Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.03.2018, Az. 7 ABR 29/16

7. Senat | REWIS RS 2018, 11921

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Gegenstand

Hauptschwerbehindertenvertretung - Wahlanfechtung - Wahlgeheimnis


Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 4. gegen den Beschluss des [X.] vom 26. Februar 2016 - 1 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. [X.]ie [X.]eteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl zur [X.] der [X.] in [X.]urope ([X.]).

2

Zu der [X.] gehören die [X.]ienststellen [X.] ([X.]), [X.]I ([X.]I), [X.] ([X.]) [X.], [X.], [X.] L ([X.]L) [X.], [X.] G und [X.]L G. In diesen [X.]ienststellen ist jeweils eine Schwerbehindertenvertretung gebildet. [X.]ie Antragstellerin zu 1. ist Vertrauensfrau der Schwerbehinderten der [X.]ienststelle [X.]L [X.], der Antragsteller zu 2. ist Vertrauensmann der Schwerbehinderten der [X.]ienststelle R I und die Antragstellerin zu 3. ist Vertrauensfrau der Schwerbehinderten der [X.]ienststelle [X.] [X.].

3

[X.]er aus drei Mitgliedern bestehende Wahlvorstand erließ am 12. Februar 2015 ein Wahlausschreiben für die turnusmäßige Wahl der [X.] der [X.]ienststellen der [X.]. Im Wahlausschreiben heißt es ua.:

        

„…    

        

5.    

Zu wählen sind die [X.] und drei Stellvertretende Mitglieder. [X.] und stellvertretende Mitglieder werden in zwei getrennten Wahlgängen gewählt.

        

...     

        
        

7.    

[X.]er Wahlvorstand hat schriftliche Stimmabgabe beschlossen. [X.]ie [X.] müssen bis spätestens am 30.03.2015 1200 Uhr beim Wahlvorstand in [X.]. 86 Raum 23 eingegangen sein.

        

…       

        
        

9.    

[X.]insprüche, Wahlvorschläge, und sonstige [X.]rklärungen sind an den Wahlvorstand zu richten. [X.]er Wahlvorstand ist an Arbeitstagen von 7:30 Uhr bis 9:30 Uhr in [X.]äude 86, [X.] in Raum 23 zu erreichen. Tel. ...“

4

[X.]urch Aushang vom 7. März 2015 machte der Wahlvorstand bekannt, dass für die Wahl der [X.] zwei gültige Wahlvorschläge eingegangen seien. [X.]andidaten seien der Antragsteller zu 2. und [X.] Für die Wahl der stellvertretenden [X.] seien drei gültige Wahlvorschläge eingegangen. [X.]s kandidierten [X.], die Antragstellerin zu 1. und [X.] [X.]anach übersandte der Wahlvorstand den sieben wahlberechtigten Schwerbehindertenvertretern die Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe.

5

Am 26. März 2015 suchten die Antragsteller gemeinsam mit der Vertrauensfrau der [X.] [X.] das [X.]üro des [X.] auf. [X.]ort füllten sie in Anwesenheit des [X.], bei dem es sich um R handelt, ihre Stimmzettel gemeinsam offen an einem Tisch aus. [X.]er [X.]vorsitzende wies sie darauf hin, dass die Wahlunterlagen im [X.] abgegeben werden müssten. [X.]a die Gummierung der Umschläge defekt war, wurden die Umschläge mit [X.] zugeklebt und vom Vorsitzenden des [X.] in die Wahlurne geworfen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits drei weitere Freiumschläge abgegeben.

6

Von seinem Vorsitzenden über die Umstände der Stimmabgabe unterrichtet, fasste der Wahlvorstand am 30. März 2015 den [X.]eschluss, die Stimmen der Antragsteller und der [X.] für ungültig zu erklären, da diese ihre Stimmzettel nicht unbeobachtet ausgefüllt hatten. [X.]ie verbleibenden drei für die Wahl des Hauptvertrauensmanns abgegebenen gültigen Stimmen entfielen auf den [X.]andidaten S. Von den abgegebenen gültigen Stimmen für die Wahl der Stellvertreter entfielen zwei Stimmen auf [X.] und je eine Stimme auf die Antragstellerin zu 1. und auf [X.] [X.]urch Losentscheid wurden die Antragstellerin zu 1. zur 2. Stellvertreterin und R zum 3. Stellvertreter bestimmt. [X.]as Wahlergebnis wurde am 30. März 2015 bekannt gemacht.

7

[X.]ie Antragsteller haben die Wahl der [X.] mit ihrer am 9. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift angefochten. Sie haben die Auffassung vertreten, der Wahlvorstand habe ihre Stimmen sowie die Stimme der [X.] zu Unrecht bei der Feststellung des Wahlergebnisses nicht berücksichtigt. [X.]ie Stimmen seien gültig. [X.]as [X.]rfordernis der unbeobachteten Wahl diene allein dem Schutz des Wählers und sei daher verzichtbar. [X.]er Wahlvorstand dürfe bei einer schriftlichen Stimmabgabe nicht prüfen, ob diese unbeobachtet erfolgt sei. Jedenfalls hätte der Vorsitzende des [X.] darauf hinweisen müssen, dass die offene Stimmabgabe zur Ungültigkeit der Stimmen führe. Außerdem habe der Wahlvorstand bei der Wahl der Stellvertreter einen Wahlvorschlag ohne die erforderliche Anzahl von Stützunterschriften für gültig erklärt.

8

[X.]ie Antragsteller haben beantragt,

        

die vom 27. März 2015 bis zum 30. März 2015 durchgeführte Wahl zur [X.] der [X.]ienststellen [X.] für ungültig zu erklären.

9

[X.]er zu 4. beteiligte gewählte Vertrauensmann hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

[X.]as Arbeitsgericht hat dem [X.] entsprochen. [X.]as [X.] hat die [X.]eschwerde des [X.]eteiligten zu 4. zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der [X.]eteiligte zu 4. seinen Abweisungsantrag weiter.

Während des [X.] ist der gewählte Vertrauensmann S aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch aus seinem Amt ausgeschieden. Für ihn ist [X.] als das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied nachgerückt und nunmehr als Vertrauensmann [X.]eteiligter zu 4. des vorliegenden Verfahrens. [X.]benfalls im Rechtsbeschwerdeverfahren wurde der weitere gewählte Stellvertreter R als [X.]eteiligter zu 6. gehört.

[X.]. [X.]ie Rechtsbeschwerde des [X.]eteiligten zu 4. ist unbegründet. [X.]ie Vorinstanzen haben dem [X.] zu Recht stattgegeben.

I. [X.]as [X.] hat zutreffend angenommen, dass die [X.]ntscheidung über den [X.] der [X.] Gerichtsbarkeit unterfällt. [X.]ie [X.] Gerichte für Arbeitssachen haben gemäß Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls vom 3. August 1959 ([X.]G[X.]l. 1961 II S. 1313, zuletzt geändert 16. Mai 1994 - [X.]G[X.]l. II S. 3710, im Folgenden UP) zu Art. 56 Abs. 9 des [X.] zum NATO-Truppenstatut vom 3. August 1959 ([X.]G[X.]l. 1961 II S. 1183, 1218, zuletzt geändert durch Abkommen vom 18. März 1993 - [X.]G[X.]l. 1994 II S. 2594, 2598, im Folgenden ZA-NTS) über den [X.] im [X.]eschlussverfahren zu entscheiden. [X.]abei ist das am 16. Januar 1991 geltende [X.] Recht anzuwenden. Maßgeblich sind daher die Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes, der Wahlordnung zum Schwerbehindertengesetz und des [X.]undespersonalvertretungsgesetzes in der am 16. Januar 1991 geltenden Fassung. [X.]en danach erfolgten Änderungen des [X.] Rechts der Schwerbehindertenvertretungen haben sich die [X.] nicht unterworfen (vgl. ausführlich [X.]AG 11. September 2013 - 7 A[X.]R 18/11 - Rn. 10 ff.).

II. Mit dem Antrag, die vom 27. März 2015 bis zum 30. März 2015 durchgeführte Wahl zur [X.] der [X.]ienststellen [X.] für ungültig zu erklären, haben die Antragsteller sowohl die Wahl des Vertrauensmanns als auch die Wahl der Stellvertreter angefochten. [X.]ies ergibt die Auslegung des Antrags.

1. [X.]ie Wahlen des Vertrauensmanns einerseits und seiner Stellvertreter andererseits können nach § 27 Abs. 6, § 24 Abs. 6 Satz 2 [X.] in der am 16. Januar 1991 geltenden Fassung (im Folgenden [X.]) in sinngemäßer Anwendung des § 25 [X.]PersVG in der am 16. Januar 1991 geltenden Fassung (im Folgenden [X.]PersVG) unabhängig voneinander angefochten werden. [X.]as folgt aus der gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Vertrauensmann und seiner Stellvertreter und insbesondere aus der Ausgestaltung des Wahlverfahrens. [X.]ie [X.] ist kein [X.]ollegialorgan (zur Schwerbehindertenvertretung vgl. [X.]AG 29. Juli 2009 - 7 A[X.]R 91/07 - Rn. 19). [X.]aher handelt es sich bei der Wahl des Vertrauensmanns der [X.] und seiner Stellvertreter - ebenso wie bei der Wahl der Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung und ihrer Stellvertreter (vgl. dazu [X.]AG 23. Juli 2014 - 7 A[X.]R 23/12 - Rn. 17; 29. Juli 2009 - 7 A[X.]R 91/07 - Rn. 20) - nicht um eine einheitliche, sondern um zwei getrennte Wahlen. [X.]as Wahlrecht wird getrennt für die Wahl des Vertrauensmanns einerseits und seiner Stellvertreter andererseits ausgeübt (§ 22 iVm. § 9 Abs. 2 Satz 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 [X.] in der am 16. Januar 1991 geltenden Fassung; im Folgenden [X.]). [X.]s sind unterschiedliche Vorschlagslisten für die beiden Wahlen einzureichen (§ 22 iVm. § 6 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.]), wobei die [X.] sowohl für die Wahl des Vertrauensmanns als auch für die Wahl der Stellvertreter vorgeschlagen werden können (§ 22 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 1, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.]). Schließlich kann eine gesonderte Nachwahl des Stellvertreters unter den in §§ 17, 21 [X.] bestimmten Voraussetzungen erfolgen (vgl. [X.]AG 23. Juli 2014 - 7 A[X.]R 23/12 - Rn. 17).

2. [X.]ie gebotene Auslegung des [X.]s ergibt, dass die Antragsteller nicht nur die Wahl des Vertrauensmanns, sondern auch die Wahl der Stellvertreter angefochten haben. [X.]afür spricht schon der Antragswortlaut, der auf die Anfechtung der Wahl der [X.] gerichtet und nicht auf die Wahl des Vertrauensmanns beschränkt ist. [X.]ie Antragsbegründung bestätigt dieses Verständnis. [X.]ie Antragsteller haben mit ihrer Rüge, ihre Stimmen seien zu Unrecht für ungültig erklärt worden, einen Wahlfehler geltend gemacht, der sich sowohl bei der Wahl des Vertrauensmanns als auch bei der Wahl der Stellvertreter auswirken kann. [X.]arüber hinaus haben sie zur [X.]egründung des [X.]s vorgetragen, der Wahlvorstand habe zu Unrecht drei Wahlvorschläge für die Wahl der Stellvertreter für gültig erklärt. [X.]iese Rüge kann nur für die Wirksamkeit der Wahl der Stellvertreter von [X.]edeutung sein.

III. An dem [X.] sind neben den Antragstellern, dem Vertrauensmann und der [X.]undesrepublik [X.]eutschland in Prozessstandschaft für die [X.] als Arbeitgeberin alle gewählten Stellvertreter beteiligt, die ihr Amt im Zeitpunkt der [X.]ntscheidung des Senats noch innehaben.

1. § 83 Abs. 3 ArbGG regelt nicht selbst, wer [X.]eteiligter des jeweiligen Verfahrens ist. [X.]ie Vorschrift ordnet lediglich an, dass die genannten Personen und Stellen zu hören sind. Maßgeblich ist, welche Personen oder Stellen durch die vom Antragsteller begehrte [X.]ntscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen, personalvertretungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen werden. [X.]ie [X.]eteiligtenbefugnis ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der [X.] - von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen (vgl. [X.]AG 23. Juli 2014 - 7 A[X.]R 23/12 - Rn. 13 mwN). Ist die Anhörung eines [X.]eteiligten in den Tatsacheninstanzen unterblieben, stellt dies einen Verfahrensfehler dar. [X.]iner darauf gestützten Zurückverweisung bedarf es nicht, wenn die Anhörung in der [X.] nachgeholt wird und der [X.]eteiligte Gelegenheit erhält, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern ([X.]AG 15. Oktober 2014 - 7 A[X.]R 71/12 - Rn. 21, [X.]AG[X.] 149, 277). [X.]ie rechtsfehlerhafte Nichtbeteiligung von [X.]eteiligten ist als Verfahrensfehler ohne eine darauf gerichtete Rüge für die Überprüfung des angefochtenen [X.]eschlusses nicht von [X.]edeutung (vgl. [X.]AG 23. Juli 2014 - 7 A[X.]R 23/12 - Rn. 13 mwN).

2. [X.]anach sind an dem Verfahren neben den Antragstellern der Vertrauensmann, dessen Stellvertreter sowie die [X.]undesrepublik [X.]eutschland beteiligt.

a) [X.]er als 1. Stellvertreter gewählte [X.] ist nicht mehr Stellvertreter. [X.]r ist inzwischen als das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied für den ausgeschiedenen Vertrauensmann der [X.] S nachgerückt und damit [X.]eteiligter zu 4. Als Stellvertreter sind jetzt noch die Antragstellerin zu 1. und der zu 6. beteiligte [X.] im Amt. [X.]er Senat hat die in den Vorinstanzen unterbliebene [X.]eteiligung des [X.] nachgeholt und ihm Gelegenheit gegeben, sich zu dem [X.] zu äußern.

b) [X.]ie [X.]undesrepublik [X.]eutschland ist nach Abs. 9 UP zu Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS in Prozessstandschaft für die [X.], der Arbeitgeberin der Zivilbediensteten bei ihren [X.], an dem Verfahren beteiligt ([X.]AG 11. September 2013 - 7 A[X.]R 18/11 - Rn. 28; 11. [X.]ezember 2007 - 1 A[X.]R 67/06 - Rn. 13 mwN, [X.]AG[X.] 125, 122).

IV. [X.]er [X.] ist begründet.

1. Nach § 27 Abs. 6, § 24 Abs. 6 Satz 2 [X.] iVm. § 25 [X.]PersVG können mindestens drei Wahlberechtigte binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen vom Tage der [X.]ekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl der [X.] gerichtlich anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine [X.]erichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

2. [X.]iese Voraussetzungen sind erfüllt.

a) [X.]ie formellen Voraussetzungen der Wahlanfechtung liegen vor.

aa) [X.] für die nach dem Schwerbehindertenvertretungsrecht durchzuführenden Wahlen auf [X.] der [X.] sind mindestens drei bei diesen Wahlen Wahlberechtigte ([X.]AG 23. Juli 2014 - 7 A[X.]R 61/12 - Rn. 14). [X.]ie drei Antragsteller sind nach § 27 Abs. 2 Satz 2 [X.] wahlberechtigte Vertrauenspersonen.

bb) [X.]ie gesetzliche Frist von zwölf Arbeitstagen nach [X.]ekanntgabe des Wahlergebnisses ist eingehalten. [X.]as Wahlergebnis ist am 30. März 2015 bekannt gemacht worden, die Antragsschrift ist am 9. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangen.

b) [X.]ie materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung nach § 27 Abs. 6, § 24 Abs. 6 Satz 2 [X.], § 25 [X.]PersVG liegen ebenfalls vor. [X.]ei der Wahl wurde gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen. [X.]s ist nicht auszuschließen, dass das Wahlergebnis hierauf beruht.

aa) Allerdings hat das [X.] zu Unrecht angenommen, der Wahlvorstand habe dadurch gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen, dass er die Stimmen der Antragsteller und der wahlberechtigten [X.] bei der Feststellung des Wahlergebnisses unberücksichtigt gelassen hat. [X.]er Wahlvorstand hat diese Stimmen zu Recht für ungültig gehalten.

(1) [X.]ie Stimmabgabe der Antragsteller und der [X.] erfolgte unter Verletzung des Grundsatzes der geheimen Wahl.

(a) Nach § 27 Abs. 6 iVm. § 24 Abs. 6 Satz 1 [X.] werden der Vertrauensmann oder die Vertrauensfrau und deren Stellvertreter in geheimer Wahl gewählt. Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl darf die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. [X.]ies dient dem Zweck, den Wähler vor jeglichem [X.] [X.]ruck zu schützen (vgl. zu § 14 [X.]etrVG: [X.]AG 2. August 2017 - 7 A[X.]R 42/15 - Rn. 32; 12. Juni 2013 - 7 A[X.]R 77/11 - Rn. 20, [X.]AG[X.] 145, 225). [X.]adurch wird sichergestellt, dass jeder Arbeitnehmer seine Wahl in Ansehung der ihm bekannten Tatsachen und Meinungen nach seiner freien Überzeugung treffen kann ([X.]AG 25. Oktober 2017 - 7 A[X.]R 10/16 - Rn. 17). [X.]iese Grundsätze sind insbesondere durch das Verfahren über die Stimmabgabe, den Wahlvorgang und die Stimmauszählung in §§ 9 ff. [X.] formalisiert und unabdingbar ausgestaltet (vgl. zu § 14 [X.]etrVG [X.]AG 12. Juni 2013 - 7 A[X.]R 77/11 - Rn. 20, aaO). [X.]ei der schriftlichen Stimmabgabe wird die Wahrung des [X.] nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] dadurch gewährleistet, dass der Wähler den Stimmzettel unbeobachtet persönlich kennzeichnet und in den [X.] einlegt.

(b) [X.]anach ist der Grundsatz der geheimen Wahl bei der Stimmabgabe der Antragsteller und der [X.] nicht gewahrt worden, da sie ihre Stimmen entgegen § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] nicht unbeobachtet abgegeben haben.

(2) [X.]er Verstoß hat die Ungültigkeit der Stimmen der Antragsteller und der [X.] zur Folge. [X.]em steht nicht entgegen, dass diese die [X.]eobachtungssituation selbst herbeigeführt haben.

(a) [X.]er Wähler kann auf die Wahrung seines [X.] nicht wirksam verzichten (vgl. zu § 14 Abs. 1 [X.]etrVG Jacobs G[X.]-[X.]etrVG 11. Aufl. § 14 Rn. 19; vgl. zu Art. 38 GG: [X.]/[X.] in v. Mangoldt[X.]/Starck GG 6. Aufl. Art. 38 Rn. 151; [X.]/[X.]ürig GG Stand September 2017 Art. 38 Rn. 110; [X.] in [X.]reier GG 3. Aufl. Art. 38 Rn. 122; [X.] in v. Münch/[X.]unig GG 6. Aufl. Art. 38 Rn. 69). [X.]er Grundsatz der geheimen Wahl ist nicht nur ein subjektives Recht. [X.]r dient dem Schutz der Wahlfreiheit und gewährleistet damit die Legitimation der Gewählten (vgl. zu Art. 38 Abs. 1 GG [X.]VerfG 21. April 2009 - 2 [X.]v[X.] 2/06 - Rn. 98, [X.]VerfG[X.] 124, 1).

(b) Auch bei einer schriftlichen Stimmabgabe ist ein Verzicht auf die Wahrung des [X.] nicht möglich. Zwar ist es dem Wahlberechtigten überlassen, in seinem [X.]ereich selbst für die Wahrung des [X.] Sorge zu tragen. [X.]as bedeutet jedoch nicht, dass er von einer unbeobachteten [X.]ennzeichnung des Stimmzettels absehen und auf die Wahrung seines [X.] verzichten darf. [X.]r ist vielmehr verpflichtet, für eine unbeobachtete [X.]ennzeichnung des Stimmzettels zu sorgen (zur [X.]riefwahl [X.]VerfG 24. November 1981 - 2 [X.]v[X.] 1/81 - zu II 2 b der Gründe, [X.]VerfG[X.] 59, 119). [X.]ies wird auch nicht durch das Recht des Wählers in Frage gestellt, vor oder nach der Wahl von sich aus [X.]ritten mitzuteilen, wie er abstimmen wird oder abgestimmt hat. [X.]ine solche freiwillige Mitteilung gefährdet - anders als die beobachtete Stimmabgabe - die Wahlfreiheit nicht, da sie nicht geeignet ist, eine [X.]rucksituation bei der Stimmabgabe herbeizuführen.

[X.]s kann offenbleiben, ob der Grundsatz der geheimen Wahl stets verletzt ist, wenn ein Wähler bei der schriftlichen Stimmabgabe aus freiem [X.]ntschluss die Anwesenheit eines [X.]ritten duldet. [X.]in Verstoß gegen den Grundsatz der freien Wahl liegt jedenfalls dann vor, wenn die Anwesenheit des [X.]ritten eine [X.]inschränkung der Wahlfreiheit befürchten lässt. [X.]as kann anzunehmen sein, wenn der beim Wahlakt anwesende [X.]ritte ein [X.] ist ([X.] 31. März 2006 - 1 [X.]-; [X.]örner in [X.]/[X.]örner/[X.] Personalvertretungsrecht 4. Aufl. § 19 Rn. 8) oder wenn mehrere Wähler unter gegenseitiger [X.]ontrolle abstimmen.

(c) [X.]anach sind die Stimmen der Antragsteller und von [X.] ungültig. [X.]ei dem Wahlakt der Antragsteller und der [X.] waren mit den Antragstellern zu 1. und zu 2. und dem [X.]eteiligten zu 6. drei [X.] anwesend. [X.]ie Antragsteller gaben ihre Stimme offen in der Weise ab, dass jeder von ihnen beobachten und feststellen konnte, wie der andere wählt. [X.]iese [X.]eobachtungssituation war geeignet, die Antragsteller und [X.] in ihrer Wahlfreiheit einzuschränken.

(3) [X.]er Wahlvorstand hatte den Verstoß gegen das [X.]ot der unbeobachteten [X.]ennzeichnung der Stimmzettel zu berücksichtigen.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] legt der Wahlvorstand den [X.] in die Wahlurne, wenn die schriftliche Stimmabgabe ordnungsgemäß nach § 11 [X.] erfolgt ist. [X.]anach obliegt dem Wahlvorstand die Prüfung, ob die Stimmabgabe den Anforderungen des § 11 Abs. 3 [X.] entspricht. [X.]as umfasst nicht nur die Prüfung der Anforderungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.], sondern auch die Prüfung, ob der Stimmzettel gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] unbeobachtet persönlich gekennzeichnet und in den [X.] eingelegt wurde (aA [X.] in [X.]/[X.]/Majerski-[X.] SG[X.] IX 11. Aufl. § 12 [X.] Rn. 2). [X.]as ergibt sich schon daraus, dass § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] nicht nur auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.], sondern insgesamt auf § 11 [X.] verweist. Zwar wird der Wahlvorstand bei der schriftlichen Stimmabgabe regelmäßig keine [X.]enntnis darüber haben, ob die Stimmabgabe unbeobachtet erfolgt ist. [X.]r wird in diesen Fällen in der Regel davon ausgehen dürfen, dass der Wähler den Stimmzettel pflichtgemäß unbeobachtet gekennzeichnet hat. Ist dem Wahlvorstand jedoch ein Verstoß gegen den Grundsatz der geheimen Wahl zur [X.]enntnis gelangt, hat er die ungültigen Stimmen bei der Feststellung des Wahlergebnisses unberücksichtigt zu lassen. [X.]amit wird verhindert, dass die Wahl wegen des Verstoßes gegen das Wahlgeheimnis angefochten werden kann.

bb) [X.]as [X.] hat zu Recht erkannt, dass der Wahlvorstand dadurch gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen hat, dass der bei der Stimmabgabe anwesende Vorsitzende des [X.] die Antragsteller und [X.] nicht auf die Pflicht zur unbeobachteten Stimmabgabe hingewiesen hat.

(1) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 [X.] bereitet der Wahlvorstand die Wahl vor und führt sie durch. [X.]ei der [X.]rfüllung dieser Aufgabe hat der Wahlvorstand darüber zu wachen und im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt (vgl. zur [X.]riefwahl [X.]VerfG 24. November 1981 - 2 [X.]v[X.] 1/81 - zu II 2 c der Gründe, [X.]VerfG[X.] 59, 119).

(2) Aufgrund dieser Pflicht hätte der Vorsitzende des [X.] die Antragsteller und [X.] darauf hinweisen müssen, dass die Stimmabgabe unbeobachtet zu erfolgen hat. [X.]as hat er pflichtwidrig unterlassen. [X.]er Wahlvorstand macht ohne [X.]rfolg geltend, dass die Stimmabgabe nicht in seinen Verantwortungsbereich falle. Zwar ist es grundsätzlich dem Wahlberechtigten überlassen, in seinem [X.]ereich selbst für die Wahrung des [X.] und der Wahlfreiheit Sorge zu tragen. [X.]ie Stimmabgabe fand hier jedoch nicht im eigenen [X.]ereich der Wahlberechtigten, sondern an dem vom Vorsitzenden des [X.] zur Verfügung gestellten Tisch im [X.]üro des [X.] und damit in dessen [X.]influssbereich statt.

cc) [X.]er Verstoß konnte das Wahlergebnis beeinflussen.

(1) Nach § 27 Abs. 6, § 24 Abs. 6 Satz 2 [X.] iVm. § 25 [X.]PersVG berechtigt ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn er das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. [X.]afür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen [X.]etrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter [X.]erücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. [X.]ine verfahrensfehlerhafte Wahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei [X.]inhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre (vgl. zu § 19 [X.]etrVG: [X.]AG 26. Oktober 2016 - 7 A[X.]R 4/15 - Rn. 31; 18. Juli 2012 - 7 A[X.]R 21/11 - Rn. 30 mwN).

(2) Hier kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragsteller und [X.] auf einen entsprechenden Hinweis des [X.] unbeobachtet abgestimmt hätten und das Wahlergebnis dadurch anders ausgefallen wäre.

        

    Gräfl    

        

    Waskow     

        

 M. Rennpferdt    

        

        

        

    [X.] Gmoser    

        

    [X.]    

                 

Meta

7 ABR 29/16

21.03.2018

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Kaiserslautern, 14. Juli 2015, Az: 8 BV 12/15, Beschluss

§ 27 Abs 6 SchwbG, § 24 Abs 6 S 2 SchwbG, § 24 Abs 6 S 1 SchwbG, § 11 Abs 3 S 1 Nr 1 SchwbWO, § 11 Abs 3 S 1 Nr 3 SchwbWO, § 12 Abs 1 S 2 SchwbWO, § 25 BPersVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.03.2018, Az. 7 ABR 29/16 (REWIS RS 2018, 11921)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11921

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