Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.12.2011, Az. 2 StR 523/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 10

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 523/11
vom
28.
Dezember 2011
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in

nicht geringer Menge u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des General-bundesanwalts und der Beschwerdeführer am 28.
Dezember 2011 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 16.
Juni 2011 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte C.

W.

wegen Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Den Angeklagten K.

W.

hat es wegen Beihilfe hierzu zu einer Freiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die hiergegen gerichteten Revisi-onen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des [X.] boten unbekannt gebliebe-ne Hintermänner zunächst einem Bekannten der Angeklagten C.

W.

, 1
2
-
3
-
dem Zeugen S.

, an, 1 bis 1,5 kg Kokain für einen Lohn von etwa 5000
US-Dollar von [X.] nach [X.] zu transportieren. Nachdem dieser abgelehnt hatte, kontaktierten die Hintermänner die Angeklagte. Diese erklärte sich zur Durchführung eines Transports bereit, drängte jedoch auf eine Erhö-hung auf 5 kg Kokain sowie auf eine freie Gestaltung des Transports und selb-ständige Organisation. Die Angeklagte beabsichtigte, den Transport auf dem Luftweg von [X.] ([X.]) über [X.] nach [X.] durchzu-führen. In diesen [X.] weihte sie ihren [X.], den Angeklagten K.

W.

, ein und überredete ihn, um unauffälliger zu wirken, sie zu begleiten. Die insgesamt vier Koffer beider Angeklagten, in denen sich verteilt die mit Drogen präparierten
61 Jeanshosen befanden, checkte die Angeklagte am Tag des gemeinsamen [X.] auf ihren Namen bis [X.] ein. Bei der Kontrolle des [X.] beider Angeklagter am [X.] am 27.
März 2010 wurden -
eingearbeitet in die Jeanshosen
-
5.040,3 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 2.785 Gramm aufgefunden.
2. Die den Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung der Kammer hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdi-gung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze ver-stößt
(st. Rspr.; vgl. [X.], 238; 2005, 147;
NJW 2006, 925, 928). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
a) Die Anknüpfungstatsachen, die die Kammer der täterschaftlichen Ver-urteilung der Angeklagten C.

W.

zugrunde gelegt hat, sind in den Urteilsgründen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Namentlich die Annahme der Kammer, die Angeklagte habe für den [X.] "verbesserte"
Konditio-3
4
-
4
-
nen, insbesondere eine vollkommen freie Gestaltung und selbständige Organi-sation mit den Hintermännern ausgehandelt ([X.]), beruht auf einer lücken-haften Beweiswürdigung.
Rechtsfehlerfrei sind die Feststellungen der Kammer dahingehend, dass die den Tatvorwurf bestreitende und von einem Komplott ausgehende Ange-klagte den [X.] über [X.] nach [X.] durchführen wollte. Die Kammer hat aber darüber hinaus ausgeschlossen, dass die sehr selbstbewusste Angeklagte, die es gewohnt sei, eher zu fordern und Aufträge zu erteilen, sich zu einem typischen, niederrangigen Kurierdienst hätte [X.] lassen ([X.]), ohne sich mit der an anderer Stelle festgestellten zugespitzten finanziellen Lage der Angeklagten auseinanderzusetzen,
obgleich diese finanzielle Misere zur Tatzeit dringenden Handlungsbedarf gebot und letztlich [X.] war ([X.], 79). Auch die daran anknüpfende Annahme der Kammer, die Angeklagte habe gegenüber ihren Hintermännern zur Maxi-mierung ihres Profits auf eine Erhöhung der Liefermenge auf 5 kg sowie auf eine vollkommen freie Gestaltung und selbständige Organisation des [X.] gedrängt, beruht auf einer lückenhaft gebliebenen Beweiswürdigung. Die Kammer hat dies zum einen daraus geschlossen, dass dem Zeugen S.

der Transport zunächst noch zu anderen Modalitäten angeboten worden war. Dabei
hat sie aber nicht bedacht, dass die Hintermänner dem Zeugen S.

nicht nur den Transport von 1 bis 1,5 kg Kokain nach
[X.], sondern zuvor auch den Transport von 100 kg in den [X.] angebo-ten hatten, die Hintermänner also nicht nur mit einem Ziel oder mit einer be-stimmten Menge handelten, weshalb die insoweit veränderten Bedingungen ebenso gut auf die Hintermänner zurückgehen konnten. Zum anderen aber hat
die Kammer angenommen, dass sich die Hintermänner auf die Bedingungen der Angeklagten einließen, weil sie diese von einer Reise kannten, die der [X.] S.

zur Anbahnung des (später gescheiterten) 100 kg Transports in 5
-
5
-
Begleitung der Angeklagten in den [X.] unternommen hatte, und ihr daher vertrauten ([X.], 27). Hierbei hat die Kammer nicht gewogen, dass die for-dernde Art der Angeklagten zu einem Konflikt mit den Hintermännern und ihrer vorzeitigen Abreise geführt hatte ([X.]). Schließlich beruht auch die [X.] der Kammer, die Angeklagte sei in der Gestaltung ihrer Reiseroute frei gewesen, auf lückenhaften Erwägungen. Die Kammer hat dies aus dem nach der Festnahme der Angeklagten erteilten Suchauftrag der Hintermänner [X.], der nur Sinn mache, wenn die Hintermänner über ihre Reiseroute nicht informiert waren ([X.]). Mit der nahe liegenden Möglichkeit, dass die Hintermänner die Angeklagte suchten, weil sie von deren Festnahme in
[X.] überrascht und darüber nicht informiert worden waren, hat sich die Kammer nicht auseinandergesetzt.
b) Die Annahme der Kammer, der Angeklagte K.

W.

sei von seiner Mutter vor Reiseantritt über den [X.] informiert worden und habe diese bzw. deren Hintermänner durch seine Reisebegleitung unterstützen wollen, beruht auf lückenhaft gebliebenen und widersprüchlichen Erwägungen.
Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten und gegenüber dem [X.] lediglich angegeben, die Reise sei ein Geburtstagsgeschenk seiner Mutter gewesen. Er habe dieser seine Kleidung für die Reise schon am Tag vor der Abreise übergeben. Als er sich mit seiner Mutter am [X.] getroffen habe, habe sie das gesamte Gepäck bereits eingecheckt gehabt. Die Kammer hat diese Einlassung als widerlegt angesehen und zunächst darauf abgestellt, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung kaum eine Mutter dem eigenen [X.] in dessen völliger Unkenntnis eine derart große Menge an Drogen unterschie-ben würde ([X.]). Dabei hat sie aber nicht bedacht, dass -
entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung
-
der Angeklagten C.

W.

das Schicksal ihres [X.]es erkennbar gleichgültig
war ([X.] 35).
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7
-
6
-
Auch die tragende Erwägung der Kammer, die Angeklagte habe ihren [X.] schon deshalb vor Reiseantritt informieren müssen, um bei der routine-mäßigen Durchsuchung des Gepäcks eine möglicherweise unbesonnene Reak-tion des [X.]es auf die zahlreichen in seinen Koffern befindlichen Jeanshosen zu vermeiden, ist nicht frei von Widersprüchen. Die Kammer hat sich insoweit auf die "routinemäßigen"
und strengen Sicherheitsvorkehrungen am [X.] [X.] gestützt, die vorsahen, dass das Gepäck aller Passagiere unmittelbar nach dem Check-In in deren Beisein geöffnet und durchsucht würde. Sie hat an dieser Stelle aber übersehen, dass nach Angaben des [X.]

, auf die die Kammer ihre Feststellungen zu den Sicherheitsvorkehrungen uneinge-schränkt gestützt hat, diese Kontrollen "oftmals"
und "in welcher Weise auch immer", insbesondere durch Bestechung von Mitarbeitern am [X.],
um-gangen werden ([X.] 24). Eine Auseinandersetzung damit lag umso näher, als die Kammer selbst erwogen hat, dass vorliegend Mitarbeiter der [X.] bestochen wurden ([X.] 12). Vor diesem Hintergrund durfte sie nicht [X.] weiteres aus der üblichen, vorgeschriebenen Form der
Durchsuchung Schlüsse zum Nachteil des Angeklagten ziehen.
Aus demselben Grund trägt auch nicht die weitere Erwägung des Land-gerichts, beide Angeklagten müssten die mit Drogen gefüllten Koffer zusammen eingecheckt und der Angeklagte müsse die hohe Anzahl von Jeanshosen in seinen Koffern spätestens bei der Durchsuchung seines Gepäcks wahrgenom-men haben.
3. Die Tat bedarf demnach insgesamt neuer Aufklärung und Bewertung.

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Fischer

Appl

Schmitt

Eschelbach

Ott

Meta

2 StR 523/11

28.12.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.12.2011, Az. 2 StR 523/11 (REWIS RS 2011, 10)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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