Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2017, Az. 1 StR 42/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 13607

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ermessensentscheidung über den Verfall des Wertersatzes: Unterlassene Prüfung der Anordnung des Verfalls nur eines Teilbetrages des ursprünglich Erlangten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Oktober 2016

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Anordnung des Verfalls (des Wertersatzes) aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge „in 26 tateinheitlichen Fällen“ zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass 21 Monate der erkannten Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Darüber hinaus hat es einen „Verfall“ in Höhe von 73.500 Euro angeordnet. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat in den Urteilsgründen [X.] des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt der Bewertungseinheit ohne Rechtsfehler als eine Tat im Rechtssinne bewertet. Entsprechend dem Antrag des [X.] ist daher der Schuldspruch dahin zu ändern, dass die Verurteilung „in 26 tateinheitlichen Fällen“ entfällt. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung durch den Senat nicht entgegen, weil der insoweit geständige Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

3

2. Der Strafausspruch, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und der angeordnete [X.] eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregel weisen keine Rechtsfehler auf. Die Anordnung des Verfalls des Wertersatzes hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

a) Die Anwendung des § 73c StGB ist zwar Sache des Tatgerichts. Auslegung und Anwendung bzw. Nichtanwendung der Vorschrift unterliegen aber der Überprüfung auf Rechtsfehler hin durch das Revisionsgericht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. Februar 2016 - 1 [X.], [X.], 14 und vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13, [X.]R StGB § 73c Härte 16 Rn. 14, jeweils mwN). In Bezug auf die [X.] des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB prüft dementsprechend das Revisionsgericht (lediglich), ob das Tatgericht das ihm eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Dazu gehört, dass es von zutreffenden Maßstäben für die Merkmale der [X.] ausgegangen ist und diese ohne Ermessensfehler auf den festgestellten Sachverhalt angewendet hat.

5

b) Gemessen an diesen Maßstäben enthält das angefochtene Urteil einen Rechtsfehler bei der Handhabung des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung des Wertersatzes unterbleiben, soweit das Erlangte oder dessen Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des [X.] nicht mehr vorhanden ist. Die zu treffende Ermessensentscheidung eröffnet dem Tatgericht auch die Möglichkeit zu prüfen, ob auch nur ein Teilbetrag des ursprünglich [X.] dem Verfall des Wertersatzes unterliegen soll. An einer solchen Prüfung durch das [X.] fehlt es vorliegend.

6

c) Nach den Feststellungen des [X.]s hat der seit Mitte 2015 arbeitslose und von Sozialleistungen lebende Angeklagte bei den [X.] insgesamt einen Erlös von 73.500 Euro aus seinen Betäubungsmittelgeschäften erzielt. Die erworbenen [X.] habe er überwiegend gewinnbringend weiterveräußert, zum Teil aber selbst konsumiert. Da er den jeweils erzielten Verkaufserlös zum Erwerb weiterer Betäubungsmittel eingesetzt habe, habe er jedoch nur einen „Bruchteil des [X.] wirtschaftlich erlangt“. Der Angeklagte verfüge über kein nennenswertes Vermögen. Im Rahmen der eröffneten Ermessensentscheidung sei nicht von einer Verfallsanordnung abzusehen, wobei einerseits zu berücksichtigen sei, dass der Verfallsbetrag, den der Angeklagte nur geringfügig wirtschaftlich erlangt habe, von erheblicher Größenordnung sei und ihn als Betäubungsmittelabhängigen in Zukunft erheblich finanziell belasten werde, andererseits zu sehen sei, dass der Angeklagte den Gewinn in Form von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum „verprasst“ habe, über eine ausreichende Schulausbildung verfüge und keine körperlichen Einschränkungen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt aufweise sowie durch zukünftige Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit in der Lage sein werde, die Verfallsschuld zu tilgen, so dass seine Resozialisierung „nach dem Vollzug“ nicht gefährdet erscheine. Auch eine unbillige Härte im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB läge nicht vor.

7

d) Gerade die vom [X.] angeführten Umstände für das Nichtabsehen von einem Verfall des Wertersatzes hinsichtlich des gesamten Verkaufserlöses erforderten jedoch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eine nähere Erörterung, ob nicht lediglich ein Teilbetrag des im Sinne von § 73c Abs.1 Satz 2 StGB [X.] dem Wertersatzverfall unterliegen soll. Die Begründung des [X.]s zeigt nicht auf, dass dies ihm bei der Rechtsanwendung erkennbar bewusst war, so dass die Verfallsanordnung ein Defizit bei der Ermessensentscheidung aufweist.

8

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verfallsanordnung. Da lediglich ein Wertungsfehler vorliegt, können die getroffenen Feststellungen aufrechterhalten bleiben. Das neue Tatgericht kann jedoch weitergehende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Raum     

       

Bellay     

       

Radtke

       

Fischer     

       

Bär     

       

Meta

1 StR 42/17

22.03.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Karlsruhe, 5. Oktober 2016, Az: 22 KLs 650 Js 5742/16

§ 73c Abs 1 S 2 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.03.2017, Az. 1 StR 42/17 (REWIS RS 2017, 13607)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13607

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 42/17 (Bundesgerichtshof)


4 StR 265/15 (Bundesgerichtshof)

Absehen von Verfallsanordnung: Prüfungsreihenfolge; Vorliegen einer unbilligen Härte


1 StR 231/16 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Voraussetzungen einer Anstiftungshandlung; Bezugsgegenstand der Anstiftung; Bestimmen …


4 StR 265/15 (Bundesgerichtshof)


1 StR 336/13 (Bundesgerichtshof)

Absehen von der Anordnung des Wertersatzverfalls: Gesetzliche Prüfungsreihenfolge


Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 42/17

Zitiert

1 StR 606/15

1 StR 336/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.