Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2011, Az. I ZB 72/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2908

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 72/10
vom
28. September 2011
in dem Rechtsstreit
betreffend die Marke Nr.
306 28 042
-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am
28. September 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Bornkamm und die Richter
Prof.
Dr.
Büscher,
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff
und Dr.
Löffler
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 8.
September 2010 an [X.] zugestellten Beschluss des 30.
Senats ([X.]) des [X.] wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000

e-setzt.

Gründe:
[X.] Für die
Markeninhaberin
ist seit dem 14.
August
2006
die Bildmarke
(far-big: hellgrün, dunkelgrün, [X.], schwarz)
Nr.
306
28
042
(S
29/08
Lö)

für "Dienstleistungen
eines Zahnarztes"
eingetragen.
1
-
3
-

Die Antragstellerin hat beim Deutschen Patent-
und Markenamt die Lö-schung der Marke beantragt.
Die Markenabteilung des Deutschen Patent-
und Markenamts hat mit [X.] vom 18.
Mai 2009 die Löschung der Marke
angeordnet.
Auf die Beschwerde der
Markeninhaberin
hat das [X.] den Beschluss des Deutschen Patent-
und Markenamts aufgehoben und den [X.] der Antragstellerin zurückgewiesen ([X.], Beschluss
vom
9.
September 2010

30
W
(pat)
96/09,
juris).
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.
I[X.] Das [X.] hat die Auffassung vertreten, der Eintragung der Marke stünden hinsichtlich der gelöschten Dienstleistungen nicht die [X.] nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 [X.] entgegen, da die Bildmarke hinreichend unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig sei.
II[X.] Die Rechtsbeschwerde der
Antragstellerin hat keinen Erfolg.
1. Die form-
und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt
daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen [X.] durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl.
nur [X.], Beschluss vom 26.
Juni 2010

I
ZB
40/09, [X.], 1034 Rn.
9 = [X.], 1034

[X.] LOGISTIK).
2
3
4
5
6
7
8
-
4
-

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin rügt ohne Erfolg die Verletzung ihres Anspruchs
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§
83 Abs.
3 Nr.
3 [X.], Art.
103 Abs.
1 GG) durch Verletzung der Hinweis-pflicht nach §
139 Abs.
1 Satz
2 ZPO in Verbindung mit §
82 Abs.
1 Satz
1,
§
73 Abs.
1 [X.].
a) Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen
([X.], Beschluss vom 26.
November 2008

1
BvR
670/08, [X.], 1584 mwN).
Art.
103 Abs.
1 GG garantiert den
Beteiligten an einem gerichtlichen Ver-fahren ferner, dass sie Gelegenheit
erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Ent-scheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu [X.]. Dazu gehört auch, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Aus Art.
103 Abs.
1 GG ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffas-sung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frage-
und Aufklärungsrecht Ge-brauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter

selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen

nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. [X.]E 84, 188, 190; [X.],
NJW 1994,
1274; [X.], [X.], 1034 Rn.
11

[X.] LOGISTIK).
Allerdings muss ein Verfahrensbeteiligter schon von sich aus vertretbare rechtliche
Gesichtspunkte in Betracht ziehen. Das Bundespa-tentgericht brauchte
zur Wahrung des rechtlichen Gehörs auch nicht vorab darauf hinzuweisen, dass es den Streitfall anders beurteilt als das Deutsche Patent-
und 9
10
-
5
-

Markenamt ([X.], Beschluss vom 6.
Oktober 2005

I
ZB
20/03, [X.], 152, 153 = [X.], 102

[X.]; [X.],
[X.], 1027 Rn.
20

Cigaretten-packung, jeweils mwN).
b) Die Rechtsbeschwerde rügt ohne
Erfolg, das [X.] habe den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, in-dem es
die Antragstellerin weder in der mündlichen Verhandlung noch ansonsten darauf hingewiesen habe, dass es den zuvor ergangenen Löschungsbeschluss der Markenabteilung für nicht haltbar erachte, weil Nachweise für das von der [X.] geltend gemachte allgemein symbolhafte [X.], von dem die Markenabteilung noch ausgegangen sei, fehlten.

aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob das [X.] nach den Umstän-den des vorliegenden Verfahrens gehalten war, den von der Rechtsbeschwerde als geboten erachteten Hinweis zu geben. Im Streitfall
besteht die Besonderheit, dass der 30.
Marken-Beschwerdesenat des [X.] in identischer Besetzung am selben Tag ein Parallelverfahren
verhandelt hat, in dem es zwi-schen denselben Verfahrensbeteiligten
um den Bestand einer zeichenidentischen Bildmarke ging, die für eine Reihe von Waren und Dienstleistungen unter anderem aus dem Bereich der Zahnmedizin und der Gesundheitspflege eingetragen und die ebenfalls mit einem Löschungsantrag der Antragstellerin angegriffen
worden
war.
Die Markenabteilung des Deutschen Patent-
und Markenamtes hatte
in bei-den Parallelverfahren eine (Teil-)Löschung der Bildmarken beschlossen.
Im dorti-gen Parallelverfahren
([X.] 30
W
(pat)
106/09), welches dem Se-nat durch eine ebenfalls von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbeschwerde [X.] ist (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 28.
September 2011

I
ZB
71/10) und auf das im vorliegenden Verfahren beide Beteiligte Bezug genommen haben,
[X.] die Antragstellerin eine Reihe von Unterlagen eingereicht, um ihren Sach-
und Rechtsstandpunkt zu belegen. Auf eben jene Unterlagen
nimmt die Rechtsbe-11
12
-
6
-

schwerde auch im vorliegenden Verfahren Bezug und macht geltend, diese Unter-lagen hätte sie eingereicht, wenn das [X.] den von der Rechtsbe-schwerde
als geboten angesehenen Hinweis erteilt hätte.
Angesichts dieser
Um-stände
war
mithin
sowohl dem [X.] als auch den Verfahrensbetei-ligten und ihren Verfahrensbevollmächtigten klar, dass die hier
in beiden Verfah-ren gleichermaßen erheblichen Unterlagen
ohnehin zur Kenntnis der über beide Parallelverfahren zu erkennenden Richter gelangt waren.
[X.]) Letztlich kann aber offenbleiben, ob das [X.] auch in dieser besonderen Verfahrenssituation gehalten war, einen förmlichen Hinweis dahingehend zu erteilen, dass es an Nachweisen für das von der Antragstellerin geltend gemachte [X.] fehle und
deshalb
die in dem [X.] eingereichten Unterlagen auch im vorliegenden Verfahren einzureichen seien. Jedenfalls beruht der angegriffene Beschluss nicht auf einer eventuellen Verletzung der Hinweispflicht.
(1) Nicht jede Verletzung des rechtlichen Gehörs führt zur Begründetheit der Rechtsbeschwerde nach §
83 Abs.
3 Nr.
3 [X.]. Vielmehr ist Voraussetzung, dass der angefochtene Beschluss auf dem Verstoß beruht oder beruhen kann ([X.], Beschluss vom 30.
Januar 1997

I
ZB
3/95, [X.], 637, 638
f. = [X.] 1997, 762

Top Selection; Beschluss vom 24.
April 2008

I
ZB
72/07, [X.], 1126 Rn.
12 = [X.] 2008, 1550

[X.]; [X.], [X.], 1034 Rn.
17

[X.] LOGISTIK).
Daran fehlt es im Streitfall.
(2) Das [X.] hat

wie
im Parallelverfahren

angenommen, der
Durchschnittsverbraucher
werde aus dem Umstand, dass die Darstellung ei-nes grünen Apfels im Zusammenhang mit der Werbung für zahnärztliche Leistun-gen

auch markenmäßig

Verwendung finde, nicht darauf schließen, dass der grüne Apfel an sich ein Symbol für gesunde Zähne und ein Sachhinweis im Zu-13
14
15
-
7
-

sammenhang mit Parodontosebehandlungen sei. Das [X.] hat weiter
angenommen, dass sich keine Anhaltspunkte für die Feststellung ergäben, dass der Verkehr mit der Bildmarke einen unmittelbaren und konkreten Sachbe-zug zu den beanspruchten Dienstleistungen herstelle. Die A[X.]ildung eines grünen Apfels sei keine geläufige Sachangabe, ein (allgemein) beschreibender oder sach-bezogener Begriffsinhalt lasse sich ihr nicht ohne weiteres und ohne Unklarheiten
entnehmen.
Daraus ergibt sich, dass das [X.] sich ausdrücklich mit der Darstellung des Apfels in der Werbung für zahnärztliche Leistungen befasst und damit hinreichend deutlich gemacht
hat, dass es die von der Antragstellerin im Pa-rallelverfahren eingereichten Unterlagen
auch im vorliegenden Verfahren in seine tatrichterliche Bewertung einbezogen hat.

Dass das [X.]
insoweit zu einer anderen Bewertung des Aussagegehalts der Unterlagen gekommen ist
als die Antragstellerin, ist
für die Frage der Begründetheit der Rechtsbeschwerde unerheblich. Darauf, ob das [X.] das Vorliegen eines Schutzhindernisses nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 und 2 [X.] zu Recht bejaht hat, kommt es nicht an. Der absolute [X.] des §
83 Abs.
3 Nr.
2 [X.] soll allein die Einhaltung des Ver-fassungsgrundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs sichern und dient nicht der Überprüfung
der Richtigkeit der Beschwerdeentscheidung (vgl. [X.], [X.] vom 20.
Januar 2000

I
ZB
50/97, [X.], 894, 895 = [X.] 2000, 1166

[X.]; Beschluss vom 1.
Juni 2006

I
ZB
121/05, juris Rn.
12; [X.], [X.], 1027 Rn.
22

Cigarettenpackung; [X.], Beschluss vom 24.
April 2008

I
ZB
57/07, juris Rn.
10; [X.], Beschluss vom 14.
April 2011
I
ZA
21/10, [X.] 2011,
267 Rn.
13) und damit auch nicht der Überprüfung der tatrichterli-chen Würdigung des zur Kenntnis genommenen Streitstoffs durch das Bundespa-16
17
-
8
-

tentgericht
(vgl. [X.], Beschluss vom 21.
Februar 2008

I
ZB
70/07, [X.] 2008, 176 Rn.
12).
[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Bornkamm
Büscher
Schaffert

Kirchhoff
Löffler
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 29.04.2010 -
30 W(pat) 96/09 -

18

Meta

I ZB 72/10

28.09.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2011, Az. I ZB 72/10 (REWIS RS 2011, 2908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2908

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZB 40/09 (Bundesgerichtshof)


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I ZB 72/10

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