Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 41/19

3. Senat | REWIS RS 2021, 2948

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Gegenstand

Kindergeld; Berücksichtigung eines Kindes nach krankheitsbedingtem Ausbildungsabbruch


Leitsatz

1. Eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung wegen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG scheidet aus, sobald ein Kind sein Ausbildungsverhältnis krankheitsbedingt nicht nur unterbrochen, sondern --z.B. durch Abmeldung von der (Hoch-)Schule oder Kündigung des Ausbildungsverhältnisses-- abgebrochen hat.

2. Ist ein Kind krankheitsbedingt nicht in der Lage, sich ernsthaft um eine Ausbildungsstelle zu bemühen oder sie zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kann es nur dann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden, wenn es sich um eine vorübergehende Erkrankung handelt und die im Anspruchszeitraum bestehende Ausbildungswilligkeit nachgewiesen wird.

3. Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate währt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 19.09.2018 - 7 K 391/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist der Kindergeldanspruch für ein während einer [X.]usbildung erkranktes Kind für den [X.]raum [X.]pril bis September 2017.

2

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter einer im Februar 1994 geborenen Tochter ([X.]). [X.] begann im Februar 2016 eine zweijährige [X.]usbildung als pharmazeutisch-technische [X.]ssistentin und besuchte hierfür eine Schule.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) setzte deshalb zunächst zugunsten der Klägerin Kindergeld für [X.] fest.

4

Mit Schreiben vom 24.09.2017 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass für ihre Tochter ab September 2017 bis voraussichtlich Februar 2018 kein [X.]nspruch auf Kindergeld mehr bestehe, da [X.] vollzeitbeschäftigt und keine [X.]uszubildende mehr sei. [X.] werde ihre [X.]usbildung jedoch voraussichtlich im Februar 2018 fortsetzen. Nach einer [X.]nfrage seitens der Familienkasse bei der Schule teilte diese mit, dass [X.] vorzeitig zum 23.03.2017 von der Schule abgegangen sei. Die Familienkasse hob daher mit Bescheid vom 02.11.2017 die Kindergeldfestsetzung ab dem Monat [X.]pril 2017 auf und forderte das für den [X.]raum [X.]pril bis Oktober 2017 in Höhe von insgesamt 1.344 € bereits ausbezahlte Kindergeld von der Klägerin zurück.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein und teilte mit, dass [X.] erkrankt sei. Sie fügte zwei ärztliche [X.]tteste vom 02.04.2017 und vom 06.04.2017 bei. Eine Fachärztin für [X.]llgemeinmedizin bescheinigte, dass [X.] aufgrund massiver gesundheitlicher Probleme das aktuell laufende Schuljahr unterbrechen solle, damit sie intensiv ihre Therapie vollenden könne. Falls es zu einer Besserung kommen sollte, könne sie im September das Schuljahr wieder aufnehmen oder wiederholen. Ein Nervenarzt attestierte, dass [X.] seit 07.02.2017 in seiner fachärztlichen Mitbehandlung stehe. Sie sei aktuell zu einer regelmäßigen Teilnahme am Schulunterricht nicht fähig. Der Erfolg der Behandlung müsse abgewartet werden. Es sei realistisch, eine Freistellung bis zum Beginn des neuen Schuljahres im Herbst einzuplanen.

6

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.01.2018 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Berücksichtigung sei möglich, wenn ein Kind infolge einer Erkrankung gehindert sei, sich um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder diese fortzusetzen. Hierfür sei jedoch Voraussetzung, dass die Erkrankung und deren voraussichtliches Ende durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen würden. Nach [X.]blauf von sechs Monaten sei die Bescheinigung zu erneuern. Es liege keine Meldung oder Willenserklärung der [X.] ab [X.]pril 2017 vor, sich zum nächstmöglichen [X.]punkt um eine Berufs- oder Schulausbildung zu bewerben. [X.] habe eine Schule besucht und sich damit in Berufsausbildung befunden. Diese [X.]usbildung sei jedoch am 23.03.2017 beendet worden; eine weitere Berufsausbildung für die [X.] danach liege nicht vor oder sei nicht nachgewiesen. Eine anspruchsschädliche Unterbrechung der [X.]usbildung sei nicht anzunehmen, solange während einer Erkrankung die rechtliche Bindung zur [X.]usbildungsstätte oder zum [X.]usbilder fortbestehe. Da eine Willenserklärung der [X.], nach Ende der Erkrankung weiterhin die Schule besuchen zu wollen, jedoch nicht vorliege, komme eine Berücksichtigung nicht in Betracht.

7

Im dagegen gerichteten Klageverfahren erließ die Familienkasse unter dem 16.07.2018 einen [X.]bhilfebescheid, durch den Kindergeld für [X.] für die Monate November 2017 bis Januar 2018 festgesetzt wurde.

8

Das Finanzgericht ([X.]) gab der auf die [X.]ufhebung des [X.]ufhebungsbescheids und der Einspruchsentscheidung mit [X.]usnahme des Monats Oktober 2017 gerichteten Klage in vollem Umfang statt.

9

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.

Die Familienkasse beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur [X.]ufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Rechtssache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). [X.]uf Grundlage der getroffenen Feststellungen kann der erkennende Senat nicht abschließend prüfen, ob das [X.] zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Klägerin im Streitzeitraum ein Kindergeldanspruch für [X.] zusteht.

1. Nach § 62 [X.]bs. 1 Satz 1, § 63 [X.]bs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird für ein Kind, welches das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld u.a. dann gewährt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), eine Berufsausbildung mangels [X.]usbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).

2. Zu Unrecht ist das [X.] davon ausgegangen, dass [X.] im Streitzeitraum i.S. des § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde.

a) In Berufsausbildung i.S. des § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die [X.]usübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind (z.B. Senatsurteil vom [X.], [X.], 765, Rz 9, m.w.[X.]).

Dabei werden [X.]usbildungsmaßnahmen zwar einerseits durch eine Einschreibung an einer Schule oder Hochschule oder einen [X.]usbildungsvertrag mit einem [X.]usbildungsbetrieb indiziert. [X.]ndererseits genügt aber das rein formale Bestehen eines [X.]usbildungsverhältnisses nicht, wenn es an ernsthaften und nachhaltigen [X.]usbildungsmaßnahmen fehlt (z.B. Senatsurteile in [X.], 765, Rz 10, und vom 18.01.2018 - III R 16/17, [X.], 481, [X.] 2018, 402, Rz 11, jeweils m.w.[X.]). Soweit [X.]nhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten [X.]usbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, liegt keine Berufsausbildung vor (Senatsurteile vom 03.07.2014 - III R 52/13, [X.], 427, [X.], 152, Rz 32, und vom 08.09.2016 - III R 27/15, [X.], 202, [X.], 278, Rz 22).

Eine [X.]usnahme von diesem Grundsatz hat der [X.] ([X.]) im Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 47/02 ([X.]E 203, 106, [X.] 2003, 848, unter [X.]) für den Fall zugelassen, dass die [X.]usbildung infolge einer Erkrankung oder wegen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung (§ 3 [X.]bs. 1 und 2 des Mutterschutzgesetzes --[X.]--) unterbrochen wird. Gleiches hat der [X.] für den Fall angenommen, dass das Kind während eines [X.]usbildungsverhältnisses in Untersuchungshaft genommen oder wegen eines laufenden Strafverfahrens im [X.]usland mit einem [X.]usreiseverbot belegt wird ([X.]-Urteil vom 20.07.2006 - III R 69/04, [X.]/NV 2006, 2067, unter [X.]). Vorausgesetzt wurde insoweit jedoch, dass das Kind einen [X.]usbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist ([X.]-Urteile in [X.]E 203, 106, [X.] 2003, 848, unter [X.], sowie in [X.]/NV 2006, 2067, unter [X.]). Wurde das [X.]usbildungsverhältnis beendet, indem das Kind z.B. von der Schule abgemeldet wurde oder der [X.]usbildungsvertrag einvernehmlich aufgehoben oder einseitig gekündigt wurde, fehlt es schon am formalen Fortbestehen eines [X.]usbildungsverhältnisses. Die tatsächliche Durchführung von [X.]usbildungsmaßnahmen ist nicht mehr wegen der Erkrankung oder der [X.], sondern wegen des Wegfalls des [X.]usbildungsverhältnisses ausgeschlossen. Dementsprechend kommt eine Berücksichtigung nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht mehr in Betracht, soweit eine [X.]usbildung infolge einer Erkrankung nicht nur unterbrochen, sondern abgebrochen wurde.

b) Danach scheidet im Streitfall eine Berücksichtigung der [X.] als in [X.]usbildung befindliches Kind ab [X.]pril 2017 aus, da sie nach den Feststellungen des [X.] zum 23.03.2017 von der Schule abgegangen ist, die Schulausbildung somit vorzeitig abgebrochen und deshalb auch keine weiteren [X.]usbildungsmaßnahmen mehr durchgeführt hat.

3. Die vom [X.] festgestellten Tatsachen reichen auch nicht aus, um beurteilen zu können, ob [X.] nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.

a) Die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels [X.]usbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG), setzt voraus, dass der Beginn der [X.]usbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines [X.]usbildungsplatzes scheitert (Senatsurteile vom 07.04.2011 - III R 24/08, [X.]E 233, 44, [X.] 2012, 210, Rz 27; vom 13.06.2013 - III R 58/12, [X.]E 242, 118, [X.] 2014, 834, Rz 14, und vom 12.11.2020 - III R 49/18, [X.]E 271, 229, Rz 12). Dabei ist zwar grundsätzlich jeder [X.]usbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen; seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern ([X.]-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 71/99, [X.]/NV 2004, 473, unter [X.]). Das Kind muss die [X.]usbildungsstelle im Falle des Erfolgs seiner Bemühungen antreten können ([X.]-Urteil vom 15.07.2003 - VIII R 79/99, [X.]E 203, 94, [X.] 2003, 843, unter [X.]; Senatsurteile vom 27.09.2012 - III R 70/11, [X.]E 239, 116, [X.] 2013, 544, Rz 26, sowie in [X.], 481, [X.] 2018, 402, Rz 16).

b) In der Person des Kindes liegende Gründe, welche der [X.]ufnahme einer Berufsausbildung entgegenstehen, liegen z.B. vor, wenn ein Kind nicht die Voraussetzungen für den angestrebten Studiengang erfüllt ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2004, 473) oder wenn ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung entgegenstehen (Senatsurteil in [X.]E 233, 44, [X.] 2012, 210). Ein Kind ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn es eine [X.]usbildung wegen Übergewichts nicht antreten könnte ([X.]-Beschluss vom 08.11.1999 - VI B 322/98, [X.]/NV 2000, 432). Dagegen ist es für den Bezug von Kindergeld ausnahmsweise unschädlich, wenn das Kind die Suche nach einem [X.]usbildungsplatz während der Schutzfristen nach dem [X.] unterbricht (Senatsurteil in [X.]E 242, 118, [X.] 2014, 834).

c) Ist ein Kind aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen [X.]usbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen [X.]usbildungsbeginn anzutreten, kommt eine Berücksichtigung nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.

aa) Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die von § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfassten Fälle von den unter § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG fallenden Fällen abzugrenzen. Letztere Bestimmung erfordert zum einen eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die nach der maßgeblichen Legaldefinition des § 2 [X.]bs. 1 Satz 1 des [X.] eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung voraussetzt (Senatsurteil in [X.]E 271, 229, Rz 14). Zweck dieses Kriteriums ist es, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behinderungsbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen (Senatsurteil vom [X.], [X.]E 267, 337, [X.] 2020, 558, Rz 26). Zum anderen werden behinderte Kinder nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nur dann berücksichtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, was eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel erfordert. Insoweit lässt sich der gesetzgeberische Wille erkennen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung des Kindes eine typische Unterhaltssituation, die zur steuerlichen Berücksichtigung des Kindes führt, nicht allein aufgrund der Erkrankung angenommen werden darf, sondern darüber hinaus die Feststellung eines konkreten Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Diese Wertung des Gesetzgebers würde aber umgangen, wenn längerfristig erkrankte Kinder auch nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfasst werden könnten, ohne dass eine solche Bedarfsprüfung stattfindet. Gerade bei längerfristig erkrankten Kindern ist es nicht ausgeschlossen, dass Sozialleistungen in [X.]nspruch genommen werden, die einen Unterhaltsbedarf ausschließen könnten.

Werden die Bemühungen um einen [X.]usbildungsplatz oder die [X.]ufnahme einer [X.]usbildung daher durch eine Krankheit verhindert, darf die im Rahmen des § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähige gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Dabei ist --um den Gleichlauf mit der Feststellung einer Behinderung zu gewährleisten-- nicht die (rückblickend) seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen ärztlichen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer [X.]rt nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend ([X.]-Urteil vom 18.06.2015 - VI R 31/14, [X.]E 251, 147, [X.] 2016, 40, Rz 22; Senatsurteil in [X.]E 267, 337, [X.] 2020, 558, Rz 26). Zur Beurteilung dieser Frage ist (ggf.) eine Prognose zur (weiteren) Entwicklung der Funktionsbeeinträchtigung zu stellen (Senatsurteil vom 19.01.2017 - III R 44/14, [X.]/NV 2017, 735, Rz 18, m.w.[X.]).

bb) Des Weiteren ist erforderlich, dass die [X.]usbildungswilligkeit des Kindes für den entsprechenden [X.]nspruchszeitraum nachgewiesen wird.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung setzt der [X.] des § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG bei einem gesunden Kind voraus, dass sich dieses ernsthaft um einen [X.]usbildungsplatz bemüht (Senatsurteil vom 22.09.2011 - III R 35/08, [X.]/NV 2012, 232, Rz 11, m.w.[X.]). Das Bemühen um einen [X.]usbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale [X.]ngaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen [X.]usbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der [X.]gentur für [X.]rbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die [X.]usbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen [X.]usbildungsplatz objektiviert haben (Senatsurteil in [X.]/NV 2012, 232, Rz 12, m.w.[X.]). Die Nachweise für die [X.]usbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen [X.]usbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen; über 18 Jahre alte Kinder haben mitzuwirken (§ 68 [X.]bs. 1 EStG). Es liegt auch im Einflussbereich des [X.], Vorsorge für die Nachweise der [X.]usbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (Senatsurteil in [X.]/NV 2012, 232, Rz 13, m.w.[X.]).

Obwohl das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die [X.]nspruchsvoraussetzungen --wie das Bemühen um einen [X.]usbildungsplatz-- in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen [X.]usbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine [X.]usbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist; allerdings ist spätestens nach [X.]blauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine [X.]bsage erhalten hat (Senatsurteil in [X.]/NV 2012, 232, Rz 16, m.w.[X.]).

(2) Die [X.]usbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen [X.]usbildungsplatz oder an der [X.]ufnahme einer [X.]usbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. [X.]ls Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen in Betracht ([X.] 17.2 [X.]bs. 1 Satz 4 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz 2020 vom 27.08.2020, [X.], 703). [X.]llerdings lässt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 [X.]bs. 1 und 2 der [X.]bgabenordnung, § 76 [X.]bs. 1 und 4 [X.]O) keine Beschränkung auf dieses Beweismittel zu. Denkbar sind daher auch andere Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren [X.]usbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die (Wieder-)[X.]ufnahme der [X.]usbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Ebenso ist denkbar, dass das Kind sich an eine neue [X.]usbildungseinrichtung oder die [X.]usbildungsvermittlung der [X.]gentur für [X.]rbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine [X.]usbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen [X.]usbildungsbeginn --dann wäre es schon unabhängig von der Erkrankung nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, wenn es die angebotene Stelle dann antreten könnte--, aber doch jedenfalls nach dem Ende der Erkrankung aufzunehmen.

Regelmäßig nicht ausreichen wird es dagegen, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten [X.]bbruch einer [X.]usbildung oder der Bemühungen um eine [X.]usbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen [X.]nforderung eines Nachweises der [X.]usbildungswilligkeit nimmt und die [X.]usbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet. Denn in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kind während der Erkrankung seinen [X.]usbildungswillen aufgegeben und sich z.B. für die [X.]ufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit oder eines Freiwilligendienstes entschieden hat. In den letztgenannten Fällen wäre die Wartezeit bis zur [X.]ufnahme der Erwerbstätigkeit oder des Freiwilligendienstes im Gegensatz zur Wartezeit bis zur [X.]ufnahme der [X.]usbildung nicht von den in § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 EStG aufgezählten Berücksichtigungstatbeständen erfasst.

d) Im Streitfall hat das [X.] keine genaueren Feststellungen dazu getroffen, welcher [X.]rt die Erkrankung ist. [X.]uch fehlen nähere Feststellungen dazu, ob die nach der [X.]rt der Krankheit zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern würde. Schließlich lassen die tatsächlichen Feststellungen zur Frage der [X.]usbildungswilligkeit jedenfalls keine Beurteilung dieses Erfordernisses für den gesamten Streitzeitraum von [X.]pril bis September 2017 zu. Denn das [X.] hat zwar festgestellt, dass [X.] am 10.04.2017 durch eine E-Mail gegenüber der von ihr bis März 2017 besuchten Schule ihre weitere [X.]usbildungswilligkeit dokumentiert hat. Feststellungen dazu, wann der Entschluss zur [X.]ufnahme einer Erwerbstätigkeit erfolgte, was spätestens mit [X.]bschluss des [X.]rbeitsvertrages für die dann (wohl) ab September 2017 aufgenommene [X.]rbeit der Fall gewesen sein dürfte, fehlen dagegen.

4. Da das [X.] weder eine Behinderung noch eine behinderungsbedingte Unfähigkeit zum Selbstunterhalt festgestellt hat, vermag der Senat auch nicht zu entscheiden, ob [X.] nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden kann.

5. [X.] ist nicht spruchreif und geht an das [X.] zurück, das zu prüfen haben wird, ob [X.] nach § 32 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c oder Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

III R 41/19

31.08.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 19. September 2018, Az: 7 K 391/18, Urteil

§ 62 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst c EStG 2009, § 32 Abs 4 S 1 Nr 3 EStG 2009, EStG VZ 2017, § 88 AO, § 76 FGO, Abschn 17.2 Abs 1 S 4 DA-KG 2020

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 41/19 (REWIS RS 2021, 2948)

Papier­fundstellen: NJW 2022, 718 REWIS RS 2021, 2948

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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