Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2014, Az. 2 StR 554/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6631

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2
StR
554/13

vom
2. April
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
des Verdachts der Vergewaltigung u.a.-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
2. April 2014, an der
teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. [X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Prof. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,
Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für
Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] an der
Lahn vom 3.
Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vergewal-tigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, der Nötigung sowie der ausbeuteri-schen Zuhälterei in 121 Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwalt-schaft hat Erfolg.
1. Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Die Nebenklägerin hatte sich in den vorbestraften neun Jahre älteren Angeklagten verliebt. Dieser bemerkte, "dass sich die Nebenklägerin, die viele Jahre in Kinderheimen verbracht hatte, nach einer dauerhaften Beziehung so-e-schicktem Vorgehen dazu bringen könnte, der Prostitution nachzugehen und ihm möglicherweise den Lohn zu übergeben"
(UA S. 4).

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-
4
-
Unter einem Vorwand fuhr der Angeklagte mit der 18-jährigen Nebenklä-gerin Ende Januar 2012 nach [X.], in der Absicht, dieser von der Prostitu-ierten M.

Techniken und Tricks für die Ausübung der Prostitution beibrin-gen zu lassen. Nachdem sie M.

abgeholt hatten, begaben sie sich zu dritt in ein vom Angeklagten unter falschem
Namen angemietetes
Hotelzimmer; dort verschloss der Angeklagte die Zimmertür und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche. Sodann "eröffnete er der Nebenklägerin, dass man nun einen n-genden Blick an"
(UA [X.]), woraufhin diese nicht widersprach. Im [X.] kam es zwischen dem Angeklagten, M.

und der Nebenklägerin zu wech-selseitigem Oral-
und Vaginalverkehr, wobei die Prostituierte M.

der [X.] "am Beispiel des Angeklagten"
verschiedene Techniken zeigte.
Auf dem Rückweg setzte der Angeklagte M.

in einem Bordell ab und erklärte der Nebenklägerin, auch sie am nächsten Abend in dieses Bordell zu fahren, "damit sie dort der Prostitution nachgeht"
(UA S.
7). Am folgenden Abend verbrachte der Angeklagte die Nebenklägerin wie angekündigt in
das
Bordell. Ob er sie an diesem Abend "mit einer an den Kopf gehaltenen Schuss-waffe bedrohte, ist offen"
(UA [X.]).
Nachdem der Nebenklägerin im Bordell die "Gepflogenheiten, die [X.] und die finanziellen Konditionen"
(UA [X.] f.) erklärt worden
waren, ging sie dort in der Folge
unter dem Namen "E.

"
der Prostitution nach. "Anfangs holte sie der Angeklagte noch in jeder Nacht ab und brachte sie am nächsten Abend wieder zurück"
(UA [X.]. Nach einiger [X.] verschlechterte sich das Verhältnis, da die
Nebenklägerin erkannte, dass der Angeklagte keine tieferge-henden Gefühle für sie hegte und zudem noch Beziehungen zu anderen Frauen unterhielt; schließlich stellte sie den Kontakt zu dem Angeklagten ein. Der Pros-4
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titution ging sie weiterhin nach, bis sie sich Anfang Juni 2012 u.a.
gegenüber ihrer Mutter offenbarte.
b) Die [X.] hält den
Tatbestand des § 177 Abs.
1 Nr. 2, Abs. 2 Satz
2 Nr.
1 und 2 StGB nicht für gegeben, da der von der Nebenklägerin ge-schilderte "durchdringende Blick"
(UA [X.]) für eine Drohung mit gegenwärti-ger Gefahr für Leib oder Leben nicht ausreiche. Auch der Tatbestand des § 239 StGB sei nicht erfüllt, weil es auch möglich sei, dass
der Angeklagte, der sich zur Sache nicht eingelassen hat, die Hotelzimmertür abgeschlossen hat,
um "lediglich ein Betreten des Raumes von außen"
(UA [X.]) zu verhindern.
Das [X.] hat sich ferner nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte die Nebenklägerin mit einer Schusswaffe bedroht hat.
[X.] habe die Nebenklägerin bei dem Angeklagten nur eine Schusswaffe gesehen, wofür auch deren Angaben "bei einem
Vorgespräch"
gegenüber ei-nem Polizeibeamten
sprächen.
Im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz seien schließlich auch keine Fest-stellungen zu einer Ausbeutung im Sinne des §
181a Abs.
1 Nr.
1 StGB zu tref-fen gewesen. Weder der [X.]raum der Ausbeutung noch der Umfang der von der Nebenklägerin an den Angeklagten abgeführten Gelder sei aufgrund ihrer unterschiedlichen Angaben hinreichend sicher festzustellen.
2.
Das angefochtene Urteil steht insgesamt zur Überprüfung durch das Revisionsgericht. Die Beschwerdeführerin hat die Aufhebung des Urteils in vol-lem Umfang beantragt. Der Revisionsbegründung, in der u.a. ausgeführt wird, dass die getroffenen Feststellungen zum tatsächlichen Geschehensablauf ei-nen -
nicht erfolgten
-
Schuldspruch gemäß §
232 Abs.
1 Satz 2 StGB trügen, lässt sich jedenfalls eine zweifelsfreie Beschränkung des Rechtsmittels auf ein-zelne [X.] nicht entnehmen. Im Zweifel ist indes von einer 7
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-
umfassenden Anfechtung auszugehen (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
September 1996 -
4 [X.], [X.], 35; [X.] in [X.], 7.
Aufl., §
344 Rdn.
3).
3. Das angefochtene Urteil wird schon den Anforderungen an die [X.] bei einem freisprechenden Urteil nicht gerecht. Spricht das Tatgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen frei, so muss es in den Urteilsgründen den [X.], die hierzu getroffenen Feststellungen, die wesentlichen Beweisgründe und seine rechtlichen Erwägungen mitteilen (vgl. [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., Rdn.
622 ff. [X.]). Diese Mindestvoraussetzungen sind überwiegend nicht erfüllt. Das Urteil leidet an Darstellungs-
und Erörterungsmängeln.
a)
Die Urteilsgründe geben bereits nicht die einzelnen Anklagevorwürfe in den wesentlichen Einzelheiten der vorgeworfenen Tathandlungen wieder, sondern setzen sie als bekannt voraus. Die aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmenden fragmentarischen Details sind nicht geeig-net, dem Revisionsgericht eine umfassende Nachprüfung zu ermöglichen (vgl.
[X.], Urteile vom 17. Dezember 2008 -
1 [X.], [X.], 116
f. und vom 26.
April 1990 -
4 StR 24/90, [X.]St 37, 21, 22).
b)
Die Urteilsgründe enthalten außerdem nur einzelne
Feststellungen zum Werdegang, Vorleben
und zur Persönlichkeit des -
vor dem angeklagten Geschehen aus der Strafhaft entlassenen
-
Angeklagten. Zu umfassenderen Feststellungen ist das Tatgericht indes verpflichtet, wenn diese -
z.B. bei ein-schlägigen Vorverurteilungen
-
für die Beurteilung des [X.] eine Rolle spielen können (vgl.
[X.], Urteile vom 21. November 2013
-
4 [X.], [X.], 172 und vom 23.
Juli 2008 -
2 StR 150/08, [X.]St 52, 314, 315).

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Die Notwendigkeit, die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten [X.] in den Blick zu nehmen, nähere Feststellungen zu dessen Lebenslauf, Werdegang und Persönlichkeit zu treffen sowie diese in den Urteilsgründen darzulegen, richtet sich zwar stets nach den Umständen des Einzelfalles. Hier ergibt sich die Notwendigkeit indes bereits aus den
dem Angeklagten zum [X.] gemachten Straftaten, die im "Rotlichtmilieu"
angesiedelt sind. Da der vor-bestrafte Angeklagte
nach den Urteilsfeststellungen zudem über "Kontakte zu einem örtlichen Rockerclub"
(UA S. 4) verfügt, liegt es nicht fern, dass den per-sönlichen Verhältnissen des Angeklagten, dessen Vorstrafen nicht näher
mitge-teilt werden, Bedeutung auch für die Beurteilung des [X.] zukommen kann.
c)
Zu Recht beanstandet die Revision, dass das
[X.]
-
wie es selbst, freilich erst nachträglich, erkannt hat (UA S. 17)
-
seiner Kognitionspflicht (§
264 StPO) nicht genügt hat. Die getroffenen Feststellungen vermögen einen Schuldspruch gemäß § 232 Abs.
1 Satz 2 StGB zu begründen. Die [X.] des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin im Hotelzimmer in [X.] und deren Verbringung in ein Bordell an den darauffolgenden Tagen
mün-deten letztlich darin, dass die 18-jährige Nebenklägerin -
wie vom Angeklagten beabsichtigt
-
die Prostitution aufgenommen hat.
Zudem liegt es
nach den Ur-teilsfeststellungen nahe, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in der [X.] -
zumindest "anfangs"
(UA S.
8)
-
zur Fortsetzung der Prostitution veran-lasst hat.
d) Soweit sich das [X.] nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte die
Nebenklägerin mit einer Pistole bedroht hat, teilt die [X.] schließlich schon nicht die Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsver-fahren und in der Hauptverhandlung hinsichtlich dieses -
überdies von zwei Zeugen von Hörensagen bestätigten
-
Geschehens
im Einzelnen mit. Dies war 14
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8
-
hier indes erforderlich, weil sich das Tatgericht im Übrigen von der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin
im Kernbereich überzeugt hat. Bei dieser Be-weissituation durfte sich die [X.] nicht allein auf Angaben der Neben-klägerin im Rahmen eines polizeilichen Vorgesprächs beschränken, ohne inso-weit Einzelheiten mitzuteilen.
Eine umfassende Nachprüfung der Überzeu-gungsbildung ist so nicht möglich.
4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin,
dass die Begründung der [X.], im Hinblick auf den Zweifelsgrundsatz
hätten keine tragfähigen
Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Ausbeutung im Sinne des §
181a Abs.
1 Nr.
1 StGB getroffen werden können, rechtlich be-denklich ist. Gegebenenfalls kann und muss das Gericht aufgrund von Min-destangaben der Nebenklägerin den [X.]raum und das Ausmaß der [X.] bestimmen (vgl. [X.] in [X.], 7. Aufl.,
§
261 Rdn. 59, 76 [X.]). Ob der Angeklagte hier aber zu der Nebenklägerin überhaupt über den Einzelfall hin-ausgehende Beziehungen gemäß §
181a Abs.
1 StGB unterhalten hat
(zum Rechtsgut vgl. auch Fischer, StGB, 61. Aufl., §
181a Rdn. 2 f.), wird der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter in den Blick zu nehmen haben.
17
-
9
-
Im Übrigen verweist der Senat hinsichtlich der lückenhaften Beweiswür-digung zum Freispruch jedenfalls vom Vorwurf der Freiheitsberaubung auf die Ausführungen des [X.] in seiner Terminszuschrift vom 7.
Januar 2014.

[X.]

[X.]

[X.]

Eschelbach [X.]
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Meta

2 StR 554/13

02.04.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.04.2014, Az. 2 StR 554/13 (REWIS RS 2014, 6631)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6631

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

4 StR 235/16

Zitiert

4 StR 242/13

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