Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.02.2013, Az. IX ZB 165/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7885

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB
165/11
vom

26. Februar 2013

in dem
Restschuldbefreiungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 295 Abs. 1 Nr. 3, § 295 Abs. 2, § 296 Abs. 2 Satz 3
a)
In der Wohlverhaltensphase hat der selbständig tätige Schuldner auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, aus denen die ihm mögliche abhängige Tätigkeit be-stimmt und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ermittelt werden kann, nicht jedoch Auskünfte über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen wirt-schaftlichen Tätigkeit.
b)
Verlangt ein Gericht eine solche -
nicht durch §
295 Abs.1 Nr.
3 [X.] gedeckte

Auskunft, begründen die Nichterteilung der Auskunft, eine u[X.]ollständige oder verspätete Auskunft grundsätzlich keine Obliegenheitsverletzung nach §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] oder nach §
296 Abs.
2 Satz
3 Fall
1 [X.].
[X.], Beschluss vom 26. Februar 2013 -
IX [X.]/11 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser,
die
Richter
Prof.
Dr.
Gehrlein, [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
26.
Februar
2013
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 3.
Mai 2011 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu
1
als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 5.000

Gründe:

I.

Das auf Eigenantrag des selbständig tätigen Schuldners am 15.
März 2002 eröffnete Insolvenzverfahren wurde wegen Masseunzulänglichkeit nach Ankündigung der Restschuldbefreiung am 18.
April 2005 eingestellt.
Im Februar 2007 beantragte die weitere Beteiligte zu
1, eine Gläubigerin, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen, weil dieser gegenüber dem Treuhänder seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit nicht
ausreichend
offengelegt habe. In dem sich anschließenden Verfahren forderte das Insolvenzgericht den Schuldner unter Hinweis auf §
296 Abs.
2 [X.] zur Auskunftserteilung auf. Ob 1
-

3

-
dieser die angeforderten Auskünfte ausreichend und rechtzeitig erteilt hat, ist zwischen ihm und den weiteren Beteiligten streitig geblieben.

Das Insolvenzgericht hat den Versagungsantrag der weiteren Beteiligten zu
1 zurückgewiesen. Ihre hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde blieb er-folglos. Mit
ihrer Rechtsbeschwerde möchte sie weiterhin erreichen, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt wird.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
7 [X.] aF, §§
6, 296 Abs.
3 Satz
1 [X.], Art.
103f
EG[X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO), aber unzulässig. Der geltend gemachte [X.] der Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall
2 ZPO) ist nicht gegeben.

1.
Die
Beschwerdeentscheidung beruht jedenfalls nicht auf dem geltend gemachten Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG.

a) Die Obliegenheiten des §
295 [X.] treffen den Schuldner erst ab
der Aufhebung (oder der Einstellung, vgl. §
289 Abs.
3 [X.]) des Insolvenzverfah-rens. Dies setzt die Kenntnis des Schuldners von diesen Umständen und damit die Kenntnis von dem [X.] und dem Aufhebungs-
oder Ein-stellungsbeschluss voraus (vgl. [X.], Beschluss vom 18.
Dezember 2008

IX
ZB 249/07, NZI
2009, 191
Rn.
8; vom 14.
Januar 2010
[X.], Z[X.]
2010, 345 Rn.
9).
Vorliegend begann die Wohlverhaltensphase nicht vor Erlass des Einstellungsbeschlusses
vom 18.
April 2005
und endete am 15.
März 2008. Maßgeblich ist insoweit §
287 Abs.
2 [X.] in der Fassung des 2
3
4
5
-

4

-
Gesetzes zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer
Gesetze vom 26.
Oktober 2001
(BGBl.
I
S.
2710), weil
das Insolvenzverfahren nach dem 1.
Dezember 2001 eröffnet worden ist
(Art.
103a EG[X.]).

In der Wohlverhaltensphase
war der Schuldner nur selbständig tätig. Das hat zur Folge, dass seine Einnahmen aus der selbständigen Tätigkeit grund-sätzlich nicht unter die Abtretungserklärung des §
287 Abs.
2 Satz
1 [X.] fallen. §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] ist daher insoweit nicht anzuwenden. Einnahmen, die ein Schuldner aufgrund einer wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit erzielt, müs-sen ihm uneingeschränkt zur Verfügung stehen, damit er seiner
Abführungs-pflicht aus §
295 Abs.
2 [X.] gerecht werden kann. Sie können deshalb
un-geachtet der Tatsache, dass auch der selbständig tätige Schuldner seinem [X.] eine Abtretungserklärung nach §
287 Abs.
2 Satz
1 [X.] beizufügen hat

in aller Regel auch nicht als pfändbares Einkommen im Sinne des §
850 Abs.
2 ZPO angesehen werden (vgl. [X.], Urteil vom 15.
Oktober 2009
IX
ZR 234/08, NZI
2010, 72
Rn.
8
ff). Zwar hat der [X.] in dieser Ent-scheidung offen gelassen, ob dies auch dann gilt, wenn es sich bei dem Schuldner um einen Scheinselbständigen handelt
(aaO Rn.
18). Anhaltspunkte für eine bloße Scheinselbständigkeit hat das Beschwerdegericht aber nicht festgestellt (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
September 2011
IX
ZB 133/08, Z[X.]
2011, 2101 Rn.
9).

Ob der Schuldner als selbständig Tätiger einen Gewinn erzielt hat oder ob er einen höheren Gewinn hätte erwirtschaften können, ist unerheblich. Nach §
295 Abs.
2 [X.] obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Vorschrift löst die zu berücksichtigenden Erträge vom tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg der selbständigen Tätigkeit des Schuld-6
7
-

5

-
ners. Das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ist dabei aus einem ange-messenen Dienstverhältnis zu berechnen. Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit ([X.], Beschluss vom 5.
April 2006

[X.], [X.], 413 Rn.
13; vom 19.
Mai 2011
[X.] 224/09, NZI
2011, 596 Rn.
6).

Der selbständig tätige Schuldner hat deswegen nach §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] dem Treuhänder oder dem Gericht auf Verlangen Mitteilung zu machen, ob er einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, wie seine Ausbildung und sein beruflicher
Werdegang aussieht und welche Tätigkeit (Branche, Größe seines Unternehmens, Zahl der Angestellten, Umsatz) er ausübt, wobei seine [X.] so konkret sein müssen, dass ein Gläubiger danach die dem Schuldner mög-liche abhängige Tätigkeit bestimmen und das
anzunehmende fiktive Nettoein-kommen ermitteln kann
(vgl. FK-[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
295 Rn.
60). Er hat jedoch keine Auskünfte über etwaige Gewinne aus seiner
selbständigen wirt-schaftlichen Tätigkeit zu erteilen ([X.], Z[X.] 2011, 1855, 1856; FK-[X.]/[X.], aaO).
Verlangen
Treuhänder oder Gericht eine solche
nicht durch §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] gedeckte
Auskunft, begründen
die Nichtertei-lung der Auskunft, eine u[X.]ollständige oder verspätete Antwort keine Obliegen-heitsverletzung nach §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] (zu §§
97, 290 Abs.
1 Nr.
5 [X.] vgl. [X.], Beschluss vom 20.
März 2003
[X.] 388/02, NJW 2003, 2167, 2169; zu §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.] vgl. FK-[X.]/[X.],
aaO
§
295 Rn.
59; [X.] in [X.], [X.], 2012, §
295 Rn.
25).

Für
den Versagungsgrund des §
296 Abs.
2 Satz
3
Fall
1 [X.], den das Gericht auch ohne einen sich darauf beziehenden Antrag des Gläubigers zu berücksichtigen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 2011
IX
ZB 274/10, NZI
2011, 640 Rn.
12),
kann grundsätzlich nichts anderes gelten. Nach dieser 8
9
-

6

-
Vorschrift kann einem Schuldner
die Restschuldbefreiung versagt werden, wenn er im Verfahren über den Antrag eines Gläubigers auf Restschuldbefrei-ung eine vom Gericht geforderte Auskunft schuldhaft nicht innerhalb einer ge-setzten Frist erteilt, ohne dass es auf eine Beeinträchtigung der Befriedigungs-aussichten der Gläubiger ankäme ([X.], Beschluss vom 8.
Oktober 2009 -
IX
ZB 169/08, Z[X.]
2009, 2162 Rn.
6).
Nach §
296 Abs.
2 Satz
2 Fall
1 [X.] hat der Schuldner allerdings lediglich über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft zu erteilen, nur darüber darf er durch das Gericht (im Rahmen des [X.]) befragt werden. Deswegen darf das Gericht -
wie bei §
295 Abs.
1 Nr.
3 [X.]
-
den selbständig tätigen Schuldner beispielsweise nach den Umständen befragen, aus denen sich die ihm mögliche abhängige Tätigkeit und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ableiten lassen (vgl. [X.], [X.] vom 14. Mai 2009 -
[X.] 116/08, Z[X.]
2009, 1268 Rn.
9), nicht aber über seine Gewinne aus der selbständigen Tätigkeit.
Gehen die Fragen des Gerichts über den sich aus §§
295, 296 Abs.
2 [X.] ergebenden Rahmen hin-aus, stellt die Nichtbeantwortung der Fragen keine Verletzung der Verfahrens-obliegenheiten dar.

b) Da dem Schuldner in den Tatsacheninstanzen
wie auch in der [X.] nur vorgeworfen wird, er habe Auskünfte über seine sich aus der selbständigen Tätigkeit ergebende Einkommenssituation in der Wohlverhal-tensphase nicht erteilt, kann eine Obliegenheitsverletzung nach §
295 Abs.
1 Nr.
3, §
296 Abs.
2 Satz
2 Fall
1 [X.] aus Rechtsgründen nicht vorliegen. Es ist deswegen ausgeschlossen, dass die Berücksichtigung der Hinweise der Gläu-bigerin auf den Versagungsgrund des §
296 Abs.
2 Satz
3 [X.] bei richtiger Rechtsanwendung im Ergebnis zu einer anderen, für die Gläubigerin günstige-ren Entscheidung geführt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 17.
September 1992
-
IX
ZB 45/92, NJW
1992, 3243, 3244; vom 25.
September 2003 -
IX
ZB 10
-

7

-
612/02, [X.], Rn.
6; vom 25.
September 2007 -
VI [X.], ZMGR
2007, 141 Rn.
3).

2. Auch der gerügte Willkürverstoß (Art.
3 Abs.
1 GG) liegt nicht vor. [X.] hat das Beschwerdegericht den Versagungsgrund nach §
295 Abs.
2 [X.] als nicht glaubhaft gemacht angesehen (§
296 Abs.
1 Satz
3 [X.]).
Im Rahmen des §
295 Abs.
2 [X.] muss der Gläubiger glaubhaft machen, dass der Schuldner einen Betrag an den Treuhänder hätte abführen müssen (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
September 2011
[X.] 133/08, Z[X.]
2011, 2101 Rn.
7). Diesen Anforderungen genügt der Versagungsantrag der weiteren Be-teiligten zu
1 nicht. Weder hat sie vorgetragen, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Ausübung einer ver-gleichbaren abhängigen Tätigkeit nach dem üblichen Lohnniveau hätte [X.] müssen, noch hat sie glaubhaft gemacht, welche abhängige Tätigkeit dem Schuldner möglich gewesen wäre (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 2011
-
IX
ZB 224/09, NZI
2011, 596
Rn.
7; vom 12.
Juli 2011
IX
ZB 270/11, [X.], 721).
Vielmehr ist das Beschwerdegericht
ohne dass dies von der Rechtsbeschwerde angegriffen wird
davon ausgegangen, dass der Schuldner nach seinem unbestrittenen Vortrag aufgrund seiner Insolvenz und der sich [X.] ergebenen negativen Listung in der zentralen Auskunft über [X.] ([X.]) als Versicherungskaufmann keine Anstellung mehr ge-funden hätte. In welchen anderen Branchen der zum Beginn der Wohlverhal-tensphase 57-jährige, aufgrund mehrerer
Herzinfarkte gesundheitlich schwer angeschlagene Schuldner
zu welchen Bedingungen hätte Anstellung finden können, hat die Gläubigerin nicht dargelegt (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 2011, aaO Rn.
8). Dass der Schuldner weiterhin notgedrungen einer selbstän-digen Tätigkeit nachgegangen ist, ersetzt Vortrag über das angemessene Dienstverhältnis und die Glaubhaftmachung nicht.
11
-

8

-

3.
Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht [X.] wäre, zur Klärung von Rechtsfragen
grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
4 [X.], §
577 Abs.
6 Satz
3 ZPO).

Kayser
Gehrlein
Fischer

[X.]
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.02.2008 -
77 IN 35/01 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.05.2011 -
5 [X.] -

12

Meta

IX ZB 165/11

26.02.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.02.2013, Az. IX ZB 165/11 (REWIS RS 2013, 7885)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7885

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