Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.11.2015, Az. 1 StR 135/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 1681

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Zulässigkeit bei bewusstem Nichtgebrauchmachen des Rechtsmittels; Fortwirken der Pflichtverteidigerbestellung für Nachtragsverfahren


Tenor

Der Antrag des Verurteilten vom 12. Oktober 2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe

1

Der [X.] hat ein als Revision ausgelegtes, am 13. Januar 2015 erhobenes Rechtsmittel des Verurteilten gegen das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2012 mit Beschluss vom 30. April 2015 gemäß § 349 Abs. 1 [X.] ebenso als unzulässig verworfen wie einen zugleich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision. Nach Eingang mehrerer Schreiben des Verurteilten vom 13., 18. und 23. Juni 2015 hat die Rechtspflegerin des [X.] diesen unter dem Datum vom 30. Juni 2015 darauf hingewiesen, dass das Strafverfahren durch den Verwerfungsbeschluss des [X.]s rechtskräftig abgeschlossen und eine Beschwerde gegen diesen Beschluss nicht zulässig ist.

2

Ein weiteres Schreiben des Verurteilten vom 31. Juli 2015 hat der [X.] als Gegenvorstellung ausgelegt (§ 300 [X.]), diesen Rechtsbehelf aber mit Beschluss vom 2. September 2015 zurückgewiesen. Der Verurteilte hat mit Datum vom 12. Oktober 2015 ein Schreiben eingereicht, das mit "Erneute Gegenvorstellung zum Beschluss vom 02.09.2015" überschrieben ist. Die Rechtspflegerin des [X.] hat den Verurteilten durch Schreiben vom 3. November 2015 erneut darüber unterrichtet, dass das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist und auch die Gegenvorstellung dem [X.] keine Veranlassung gegeben hat, seine Entscheidung vom 30. April 2015 zu ändern.

3

Nachfolgend haben zwei weitere Schreiben des Verurteilten den [X.] erreicht. In dem unter dem Datum vom 3. November 2015 verfassten Schreiben nimmt der Verurteilte Bezug auf mehrere seiner früheren Eingaben aus dem Juni 2015 und führt hinsichtlich des Beschlusses des [X.]s vom 2. September 2015 aus, er habe bereits gerügt, dass den von ihm gemachten Angaben nicht weiter nachgegangen worden sei. "Diese Textauszüge können sicher als Anträge nach § 356a [X.] und auf Wiedereinsetzung ausgelegt werden".

I.

4

Unter keinem möglichen, der Auslegung gemäß § 300 [X.] zugänglichen Aspekt liegt in dem Antrag vom 12. Oktober 2015 ein zulässiger Rechtsbehelf. Er war daher kostenpflichtig ([X.], Beschluss vom 8. Juli 2013 – 1 [X.]) zurückzuweisen.

5

1. Soweit der Verurteilte eine Anhörungsrüge nach § 356a [X.] gegen den Beschluss des [X.]s vom 30. April 2015 erheben wollte, wäre diese unzulässig. Der Antrag wahrt weder die Frist aus § 356a Satz 2 [X.] noch genügt er § 356a Satz 3 [X.]. Sollte der Antrag gemäß § 356a [X.] auf die Entscheidung des [X.]s vom 2. September 2015 über die Gegenvorstellung bezogen sein, wäre er unzulässig, weil das Gesetz die Anhörungsrüge lediglich auf die Entscheidung über die Revision bezieht. Es kommt wegen der Unzulässigkeit beider möglicher Anhörungsrügen daher nicht mehr darauf an, dass der Vorwurf der Gehörsverletzung auch in der Sache unzutreffend ist.

6

2. a) Sollte mit dem Schreiben vom 12. Oktober 2015 eine erneute Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2012 begehrt werden, wäre der Antrag ebenfalls unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] können die Voraussetzungen des § 44 Satz 1 [X.] nicht vorliegen, wenn der die Wiedereinsetzung begehrende Rechtsmittelführer von einem befristeten Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch macht (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 31. Juli 2012 – 4 StR 238/12, [X.], 652 und vom 20. August 2013 – 1 [X.], [X.], 381, 382 mwN); das ist sowohl bei einem bloßen Verstreichenlassen der Rechtsmittelfrist ([X.], Beschluss vom 31. Juli 2012 – 4 StR 238/12, [X.], 652) als auch bei einer Rücknahme des Rechtsmittels ([X.], Beschluss vom 20. August 2013 – 1 [X.], [X.], 381 f.) und bei wirksamem Rechtsmittelverzicht (etwa [X.], Beschluss vom 20. Juni 1997 – 2 StR 275/97, [X.], 611, 612 mwN) der Fall.

7

Von der Wirksamkeit des am 27. Juni 2012 nach Urteilsverkündung von dem Verurteilten erklärten Rechtsmittelverzichts ist weiterhin auszugehen. Auch aus den dem [X.]sbeschluss vom 30. April 2015 nachfolgenden Schreiben des Verurteilten ergibt sich kein ausreichender Anlass dafür, freibeweislich aufzuklären, ob eine Fälschung der Sitzungsniederschrift vorliegt, die allein deren Beweiskraft aus § 274 Satz 1 [X.] in Wegfall bringen könnte (§ 274 Satz 2 [X.]). Soweit der Verurteilte auf das Schreiben seines früheren Verteidigers vom 16. Juni 2015 abstellt, enthält dieses keine genügenden Anhaltspunkte dafür, um von der Bezeichnung einer konkret behaupteten Fälschung ausgehen zu können. Das Schreiben weist lediglich aus, dass es am 25. Juni 2012 zu einem Verständigungsgespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten gekommen sei, bei dem das Gericht "informell" u.a. für den Fall eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und elf Monaten in Aussicht gestellt habe. Dass es nachfolgend entgegen dem Inhalt der Sitzungsniederschrift und des Urteils zu einer informellen Verfahrensabsprache (zur analogen Anwendung von § 302 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf informelle Absprachen siehe [X.], Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, [X.]St 59, 21, 26 f. Rn. 22 ff.) gekommen sei, behauptet der Verteidiger nicht. Gerade weil das Urteil, soweit es die frühere Mitangeklagte betrifft, auf einer durch Sitzungsniederschrift und Urteil ausgewiesenen formellen Absprache beruht, hätte es der Benennung konkreterer Anhaltspunkte bedurft, um Anlass zu geben, im Wege des Freibeweises der von dem Verurteilten implizit erhobenen Behauptung der Fälschung der Sitzungsniederschrift im Hinblick auf die dortige Beurkundung einer fehlenden Urteilsabsprache bezüglich des Verurteilten nachzugehen.

8

Zusätzliche tatsächliche Anhaltspunkte, die nunmehr eine die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts begründende Verhandlungsunfähigkeit des Verurteilten am 27. Juni 2012 belegen (siehe bereits den Beschluss des [X.]s vom 30. April 2015 in dieser Sache), enthalten die dem Verwerfungsbeschluss nachfolgenden Schreiben des Verurteilten ebenfalls nicht.

9

b) Soweit das Schreiben vom 12. Oktober 2015 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist aus § 356a Satz 2 [X.] zur Erhebung der Anhörungsrüge gegen den Verwerfungsbeschluss vom 30. April 2015 zu werten wäre (zu dieser Möglichkeit siehe nur [X.], Beschluss vom 13. August 2008 – 1 [X.], [X.], 33, 34 f.; [X.] in [X.], 4. Aufl., [X.], § 356a Rn. 9 mwN), wäre er gleichfalls unzulässig. Denn aus ihm ergibt sich die Einhaltung der Anforderungen aus § 45 [X.] nicht.

Im Hinblick auf das wiederholte Vorbringen des Verurteilten, ein Rechtsbeistand stehe ihm nicht zur Verfügung, weist der [X.] darauf hin, dass die [X.] auch für die Durchführung des [X.] gemäß § 356a [X.] fortdauerte ([X.], Beschluss vom 24. Oktober 2005 – 5 [X.], [X.]R [X.] § 356a Verteidiger 1; Nagel in [X.]/[X.], [X.], § 356a Rn. 9).

II.

Weitere gleichartige Eingaben des Verurteilten in dieser Sache wird der [X.] nicht mehr bescheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Juli 2013 – 1 [X.] Rn. 8 mwN).

Graf                       Jäger                     Cirener

             [X.]                      Bär

Meta

1 StR 135/15

26.11.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 2. September 2015, Az: 1 StR 135/15, Beschluss

§ 44 S 1 StPO, § 45 StPO, § 140 StPO, § 141 StPO, § 356a StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.11.2015, Az. 1 StR 135/15 (REWIS RS 2015, 1681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1681


Verfahrensgang

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Az. 1 StR 135/15

Bundesgerichtshof, 1 StR 135/15, 26.11.2015.


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