Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2016, Az. 5 StR 26/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 14542

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Mordes: Strafrahmenmilderung bei wesentlicher Aufklärungshilfe


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. September 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen im [X.] aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, mit Ausnahme der Auslagen der Nebenkläger auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die den [X.] durch seine Revision jeweils entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit (schwerem) Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf [X.] gestützten Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des [X.]. Im Übrigen sind sie unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält wegen jeweils unzureichend begründeter hinreichend konkreter Erfolgsaussicht revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

3

Nach den Feststellungen des [X.]s besteht bei dem Angeklagten [X.] schon seit Jahrzehnten eine schwere Abhängigkeitserkrankung infolge multiplen Substanzgebrauchs, insbesondere seit Ende der 1980er Jahre wegen des Konsums von Heroin. Zahlreiche Entgiftungsbehandlungen und Therapieversuche sowie eine regulär beendete [X.] erwiesen sich als im Ergebnis erfolglos. Die bei ihm seit mehreren Jahren durchgeführte Substitutionsbehandlung ging mit regelmäßigem [X.] unterschiedlicher Betäubungsmittel einher. Zudem besteht bei dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung mit erheblichen dissozialen Anteilen.

4

Der Angeklagte [X.] ist seit mehr als zehn Jahren drogenabhängig und konsumierte zuletzt – seit mehreren Jahren neben einer Substitutionsbehandlung und neben der Einnahme eines neuroleptischen Medikaments zur Behandlung eines Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndroms – überwiegend Amphetamin, Kokain und Heroin. Eine vom Angeklagten abgebrochene stationäre [X.] und zahlreiche Entgiftungs- und Interventionsbehandlungen blieben in der Vergangenheit letztlich ohne Erfolg.

5

Angesichts dieser ungünstigen Umstände hätten die für eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht sprechenden Gesichtspunkte einer eingehenderen Darlegung und Abwägung bedurft (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. November 2014 – 5 [X.], und vom 1. März 2016 – 5 StR 7/16). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, wenn es hinsichtlich des Angeklagten [X.] lediglich auf dessen Therapiemotivation und die eigeninitiativ in der Untersuchungshaft – bei fortbestehendem [X.] – begonnene Substitutsreduktion und betreffend den Angeklagten [X.] allein auf die von diesem in der Vergangenheit gezeigten „Ressourcen“ für eine gewinnbringende Therapieteilnahme verweist.

6

Hinzu kommt, dass auch deswegen nicht beurteilt werden kann, ob überhaupt eine tragfähige Basis für eine konkrete Erfolgsaussicht der Therapie im Maßregelvollzug besteht, weil bei beiden Angeklagten Feststellungen zur voraussichtlichen Therapiedauer fehlen (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2015 – 5 StR 79/15). Die Maßregelfrage bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.

7

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten sind unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO.

8

a) Ergänzend zur Antragsschrift des [X.] bemerkt der [X.] zur Revision des Angeklagten [X.] :

9

Das [X.] hat betreffend diesen Angeklagten eine mögliche Strafrahmenmilderung nach § 46b StGB nicht ausdrücklich erwogen, obwohl nach den Urteilsfeststellungen hierzu Anlass bestand. Denn dieser Angeklagte hat im Rahmen seiner zweiten polizeilichen Beschuldigtenvernehmung Angaben zur Beteiligung des Mittäters [X.] und zu dessen Tatbeiträgen gemacht. Der [X.] kann jedoch dem den Gang der Ermittlungen und die übrigen Beweiserkenntnisse umfassend schildernden Urteil hinreichend sicher entnehmen, dass jedenfalls keine wesentliche Aufklärungshilfe (§ 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) vorliegt.

Bei der Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt (vgl. Schäfer/[X.]/ [X.], Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl., Rn. 1044). Sie ist zu bejahen, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des [X.] jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung des Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen (vgl. zu § 31 BtMG; [X.], Beschluss vom 22. August 1995 – 4 [X.], [X.]R BtMG § 31 Nr. 1 Aufdeckung 27 mwN; siehe auch [X.]/[X.], 2. Aufl., § 46b Rn. 61; BeckOK-StGB/von [X.], 29. Edition, § 46b Rn. 14).

Gemessen an diesem rechtlichen Maßstab war die vom Angeklagten [X.] geleistete Aufklärungshilfe nicht wesentlich. Denn für die [X.]chaft des Mitangeklagten [X.] lagen bereits tragfähige Beweiserkenntnisse vor, deren Überzeugungskraft nicht von einer Bestätigung durch den Angeklagten [X.] abhing. Nach den Feststellungen des [X.]s geriet zunächst der mit dem Opfer seit Jahren bekannte Angeklagte [X.] in den Blick der Ermittlungsbehörden und wurde festgenommen, nachdem das auf Videoaufnahmen einer Überwachungskamera identifizierte Tatfahrzeug vor seiner Wohnung entdeckt worden war ([X.]). Er brüstete sich kurze [X.] später in der [X.] gegenüber einem Mitgefangenen unter Offenbarung von Täterwissen, was dieser der Staatsanwaltschaft mitteilte ([X.]). Auch hatte der Angeklagte [X.] im Vorfeld der Tat versucht, zwei Zeugen für den Überfall als Mittäter anzuwerben (UA S. 8).

Dass durch die Angaben des Angeklagten [X.] einzelne Verletzungshandlungen dem Angeklagten [X.] zugeordnet werden konnten, bedeutet im Vergleich dazu keinen wesentlichen Aufklärungsbeitrag mehr. Denn diese standen aufgrund objektiver Umstände ohnehin fest und waren dem Angeklagten [X.] nach den übrigen Beweiserkenntnissen jedenfalls im Wege mittäterschaftlicher Zurechnung (§ 25 Abs. 2 StGB) anzulasten. Darüber hinaus hatte der Angeklagte [X.] einer Zeugin eigenhändige Misshandlungen des Opfers eingestanden ([X.]). Zudem ist durch [X.] seiner Stiefel erwiesen, dass er mindestens drei kraftvolle Fußtritte gegen das Opfer vollführt hat, nämlich die Tritte, die diesem den Oberschenkelknochen und den Oberarmschaft brachen, sowie ein Tritt gegen den Kopf ([X.] f.).

b) Es beschwert die Angeklagten nicht, dass das [X.] das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht in den Blick genommen und nicht erkennbar geprüft hat, ob sich aus der Tat eine besondere Schwere der Schuld (§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB) ergibt.

[X.]                       Schneider                         Dölp
                König                             [X.]

Meta

5 StR 26/16

15.03.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 25. September 2015, Az: 1 Ks 4/15

§ 46b StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2016, Az. 5 StR 26/16 (REWIS RS 2016, 14542)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14542

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