Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 55/12

6. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 239

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Gegenstand

Bindungswirkung der im Adhäsionsverfahren ergehenden Entscheidung


Leitsatz

Eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) ergehende Entscheidung entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet sie das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 15. Dezember 2011 wird hinsichtlich der Beklagten zu 1 zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger kam am 13. August 2007 zu Fall, als er nach einer Auseinandersetzung mit dem [X.] zu 2 von diesem als Fahrer eines bei der [X.] zu 1 haftpflichtversicherten Pkw angefahren wurde. Der Kläger erlitt eine Distorsion des rechten oberen Sprunggelenks und des rechten Kniegelenks sowie eine Zerrung des inneren Seitenbandes des rechten Fußes. Der Beklagte zu 2 wurde wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Der Kläger beantragte im Wege des [X.], den [X.] zu 2 zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (mindestens 2.000 €) zu verurteilen. Darüber hinaus verlangte er den Ersatz materieller Schäden (1.752,84 € Haushaltsführungsschaden und 402,82 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten). Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts S. wurde der Beklagte zu 2 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 25 € verurteilt. Den Schadensersatzanspruch des [X.] erklärte das Strafgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Ansprüche sind Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Das Amtsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die [X.] - unter Abweisung der weitergehenden Klage - als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.500 € sowie zum Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 186,24 € verurteilt. Dagegen haben der Kläger und die Beklagte zu 1, diese zugleich als Nebenintervenientin auf Seiten des [X.] zu 2, Berufung eingelegt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das [X.] die Verurteilung des [X.] zu 2 auf ein zu zahlendes Schmerzensgeld von 1.000 € sowie auf zu erstattende Rechtsanwaltskosten von 155,30 € herabgesetzt und die Klage im Übrigen - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des [X.] zu 2 und der Berufung des [X.] - abgewiesen. Es hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, inwieweit die in einem Adhäsionsverfahren ergangene Entscheidung Bindungswirkung für den nachfolgenden Schadensersatzprozess gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers entfaltet. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er sein Begehren gegenüber der [X.] zu 1 im Umfang der Verurteilung des [X.] zu 2 weiterverfolgt. Hinsichtlich des [X.] zu 2 hat er sein Rechtsmittel zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

I.

2

Das Berufungsgericht bejaht hinsichtlich des [X.]n zu 2 einen Schadensersatzanspruch des [X.] gemäß § 7 StVG, § 823 Abs. 1, §§ 249, 253 Abs. 2 BGB. Es sieht sich durch die im Adhäsionsverfahren getroffene Entscheidung dahin gebunden, dass der Anspruch dem Grunde nach bestehe und dem Kläger ein den Anspruch minderndes Mitverschulden gemäß § 254 BGB nicht anzulasten sei. Wegen der erlittenen Verletzungen hält das Berufungsgericht ein Schmerzensgeld von 1.000 € für angemessen. Ersatz eines [X.] könne der Kläger nicht beanspruchen, weil er einen solchen Schaden nicht substantiiert dargetan habe. Dementsprechend habe der Kläger Anspruch auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten nur in Höhe von 155,30 €.

3

Eine Haftung der [X.]n zu 1 verneint das Berufungsgericht mit der Begründung, der Haftpflichtversicherer sei vorliegend von seiner Leistungspflicht befreit, weil der [X.] zu 2 die Körperverletzung vorsätzlich begangen habe. Dieser Feststellung stehe die im Adhäsionsverfahren ergangene Entscheidung, wonach der Anspruch wegen einer fahrlässig begangenen Körperverletzung dem Grunde nach gerechtfertigt sei, nicht entgegen. Dabei könne offenbleiben, ob aufgrund des Strafurteils mit bindender Wirkung auch zu Lasten der [X.]n zu 1 feststehe, dass der [X.] zu 2 den vor dem Pkw stehenden Kläger schuldhaft angefahren habe, dieser zur Seite geknickt und gestürzt sei und sich dabei verletzt habe. Das im Strafverfahren ergangene Grundurteil entfalte jedenfalls keine Bindungswirkung hinsichtlich des Grads des Verschuldens, denn diese Frage sei dort nicht entscheidungserheblich gewesen.

4

Der Kläger selbst sei im Strafverfahren davon ausgegangen, dass der [X.] zu 2 enthemmt gewesen sei und ihn vorsätzlich angefahren habe. Unerheblich sei, dass er im vorliegenden Rechtsstreit geltend mache, davon überzeugt zu sein, dass "letztlich eine lediglich fahrlässige Handlungsweise des [X.]n zu 2 feststehen dürfte". Dies sei eine rechtliche Wertung, auf die es nicht ankomme. Maßgebend dafür, ob dem [X.]n zu 2 vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten zur Last zu legen sei, sei vielmehr der der Bewertung zugrunde zu legende tatsächliche Hergang des Geschehens. Der Kläger habe vorgetragen, der [X.] zu 2 sei mit seinem Pkw vorwärts auf ihn zugefahren, wobei die vordere Stoßstange sein Bein berührt habe. Hierdurch sei er mit dem Fuß weggeknickt, und das Sprunggelenk habe sich verdreht. Danach sei der [X.] zu 2 zunächst ein Stück zurück-, und dann erneut auf ihn zugefahren, wodurch er - wenn auch mit weniger Intensität - am selben Bein getroffen worden sei. Im Verhältnis zur [X.]n zu 1 sei diese Unfalldarstellung unstreitig, denn die [X.] zu 1 habe sie sich ausdrücklich und in zulässiger Weise zu Eigen gemacht.

5

Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass derjenige, der - wie der [X.] zu 2 - enthemmt und sehenden Auges mit einem Pkw auf eine vor seinem Fahrzeug stehende Person zufahre, nicht nur seine Sorgfaltspflichten verletze, sondern auch um eine mögliche körperliche Verletzung wisse, diese bei seinem Handeln billigend in Kauf nehme und damit zumindest mit bedingtem Vorsatz handele.

II.

6

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

7

1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass aufgrund des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem [X.]n zu 2 dessen Haftung dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt ist, dieses Urteil jedoch keine Bindung hinsichtlich der [X.]n zu 1 entfaltet.

8

a) Die in einem Strafverfahren ergangene Entscheidung über den Antrag des Verletzten auf Ersatz des aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs (§§ 403 f. [X.]) steht gemäß § 406 Abs. 3 Satz 1 [X.] einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 2 [X.] kann sich die Entscheidung des Strafgerichts auf den Grund des geltend gemachten Anspruchs beschränken (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2002 - 5 [X.], [X.]St 47, 378). Macht das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, gilt § 318 ZPO entsprechend. Das bedeutet, dass das im nachfolgenden Betragsverfahren zur Entscheidung berufene Zivilgericht (§ 406 Abs. 3 Satz 4 [X.]) an die im Adhäsionsverfahren getroffene Entscheidung gebunden ist ([X.], [X.], 55. Aufl., § 406 Rn. 3; Musielak/Musielak, ZPO, 9. Aufl. § 318 Rn. 4; Löwe/[X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 406 Rn. 12; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 304 Rn. 76).

9

b) Der Umfang der Bindungswirkung eines Grundurteils richtet sich danach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln ([X.], Urteile vom 14. April 1987 - [X.], [X.], 939, 940 und vom 14. Juni 2002 - [X.], NJW 2002, 3478, 3479, jeweils mwN; [X.]/Musielak, 3. Aufl., § 304 Rn. 12).

c) Ob die Bindungswirkung im vorliegenden Fall, wie das Berufungsgericht annimmt, die Verneinung eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) erfasst, kann offen bleiben (vgl. dazu [X.], [X.], 979). Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob die vom Strafgericht hier bejahte fahrlässige Begehungsweise mit bindender Wirkung für das Betragsverfahren gegenüber dem [X.]n zu 2 festgestellt worden ist. Die Bindung, die ein Grundurteil nach § 318 ZPO entfaltet, ist jedenfalls - ebenso wie die Wirkung der materiellen Rechtskraft (§§ 322, 325 Abs. 1 ZPO) - grundsätzlich auf die an dem Verfahren beteiligten Parteien beschränkt (vgl. [X.]/Schütze/Rensen, ZPO, 3. Aufl., § 304 Rn. 69; [X.]/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., Vor § 322 Rn. 52 und § 325 Rn. 3). Da die [X.] zu 1 an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt war, vermag die dort ergangene Entscheidung ihr gegenüber mithin keine Bindungswirkung zu entfalten.

d) Das im Adhäsionsverfahren gegen den [X.]n zu 2 ergangene Grundurteil ist für den Rechtsstreit des [X.] gegen die [X.] zu 1 auch nicht deshalb bindend, weil diese als Haftpflichtversicherer des [X.]n zu 2 in Anspruch genommen wird. Das Berufungsgericht erwägt für die vorliegende Fallgestaltung eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines vorangegangenen [X.]es zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer für den nachfolgenden [X.] zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. In dieser Fallgestaltung wird die [X.] grundsätzlich abschließend im [X.] entschieden (sog. Trennungsprinzip). Die - jedenfalls soweit es um den [X.] geht - geltende Bindungswirkung verhindert, dass die im [X.] getroffene Entscheidung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt werden können (vgl. [X.], Urteil vom 30. September 1992 - [X.], [X.]Z 119, 276, 278 mwN). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer nicht im [X.] von seinem Versicherungsnehmer, sondern im Wege der [X.] durch den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 [X.] a.F., jetzt § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] n.F.) in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar.

aa) Die für das Verhältnis zwischen [X.] und nachfolgendem [X.] geltende Bindungswirkung folgt aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung und der dort gegebenen umfassenden Abwehrzuständigkeit des Versicherers (Senatsurteil vom 13. Dezember 1977 - [X.], [X.]Z 71, 339, 344; [X.], Urteile vom 18. März 1992 - [X.], [X.]Z 117, 345, 350 und vom 19. Februar 1959 - [X.], [X.], 256, 257; [X.], [X.], 113, 119 f.; Fetzer, [X.], 793, 797; [X.]/Adolphsen, [X.], 129, 130; [X.], NVersZ 2001, 341 f.). Kommt es zum Prozess über den Haftpflichtanspruch, so hat der Versicherungsnehmer die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen (§ 5 Nr. 4 Satz 1 AHB; vgl. auch §§ 100 f. [X.] n.F.). Der Versicherer muss im [X.] die Interessen des Versicherten so wahren wie ein von diesem beauftragter Anwalt. Dem Versicherungsnehmer hingegen obliegt ein Anerkennungs- und Beweisverbot; er ist weitgehend den Weisungen des Versicherers unterworfen (§ 5 Nr. 3 AHB). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Haftpflichtversicherer allein die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung trägt. Es wäre widersinnig, wenn der Haftpflichtanspruch in dem vom Versicherer für den Versicherungsnehmer geführten [X.] bejaht würde, dieser aber im anschließenden [X.] die Haftpflicht verneinen würde (Fetzer, aaO).

bb) Wenn in einem Rechtsstreit zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger über dessen Haftung entschieden wird und in einem Folgeprozess nicht der Schädiger, sondern der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Schädigers (im Wege der [X.]) in Anspruch nimmt, ist eine andere Interessenlage gegeben, da es in diesem Folgeprozess nicht um vertragliche Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis, sondern um die Außenhaftung des [X.] gegenüber einem [X.] (dem Geschädigten) geht. Für diesen Fall bestimmt § 3 Nr. 8 [X.] a.F. (jetzt § 124 Abs. 1 [X.] n.F.), dass eine rechtskräftige Klageabweisung ihre Rechtskraft auch für das jeweils andere Prozessrechtsverhältnis entfaltet. In den Fällen des § 115 Abs. 1 [X.] hat es der [X.], seinen Anspruch gegen den Schädiger, dessen Haftpflichtversicherer oder gegen beide als Gesamtschuldner geltend zu machen. Die dem [X.] eröffnete Möglichkeit, nach seiner Wahl gegen den Versicherer, den Schädiger oder gegen beide vorzugehen, dient der Verbesserung des Opferschutzes. Der Geschädigte soll, dem Zweck der Pflichtversicherung entsprechend, zeitnah und angemessen entschädigt werden. Ungerechtfertigten Nutzen soll er aus dieser Rechtslage aber nicht erwerben; insbesondere darf ihm der Umstand, dass er die Gesamtschuldner auch einzeln und damit möglicherweise nacheinander belangen kann, keinen über die geschuldete Entschädigung hinausgehenden Vorteil bringen (Senatsurteile vom 29. Mai 1979 - [X.], [X.], 841 f.; vom 14. Juli 1981 - [X.], [X.], 1156, 1157 und vom 15. Januar 2008 - [X.], [X.], 485 Rn. 6 f.). Diesem Anliegen entspricht die in § 3 Nr. 8 [X.] a.F. (jetzt § 124 Abs. 1 [X.] n.F.) angeordnete Rechtskrafterstreckung des gegen einen Gesamtschuldner ergangenen klageabweisenden Urteils (MünchKomm [X.]/[X.], 1. Aufl., § 124 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl., § 124 Rn. 2). Mit dieser Regelung wäre eine Bindungswirkung, wie sie für den [X.] besteht, nicht vereinbar.

cc) Für das Adhäsionsverfahren kann nichts anderes gelten. Das auf Antrag eines Verletzten (Geschädigten) gegen den Beschuldigten (Schädiger) eingeleitete Adhäsionsverfahren entspricht dem [X.] des [X.] (Geschädigten) gegen den Schädiger (vgl. §§ 403, 404 Abs. 2 [X.]). Die gegen diesen ergehende Entscheidung steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich (§ 406 Abs. 3 [X.]). Sie entfaltet weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht. Eine entsprechende Anwendung der für den [X.] geltenden Bindungswirkung auf den [X.] nach vorausgegangenem Adhäsionsverfahren ist abzulehnen. Sie würde dazu führen, dass die in § 3 Nr. 8 [X.] a.F. (jetzt § 124 Abs. 1 [X.] n.F.) auch zum Schutz des Versicherers angeordnete begrenzte Rechtskrafterstreckung (MünchKomm [X.]/[X.], aaO) zu seinem Nachteil unterlaufen würde. Hinzu kommt, dass der Versicherer an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt ist. Er kann - anders als in einem gegen seinen Versicherungsnehmer (Schädiger) vor dem Zivilgericht geführten [X.] - das Verfahren weder als Prozessvertreter des Beschuldigten führen ([X.], [X.], 121, 127), noch hat er die Möglichkeit, zur Wahrung seiner Interessen dem Verfahren als Nebenintervenient beizutreten. Ersichtlich auch aus diesen Erwägungen heraus hat der Gesetzgeber bei der Einführung des Direktanspruchs (§ 3 Nr. 1 [X.] a.F.) die in § 3 Nr. 8 [X.] a.F. angeordnete Rechtskrafterstreckung auf Klage abweisende Urteile beschränkt (vgl. Begründung der Bundesregierung vom 16. Mai 1964 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter, BT-Drucks. IV/2252, S. 18).

2. Ohne Erfolg wendet die Revision sich dagegen, dass das Berufungsgericht angenommen hat, ein Anspruch des [X.] gegen die [X.] zu 1 sei gemäß § 152 [X.] a.F. (vgl. jetzt: § 103 [X.] n.F.) ausgeschlossen, weil der [X.] zu 2 den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe.

a) Die Leistungsfreiheit des Versicherers im Falle vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles gilt grundsätzlich auch für den Direktanspruch in der Pflichtversicherung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1970 - [X.], [X.], 239, 240 und vom 30. September 1980 - [X.], [X.], 40; [X.] in Burmann/[X.]/[X.]/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 103 [X.] Rn. 30). Bei § 152 [X.] a.F. handelt es sich, wie allgemein anerkannt ist, nicht um eine Obliegenheitsverletzung, die den Versicherer nachträglich von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit, sondern um einen subjektiven Risikoausschluss, bei dem von vornherein festgelegt ist, dass ein solcher Schadensfall nicht unter den Schutz des Versicherungsvertrages fällt (Senatsurteil vom 15. Dezember 1970 - [X.], aaO mwN).

b) Der Ausschluss der Leistungspflicht des Kfz-[X.] für vorsätzliche Schadenszufügung im Straßenverkehr widerspricht entgegen der Auffassung der Revision nicht europarechtlichen Vorgaben. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass die [X.] von der in [X.] zu dem [X.] über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20. April 1959 ([X.], [X.] 1965 [X.], 293) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, die von einem Versicherten vorsätzlich verursachten Schäden von der Versicherung auszuschließen (Art. 2 des Gesetzes zu dem [X.] vom 20. April 1959 über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 1. April 1965, [X.] 1965 S. 281). Die Zulässigkeit des Ausschlusses des Direktanspruchs bei vorsätzlich herbeigeführten Versicherungsfällen besteht fort ([X.], [X.], 68, 69). Die in der Folgezeit von dem [X.] erlassenen Richtlinien betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der [X.] ([X.] 72/166/[X.] vom 24. April 1972, [X.]. [X.] Nr. L 103 S. 1 vom 2. Mai 1972; [X.] 84/5/[X.] vom 30. Dezember 1983, [X.]. [X.] vom 11. Januar 1984; [X.] 90/232/[X.] vom 14. Mai 1990, [X.]. [X.] 129 S. 33 vom 19. Mai 1990; [X.] 2000/26/[X.] vom 16. Mai 2000, [X.]. [X.] Nr. L 181 S. 65 vom 20. Juli 2000; [X.] 2005/14/[X.] vom 11. Mai 2005, [X.]. [X.] Nr. L 149 S. 14 vom 11. Juni 2005) gehen, obwohl sie sich teilweise eingehend mit dem Deckungsumfang der Versicherung sowie möglichen Risikoausschlüssen befassen, auf den Tatbestand der Vorsatztat nicht ausdrücklich ein (vgl. [X.], [X.], 941, 942). Allein der Umstand, dass es ausweislich der [X.] dieser Richtlinien - insbesondere denen der [X.] und der [X.] KH-Richtlinie - ihr Anliegen ist, den Deckungsumfang der [X.] in den Mitgliedstaaten der [X.] im Interesse der Unfallopfer möglichst umfassend auszugestalten und Ausschlussklauseln mit Wirkung gegenüber Geschädigten nur in geringem Maße zuzulassen, führt nicht zur Unwirksamkeit des von der [X.] zuvor in zulässiger Weise erklärten Ausschlusses des Versicherungsschutzes für von einem Versicherten vorsätzlich verursachte Schäden. Nichts anderes gilt für den Ausschluss der Leistungspflicht des Versicherers im Falle des Direktanspruchs des Geschädigten in der [X.] (a.A. [X.], aaO; zweifelnd [X.], aaO, § 117 Rn. 24).

c) Die Voraussetzungen für den Ausschluss der Leistungspflicht hat das Berufungsgericht im Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht.

aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, einem Haftungsausschluss der [X.]n zu 1 stehe entgegen, dass die Leistungsfreiheit des Versicherers nur eingreifen könne, wenn der Versicherungsnehmer selbst vorsätzlich gehandelt habe. Dies habe die insoweit darlegungspflichtige [X.] zu 1 jedoch nicht vorgetragen. Vielmehr werde der [X.] zu 2 stets nur als "Fahrer" bezeichnet.

(1) Richtig ist, dass der [X.] nicht leistungsfrei ist, wenn der vorsätzlich handelnde Fahrer nicht zugleich auch Halter des Kfz ist. Der Ausschluss des Versicherungsschutzes gemäß § 152 [X.] a.F. gilt gegenüber dem Versicherungsnehmer nur, wenn er selbst vorsätzlich und rechtswidrig gehandelt hat ([X.], [X.], 1372 1373; [X.], [X.], 634; [X.], NJW-RR 2006, 397, 399; [X.], aaO Rn. 31). Sind Halter und Fahrer personenverschieden, bleibt der Versicherer dem Halter gegenüber zur Leistung verpflichtet, da diesem ein vorsätzliches Handeln des Fahrers grundsätzlich nicht zurechenbar ist (MünchKomm [X.]/Littbarski, 1. Aufl., § 103 [X.], Rn. 74). Ist der Versicherer dem Halter als Versicherungsnehmer gegenüber zur Leistung verpflichtet, haftet er gemäß § 3 Nr. 1 [X.] auch dem geschädigten [X.]. Dessen Direktanspruch entfällt nicht, wenn der Fahrer, der nicht zugleich Halter des Kfz war, den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt hat.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der [X.] zu 2 sowohl Fahrer als auch Halter des Pkw war. Seine Haltereigenschaft ergibt sich aus den im Ermittlungsverfahren getroffenen polizeilichen Feststellungen. Die Strafakten sind vom Berufungsgericht beigezogen worden. Ihr Inhalt war ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

bb) Die Revision hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht das Verhalten des [X.]n zu 2 als vorsätzliche Körperverletzung bewertet hat. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist (§ 559 Abs. 2 ZPO).

Das Berufungsgericht hat seine tatrichterliche Würdigung rechtsfehlerfrei auf den Sachvortrag des [X.] gestützt, den sich die [X.] zu 1 in zulässiger Weise zu Eigen gemacht hat und der deshalb im Verhältnis zwischen diesen Parteien unstreitig ist. Dass sich der Kläger - zumindest hilfsweise - einen abweichenden, ihm günstigen Sachvortrag des [X.]n zu 2 zu Eigen gemacht habe, erschließt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht. Zutreffend weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass der [X.] zu 2 nicht etwa behauptet hat, den Unfall nicht bemerkt zu haben, sondern vielmehr bestritten hat, den Kläger angefahren zu haben. Da dieses Vorbringen für den Kläger ungünstig ist, ist die Annahme, er habe es sich - hilfsweise - zu Eigen gemacht, auszuschließen. Soweit die Revision beanstandet, das Berufungsgericht habe nicht die Möglichkeit erwogen, dass der [X.] zu 2 den Kläger nicht habe anfahren, sondern vielmehr zu einem Sprung zur Seite habe nötigen wollen, ergeben sich dafür aus dem Sachvortrag der Parteien keinerlei Anhaltspunkte.

cc) Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der [X.] zu 2, als er mit seinem Pkw auf den vor dem Fahrzeug stehenden Kläger zufuhr, dessen Verletzung und damit auch den eingetretenen Schaden (vgl. dazu Lücke in [X.]/[X.], aaO, § 103 Rn. 4 ff.) billigend in Kauf genommen und damit den Versicherungsfall zumindest mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die gegen die [X.] zu 1 gerichtete Klage ist mithin zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.

[X.]                            Pauge

              [X.]                           v. [X.]

Meta

VI ZR 55/12

18.12.2012

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 15. Dezember 2011, Az: 19 S 14/10

§ 406 StPO, § 7 StVG, § 253 Abs 2 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 318 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 55/12 (REWIS RS 2012, 239)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 239

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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