Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2007, Az. VI ZR 216/05

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4802

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/05 Verkündet am: 13. März 2007 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 16 Abs. 2 Satz 2 Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen von einem eingeschalteten Warnblink-licht eine Reaktionsaufforderung für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, die [X.] zu verlangsamen und sich bremsbereit zu halten. [X.], Urteil vom 13. März 2007 - [X.]/05 - [X.]

LG Stade
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 11. Oktober 2005 wird [X.]. Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens. Von Rechts wegen

Tatbestand: Der Kläger nimmt die [X.] auf Schadensersatz aus einem [X.] in Anspruch, der sich am 12. Mai 1999 gegen 17.00 Uhr außerhalb einer geschlossenen Ortschaft auf einer Kreisstraße ereignet hat. Der Kläger wollte dort mit einem [X.] Sand bei einer Firma anliefern. Zu diesem Zweck hielt er am rechten Fahrbahnrand der an dieser Stelle 5,4 m breiten Straße an und stieg aus. In diesem Moment wurde er von dem vom [X.] zu 3 ge-führten und bei der [X.] zu 1 haftpflichtversicherten Kleintransporter der [X.] zu 2 erfasst, der die Straße in der Gegenrichtung befuhr. Der Kläger 1 - 3 - wurde bei diesem Unfall schwer verletzt, während sein [X.] unbeschädigt blieb. - 4 - Der Kläger hat behauptet, vor dem Aussteigen aus dem Führerhaus die Warnblinkanlage des [X.] eingeschaltet zu haben. Der [X.] zu 3 habe sich mit seinem Fahrzeug gleichwohl mit unverminderter Geschwindigkeit, die zu-dem überhöht gewesen sei, der späteren Unfallstelle genähert. 2 3 Die [X.] haben behauptet, der [X.] zu 3 sei ursprünglich mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 km/h gefahren und habe diese angesichts des am Fahrbahnrand stehenden [X.] des [X.] auf 74 km/h verringert. Als der [X.] zu 3 sich dem [X.] bis auf 50 m genähert gehabt habe, sei der Kläger plötzlich rückwärts aus dem Fahrzeug auf die Fahrbahn gesprungen. Der Unfall sei deshalb für den [X.] zu 3 unvermeidbar gewesen. Der Kläger hat unter Berücksichtigung eines 50%igen Mitverschuldens ein Schmerzensgeld von 25.564,59 • (= 50.000 DM), eine monatliche Schmer-zensgeldrente von 76,69 • (= 150 DM), eine weitere monatliche Rente von 153,39 • (= 300 DM) für vermehrte Bedürfnisse zuzüglich eines insoweit ent-standenen Rückstandes von 3.067,75 • (= 6.000 DM) sowie die Feststellung der Einstandspflicht der [X.] für alle zukünftigen materiellen und immate-riellen Schäden - ebenfalls unter Berücksichtigung eines hälftigen [X.] - geltend gemacht. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. 4 - 5 - Entscheidungsgründe: [X.] 5 Das Berufungsgericht folgt zwar den Feststellungen des [X.]s, dass der Kläger bereits vor dem Unfall die Warnblinkanlage des [X.] einge-schaltet gehabt habe. Auch wäre der Unfall nach den Ausführungen des Sach-verständigen in dem Unfallrekonstruktionsgutachten sowohl vermeidbar gewe-sen, wenn der [X.] zu 3 sich der Unfallstelle statt mit einer Geschwindigkeit von 74 bis 78 km/h lediglich mit einer solchen von 45 km/h genähert hätte als auch dann, wenn er auf die nur zur Hälfte geöffnete [X.] mit einer Voll-bremsung reagiert hätte. Der [X.] zu 3 sei jedoch nicht verpflichtet gewe-sen, die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges bei den am [X.] guten Rahmenbedingungen auf der übersichtlichen Landstraße mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf ein derart niedriges Niveau herabzusetzen. Eine entsprechende Reaktionsaufforderung sei auch nicht von der eingeschalteten Warnblinkanlage ausgegangen. Damit habe der Kläger den Verkehr auf seinen am Fahrbahnrand stehenden (Unterstreichung vom [X.]) [X.] aufmerksam machen wollen. Eine weitergehende Bedeu-tung habe das Einschalten der Warnblinkanlage auch aus der Sicht des [X.] nicht haben können, weil es an anderen Ursachen für das Einschalten der Anlage, wie z.B. Menschen auf der Fahrbahn o.ä., erkennbar gefehlt habe. Von der zur Hälfte geöffneten [X.] sei keine Reaktionsaufforderung zu einer Vollbremsung ausgegangen, da der [X.] zu 3 bis zu diesem Zeitpunkt ha-be davon ausgehen dürfen, dass der Fahrer des [X.] die Tür erst nach dem Passieren des entgegenkommenden Fahrzeuges vollständig öffnen und aus-steigen würde. Auch wenn die [X.] nicht den ihnen nach § 7 Abs. 2 StVG - 6 - a.[X.] obliegenden Beweis der Unabwendbarkeit des Unfalls für den [X.] zu 3 hätten erbringen können, scheide dennoch eine - wenn auch nur anteilige - Haftung der [X.] aus, weil die von dem Kleintransporter ausgehende Be-triebsgefahr ebenso wie ein etwaiges leichtes Verschulden des [X.] zu 3 hinter dem groben Sorgfaltsverstoß des [X.] zurücktrete. Es sei völlig un-verständlich, dass der Kläger bei den bestehenden guten Sichtverhältnissen das Führerhaus seines [X.] verlassen habe, ohne sich zu vergewissern, dass er die Straße gefahrlos betreten konnte. I[X.] Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Nachprü-fung stand. 6 Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der [X.] zu 3 - auch unter Berücksichtigung der eingeschalteten [X.] an dem [X.] - nicht verpflichtet war, die festgestellte Geschwindig-keit seines Fahrzeuges von 74 bis 78 km/h weiter bis auf 45 km/h zu ermäßi-gen, sich bremsbereit zu halten oder auf die sich halb öffnende Fahrertür mit einer Vollbremsung zu reagieren. 7 1. Unter den Umständen des [X.] war das Einschalten des Warn-blinklichts objektiv nicht erforderlich, um den Verkehr auf den stehenden [X.] aufmerksam zu machen. 8 Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 [X.] darf außer beim Liegenbleiben mehrspu-riger Fahrzeuge an unübersichtlichen Stellen (§ 15 [X.]) und beim [X.] (§ 15a [X.]) Warnblinklicht nur einschalten, wer andere durch sein Fahrzeug gefährdet sieht oder andere vor Gefahren warnen will, z.B. 9 - 7 - bei Annäherung an einen Stau oder bei besonders langsamer Fahrgeschwin-digkeit auf Autobahnen und anderen schnell befahrenen Straßen. Das Einschal-ten des Warnblinklichts ist dagegen grundsätzlich unzulässig, wenn keine [X.] Gefährdung, sondern allenfalls eine Behinderung des Verkehrs vorliegt (vgl. [X.], 700; [X.]/[X.], [X.], 24. Aufl., [X.]., Rn. 424; [X.], Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., [X.] § 16 Rz. 5; [X.]/[X.], Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., [X.] § 16 Rn. 13a). 2. Ob im Streitfall diese Voraussetzungen im Hinblick auf den nach den getroffenen Feststellungen auf einer übersichtlichen Landstraße am Fahrbahn-rand stehenden, für den herannahenden Verkehr gut erkennbaren [X.] vorla-gen, kann jedoch ebenso dahinstehen wie die Frage, ob auch von einem unzu-lässigerweise eingeschalteten Warnblinklicht eine Reaktionsaufforderung für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen kann, die Geschwindigkeit zu verlangsa-men und sich bremsbereit zu halten. 10 Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s hat der Kläger durch das Einschalten der Warnblinkanlage den Verkehr nur auf den am Fahrbahnrand stehenden [X.] aufmerksam machen wollen. Eine von dem am Fahrbahnrand stehenden, gut erkennbaren [X.] aus-gehende Gefahr hat sich jedoch im Streitfall nicht realisiert. Für den [X.] zu 3 stellte der [X.] noch nicht einmal ein Hindernis dar, weil dieser aus seiner Sicht auf der Gegenfahrbahn stand. Realisiert hat sich vielmehr die Gefahr, die davon ausgegangen ist, dass der Kläger unter Missachtung des entgegenkom-menden Verkehrs ausgestiegen und auf die Fahrbahn gesprungen ist. Die [X.] macht selbst nicht geltend, dass der Kläger mit dem Einschalten der Warnblinkanlage den herannahenden Gegenverkehr vor seinem beabsichtigten Aussteigen warnen wollte, zumal der Kläger ohnehin erst aussteigen durfte, 11 - 8 - wenn er sicher sein konnte, dass er sich und andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdete (vgl. § 14 Abs. 1 [X.]). Dabei hatte er grundsätzlich auch auf Fahr-zeuge zu achten, die aus der Gegenrichtung kamen (vgl. Senatsurteile vom 16. September 1986 - [X.] ZR 151/85 - [X.], 1231, 1232 und vom 24. Februar 1981 - [X.] ZR 297/79 - VersR 1981, 533, 534). 12 3. Der [X.] zu 3 war auch aus sonstigen Gründen nicht gehalten, die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges unter die festgestellten 74 bis 78 km/h [X.] herabzusetzen, sich bremsbereit zu halten oder bereits auf die nur zur Hälfte geöffnete [X.] mit einer Vollbremsung zu reagieren. Der fließende Verkehr darf zwar nicht generell darauf vertrauen, dass die gesteigerte Sorgfaltspflicht des § 14 Abs. 1 [X.] allgemein beachtet wird; er muss daher, wenn für ihn nicht mit Sicherheit erkennbar ist, dass sich im hal-tenden Fahrzeug und um das Fahrzeug herum keine Personen aufhalten, einen solchen Abstand einhalten, dass ein Insasse die linke Tür ein wenig öffnen kann (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1981 - [X.] ZR 297/79 - aaO m.w.[X.]). Der an einem parkenden Wagen vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer darf [X.] darauf vertrauen, dass die Tür nicht plötzlich weit geöffnet wird und ein Insasse auf die Fahrbahn springt (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 1981 - [X.] ZR 297/79 - aaO m.w.[X.]). Deshalb ist die Beurteilung des Berufungsge-richts, der [X.] zu 3 habe unter den gegebenen Umständen davon ausge-hen dürfen, dass der Fahrer des [X.] die Tür erst nach seiner - des [X.] zu 3 - Durchfahrt vollständig öffnen und aussteigen würde, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 13 4. Schließlich ist auch kein Rechtsfehler erkennbar, soweit das [X.] im Rahmen der Abwägung die Betriebsgefahr des vom [X.] 14 - 9 - zu 3 geführten Kleintransporters vollständig hinter dem Mitverschulden des [X.] hat zurücktreten lassen. - 10 - Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im [X.] nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Um-stände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zuläs-sige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. zuletzt die Senatsurteile vom 16. Januar 2007 - [X.] ZR 248/05 - und vom 23. Januar 2007 - [X.] ZR 146/05 - jeweils m.w.[X.], z.[X.].). 15 Diesen Grundsätzen wird die vom Berufungsgericht vorgenommene Ab-wägung gerecht. Dabei ist es im Hinblick auf die gesteigerten Sorgfaltsanforde-rungen des § 14 Abs. 1 [X.] rechtlich nicht zu beanstanden, dass das [X.] einen groben Sorgfaltsverstoß des [X.] angenommen und es als völlig unverständlich bezeichnet hat, dass dieser bei den bestehenden guten 16 - 11 - Sichtverhältnissen das Führerhaus seines [X.] verlassen hat, ohne sich mit einem kurzen Blick zu vergewissern, dass er die Straße gefahrlos betreten konnte. [X.]
[X.] [X.] [X.]

Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.02.2005 - 5 O 261/04 - [X.], Entscheidung vom 11.10.2005 - 14 U 51/05 -

Meta

VI ZR 216/05

13.03.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2007, Az. VI ZR 216/05 (REWIS RS 2007, 4802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4802

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