Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. 2 StR 75/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 10138

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 75/15
vom
9. Juni
2015
in der Strafsache
gegen

wegen schweren Menschenhandels u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.], zu Ziffer 3 auf dessen Antrag,
und nach Anhörung des [X.] am 9.
Juni
2015 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des
Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30.
Oktober 2014
a)
im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in zwei Fällen schuldig ist, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis,
b)
im Strafausspruch aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Jugendkammer des [X.]s zu-rückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision des
Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhan-dels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, jeweils in Tateinheit mit Zuhälte-rei, Körperverletzung und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, unter [X.]
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3
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beziehung der Strafe aus einem Urteil des [X.] zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten sowie wegen schweren Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit Zu-hälterei zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Zudem hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren verhängt. [X.] hat es den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerin

W.

ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro und einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 750 Euro jeweils nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s wollte der Angeklagte seinen Lebensunterhalt dadurch
bestreiten, dass er junge Frauen unter [X.] einer Absicht zur künftigen gemeinsamen Lebensführung dazu ver-anlasste, für ihn der Prostitution nachzugehen.
a) Am 21.
Dezember 2013 bewegte der Angeklagte die damals 18jährige Nebenklägerin W.

dazu, von 17.00 Uhr bis 02.00 Uhr am folgenden Morgen in einem Bordell zu arbeiten. Er erläuterte
ihr die Vorgehensweise, fuhr sie ohne Fahrerlaubnis mit seinem Auto zum Bordell, gab ihr 65 Euro "Eintritts-geld"
und holte sie später wieder ab. Das von der Nebenklägerin verdiente Geld in Höhe von 550 Euro nahm er ihr ab. Am nächsten Tag arbeitete die [X.] erneut in dem Bordell und lieferte ihren Verdienst von 50 Euro beim Ange-klagten ab. Dieser bot ihre sexuellen Dienste auch im [X.] an, nannte dort ein Entgelt von 150 Euro pro Stunde, fügte Fotos der Geschädigten in [X.] bei und machte mit [X.] Termine aus. Am 2.
Januar 2014 bediente die Geschädigte einen derart angeworbenen Kunden in einem dafür vorgesehenen 2
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Zimmer in der Wohnung des Angeklagten. Weil sie anschließend berichtete, dass sie sich unwohl gefühlt habe, schlug der Angeklagte sie mit der flachen Hand ins Gesicht. Daraufhin brach die Nebenklägerin W.

den Kontakt zum Angeklagten ab, der sie auch "sofort fallen ließ".
b) Im März 2014 nahm der Angeklagte eine Beziehung mit der zur [X.] 16jährigen Nebenklägerin G.

auf, der er die Aussicht auf eine gemein-same Zukunft vorspiegelte. Auf das Drängen des Angeklagten war sie nach anfänglichem Zögern bereit, für ihn der Prostitution nachzugehen. Er warb für ihre sexuellen Dienste gegen Zahlung von 150 Euro pro Stunde mit Fotos im [X.]. Vom 14.
bis 21.
April 2014 ging die Nebenklägerin G.

im "Verrich-tungszimmer"
in der Wohnung des Angeklagten der Prostitution nach und musste ihre Einnahmen "im Wesentlichen an den Angeklagten abgeben". Dann kam es zum Streit, weil der Angeklagte darüber verärgert war, dass die Ge-schädigte morgens zur Schule ging, abends zu den Eltern nach Hause zurück-kehren musste und deshalb wenig Zeit hatte für ihn zu "arbeiten". Der Ange-klagte schlug sie mit der flachen Hand ins Gesicht, worauf sie ihn verließ.
2. Das [X.] hat den ersten Fall als Menschenhandel zum Zwe-cke der sexuellen Ausbeutung im Sinne von §
232 Abs. 1 Satz 2, Abs.
3 Nr.
3 StGB
in Tateinheit mit Zuhälterei gemäß §
181a Abs.
1 Nr.
2 StGB und in weite-rer Tateinheit mit Körperverletzung (§
223 Abs.
1 StGB mit Strafantrag der Ne-benklägerin) sowie vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (§
21 StVG) be-wertet. Im zweiten Fall ist es von schwerem Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung (§
232 Abs.
1 Satz 2, Abs.
3 Nr.
3 StGB) in Tateinheit Zuhälterei (§
181a Abs.
1 Nr.
2 StGB) ausgegangen. Einen Fall der Veranlas-sung zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution mit Gewalt, Drohung oder List (§
232 Abs.
4 Nr. 1 StGB) oder des sexuellen Missbrauchs einer Jugendli-4
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5
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chen unter Ausnutzung einer Zwangslage (§
182 Abs.
1 Nr.
2 StGB) hat das [X.] nicht festgestellt.
II.
1. Die Revision des
Angeklagten ist begründet, soweit sie
sich gegen den Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Zuhälterei wendet. Im Übri-gen ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Gemäß §
181a Abs. 1 Nr.
2 StGB macht sich strafbar, wer seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der [X.] überwacht, Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsaus-übung bestimmt oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Pros-titution aufzugeben und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält. In
allen Varianten muss vom Täter ein bestimmender Einfluss auf das Opfer genommen werden; eine bloße Unterstützung der Prostitutionsausübung reicht -
auch mit Blick auf die Intention des Gesetzgebers bei dem am 1.
Januar 2002 in [X.] getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostitution (BGBl.
2002 I S.
3983)
-
nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein Verhalten des [X.], das geeignet ist, die Prostituierte in Abhängigkeit von ihm zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltiger Prostitutionsaus-übung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise nachhaltig zu beeinflussen (vgl. [X.], Beschluss vom 1.
August 2003 -
2 [X.], [X.], 314, 317). Kontrollmaßnahmen, wie sie auch einem Arbeitgeber möglich sind, müssen von dirigierenden Handlungen im Sinne des §
181a Abs.
1 Nr.
2 StGB abgegrenzt werden (vgl. [X.], Urteil vom 10.
Februar 2010
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5 [X.], [X.], 274). Beim Überwachen geht
es
um eine andau-ernde Kontrolle der Geldeinnahmen, der Buchführung und der Preisgestaltung für die sexuellen Dienstleistungen, die eine wirtschaftliche Abhängigkeit der 6
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Prostituierten bewirken kann, welche ihr eine Lösung aus der Prostitution er-schwert. Das Bestimmen der Umstände der Ausübung der Prostitution muss
zur Erfüllung des Tatbestands gemäß §
181a Abs.
1 Nr.
2 StGB in einer Weise erfolgen, dass sich die Prostituierte den Weisungen nicht entziehen kann. [X.] Akzeptieren von Bedingungen schließt dirigierende Zuhälterei in diesem Sinne aus. Die dritte
Variante liegt vor, wenn der Täter, der Beziehungen zu der Prostituierten unterhält und um des eigenen Vermögensvorteils willen handelt, Maßnahmen ergreift, welche das Opfer davon abhalten sollen die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon nur Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der Prostitution zu verbauen ([X.], Urteil vom 9.
Oktober 2013 -
2 StR 297/13, [X.], 453, 455).
b) Nach diesen Maßstäben liegt in den abgeurteilten Fällen keine diri-gierende Zuhälterei vor.
Das [X.] hat schon in den Vorgaben des Angeklagten zu Zeit, Ort und Preis der Prostitutionsausübung sowie in der Werbung im [X.] ei-nen Fall des §
181a Abs.
1 Nr. 2 StGB gesehen. Diese Handlungen stellen aber weder eine Kontrolle dar, die geeignet gewesen wäre zu verhindern, dass sich die [X.] aus der Prostitution lösten, noch waren die Umstände der Prostitutionsausübung mit einer entsprechenden Wirkung vom Angeklagten bestimmt worden. Schließlich hat er über die Aufnahme von Beziehungen zu den [X.] und die Aufforderung zur Prostitutionsausübung an [X.] hinaus keine erheblichen Maßnahmen getroffen, die eine Durchsetzung ih-res Entschlusses zur Beendigung der Prostitutionsausübung zu verhindern [X.] waren. Die [X.] konnten sich tatsächlich ohne erhebliche Hinderung durch Maßnahmen des Angeklagten alsbald aus der Prostitution lö-sen.
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c) Der [X.] ändert deshalb den Schuldspruch in beiden Fällen dahin, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Zuhälterei entfällt. §
265 Abs.
1 StPO steht nicht entgegen.
2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Straf-ausspruchs wegen einer fehlerhaften Wertung durch das [X.]. Das [X.] hat bei der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt, dass tat-einheitlich Zuhälterei vorgelegen habe. Der [X.] kann deshalb nicht sicher ausschließen, dass bereits der Ausspruch über die Einzelstrafen auf der rechts-fehlerhaften Bejahung dieses Tatbestands beruht. Deshalb entfällt auch die Gesamtfreiheitsstrafe. Die zur Frage der Strafzumessung rechtsfehlerfrei ge-troffenen Feststellungen können aufrecht erhalten bleiben.
3. [X.] der Nebenklägerin W.

bleibt unberührt, soweit der Angeklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes dem Grunde nach und zur Zahlung eines Betrages von 750 Euro nebst Zinsen zum Ersatz von materiellen Schäden verurteilt wurde. Insoweit hat der Ange-klagte die Forderungen anerkannt.
Eine mögliche Änderung der Adhäsionsent-scheidung hinsichtlich der Höhe des Schmerzensgeldes bleibt dem neuen Tat-10
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gericht vorbehalten (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Februar 2015 -
2
StR 388/14). Auf den [X.] des [X.]s vom 8.
Oktober 2014 -
2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 ([X.] 2015, 94 ff. = [X.] 2015, 203 ff. mit [X.]. [X.]) wird hingewiesen.
Fischer [X.]Eschelbach

Zeng

Bartel

Meta

2 StR 75/15

09.06.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.06.2015, Az. 2 StR 75/15 (REWIS RS 2015, 10138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 10138

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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