Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2010, Az. VIII ZR 23/09

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6724

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 23/09 Verkündet am: 12. Mai 2010 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündli[X.] Verhandlung vom 12. Mai 2010 durch den Vorsitzenden [X.], die Richterin [X.], [X.] [X.] und [X.] sowie die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgis[X.]n Oberlandesgerichts vom 17. Dezember 2008 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin entschieden [X.] ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen [X.] und Ents[X.]idung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Klägerin vertrieb im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung von der [X.] hergestellte Polyesterlaminate. Im Dezember 2004 verein-barten die [X.]en, dass der Klägerin für diese Waren bis zum 31. Dezember 2006 das Exklusivvertriebsrecht für [X.] zustehen sollte. Im [X.] 2005 lieferte die Beklagte unter Umgehung der Klägerin selbst Laminate nach Indo-nesien. 1 - 3 - Mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 kündigte die Beklagte den mit der Klägerin bestehenden [X.] fristlos, weil die Klägerin eine Rechnung vom 30. August 2005 über 78.523,51 •, für die ihr ein Zahlungsziel von 90 Ta-gen eingeräumt war, bis zu diesem [X.]punkt nicht begli[X.]n hatte. Mit [X.] vom 20. September 2007 schob die Beklagte als Kündigungsgrund nach, dass die Klägerin bei Lieferungen nach [X.] mehrfach den vorgeschrie-benen [X.] nicht eingehalten habe. 2 Die Klägerin hat Feststellung des [X.] des [X.]s bis zum 31. Dezember 2006 sowie - im Wege der Stufenklage - Auskunft über den Umfang der Direktlieferungen der [X.] nach [X.] bis zum 31. Dezember 2006 begehrt. 3 Das [X.] hat dem Feststellungsbegehren und der Auskunftsklage durch Teilurteil stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Oberlan-desgericht das Urteil des [X.]s teilweise abgeändert und unter Zurück-weisung des weitergehenden Rechtsmittels die Auskunftsklage, soweit sie den [X.]raum nach dem 23. Dezember 2005 betrifft, sowie die Feststellungsklage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzli[X.]n Urteils. 4 Ents[X.]idungsgründe: Die Revision hat Erfolg. [X.] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ents[X.]idung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentli[X.]n ausgeführt: 6 - 4 - Das Auskunftsbegehren der Klägerin sei für die [X.] nach dem 23. [X.] unbegründet, weil die von der [X.] mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 erklärte fristlose Kündigung das [X.]verhältnis der [X.] mit dem Zugang dieser Erklärung beendet habe. 7 8 Die Beklagte sei zur fristlosen Kündigung gemäß § 314 BGB berechtigt gewesen, weil ihr angesichts des vertragswidrigen Verhaltens der Klägerin eine Fortsetzung des [X.]verhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht habe zugemutet werden können. Die ausstehende Forderung der [X.] habe mit 78.523,51 • eine Größenordnung erreicht, die für jedes mittelständi-s[X.] Unternehmen von existenzieller Bedeutung sei. Werde eine sol[X.] Rech-nung nicht bezahlt, sei zu befürchten, dass auch weitere Rechnungen unbe-zahlt blieben. Hinzu komme, dass der Klägerin ohnehin ein großzügiges [X.] von 90 Tagen eingeräumt worden sei. Die Beklagte habe die offene Kaufpreisforderung mit Schreiben vom 1. und 8. Dezember 2005 angemahnt und zusätzlich mit Fax vom 8. Dezember 2005 auf die noch offene Forderung hingewiesen. Ferner müsse auch das spätere Verhalten der Klägerin berück-sichtigt werden, die der [X.] die Kaufpreisforderung weit über die verein-barte Laufzeit des [X.] (31. Dezember 2006) hinaus vorenthalten und sie selbst im [X.]punkt der Berufungsverhandlung noch nicht begli[X.]n habe. Entgegen der Auffassung des [X.]s sei die Beklagte auch nicht deswegen an der fristlosen Kündigung gehindert gewesen, weil sie unter [X.] gegen das Exklusivvertriebsrecht der Klägerin selbst Waren nach [X.] geliefert habe und ihr deshalb selbst eine [X.]verletzung zur Last falle. Das [X.] habe nicht hinrei[X.]nd berücksichtigt, dass die Klägerin nach den vertragli[X.]n Vereinbarungen nicht zur Aufrechnung befugt gewesen sei. Insoweit könne sich die Klägerin auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht be-rufen. 9 - 5 - Auf den von der [X.] mit Schriftsatz vom 20. September 2007 nachgeschobenen Kündigungsgrund, dass die Klägerin bei den Lieferungen nach [X.] den vertraglich vorgeschriebenen [X.] nicht eingehalten habe, komme es deshalb nicht mehr an. [X.] Diese Beurteilung hält rechtli[X.]r Nachprüfung nicht Stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die fristlose Kündigung der [X.] vom 20. Dezember 2005 nicht als begründet angesehen werden. 1. Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn dem kündigenden Teil unter Be-rücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseiti-gen Interessen die Fortsetzung des [X.]verhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung nicht zugemutet werden kann. Dabei schließt, wie auch das [X.] im Ausgangspunkt richtig gesehen hat, ein eigenes Verschulden des Kündigenden eine fristlose Kündigung nicht von vornherein aus. Vielmehr bedarf es auch in diesem Fall einer Gesamtwürdigung aller Umstände, wobei allerdings das eigene vertragswidrige Verhalten des Kündigenden regelmäßig eine erhebli[X.] Rolle spielt ([X.], 271, 275; [X.]surteil vom 11. Februar 1981 Œ [X.] ZR 312/79, NJW 1981, 1264, unter [X.]). 12 2. Die tatrichterli[X.] Würdigung zum Bestehen oder Nichtbestehen eines zur außerordentli[X.]n Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtli[X.]r Nachprüfung, die sich darauf zu [X.] hat, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grun-des verkannt hat, ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße [X.] sind, ob es etwa wesentli[X.] Tatumstände übersehen oder nicht [X.] gewürdigt oder Erfahrungssätze verletzt hat ([X.]surteil vom 17. [X.] - 6 - nuar 2001 - [X.] ZR 86/89, [X.], 1031, unter [X.]). Auch dieser einge-schränkten Nachprüfung halten die Erwägungen, mit denen das Berufungsge-richt einen wichtigen Grund zur außerordentli[X.]n Kündigung bejahen will, in-des in mehrfa[X.]r Hinsicht nicht Stand. 14 a) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin auf die Erwägung abgestellt, eine Forderung von 78.523,51 • sei für jedes mittel-ständis[X.] Unternehmen von "existenzieller Bedeutung". Damit hat es rechts-fehlerhaft nicht die konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls ge-würdigt, sondern ohne tatsächli[X.] Grundlage auf allgemeine Vermutungen abgestellt. Zu Recht rügt die Revision insoweit, dass die Beklagte selbst nicht geltend gemacht hatte, durch den Zahlungsverzug der Klägerin in wirtschaftli-[X.] oder gar existenzielle Bedrängnis geraten zu sein. Hierfür bestanden auch sonst keine Anhaltspunkte, zumal der Klägerin von der [X.] ein Zahlungs-ziel von 90 Tagen eingeräumt war und sie sich deshalb mit der Bezahlung der Rechnung vom 30. August 2005 im [X.]punkt der fristlosen Kündigung erst seit rund drei Wo[X.]n in Verzug befand. Wie die Revision mit Recht geltend macht, hätte die Beklagte die Möglichkeit gehabt, bis zur Bezahlung der offenen Forde-rungen weitere Lieferungen nur gegen Vorkasse zu tätigen, so dass die Fort-setzung des [X.]verhältnisses mit der Klägerin für sie nicht mit weiteren finanziellen Risiken verbunden gewesen wäre. b) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der fristlosen Kündigung zum Nachteil der Klägerin ferner berücksichtigt, dass die Forderung der [X.] aus der Rechnung vom 30. August 2005 auch im [X.]punkt der [X.] noch nicht begli[X.]n war. Auch insoweit ist die Würdigung des Berufungsgerichts von Rechtsfehlern beeinflusst, denn für die Beurteilung der Berechtigung einer Kündigung ist der [X.]punkt der Ausspruch der Kündigung 15 - 7 - maßgeblich ([X.], Urteil vom 26. März 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1155, [X.]. 15). 16 c) Schließlich wird die Annahme des Berufungsgerichts, der in eigenen Direktlieferungen der [X.] liegenden Verletzung des der Klägerin einge-räumten Exklusivvertriebsrechts komme wegen des vertraglich (zu Gunsten der [X.]) vereinbarten Aufrechnungsverbots kein oder nur ein geringes Ge-wicht zu, den berechtigten Interessen der [X.]en nicht gerecht und wider-spricht Gesetzen der Logik. Maßgeblich für die Würdigung des Gewichts einer [X.]verletzung sind regelmäßig die Umstände, unter denen sie begangen wurde, das Maß des Verschuldens sowie die nachteiligen Folgen für den [X.]. Die [X.]verletzung der einen [X.] kann aber nicht deswegen milder beurteilt werden, weil zu ihren Gunsten ein vertragli[X.]s [X.] besteht. Im Gegenteil wird die andere [X.] durch eine [X.]verlet-zung in einem sol[X.]n Fall eher stärker betroffen, denn sie kann die daraus resultierenden Schadensersatzansprü[X.] nur im Klagewege verfolgen. [X.] Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgericht keinen Bestand ha-ben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sa[X.] nicht selbst abschließend ents[X.]iden, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - zu dem von der [X.] nachgeschobenen Kündigungsgrund weiterer (behaupteter) [X.]verletzungen der Klägerin keine Feststellungen getroffen hat. Die Sa- 17 - 8 - [X.] ist daher zur neuen Verhandlung und Ents[X.]idung an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Ents[X.]idung vom 11.12.2007 - 11 O 36/06 - [X.], Ents[X.]idung vom 17.12.2008 - 7 U 19/08 -

Meta

VIII ZR 23/09

12.05.2010

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2010, Az. VIII ZR 23/09 (REWIS RS 2010, 6724)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6724

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