Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2012, Az. VI ZR 55/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 209

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/12
Verkündet am:

18. Dezember 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 406

Eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergehende Entscheidung entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht.

[X.], Urteil vom 18. Dezember 2012 -
VI [X.]/12 -
LG [X.] (Oder)

[X.]

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2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.
Dezember 2012 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], Pauge und [X.] und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9.
Zivilkammer des Landge-richts [X.] (Oder) vom 15.
Dezember 2011 wird hinsichtlich der [X.]n zu 1 zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger kam am 13. August 2007 zu Fall, als er nach einer Auseinan-dersetzung mit dem [X.]n zu 2 von diesem als Fahrer eines bei der [X.] zu 1 haftpflichtversicherten Pkw angefahren wurde. Der Kläger erlitt eine Distorsion des rechten oberen Sprunggelenks und des rechten Kniege-lenks sowie eine Zerrung des inneren Seitenbandes des rechten Fußes. Der [X.] zu 2 wurde wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Der Klä-ger beantragte im Wege des [X.], den [X.]n zu 2 zur [X.] eines angemessenen Schmerzensgeldes (mindestens 2.000

i-len. Darüber hinaus verlangte er den Ersatz materieller Schäden (1.752,84

Haushaltsführungsschaden und 402,82

s-ten). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts S. wurde der [X.] zu
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wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 25

zanspruch des [X.] erklärte das Strafgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung dem Grunde nach für gerecht-fertigt. Die im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Ansprüche sind Gegen-stand des vorliegenden Verfahrens. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die [X.]n -
unter Abweisung der weitergehenden Klage
-
als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.500

zum Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24

r-urteilt. Dagegen haben der Kläger und die [X.] zu 1, diese zugleich als Nebenintervenientin auf Seiten des [X.]n zu 2, Berufung eingelegt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das [X.] die Verurteilung des [X.]n zu 2 auf ein zu zahlendes Schmerzensgeld von 1.000

auf zu [X.] Rechtsanwaltskosten von 155,30

-
unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des [X.]n zu
2 und der Berufung des [X.]
-
abgewiesen. Es hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, inwieweit die in einem Adhäsionsverfahren ergangene Ent-scheidung Bindungswirkung für den nachfolgenden Schadensersatzprozess gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers entfaltet. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er sein Begehren gegenüber der [X.] zu 1 im Umfang der Verurteilung des [X.]n zu 2 weiterverfolgt. Hinsichtlich des [X.]n zu 2 hat er sein Rechtsmittel zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht hinsichtlich des [X.]n zu
2 einen Scha-densersatzanspruch des [X.] gemäß §
7 StVG, §
823 Abs.
1, §§
249, 253 Abs.
2 BGB. Es sieht sich durch die im Adhäsionsverfahren getroffene [X.]

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scheidung dahin gebunden, dass der Anspruch dem Grunde nach bestehe und dem Kläger ein den Anspruch minderndes Mitverschulden gemäß §
254 BGB nicht anzulasten sei. Wegen der erlittenen Verletzungen hält das Berufungsge-richt ein Schmerzensgeld von 1.000

s-führungsschadens könne der Kläger nicht beanspruchen, weil er einen solchen Schaden nicht substantiiert dargetan habe. Dementsprechend habe der Kläger Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nur in Höhe von 155,30

Eine Haftung der [X.]n zu 1 verneint das Berufungsgericht mit der Begründung, der Haftpflichtversicherer sei vorliegend von seiner [X.] befreit, weil der [X.] zu 2 die Körperverletzung vorsätzlich begangen habe. Dieser Feststellung stehe die im Adhäsionsverfahren ergangene Ent-scheidung, wonach der Anspruch wegen einer fahrlässig begangenen Körper-verletzung dem Grunde nach gerechtfertigt sei, nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob aufgrund des Strafurteils mit bindender Wirkung auch zu Las-ten der [X.]n zu 1 feststehe, dass der [X.] zu 2 den vor dem Pkw [X.] Kläger schuldhaft angefahren habe, dieser zur Seite geknickt und [X.] sei und sich dabei verletzt habe. Das im Strafverfahren ergangene Grundurteil entfalte jedenfalls keine Bindungswirkung hinsichtlich des Grads des Verschuldens, denn diese Frage sei dort nicht entscheidungserheblich ge-wesen.
Der Kläger selbst sei im Strafverfahren davon ausgegangen, dass der [X.] zu 2 enthemmt gewesen sei und ihn vorsätzlich angefahren habe. [X.] sei, dass er im vorliegenden Rechtsstreit geltend mache, davon über-zeugt zu sein, dass "letztlich eine lediglich fahrlässige Handlungsweise des [X.] zu 2 feststehen dürfte". Dies sei eine rechtliche Wertung, auf die es nicht ankomme. Maßgebend dafür, ob dem [X.]n zu 2 vorsätzliches oder 3
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fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen sei, sei vielmehr der der Bewertung zugrunde zu legende tatsächliche Hergang des Geschehens. Der Kläger habe vorgetragen, der [X.] zu 2 sei mit seinem Pkw vorwärts auf ihn zugefahren, wobei die vordere Stoßstange sein Bein berührt habe. Hierdurch sei er mit dem Fuß weggeknickt, und das Sprunggelenk habe sich verdreht. Danach sei der [X.] zu 2 zunächst ein Stück zurück-, und dann erneut auf ihn zugefahren, wodurch er -
wenn auch mit weniger Intensität
-
am selben Bein getroffen [X.] sei. Im Verhältnis zur [X.]n zu 1 sei diese Unfalldarstellung unstreitig, denn die [X.] zu 1 habe sie sich ausdrücklich und in zulässiger Weise zu Eigen gemacht.
Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass derjenige, der -
wie der [X.] zu 2
-
enthemmt und sehenden Auges mit einem Pkw auf eine vor seinem Fahrzeug stehende Person zufahre, nicht nur seine Sorgfaltspflichten verletze, sondern auch um eine mögliche körperliche Verletzung wisse, diese bei seinem Handeln billigend in Kauf nehme und damit zumindest mit beding-tem Vorsatz handele.

II.
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass aufgrund des im Ad-häsionsverfahren ergangenen Urteils im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem [X.]n zu 2 dessen Haftung dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt ist, dieses Urteil jedoch keine Bindung hinsichtlich der [X.]n zu 1 entfaltet.
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6

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a) Die in einem Strafverfahren ergangene Entscheidung über den Antrag des Verletzten auf Ersatz des aus einer Straftat des Beschuldigten erwachse-nen vermögensrechtlichen Anspruchs (§§
403
f. [X.]) steht gemäß §
406 Abs.
3 Satz
1 [X.] einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Gemäß §
406 Abs.
1 Satz 2 [X.] kann sich die Entscheidung des Strafgerichts auf den Grund des geltend gemachten Anspruchs beschränken (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2002 -
5
StR 291/02, [X.]St 47, 378). Macht das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, gilt §
318 ZPO entspre-chend. Das bedeutet, dass das im nachfolgenden Betragsverfahren zur Ent-scheidung berufene Zivilgericht (§
406 Abs.
3 Satz
4 [X.]) an die im Adhäsi-onsverfahren getroffene Entscheidung gebunden ist ([X.], [X.], 55.
Aufl., §
406 Rn.
3; Musielak/Musielak, ZPO, 9.
Aufl. §
318
Rn.
4; Löwe/
[X.]/[X.], [X.], 26.
Aufl., §
406 Rn.
12; [X.], ZPO, 22.
Aufl., §
304 Rn.
76).
b) Der Umfang der Bindungswirkung eines Grundurteils richtet sich da-nach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln ([X.], Urteile vom 14.
April 1987 -
IX
ZR 149/86, [X.], 939, 940
und vom 14. Juni 2002
-
V
ZR 79/01, NJW 2002, 3478, 3479, jeweils mwN; [X.]/Musie-lak, 3.
Aufl., §
304 Rn.
12).
c) Ob die Bindungswirkung im vorliegenden Fall, wie das Berufungsge-richt annimmt, die Verneinung eines Mitverschuldens (§
254 BGB) erfasst, kann offen bleiben (vgl. dazu [X.], [X.], 979). Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob die vom Strafgericht hier bejahte fahrlässige Begehungsweise mit bindender Wirkung für das Betragsverfahren gegenüber dem [X.]n zu 2 festgestellt worden ist. Die Bindung, die ein Grundurteil nach §
318 ZPO ent-faltet, ist jedenfalls -
ebenso wie die Wirkung der materiellen Rechtskraft 8
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(§§
322, 325 Abs.
1 ZPO)
-
grundsätzlich auf die an dem Verfahren beteiligten Parteien beschränkt (vgl. [X.]/Schütze/Rensen, ZPO, 3.
Aufl., §
304 Rn.
69; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29.
Aufl., Vor §
322 Rn.
52 und §
325 Rn.
3). Da die [X.] zu 1 an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt war, vermag die dort ergangene Entscheidung ihr gegenüber mithin keine Bindungswirkung zu entfalten.
d) Das im Adhäsionsverfahren gegen den [X.]n zu 2 ergangene Grundurteil ist für den Rechtsstreit des [X.] gegen die [X.] zu 1 auch nicht deshalb bindend, weil diese als Haftpflichtversicherer des [X.]n zu
2 in Anspruch genommen wird. Das Berufungsgericht erwägt für die vorliegende Fallgestaltung eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines vorangegangenen Haft-pflichtprozesses zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer für den nachfolgenden [X.] zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. In dieser Fallgestaltung wird die Haftpflichtfrage grund-sätzlich abschließend im [X.] entschieden (sog. Trennungsprin-zip). Die -
jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand geht
-
geltende Bin-dungswirkung verhindert, dass die im [X.] getroffene Entschei-dung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt werden können (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 1992 -
IV
ZR 314/91, [X.]Z 119, 276, 278
mwN). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer nicht im [X.] von seinem Versicherungsnehmer, sondern im We-ge der [X.] durch den Geschädigten (§
3 Nr.
1 [X.] a.[X.], jetzt §
115 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 [X.]) in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar.
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aa) Die für das Verhältnis zwischen [X.] und nachfolgen-dem [X.] geltende Bindungswirkung folgt aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung und der dort gegebenen umfassenden Abwehrzustän-digkeit des Versicherers (Senatsurteil vom 13. Dezember 1977 -
VI
ZR 206/75, [X.]Z 71, 339, 344; [X.], Urteile vom 18. März 1992
-
IV
ZR 51/91, [X.]Z 117, 345, 350 und vom 19. Februar 1959 -
II
ZR 171/57, [X.], 256, 257; [X.], [X.], 113, 119
f.; Fetzer, [X.], 793, 797; [X.]/
Adolphsen, [X.], 129, 130; [X.], NVersZ 2001, 341 f.). Kommt es zum Prozess über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen (§
5 Nr.
4 Satz 1 AHB; vgl. auch §§
100 f. [X.]). Der Versicherer muss im [X.] die Inte-ressen des Versicherten so wahren wie ein von diesem beauftragter Anwalt. Dem Versicherungsnehmer hingegen obliegt ein Anerkennungs-
und Beweis-verbot; er ist weitgehend den Weisungen des Versicherers unterworfen (§
5 Nr.
3 AHB). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Haftpflichtversicherer allein die aus
der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung trägt. Es wäre widersinnig, wenn der Haftpflichtanspruch in dem vom Versicherer für den Versicherungsnehmer geführten [X.] bejaht würde, dieser aber im anschließenden [X.] die Haftpflicht verneinen würde (Fetzer, aaO).
bb) Wenn in einem Rechtsstreit zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger über dessen Haftung entschieden wird und in einem Folgeprozess nicht der Schädiger, sondern der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Schädigers (im Wege der [X.]) in Anspruch nimmt, ist eine andere Inte-ressenlage gegeben, da es in diesem Folgeprozess nicht um vertragliche [X.] aus dem Versicherungsverhältnis, sondern um die Außenhaftung des [X.] gegenüber einem [X.] (dem Geschädigten) geht. Für diesen Fall bestimmt §
3 Nr.
8 [X.] a.[X.] (jetzt §
124 Abs.
1 [X.]), dass 12
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eine rechtskräftige Klageabweisung ihre Rechtskraft auch für das jeweils [X.] entfaltet. In den Fällen des §
115 Abs.
1 [X.] hat es der [X.], seinen Anspruch gegen den Schädiger, dessen [X.] oder gegen beide als Gesamtschuldner geltend zu machen. Die dem [X.] eröffnete Möglichkeit, nach seiner Wahl gegen den Versicherer, den Schädiger oder gegen beide vorzugehen, dient der Verbesserung des [X.]. Der Geschädigte soll, dem Zweck der Pflichtversicherung entspre-chend, zeitnah und angemessen entschädigt werden. [X.] soll er aus dieser Rechtslage aber nicht erwerben; insbesondere darf ihm der Umstand, dass er die Gesamtschuldner auch einzeln und damit möglicher-weise nacheinander belangen kann, keinen über die geschuldete Entschädi-gung hinausgehenden Vorteil bringen (Senatsurteile vom 29. Mai 1979
-
VI
ZR 128/77, [X.], 841
f.; vom 14. Juli 1981 -
VI
ZR 254/79, [X.], 1156, 1157
und vom 15. Januar 2008 -
VI
ZR 131/07, [X.], 485
Rn.
6
f.). Diesem Anliegen entspricht die in §
3 Nr.
8 [X.] a.[X.] (jetzt §
124 Abs.
1 [X.]) angeordnete Rechtskrafterstreckung des gegen einen
Gesamtschuldner ergangenen klageabweisenden Urteils (MünchKomm[X.]/
[X.], 1.
Aufl., §
124 Rn.
2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 28.
Aufl., §
124 Rn.
2). Mit dieser Regelung wäre eine Bindungswirkung, wie sie für den [X.] besteht, nicht vereinbar.
cc) Für das Adhäsionsverfahren kann nichts anderes gelten. Das auf [X.] eines Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) eingeleitete Adhäsionsverfahren entspricht dem [X.] des [X.] (Geschädigten) gegen den Schädiger (vgl. §§
403, 404 Abs.
2 [X.]). Die ge-gen diesen ergehende Entscheidung steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich (§
406 Abs.
3 [X.]). Sie
entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem
Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht. Eine entsprechende 14

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Anwendung der für den [X.] geltenden Bindungswirkung auf den [X.] nach vorausgegangenem
Adhäsionsverfahren ist abzulehnen. Sie würde dazu führen, dass die in §
3 Nr.
8 [X.] a.[X.] (jetzt §
124 Abs.
1 [X.]) auch zum Schutz des Versicherers angeordnete begrenzte Rechtskrafter-streckung (MünchKomm[X.]/[X.], aaO) zu seinem Nachteil unterlaufen würde. Hinzu kommt, dass der Versicherer an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt ist. Er kann -
anders als in einem gegen seinen Versicherungsnehmer (Schädiger) vor dem Zivilgericht geführten [X.]
-
das Verfahren weder als Prozessvertreter des Beschuldigten führen ([X.], [X.], 121, 127), noch hat er die Möglichkeit, zur Wahrung seiner Interessen dem Ver-fahren als Nebenintervenient beizutreten. Ersichtlich auch aus diesen Erwä-gungen heraus hat der Gesetzgeber bei der Einführung des Direktanspruchs (§
3 Nr.
1 [X.] a.[X.]) die in §
3 Nr.
8 [X.] a.[X.] angeordnete Rechtskrafterstre-ckung auf Klage abweisende Urteile beschränkt (vgl. Begründung der Bundes-regierung vom 16. Mai 1964 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter, BT-Drucks. IV/2252, S. 18).
2. Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungs-gericht angenommen hat, ein Anspruch des [X.] gegen die [X.] zu 1 sei gemäß §
152 [X.] a.[X.] (vgl. jetzt: §
103 [X.]
n.[X.]) ausgeschlossen, weil der [X.] zu 2 den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe.
a) Die Leistungsfreiheit des Versicherers im Falle vorsätzlicher Herbei-führung des Versicherungsfalles gilt grundsätzlich auch für den Direktanspruch in der Pflichtversicherung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1970 -
VI
ZR 97/69, [X.], 239, 240
und vom 30. September 1980 -
VI
ZR 38/79, [X.], 40; [X.] in Burmann/[X.]/[X.]/Janker, [X.], 22.
Aufl., §
103 [X.] Rn.
30). Bei §
152 [X.] a.[X.] handelt es sich, wie 15
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allgemein anerkannt ist, nicht um eine Obliegenheitsverletzung, die den [X.] nachträglich von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, sondern um einen subjektiven Risikoausschluss, bei dem von vornherein festgelegt ist, dass ein solcher Schadensfall nicht unter den Schutz des Versicherungsvertrages fällt (Senatsurteil vom 15. Dezember 1970 -
VI
ZR 97/69, aaO mwN).
b) Der Ausschluss der Leistungspflicht des Kfz-[X.] für vorsätzliche Schadenszufügung im Straßenverkehr widerspricht entgegen der Auffassung der Revision nicht europarechtlichen Vorgaben. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass die [X.] von der in Anhang II Nr.
3 zu dem [X.] über die obligatori-sche Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20. April 1959 ([X.], [X.]
II 1965 S.
282, 293) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht
hat, die von einem Versicherten vorsätzlich verursachten Schäden von der Versicherung auszuschließen (Art.
2 des Gesetzes zu dem [X.] vom 20. April 1959 über die obligatorische Haftpflichtversiche-rung für Kraftfahrzeuge vom 1. April 1965, [X.]
II 1965 S.
281). Die [X.] des Ausschlusses des Direktanspruchs bei vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfällen besteht fort ([X.],
[X.], 68, 69). Die in der Folgezeit von dem [X.] erlassenen Richtli-nien betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten be-züglich der [X.] ([X.] 72/166/[X.] vom 24.
April 1972, [X.]. [X.] Nr. L 103 S.
1 vom 2. Mai 1972; [X.] 84/5/[X.] vom 30. Dezember 1983, [X.]. [X.] 8
S. 17 vom 11. Januar 1984; [X.] 90/232/[X.] vom 14. Mai 1990, [X.]. [X.] 129
S. 33 vom 19.
Mai 1990; [X.] 2000/26/[X.] vom 16. Mai 2000, [X.]. [X.] Nr.
L
181 S. 65 vom 20. Juli
2000; [X.] 2005/14/[X.] vom 11.
Mai 2005, [X.]. [X.] Nr. L 149 S. 14 vom 11. Juni
2005) gehen, obwohl sie sich teilweise eingehend mit dem Deckungsumfang der Versicherung sowie 17

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möglichen Risikoausschlüssen befassen, auf den Tatbestand der Vorsatztat nicht ausdrücklich ein (vgl. [X.], [X.], 941, 942). Allein der [X.], dass es ausweislich der [X.] dieser Richtlinien -
insbesondere denen der Zweiten
und der [X.] KH-Richtlinie
-
ihr Anliegen ist, den De-ckungsumfang der [X.] in den Mitgliedstaaten der Euro-päischen Union im Interesse der Unfallopfer möglichst umfassend auszugestal-ten und Ausschlussklauseln mit Wirkung gegenüber Geschädigten nur in gerin-gem Maße zuzulassen, führt nicht zur Unwirksamkeit des von der [X.] zuvor in zulässiger
Weise erklärten Ausschlusses des [X.] für von einem Versicherten vorsätzlich verursachte [X.]. Nichts anderes gilt für den Ausschluss der Leistungspflicht des [X.] im Falle des Direktanspruchs des Geschädigten in der Kfz-Haftpflichtver-sicherung (a.A. [X.], aaO; zweifelnd [X.], aaO, §
117 Rn.
24).
c) Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Leistungspflicht hat das Berufungsgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht.
aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, einem Haftungsausschluss der [X.]n zu 1 stehe entgegen, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers nur eingreifen könne, wenn der Versicherungsnehmer selbst vorsätzlich gehan-delt habe. Dies habe die insoweit darlegungspflichtige [X.] zu 1 jedoch nicht vorgetragen. Vielmehr werde der [X.] zu 2 stets nur als "Fahrer" [X.]
(1) Richtig ist, dass der [X.] nicht leistungsfrei ist, wenn der vorsätzlich handelnde Fahrer nicht zugleich auch Halter des Kfz ist. Der Ausschluss des Versicherungsschutzes gemäß §
152 [X.] a.[X.]
gilt gegen-über dem Versicherungsnehmer nur, wenn er selbst vorsätzlich und rechtswid-rig gehandelt hat ([X.], [X.], 1372
1373; [X.], VersR 18
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2001, 634; [X.], NJW-RR 2006, 397, 399; [X.], aaO Rn.
31). Sind Halter und Fahrer personenverschieden, bleibt der Versicherer dem Halter ge-genüber zur Leistung verpflichtet, da diesem ein vorsätzliches Handeln des Fahrers grundsätzlich nicht zurechenbar ist (MünchKomm[X.]/[X.], 1.
Aufl., §
103 [X.], Rn.
74). Ist der Versicherer dem Halter als Versicherungs-nehmer gegenüber zur Leistung verpflichtet, haftet er gemäß §
3 Nr.
1 [X.] auch dem geschädigten [X.]. Dessen Direktanspruch entfällt nicht, wenn der Fahrer, der nicht zugleich Halter des Kfz war, den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der [X.] zu 2 sowohl Fahrer als auch Halter des Pkw war. Seine Haltereigenschaft ergibt sich aus den im [X.] getroffenen polizeilichen Feststellungen. Die Strafakten sind vom Berufungsgericht beigezogen worden. Ihr Inhalt war ausweislich des [X.] des angefochtenen Urteils Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
bb) Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen [X.], dass das Berufungsgericht das Verhalten des [X.]n zu 2 als vorsätzli-che Körperverletzung bewertet hat. Gemäß §
286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnis-ses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist (§
559 Abs.
2 ZPO).
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Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Würdigung rechtsfehlerfrei auf den Sachvortrag des [X.] gestützt, den sich die [X.] zu 1 in zuläs-siger Weise zu Eigen gemacht hat und der deshalb im Verhältnis zwischen die-sen Parteien unstreitig ist. Dass sich der Kläger -
zumindest hilfsweise
-
einen abweichenden, ihm günstigen Sachvortrag des [X.]n zu 2 zu Eigen [X.] habe, erschließt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht. [X.] weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass der [X.] zu 2 nicht etwa behauptet hat,
den Unfall nicht bemerkt zu haben, sondern vielmehr be-stritten hat, den Kläger angefahren zu haben. Da dieses Vorbringen für den Kläger ungünstig ist, ist die Annahme, er habe es sich -
hilfsweise
-
zu Eigen gemacht, auszuschließen. Soweit
die Revision beanstandet, das Berufungsge-richt habe nicht die Möglichkeit erwogen, dass der [X.] zu 2 den Kläger nicht habe anfahren, sondern vielmehr zu einem Sprung zur Seite habe nötigen wollen, ergeben sich dafür aus dem Sachvortrag der Parteien keinerlei Anhalts-punkte.
cc) Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der [X.] zu 2, als er mit seinem Pkw auf den vor dem Fahrzeug stehenden Kläger zufuhr, dessen Verletzung und damit auch den eingetretenen Schaden (vgl. dazu Lücke in [X.]/[X.], aaO, §
103 Rn.
4 ff.) billigend in Kauf genommen und damit den Versicherungsfall zumindest mit bedingtem Vorsatz herbeige-

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führt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die gegen die [X.] zu 1 gerichtete Klage ist mithin
zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.

Galke
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Pauge

[X.]
v. Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
23 [X.]/09 -

LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 15.12.2011 -
19 [X.] -

Meta

VI ZR 55/12

18.12.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2012, Az. VI ZR 55/12 (REWIS RS 2012, 209)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 209

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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