Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2009, Az. 3 StR 223/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2646

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[X.] vom 7. Juli 2009 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. Juli 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Dezember 2008 aufgehoben a) mit den jeweils zugehörigen Feststellungen, soweit der An-geklagte wegen sexueller Nötigung und wegen Vergewalti-gung in jeweils einem Fall (Fälle [X.] und 4. der [X.]) verurteilt worden ist sowie im Ausspruch über die [X.]) im Ausspruch über die Kompensation einer Verfahrensver-zögerung; jedoch bleiben insoweit die zugehörigen [X.] aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- 3 - Gründe: 1 Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung sowie we-gen sexueller Nötigung in jeweils zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaats-widrigen Verfahrensverzögerung von dieser Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre und sechs Monate als verbüßt gelten. Mit seiner Revision beanstandet der An-geklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 2 1. Nach den Feststellungen leitete der Angeklagte, ein im Tatzeitraum bei der [X.] beschäftigter Rettungssanitäter, eine Gruppe, die sich mit realistischen Unfalldarstellungen befasste. An vier Abenden in der [X.] zwischen Dezember 2001 und April 2002 veranlasste er jeweils ein weibliches Mitglied dieser Gruppe, mit ihm in einen Kellerraum der [X.] in [X.]zu kommen. Dort nahm er an den jungen Frauen gegen deren Willen sexuelle Handlungen vor. In einem Fall (Fall II. 2. der Urteilsgründe) drang er u. a. mit einem Finger in die Vagina des Opfers ein. In einem weiteren Fall (Fall II. 4. der Urteilsgründe) führte er zunächst einen Gegenstand in die Scheide der Geschädigten ein; sodann übte er mit ihr den vaginalen [X.] aus. Im Fall [X.] der Urteilsgründe hielt er das Opfer durch die Ausübung von Druck mit seiner Hand auf ihren Bauch davon ab, sich aufzu-richten. Im Fall II. 2. der Urteilsgründe drückte er die Beine der Geschädigten auseinander. Das [X.] hat in diesen beiden Fällen die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB und daneben diejenigen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht; die Verurteilung wegen sexueller Nötigung im Fall [X.] der [X.] - teilsgründe sowie wegen Vergewaltigung im Fall II. 4. der Urteilsgründe hat es ausschließlich darauf gestützt, dass der Angeklagte die Opfer unter Ausnutzung einer schutzlosen Lage genötigt habe. 3 2. Die Annahme der Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB durch das [X.] hält in keinem Fall sachlichrechtlicher Prüfung stand; denn die Feststellungen belegen nicht, dass der Angeklagte die Geschädigten unter Ausnutzung einer Lage, in der sie seinen Einwirkungen schutzlos ausge-liefert waren, zur Duldung der sexuellen Handlungen nötigte. Von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB werden diejenigen Fälle erfasst, in denen zwar weder Gewalt ausgeübt noch mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Le-ben des Opfers gedroht wird, dieses aber aus Furcht vor möglichen Einwirkun-gen des [X.] auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet, weil es sich in einer hilflosen Lage befindet und ihm Widerstand gegen den überlegenen Täter aussichtslos erscheint (BGHSt 50, 359, 364 ff.; 51, 280, 284). Erforderlich ist dabei stets, dass sich das Opfer aus Angst vor körperlicher Beeinträchtigung, also vor [X.] oder gar Tötungshandlungen, nicht gegen den Täter zur Wehr setzt; es genügt nicht, dass es dies aus Furcht vor der Zufügung anderer Übel unterlässt (BGHSt 51, 280, 285; [X.], 533, 534). 4 Eine solche Angst der Opfer gerade vor körperlichen Beeinträchtigun-gen, die über die sexuellen Handlungen hinausgehen, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Die Ausführungen der [X.] im Rahmen der rechtlichen Würdigung, die Tatbestandsalternative sei deshalb erfüllt, weil der Angeklagte sich entsprechend dem von ihm zuvor gefassten Plan die abge-schiedene Lage des Raumes zunutze gemacht bzw. die sexuellen Handlungen 5 - 5 - in einer Lage vorgenommen habe, in der die Opfer seinem ungehemmten Ein-fluss preisgegeben gewesen seien, lässt vielmehr besorgen, dass das Tatge-richt gemeint hat, allein diese Umstände reichten zur Erfüllung der Vorausset-zungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB aus. Vor diesem Hintergrund ist den un-spezifischen Formulierungen in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe, die Geschädigten hätten im Falle des Widerstands befürchtet, dass der Angeklagte mit ihnen "noch Schlimmeres" anstellen könne, bzw. sie würden es mit aktivem körperlichen Widerstand "noch schlimmer machen" nicht zu entnehmen, dass damit die Furcht der Opfer gerade vor [X.] oder Tötungshand-lungen festgestellt ist. Hinzu kommt, dass das [X.] im Fall II. 4. der [X.] bei der rechtlichen Würdigung darauf abgestellt hat, der Angeklagte habe sich das von ihm zusätzlich vorgenommene Absperren der Tür zu einem Vorraum zunutze gemacht, während im Rahmen der Feststellungen ausgeführt wird, in der Hauptverhandlung habe nicht geklärt werden können, ob die Tür abgeschlossen war. 3. Aufgrund des dargelegten Rechtsfehlers kann der Schuldspruch in den Fällen [X.] und 4. der Urteilsgründe, in denen die Verurteilung wegen se-xueller Nötigung bzw. Vergewaltigung allein auf § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB beruht, keinen Bestand haben. Dies nötigt zur Aufhebung der Gesamtstrafe und damit - wegen der nicht ausschließbaren Möglichkeit, dass sich im weiteren Verlauf des Verfahrens Anlass zu einer noch höheren Kompensation ergibt - auch des [X.] über die Kompensation der festgestellten rechtsstaatswidrigen [X.]. Die diesbezüglichen Feststellungen sind allerdings ohne Rechtsfehler getroffen; sie können deshalb bestehen bleiben. 6 Demgegenüber bleibt der Schuldspruch in den Fällen [X.] und 2. der [X.] unberührt; denn das [X.] hat die Verurteilung wegen [X.] - 6 - ler Nötigung bzw. Vergewaltigung nicht nur auf § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB, son-dern daneben auch - insoweit rechtsfehlerfrei - auf § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB ge-stützt. Die [X.], auf die die [X.] in diesen beiden Fäl-len erkannt hat, haben ebenfalls Bestand. Das [X.] hat bei ihrer [X.] das Vorliegen zweier Nötigungsalternativen und den Umstand, dass nach seiner Auffassung insgesamt vier Straftaten gegeben waren, nicht straf-schärfend gewertet. Der Senat schließt deshalb aus, dass es auf niedrigere Ein-zelstrafen erkannt hätte, wenn es zutreffend davon ausgegangen wäre, dass die Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB bei keiner Tat vorlagen. 4. Sollte das neue Tatgericht in den aufgehobenen Fällen die Vorausset-zungen wenigstens einer Tatbestandsalternative des § 177 Abs. 1 StGB nicht feststellen können, wird es seinen Blick auch darauf zu richten haben, ob je-weils ein besonders schwerer Fall der Nötigung (§ 240 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 StGB) gegeben sein könnte. 8 [X.] von [X.] [X.]

Meta

3 StR 223/09

07.07.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2009, Az. 3 StR 223/09 (REWIS RS 2009, 2646)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2646

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