Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2009, Az. VI ZR 316/08

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 1322

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 316/08 Verkündet am: 6. Oktober 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 14 Abs. 1; StVG § 17 [X.] des § 14 Abs. 1 [X.] erfasst auch Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren [X.] mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraft-fahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen. Kommt es dabei zur Berührung der geöffneten Fahrzeugtür mit einem in zu geringem Abstand vorbeifahrenden [X.], kann eine hälftige Schadensteilung gerechtfertigt sein. [X.], Urteil vom 6. Oktober 2009 - [X.] ZR 316/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 31. August 2009 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richte-rin von [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des [X.] vom 20. November 2008 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand:Im Oktober 2006 wurde die geöffnete hintere linke Tür des parkenden PKW des [X.] durch einen vorbeifahrenden vom [X.] zu 2 gesteuer-ten, bei der [X.] zu 1 haftpflichtversicherten [X.] beschädigt. Der Kläger verlangt von den [X.] Ersatz des dadurch entstandenen Schadens. 1 Zum Unfallzeitpunkt parkte der Kläger sein Fahrzeug in einer Parkbucht. Diese ist zwei Meter, die Fahrbahn ist weitere 7 Meter breit. An dem Fahrzeug des [X.] war die. hintere linke Tür zum Teil geöffnet. Der Kläger stand in der geöffneten Tür, um sein auf dem linken hinteren Rücksitz sitzendes Kind abzu-schnallen. Der Beklagte zu 2 fuhr mit seinem [X.] mit Anhänger an dem PKW in einem Abstand von ca. 0,95 Meter vorbei. Dabei wurde die Tür des PKW aus 2 - 3 - unbekanntem Grund, sei es durch den Kläger oder durch. den Luftzug des vor-beifahrenden [X.], weiter geöffnet. Der. [X.] stieß deshalb mit dem Anhänger dagegen. Zum Zeitpunkt der Kollision hatte die Tür die maximale Öffnungsweite von einem Meter erreicht. Das Amtsgericht hat der Klage auf der Grundlage einer Quote von 40 : 60 zu Lasten der [X.] stattgegeben. Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg, auf die Anschlussberufung der [X.] hat das Berufungsge-richt die Verurteilung der [X.] lediglich auf der Grundlage einer Quote von 50 : 50 gebilligt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger seinen Klageantrag in vollem Umfang weiter. 3 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht führt aus: Für den [X.] zu 2 sei bei der An-näherung an das Fahrzeug des [X.] erkennbar gewesen, dass die hintere linke Tür zum Teil geöffnet war und dass eine Person in der Tür stand. Der [X.] zu 2 habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die erkennbar schon ge-öffnete Tür sich nicht weiter öffnen werde. Es könne nicht mehr geklärt werden, ob der Kläger beim Abschnallen seines Kindes gegen die Tür gestoßen sei und diese weiter geöffnet habe oder aber ob die Tür sich durch den Luftzug des vorbeifahrenden [X.] weiter geöffnet habe. Mit beiden Möglichkeiten habe der Beklagte zu 2 rechnen müssen. Er habe gewusst, dass er einen sehr großen [X.] fahre, der einen erheblichen Luftzug verursache, der ausreichen' könne, eine Kraftfahrzeugtür weiter zu öffnen, wenn diese nicht ordnungsgemäß [X.] werde. Er habe auch die Möglichkeit einkalkulieren müssen, dass der 4 - 4 - Kläger die Tür nicht ordnungsgemäß festhalte oder dass er an die Tür stoße und diese weiter öffne und dass durch eine solche Bewegung die Tür ihren maximalen Öffnungswinkel erreiche. Vor diesem Hintergrund sei der gewählte Sicherheitsabstand zu gering gewesen. Der Beklagte zu 2 habe notfalls auf die Gegenfahrbahn ausweichen oder, wenn dies infolge Gegenverkehrs nicht mög-lich gewesen sei, sein Fahrzeug anhalten müssen. Der Beklagte zu 2 habe bei gehöriger Beobachtung der Situation auch erkennen können, dass der Kläger ihm den Rücken zuwandte, und habe deshalb nicht darauf vertrauen dürfen, dass er die Annäherung des [X.] bemerken und sich darauf einstellen würde. Auf der anderen Seite habe der Kläger durch das Öffnen der linken Tür, die, während er sich [X.] habe, zumindest den Rand des rechten Fahrstreifens tangiert oder möglicherweise in diesen hineingeragt habe, eine Gefahrenquelle geschaffen. Er habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass vorbei-fahrende Fahrzeuge einen auch bei einer' sich weiter öffnenden Tür ausrei-chenden Sicherheitsabstand einhalten würden. Er sei, auch wenn er im Fahr-zeug hantierte, verpflichtet gewesen den sich von hinten nähernden Verkehr zu beobachten. Hier habe er den sich nähernden [X.] alleine aufgrund der Ge-räuschentwicklung eines solch großen Fahrzeugs leicht wahrnehmen können und sich darauf einstellen müssen. Er habe dann, obwohl er dabei gewesen sei, das Kind abzuschnallen, die Tür gegen ein weiteres Öffnen durch Festhalten sichern müssen. 5 Bei dieser Sachlage sei eine Haftungsverteilung von 50 : 50 angemes-sen. 6 - 5 - I[X.] Die dagegen gerichtete Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. 7 1. Die in der Revisionsbegründung erhobene Rüge, das Berufungsge-richt habe in falscher Besetzung entschieden, hat sich erledigt, nachdem das Berufungsgericht durch Beschluss vom 24. April 2009 das Rubrum seines Urteils berichtigt hat. 8 2. Die hälftige Quotierung des Schadens durch das Berufungsgericht lässt entgegen der Ansicht der Revision keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 16. Januar 2007 - [X.] ZR 248/05 - [X.], 557, 558; vom 23. Januar 2007 - [X.] ZR 146/06 - [X.], 558, 559; vom 13. März 2007 - [X.] ZR 216/05 - [X.], 1095, 1096, [X.]. m.w.Nachw.). Dies ist vorliegend der Fall. 9 a) Die Revision beanstandet ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe das Verhalten des [X.] am Maßstab des § 14 Abs. 1 [X.] gemessen. 10 Nach dieser Vorschrift muss sich, wer ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevor-gangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtli-chen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des [X.] erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist 11 - 6 - (vgl. KG, [X.], 245 f.). Erfasst sind insbesondere auch Situationen, in de-nen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um etwa Gegenstände ein- oder auszuladen oder - wie hier - einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen (vgl. [X.], NJW-RR 2008, 1203 f.; [X.], Urteil vom 16. Januar 2006 - [X.]/05 - Juris Rn. 5 ff.; [X.], [X.], 84; [X.], [X.], 408 f.; [X.], [X.], 864 f.). Die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 [X.] beschränkt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht ausschließlich auf solche Vorgänge, bei denen sich durch das unvorsichtige Öffnen einer Fahrzeugtür ein Überra-schungsmoment für andere Verkehrsteilnehmer ergibt (in dieser Richtung [X.] [X.], aaO; [X.], aaO). Das Gesetz stellt nicht auf das über-raschende Öffnen einer Fahrzeugtür ab, sondern auf das Aus- und Einsteigen als solches, da ein solcher Vorgang aus unterschiedlichen Gründen mit erhebli-chen Gefahren für den fließenden Verkehr verbunden sein kann. Zwar ergeben sich die Gefahren beim Aussteigen vielfach daraus, dass eine Fahrzeugtür durch einen für den fließenden Verkehr nicht erkennbaren Fahrzeuginsassen überraschend geöffnet wird. Doch beschränkt sich der vom Gesetz erfasste [X.] nicht ausschließlich darauf. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sorgfaltsanforderung auch für [X.] gilt, bei denen der Ein-steigende in der Regel für den fließenden Verkehr erkennbar ist. Im Streitfall beruht der Unfall auch darauf, dass der Kläger beim Ausstei-gen nicht die nötige Sorgfalt hat walten lassen. Entweder hat er, ohne auf den vorbeifahrenden [X.] zu achten, die Tür weiter geöffnet oder diese jedenfalls nicht ausreichend festgehalten, um ein weiteres Öffnen durch die Sogwirkung des [X.] zu verhindern. Wird beim Ein- oder Aussteigen ein anderer [X.] geschädigt, so spricht im Übrigen schon der Beweis des ersten Anscheins für fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigen-12 - 7 - den (vgl. [X.], aaO; [X.], aaO; [X.], [X.], 209 f.; KG, [X.], 217; [X.] in: [X.]/Burmann/[X.], [X.], 20. Aufl., § 14 [X.] Rn. 2; [X.] in: [X.]/[X.]/Dauer, Straßenver-kehrsrecht, 40. Aufl., § 14 [X.] Rn. 9). Dieser Anschein ist nach den [X.] im Streitfall nicht erschüttert. Ob etwas anderes gilt, wenn feststeht, dass sich der Ein- oder Ausstei-gende vor und während des Ein- oder Aussteigens vergewissert hat, dass sich kein rückwärtiger Verkehr nähert, und dass der Unfall ausschließlich auf einen zu geringen Seitenabstand des [X.] zurückzuführen ist (dahin ge-hend [X.], aaO; vgl. auch [X.], [X.], 1042; abwei-chend [X.], aaO), kann hier dahinstehen. Dass es für die Frage, ob die Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 [X.] erfüllt ist, auf die Umstände des [X.] ankommt, hat der erkennende Senat bereits früher entschieden ([X.] vom 16. September 1986 - [X.] ZR 151/85 - [X.], 1231, 1232). 13 b) Danach ist die Abwägung, die das Berufungsgericht gemäß § 17 StVG vorgenommen hat, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht berücksichtigt, dass den [X.] zu 2 eine erhebliche Mitverantwortung für den Unfall trifft, weil er angesichts der Umstände einen zu geringen Seitenabstand eingehalten hat. Dabei zieht es - entgegen der Annahme der Revision - im Ergebnis auch die wegen der möglichen Sogwirkung erhöhte Betriebsgefahr des [X.] in [X.]. Feststellungen dazu, dass die Einhaltung eines Seitenabstandes von 0,95 m angesichts der gegebenen Situation grob fahrlässig gewesen sein könn-te, hat das Berufungsgericht nicht getroffen; die Revision zeigt insoweit keinen Verfahrensfehler auf. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsge-richt bei der Abwägung auch keine Umstände zu Lasten des [X.] berück-sichtigt, die nicht unstreitig oder bewiesen sind. Dass es die beiden in Betracht kommenden Möglichkeiten, dass der Kläger entweder die Tür trotz der [X.] - 8 - fahrt des [X.] weiter geöffnet oder diese jedenfalls nicht ausreichend festgehal-ten hat, gleich bewertet, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die vom Berufungsgericht für angemessen gehaltene Quotierung ist in der [X.] auch anderweit bei einem ähnlichen Sachverhalt ausgeurteilt worden ([X.], aaO). Dagegen bestehen aus Rechtsgründen keine Bedenken. [X.] [X.]
Pauge v. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.01.2008 - 322 C 9655/07 - [X.], Entscheidung vom 20.11.2008 - 19 S 3819/08 -

Meta

VI ZR 316/08

06.10.2009

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2009, Az. VI ZR 316/08 (REWIS RS 2009, 1322)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1322

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.