rechtswidrige Ablehnung der begehrten [X.] lässt sich dem vorliegenden Beschluss des [X.] über die Ablehnung von [X.] jedoch nicht entnehmen. Das [X.] hat nachvollziehbar begründet, weshalb die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat.

ee) Auch soweit der Antragsteller meint, das Urteil bedürfe einer Überprüfung, weil sich seiner Auffassung nach durch die Entscheidungen der Familienkasse vom 11. und 30. März 2011 die Sache erledigt habe, ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt für einen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O. Selbst eine --wie der Antragsteller meint-- fehlerhafte Beurteilung der Frage, ob sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat, würde als bloß materiell-rechtlicher Fehler, der nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.]O genügt, keine Zulassung der Revision rechtfertigen.

ff) Auch eine Zulassung der Revision wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör deshalb, weil --wie der Antragsteller vorträgt-- das [X.] sich nicht ausreichend mit den überreichten schriftlichen Ausarbeitungen und den darin enthaltenen Fragen befasst habe, kommt nicht in Betracht. Der Vortrag des Antragstellers gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das [X.] --ausgehend von der für eine Zulassung wegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.]-- entscheidungserheblichen Vortrag des Antragstellers nicht berücksichtigt haben könnte. Soweit sich der Antragsteller inhaltlich gegen die Entscheidung des [X.] wendet, rügt er keinen Verfahrensmangel, sondern lediglich materielle Fehler in der Rechtsanwendung, die eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können (z.B. [X.] vom 2. Oktober 2010 IX B 11/12, juris; vom 3. Februar 2011 V B 132/09, [X.]/NV 2011, 760).

gg) Soweit sich der Antragsteller gegen die Auferlegung von Kosten in dem Kindergeld betreffenden finanzgerichtlichen Verfahren wendet, ergibt sich daraus gleichermaßen kein Zulassungsgrund. Nach § 145 [X.]O ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung über die Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Diese Regelung gilt auch für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ([X.] vom 19. Januar 2012 VI B 98/11, [X.], 759; vom 11. November 2002 VI B 83/02, [X.]/NV 2003, 331, m.w.N.). Sind Zulassungsgründe in Bezug auf die Hauptsache jedoch --wie vorliegend-- nicht erkennbar, können auch Einwendungen gegen die Kostenentscheidung einer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen ([X.]-Beschluss in [X.], 759).

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 [X.]O, § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis der Anlage 1).

Meta

V S 27/12 (PKH)

11.01.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

nachgehend BFH, 12. Juni 2013, Az: X K 2/13, Beschluss

Art 101 Abs 1 GG, § 52 Abs 1 FGO, § 62 Abs 4 FGO, § 70 FGO, § 115 FGO, § 116 FGO, § 119 FGO, § 128 Abs 2 FGO, § 142 FGO, § 145 FGO, § 114 ZPO, § 121 ZPO, § 17a GVG, § 185 GVG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.01.2013, Az. V S 27/12 (PKH) (REWIS RS 2013, 9097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9097


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X K 2/13

Bundesfinanzhof, X K 2/13, 12.06.2013.


Az. V S 27/12 (PKH)

Bundesfinanzhof, V S 27/12 (PKH), 11.01.2013.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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