Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2002, Az. LwZR 8/02

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2002, 683

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.] 8/02Verkündet am:15. November 2002Kirchgeßner,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: ja[X.] § 3 aa)Die Haftung der Vorstandsmitglieder einer Landwirtschaftlichen oder Gärtneri-schen Produktionsgenossenschaft nach §§ 3 a, 68 [X.] gründet sich auf dieVerletzung von Sorgfaltspflichten, die den Vorstandsmitgliedern gegenüber [X.] obliegen. Die Mitglieder selbst können Ansprüche daraus nurherleiten, wenn es um ihre genossenschaftlichen Vermögensinteressen geht,nicht, wenn sie in der Geltendmachung individualrechtlicher Ansprüche gegen [X.] beeinträchtigt [X.])Um einen individualrechtlichen Anspruch gegen die Genossenschaft handelt essich, wenn ein ausgeschiedenes Mitglied geltend macht, der Vorstand habe [X.] schuldhaft falsch berechnet, so daß ihm ein Schaden [X.] -standen sei, weil er wegen seiner Nachforderung gegen die nunmehr vermö-genslos gewordene Nachfolgegesellschaft der LPG ausgefallen sei.[X.], Urt. v. 15. November 2002 - [X.] 8/02 - [X.]AG [X.], [X.], hat auf die mündli-che Verhandlung vom 15. November 2002 durch den Vizepräsidenten desBundesgerichtshofes Dr. [X.] und [X.] Dr. Krüger undDr. [X.] sowie [X.] [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landwirt-schaftssenats des [X.] vom 26. [X.] im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteilder Beklagten erkannt worden ist.Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegenden Beschluß des [X.] vom 15. Dezember 2000zurückgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.Von Rechts [X.]:Die Klägerin und ihr 1963 verstorbener Ehemann, den sie beerbt hat,waren Mitglieder der [X.]und [X.](im folgenden: [X.]). In diese [X.] hatte [X.] der Klägerin 1961 seinen Gartenbaubetrieb eingebracht, darunter[X.] im Wert von 1.981,89 M/[X.] 4 -Mit Schreiben vom 26. Juni 1990 kündigte die Klägerin ihre Mitglied-schaft und schied aus der [X.] aus, noch bevor diese am 9. Oktober 1991 [X.] faßte, sich in eine GmbH umzuwandeln.Bei der nachfolgenden Vermögensauseinandersetzung blieb von deneingebrachten [X.] ein Betrag von 556,89 [X.] unberücksichtigt.Eine Nachforderung ist nicht realisierbar, da über das Vermögen der Rechts-nachfolgerin der [X.] 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und eineBefriedigung aus der Masse nicht zu erwarten ist. Die Klägerin verlangt [X.] daher von der Beklagten erstattet, die seit den achtziger Jahren undauch noch im Zeitpunkt der Umwandlung dem Vorstand der [X.] angehörte.Das Landwirtschaftsgericht hat den auf Zahlung von 556,89 [X.] nebstZinsen gerichteten Antrag sowie einen weiteren Antrag, der nicht mehr Ge-genstand des Rechtsstreits ist, im Verfahren nach dem Gesetz über die Ange-legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluß abgewiesen. [X.] hat ihm durch Urteil im Verfahren nach der Zivilprozeßord-nung stattgegeben. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Beklagte [X.] der Entscheidung des [X.].Entscheidungsgründe:[X.] -Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte sei der Klägerinnach § 3 a [X.] zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der ihr dadurch ent-standen sei, daß sie ihre Forderung auf Rückzahlung des bislang nicht berück-sichtigten Inventarbeitrags (§§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 68 [X.]) gegen die insol-vent gewordene Rechtsnachfolgerin der [X.] nicht durchsetzen könne. [X.] habe ihre Pflichten als Vorstandsmitglied dadurch verletzt, daß sie beieiner Neuberechnung des Abfindungsanspruchs der Klägerin im [X.] damit nach Inkrafttreten der Haftungsnorm des § 3 a [X.], eine vonder Buchhaltung zu einem früheren Zeitpunkt gefertigte fehlerhafte Aufstellungungeprüft übernommen und den Anspruch um den geltend gemachten Betragverkürzt habe. Diese Pflichtverletzung, hinsichtlich deren sie den ihr obliegen-den [X.] nicht erbracht habe (§ 3 a Satz 3 [X.]), könne [X.] einem Schadensersatzanspruch bereits ausgeschiedener Genossen-schaftsmitglieder führen.[X.] Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.Die Haftung der Vorstandsmitglieder einer Landwirtschaftlichen oderGärtnerischen Produktionsgenossenschaft nach §§ 3 a, 68 [X.] gründetsich auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die den Vorstandsmitgliederngegenüber der Genossenschaft obliegen. Die Mitglieder selbst können [X.] daraus nur herleiten, wenn es um ihre genossenschaftlichen Vermögens-interessen geht, nicht, wenn sie in der Geltendmachung [X.] gegen die Genossenschaft beeinträchtigt sind. Daran scheitert eine- 6 -Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin, so daß es auf die Frage,ob die Beklagte unter der Geltung der Haftungsnorm gegen ihr als [X.] obliegende Pflichten verstoßen hat, nicht ankommt.1. Die Regelung des § 3 a [X.], die den Vorstandsmitgliedern [X.] oder Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft bei ihrerGeschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge-schäftsleiters auferlegt und an einen Verstoß hiergegen Haftungsfolgen knüpft,stellt für Handelsgesellschaften mit dem Status einer juristischen Person keineBesonderheit dar. Sie findet sich für die eingetragene Genossenschaft ebenso(§ 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.]) wie für die Aktiengesellschaft (§ 93 Abs. 1Satz 1, Abs. 2 [X.]) und für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 43Abs. 1 und 2 GmbHG). Sie ist diesen älteren Regelungen, insbesondere § 34[X.], nachgebildet (vgl. auch [X.], [X.], [X.], § 3 a [X.] [X.]. 6). [X.] diese Handelsgesellschaften ist allgemein anerkannt, daß die den [X.] obliegenden Sorgfaltspflichten allein gegenüber der Gesell-schaft, nicht gegenüber den Gesellschaftern oder den Gläubigern der Gesell-schaft zu erfüllen sind, da ein unmittelbares Rechtsverhältnis nur zwischen ih-nen und der Gesellschaft besteht (vgl. [X.], Urt. v. 9. Juli 1979, [X.] 1979, 1829 [Vorstand und Aktiengesellschaft]; Urt. v. 22. Oktober 1984,II [X.], NJW 1985, 1900 [Beirat einer Publikums-KG und Kommanditgesell-schaft]; [X.], [X.], 2. Aufl., § 34 [X.]. 3, 7; [X.], [X.], 13. Aufl., § 34[X.]. 4, 5; [X.], in Großkommentar zum [X.], § 93 [X.]. 469, 492;Geßler/Hefermehl/[X.]/[X.], [X.], § 93 [X.]. 89; [X.]/[X.],GmbHG, 9. Aufl., § 43 [X.]. 211, 217). Eine Haftung wegen Verletzung dieserSorgfaltspflichten kommt daher nur der Gesellschaft gegenüber in [X.] 7 -2. Bei der [X.], ebenso beider Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft (§ 68 [X.]), sind die für dieHaftung maßgeblichen Strukturen nicht grundsätzlich anders gestaltet. [X.] wird durch die Vollversammlung als Organ der Genossenschaft be-stellt (§§ 5 Abs. 2 Satz 4, 46 LPGG 1982). Eine - organschaftlich ausgestalte-te - Sonderrechtsbeziehung besteht nur zwischen dem Vorstand und der [X.], nicht zu den Mitgliedern der Genossenschaft.Allerdings weist § 3 a [X.] die Besonderheit auf, daß eine Haftungder Vorstandsmitglieder bei schuldhafter Verletzung der ihnen obliegendenSorgfaltspflichten auch gegenüber den Mitgliedern der Genossenschaft [X.] wird. Darin unterscheidet sich die Norm von den älteren Haftungsre-gelungen im Genossenschaftsrecht, im Aktienrecht und im Recht der Gesell-schaft mit beschränkter Haftung. Das bedeutet indes entgegen der [X.] nicht, daß den Mitgliedern, zumal wenn sie aus der [X.] ausgeschieden sind, auch insoweit gehaftet wird, als es um [X.] persönlicher Ansprüche gegen die Genossenschaft geht. [X.] wird vom Schutzzweck des § 3 a [X.] nicht erfaßt. Das ergibtsich aus Folgendem.aa) Aus der Verantwortung gegenüber der Genossenschaft folgt, daßsich die Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung an deren Interessen zuorientieren haben ([X.], [X.], [X.], § 3 a [X.] [X.]. 18). Die [X.] Genossenschaft und die Interessen der in ihr verbundenen Genossen sindaber strukturell gleichgerichtet. Bei der eingetragenen Genossenschaft ergibtsich das aus § 1 Abs. 1 [X.], wonach die [X.] des [X.] oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder bezweckt. Gesellschaftszweck und- 8 -Mitgliederinteressen stimmen überein. Nichts anderes gilt für die [X.] und Gärtnerische Produktionsgenossenschaft. Nach § 1 Abs. 1LPGG 1982 besteht deren Zweck u.a. in der Verbesserung der Befriedigungder materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Mitglieder. Jedenfalls seitÜberwindung der [X.] kommt die-sem Postulat inhaltliche Bedeutung zu. Auch hier besteht seitdem also eineweitgehend übereinstimmende Interessenlage der Genossenschaft und der vonihr zu fördernden Genossen.bb) Infolgedessen haben die Vorstandsmitglieder in Erfüllung ihrer or-ganschaftlichen Pflichten gegenüber der Genossenschaft auch und gerade diegleichgelagerten Interessen der Genossenschaftsmitglieder zu wahren (für§ 3 a [X.]: [X.], in [X.], Offene Vermögensfragen, § 3 a [X.][X.]. 9; für § 34 [X.]: [X.], [X.], 13. Aufl., § 34 [X.]. 7; [X.], [X.],2. Aufl., § 34 [X.]. 15). Verletzen sie diese Pflichten, so treffen die Folgen nichtnur die Genossenschaft, sondern auch die in ihr verbundenen Genossen. [X.] bedeutet zugleich mittelbar eine Beeinträchti-gung der Förderinteressen aller Genossen ([X.] aaO § 34 [X.]. 4). [X.] die Regelung des § 3 a Satz 2 [X.], die im Falle einer schuldhaftenPflichtverletzung des Vorstands - anders als § 34 Abs. 2 Satz 2 Satz 1 [X.](und § 93 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 43 Abs. 2 GmbHG) - nicht nur der Genossen-schaft, sondern auch deren Mitgliedern einen eigenen Schadensersatzan-spruch gewährt. Dabei ist es eine nur technische und für die Bewertung uner-hebliche Frage, ob die Vorstandsmitglieder bereits die Einhaltung der Sorgfaltden [X.] schulden oder, was strukturell eher anzu-nehmen ist, ob sie kraft Gesetzes als mittelbar Geschädigte Ersatz verlangenkönnen, wenn die Pflichten gegenüber der Genossenschaft verletzt [X.] gründet die Haftung allein auf eine Verletzung solcher Interessen,die der Genossenschaft und ihren Mitgliedern gemeinsam [X.]) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts auch nicht aus der Gesetzgebungsgeschichte. Mit der Einfügung des§ 3 a [X.] durch das Gesetz zur Änderung des Landwirtschaftsanpas-sungsgesetzes und anderer Gesetze vom 3. Juli 1991 ([X.] 1410) wollteder Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, daß sich nach der [X.] die Beschwerden über tatsächlich oder vermeintlich unkorrekteVerhaltensweisen der nicht mehr der Kontrolle durch Staats- und Parteiorganeunterliegenden Vorstandsmitglieder [X.] mehrten, während weder das [X.] nochdas LPG-Gesetz eine umfassende Regelung der Organhaftung enthielten (vgl.Feldhaus, [X.], 1991, S. 9 f; [X.], Das Recht der landwirtschaftli-chen Betriebe nach dem [X.], 2. Aufl.,[X.]. 202). Die Novelle sollte die Möglichkeit einer Kontrolle der Geschäftstä-tigkeit der Vorstandsmitglieder eröffnen und weiteren unkorrekten Verhaltens-weisen vorbeugen (BT-Drucks. 12/161, [X.]). Die Vorschrift bezweckt damit,nicht anders als die Haftungsregelungen in § 34 [X.], § 93 [X.] und § 43GmbHG, eine Begrenzung der mit der Übernahme der Organstellung verbun-denen Organmacht (vgl. [X.] aaO § 34 [X.]. 2, 10; [X.], in [X.] [X.], § 93 [X.]. 15). Sie begründet eine Verantwortlichkeit [X.] gegenüber denjenigen, deren Vermögensinteressen sie [X.] ihrer Leitungsfunktion treuhänderisch zu verwalten haben (vgl. für dieGmbH [X.]Z 129, 30, 34). Das ist die Genossenschaft, auf deren [X.] Vorstand durch Handlungen und Unterlassungen rechtsgeschäftlicher odertatsächlicher Art unmittelbar einwirken kann, und das sind mittelbar die [X.] -senschaftsmitglieder, soweit es um ihre Beteiligung am [X.] geht. Sie sind es aber nicht, wenn ihre individualrechtlichen [X.] die Genossenschaft in Rede stehen. Dieses Vermögen unterliegt nichtder treuhänderischen Verwaltung des Vorstands. Rechte daraus sind von [X.] selbst geltend zu machen. Daß solche Rechte dem Schutz des§ 3 a [X.] unterstellt werden sollten, widerspräche dem [X.] ist den Materialien auch nicht zu entnehmen.3. Gemessen daran liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen füreine Haftung der Beklagten schon deswegen nicht vor, weil die Klägerin [X.] ihrem genossenschaftlich gebundenen Vermögen verletzt ist. Es geht [X.] um den Ausgleich des Schadens, der ihr dadurch entstanden ist, daßsie ihr persönlich zustehende [X.] gegen die Gesellschaftnicht realisieren kann. Das verletzte Interesse stimmt insoweit nicht mit [X.] der Genossenschaft überein, steht ihnen vielmehr sogarentgegen.Dieses persönliche Interesse der Klägerin hatte der Vorstand der [X.]nicht zu wahren. Zwar ist es Aufgabe des Vorstands, ein beendetes [X.] sachgerecht abzuwickeln und [X.] zu erfül-len. Die dabei zu beachtende Sorgfalt schuldet der Vorstand aber nicht im Inte-resse der Durchsetzung der Ansprüche der ausgeschiedenen Mitglieder, [X.] im Interesse der Genossenschaft und der in ihr verbleibenden Mitglieder,um sie nämlich vor etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen nicht ord-nungsgemäßer Erfüllung zu bewahren. Dieses Interesse deckt sich nicht mitdem individualrechtlichen Interesse des ausscheidenden Mitglieds. Jenes un-terliegt daher nicht dem Schutz des § 3 a [X.].- 11 -Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die Klägerin im Zeitpunkt des [X.] angelasteten Fehlverhaltens nicht mehr Mitglied der Genossen-schaft war, so daß es ohnehin nur noch um nachwirkende Pflichten des [X.] ihr gegenüber gehen könnte. Hier liegt eine Übereinstimmung der Inte-ressen der Genossenschaft und der - ausgeschiedenen - Mitglieder noch [X.].[X.] Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.[X.]Krüger [X.]

Meta

LwZR 8/02

15.11.2002

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2002, Az. LwZR 8/02 (REWIS RS 2002, 683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 683

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