Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2013, Az. 2 StR 297/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2202

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

I[X.] NA[X.]EN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 297/13

vom
9. Oktober
2013

in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen ausbeuterischer Zuhälterei u.a.

-
2 -

Der 2.
Strafsenat des [X.]s hat aufgrund der Verhandlung am 25.
September 2013
in der Sitzung am 9. Oktober 2013, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Zeng,

[X.] beim [X.]

in der Verhandlung,
Staatsanwältin beim [X.]

bei [X.]ekanntgabe der Verfügung,
Staatsanwalt beim [X.]

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger
des Angeklagten S.

,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter der Nebenklägerin A.

,

Justizangestellte

in der Verhandlung,
Justizangestellte

bei der Verkündung

als Urkundsbeamtinnen
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3 -

1.
Auf die Revision des Angeklagten S.

wird das Urteil des [X.] vom 11. Februar 2013, auch soweit es die [X.]itangeklagte [X.]

betrifft und soweit beide
Angeklagten
ver-urteilt worden sind,
mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung
wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurückver-wiesen.
3.
Die Revision der
Nebenklägerin A.

gegen das vorge-nannte Urteil wird verworfen.
Die Nebenklägerin hat die Kosten
ihres Rechtsmittels und die den
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Ausla-gen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten S.

wegen ausbeuterischer Zu-hälterei in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit schwerem [X.]enschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und mit vorsätzlicher Körperverletzung (Fall 1 der Urteilsgründe),
sowie wegen versuch-ten
schweren
[X.]enschenhandels
zum Zweck der
sexuellen Ausbeutung in [X.]

-
4 -

einheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 2 der Urteilsgründe),
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs [X.]onaten verurteilt.
Die Ange-klagte [X.]

hat es wegen [X.]eihilfe zur
ausbeuterischen
Zuhälterei in Tateinheit mit dirigistischer Zuhälterei zu einer Freiheitsstrafe von sechs [X.]onaten verurteilt und deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt. Im Übrigen hat das [X.] beide Angeklagten freigesprochen.
Die Revision des Angeklagten
S.

, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts
rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg. Von der Aufhebung erfasst wird auch die Verurteilung der nichtrevidierenden [X.]itangeklagten [X.]

.
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts ge-stützte
Revision, mit der sich die Nebenklägerin A.

gegen den [X.] beider Angeklagten
wendet,
ist unbegründet.

A.
Die Revision des Angeklagten
S.

ist begründet.

[X.]
1.
Der Verurteilung des Angeklagten liegen folgende Feststellungen des [X.] zugrunde:
Der Angeklagte war mit der [X.]itangeklagten
[X.]

befreundet, die
in ei-ner
Wohnung im ersten Stock des Hauses
Sch.

der Prostitution nachging. Im [X.]ärz 2012 bezog die Geschädigte [X.].

ein [X.] im zwei-ten Stock und ging dort auf Veranlassung einer Frau namens J.

ebenfalls 2
3
4
5
6

-
5 -

der Prostitution nach. Der Angeklagte hatte zwischenzeitlich beschlossen, sich als gewerblicher [X.]vermieter zu betätigen,
und besprach mit dem Vermie-ter
des Hauses, die Wohnung im ersten und eine weitere im vierten Stock des Hauses anzumieten. Er plante, die
einzelnen [X.] dieser Wohnungen selb-ständig an [X.] unterzuvermieten, deren sämtliche Einkünfte an sich zu nehmen
und ihnen nur nach Gutdünken Geld zum Eigenbedarf zuzuweisen;
den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte wollte er für sich selbst verwenden.
a) In Umsetzung dieses Plans "kaufte"
der Angeklagte die Geschädigte [X.].

für 1.400

.

ab. Er einigte sich mit der Geschädigten
da-hin, dass diese
ab dem 20. [X.]ärz 2012 in der Wohnung im ersten Stock arbeiten und dafür die Hälfte ihrer Einnahmen an den Angeklagten abgeben sollte. Die Geschädigte nahm ihre Arbeit auf, hatte aber vom 20.
[X.]ärz bis zum
26.
April 2012 ihre sämtlichen
Einnahmen der [X.]itangeklagten [X.]

zu übergeben, die die Gelder jeweils an den Angeklagten weiterleitete. Die Preise bezüglich der Art und Dauer ihrer sexuellen Dienstleistungen waren ihr vorgegeben. Die Ge-schädigte hatte keinen Überblick über ihre Einnahmen.
Sie konnte weder lesen noch
schreiben;
auch das Rechnen sowie die [X.] beherrschte sie nur rudimentär. In dem genannten [X.]raum überwies sie mit Hilfe des [X.] bei drei Gelegenheiten 100

an ihre Familie in [X.].

.
Zu einem nicht feststellbaren [X.]punkt während ihres Aufenthalts hatte die Geschädigte keine Lust mehr, in dem Haus Sch.

zu arbeiten.
Der Angeklagte teilte ihr daraufhin mit, dass
sie erst gehen könne, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abgearbeitet habe; sie könne allerdings ihre Schwester zum Weiterarbeiten schicken. Da die Schwester der Geschädigten dies ablehnte, blieb die Geschädigte in der Sch.

. Zu einem [X.] nicht feststellbaren [X.]punkt schlug der Angeklagte die Geschädigte min-7
8

-
6 -

destens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht, schubste sie gegen die Wand und trat sie, weil er den Verdacht hegte, sie
liefere nicht ihren gesamten Ver-dienst an ihn ab. Am 22. April 2012 unterschrieb die Geschädigte einen [X.] ([X.] von 75

für ein [X.])
und einen weiteren [X.], in dem sie erklärte, dem Angeklagten 1.300

b) In Umsetzung seines Plans "kaufte"
der Angeklagte auch die [X.]

, die bislang in einem anderen [X.] nachging, von einem

[X.]

und einer weiteren Person. Die Geschädigte
bezog am 27.
[X.]ärz 2012 ein [X.] im ersten Stock des Hauses Sch.

und ging jedenfalls drei Tage
lang der Prostitution nach. Ihre gesamten Ein-nahmen hatte sie der [X.]itangeklagten [X.]

zu übergeben, die die Gelder an den Angeklagten S.

weiterleitete. Am 31. [X.]ärz 2012 wurde bei der Geschä-digten
eine Schwangerschaft festgestellt. Sie verbrachte unter wechselnder Aufsicht der [X.]itangeklagten [X.]

, der Nebenklägerin A.

und der [X.] [X.].

zwei Tage im Krankenhaus. Nach ihrer Rückkehr [X.] sie sich,
der Prostitution
nachzugehen. Der Angeklagte
verlangte ihre Wei-terarbeit und
verbot ihr
in der Folgezeit, das Haus zu verlassen, was die [X.]itan-geklagte [X.]

und die Nebenklägerin A.

überwachten. Am
4.
April 2012 unterzeichnete sie einen Darlehnsvertrag über 7.000

und am 13.
April 2012 einen Untermietvertrag ([X.] von 75

für ein [X.]).
Nach einem am 10.
April 2012 erfolgten Schwangerschaftsa[X.]ruch
floh die
Geschädigte zu

[X.]

, der sie aber zu dem Angeklagten zurückbrachte. Am 25. April
2012 gelang
der Geschädigten wiederum die Flucht. Der Angeklagte spürte sie auf und brachte sie zurück. In Anwesenheit
der [X.]itangeklagten [X.]

, der [X.] [X.].

sowie der
Nebenklägerin A.

und der
Zeugin T.

[X.].

schlug er auf die Geschädigte [X.]

mit der [X.] ein. [X.] sie zu [X.]oden gegangen war, trat er weiter mit Schuhen auf sie ein, um ihr 9

-
7 -

klar zu machen, dass sie im
Haus zu bleiben und der Prostitution nachzugehen habe. Das [X.] in Gegenwart der anderen Frauen diente aber auch [X.], diesen eindrucksvoll deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihre vertraglichen Verpflichtungen ihm gegenüber nicht erfüllen
würden. Später ging der Angeklagte mit der Geschädigten in
ein Nebenzimmer und prügelte
gemeinsam
mit dem hinzugerufenen Zeugen H.

weiter auf sie ein.

2. Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten [X.]

hat das [X.] als tateinheitlich begangene ausbeuterische und dirigistische Zu-hälterei (§
181a Abs.
1 Nr.
1 und 2 StG[X.]) -
(Fall 1) -
sowie als versuchten
schweren [X.]enschenhandel zum Zweck der
sexuellen Ausbeutung (§
232 Abs.
1 Satz
1, Abs.
4 Nr.
1, §
22, 23 StG[X.]) in Tateinheit mit gefährlicher Kör-perverletzung (§
224 Abs.
1 Nr.
4) -
(Fall 2) -
gewertet.

Die Handlungen zum Nachteil der Geschädigten
[X.].

hat das [X.] als tateinheitlich begangene ausbeuterische
Zuhälterei

181a Abs.
1 Nr.
1 StG[X.]), schweren [X.]enschenhandel
zum Zweck der sexuellen Aus-beutung

232 Abs.
1 Satz
1, Abs.
4 Nr.
1 StG[X.])
und vorsätzliche Körperver-letzung (§
223 StG[X.]) gewertet
und Tateinheit zu den
zum Nachteil der Geschä-digten [X.]

im Fall
1) erfolgten Handlungen angenommen.

I[X.]
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Auf die Ver-fahrensrügen
kommt es nicht mehr an.

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12

-
8 -

1. Die Verurteilung hat im Ergebnis keinen [X.]estand, auch wenn die An-nahme einzelner tateinheitlich verwirklichter Straftatbestände an sich nicht zu beanstanden ist. Im Einzelnen ergibt sich dies aus Folgendem:

a)
Der Schuldspruch wegen ausbeuterischer Zuhälterei gemäß § 181a Abs. 1 Nr. 1 StG[X.] zum Nachteil der Geschädigten [X.]

und [X.].

begegnet keinen rechtlichen
[X.]edenken.

Eine Ausbeutung liegt vor, wenn dem Opfer in objektiver Hinsicht
ein er-heblicher Teil der Einnahmen entzogen wird und dies zu einer gravierenden [X.]eschränkung der persönlichen und wirtschaftlichen [X.]ewegungs-
und Ent-scheidungsfreiheit führt, die geeignet ist, dem Opfer die Lösung aus der [X.] zu erschweren (Fischer,
StG[X.], 60. Aufl. § 181a Rdn. 7). Zwar setzt eine solche Annahme im Regelfall Feststellungen zur Höhe der Einnahmen und Ab-gaben der Prostituierten voraus ([X.]GH, Urteil vom 20.
Oktober 1988 -
4 [X.], [X.], 67). Allerdings steht das Fehlen exakter Feststellungen zu Einnahmen und Ausgaben einer Verurteilung wegen ausbeuterischer Zuhälterei nicht zwingend entgegen. Wenn -
wie hier -
die Prostituierten ihre gesamten Einnahmen abgeben müssen und nur gelegentlich geringe Summen zur Weiter-leitung an ihre Familie zurückerhalten, ist ohne Weiteres von einer Ausbeutung im Sinne des §
181a Abs.
1 Nr.
1 StG[X.] auszugehen (vgl. Senatsurteil vom 21.
Juli 1993 -
2 [X.], [X.], 32, 33 und vom 3.
[X.]ärz 1999
-
2
StR
608/98, [X.], 349, 350; [X.]GH, [X.]eschluss vom 20.
April 2004 -
4 [X.]). Ob und inwieweit es sich bei den Zahlungen der Geschädigten auch um eine [X.]egleichung von [X.] handelte, kann dabei offen bleiben. Eine Ausbeutung der Geschädigten bestand
jedenfalls darin, dass sie ungeachtet möglicherweise bestehender konkreter [X.] täglich ihre gesamten Einnahmen an den Angeklagten abgeben
mussten.
13
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-
9 -

b) Auch die Annahme einer dirigistischen Zuhälterei zu Lasten der [X.] [X.]

im Fall 1) hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Der rechtlichen Würdigung des [X.] ist zwar nicht zu entnehmen, von welcher Variante des §
181a Abs. 1 Nr. 2 StG[X.] es ausgegangen ist.
Die Feststellungen belegen aber, dass der Angeklagte jedenfalls im Sinn der 3. Variante des §
181a Abs.
1 Nr.

die Geschädigte davon abhalten sollten, die Prostitution aufzugeben. Erfasst werden hiervon Vorkehrungen, die das Opfer in seiner Entscheidungsfreiheit zu beeinträchtigen geeignet und darauf gerichtet sind, ihm den Weg aus der [X.] zu verbauen ([X.]GH, [X.]eschluss vom 9.
April 2002 -
4
StR 66/02, [X.], 163; [X.]eschluss vom 13.
November 2001
-
4
StR 408/01). Dass es sich hier so verhält, kann den Urteilsgründen noch entnommen werden.
Nachdem die Geschädigte wegen [X.]lutungen ins Krankenhaus eingeliefert worden war, befürchtete der Angeklagte, sie könne weglaufen und die Prostitution aufgeben. Er ließ sie deshalb tagsüber von der [X.]itangeklagten [X.]

und der Nebenklä-gerin A.

und in der Nacht von der Geschädigten [X.].

bewachen. Die Geschädigte fühlte sich durch diese [X.]aßnahmen nach wie vor in der [X.] festgehalten. Erst
nach ihrer Rückkehr in das Haus Sch.

weigerte sie sich, fortan der Prostitution nachzugehen.
c) Die Annahme eines schweren [X.]enschenhandels zum Zweck der
se-xuellen Ausbeutung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nach-teil der Geschädigten [X.].

begegnet durchgreifenden rechtlichen [X.]eden-ken.
aa) Im Hinblick auf die zum Nachteil der Geschädigten [X.].

abge-urteilte vorsätzliche Köperverletzung begegnet schon die den Feststellungen zugrunde liegende [X.]eweiswürdigung durchgreifenden rechtlichen [X.]edenken.
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10 -

Die [X.]eweiswürdigung ist zwar grundsätzlich
Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die [X.]eweiswürdigung -
wie hier -
widersprüchlich
ist
(st. Rspr.; vgl. [X.]GH, Urteil vom 30.
[X.]ärz 2004 -
1 [X.],
[X.], 238; Urteil vom 11.
Januar 2005 -
1 [X.], [X.], 147;
Urteil vom 2.
Dezember 2005 -
5 [X.], [X.], 925, 928).

Das [X.] stützt seine Feststellung, dass der Angeklagte die Ge-schädigte mindestens einmal mit der flachen Hand ins Gesicht
schlug, sie ge-gen die Wand schubste und trat, allein
auf die geständige Einlassung des [X.] ([X.]). Dies widerspricht
aber der Wiedergabe
der im Rahmen der [X.]eweiswürdigung geschilderten Einlassung des Angeklagten, der zwar eine Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin A.

und der Geschä-digten [X.]

eingeräumt, im Übrigen aber ausdrücklich erklärt habe, mit Ausnahme dieser zwei von ihm eingestandenen Fälle keine der Frauen ge-schlagen zu haben ([X.], 47, 48).
[X.]) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren
[X.]s § 232 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Nr. 1

zu Lasten der [X.] [X.].

begegnet sachlich-rechtlichen [X.]edenken.
Dabei ist schon nicht nachzuvollziehen, warum die [X.] §
232
Abs.
1 StG[X.] -
dessen Voraussetzungen durch die Feststellungen zudem nicht belegt werden
-
neben dem ausgeurteilten schweren [X.]enschenhandel des §
232 Abs.
4 StG[X.] als an-gewandte Vorschrift erwähnt hat. §
232 Abs.
4 StG[X.] ist ein keine Qualifikation des §
232 Abs.
1 StG[X.], sondern ein eigenständiger Straftatbestand mit von §
232 Abs.
1 StG[X.] unabhängigen Voraussetzungen. Im Übrigen hat das
[X.] im Rahmen seiner
rechtlichen Würdigung schon nicht erkennen lassen, von welcher Variante des §
232 Abs.
4 Nr.
1 StG[X.] es ausgegangen ist.
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-
11 -

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
232 Abs.
4 Nr.
1 StG[X.]
sind indes in keiner Variante belegt.
Der Angeklagte hat zwar die Geschädigte zu einem nicht
näher bekannten [X.]punkt einmal ins Gesicht geschlagen, ge-schubst und getreten
und insofern Gewalt im Sinne des §
232 Abs.
4 Nr.
1 StG[X.] angewandt. Ungeachtet dessen, dass für diese Feststellung der [X.] -
wie zuvor ausgeführt
-
schon eine Tatsachengrundlage
fehlt, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, dass die
Geschädigte zu diesem [X.]punkt die Prostitution überhaupt aufgeben oder einschränken wollte
und die erfolgten Schläge sie daher zur Fortsetzung der Prostitution veranlassen sollten. Die
Gewalthandlung erfolgte vielmehr ausdrücklich allein als Sanktion dafür, dass der Angeklagte vermutete, die Geschädigte gebe ihre Einnahmen nicht [X.] an ihn ab. Weitere Gewalthandlungen oder auch Drohungen gegenüber der Geschädigten
sind nicht festgestellt. Soweit am 25.
April 2012 [X.] gegen die Geschädigte [X.]

erfolgten und diese dazu dienten, auch die Geschädigte [X.].

einzuschüchtern, ist ebenfalls nicht [X.], dass die Geschädigte die Prostitution zu diesem [X.]punkt aufgeben [X.].

232 Abs.
4 Nr.
1 StG[X.] ist nicht mit Feststellungen der [X.] belegt. Der Angeklagte
brachte zwar die Geschädigte überhaupt nur durch eine Täuschung zur Aufnahme der [X.]
in seinen Räumlichkeiten, indem er ihr vorspiegelte, sie müsse nur die Hälfte ihrer Einnahmen an ihn abgeben. Dieses Verhalten begründet aber noch keine

232 Abs.
4 Nr.
1 StG[X.], die ein Ausschalten
des Wi-derstands des Opfers
gegen die Prostitution durch täuschende [X.]achenschaften
erfordert. Das lediglich unredliche und arglistige Schaffen eines Anreizes ge-genüber
einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, genügt zur Verwirklichung des Verbre-23
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-
12 -

chenstatbestands nicht (vgl.
Urteil vom 3.
Juni 1980 -
1 [X.]; [X.]GH, Urteil vom 20.
Oktober 1997 -
3 StR 266/76, [X.]GHSt 27,
28;
Fischer,
StG[X.], 60.
Aufl., §
232 Rn.
28).
Zwar hat der Angeklagte die Geschädigte, die zu einem nicht näher fest-stellbaren [X.]punkt keine Lust mehr hatte, im Haus Sch.

zu ar-beiten,
auch dazu gebracht, gleichwohl zu bleiben, indem er ihr mitteilte, sie könne erst dann gehen, wenn sie das Geld, das er für sie bezahlt habe, abge-arbeitet habe. Dies und der Umstand, dass sie weiter arbeitete,
belegen jedoch .
2. Die
aufgezeigten [X.]ängel
führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen schweren [X.]enschenhandels und tateinheitlicher vorsätzlicher Körper-verletzung zum Nachteil der Geschädigten [X.].

; hiervon erfasst wird auch die rechtlich nicht zu beanstandende tateinheitliche Verurteilung des Angeklag-ten wegen ausbeuterischer Zuhälterei zum Nachteil beider Geschädigten sowie wegen dirigistischer Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten [X.]

(Fall
1 der Urteilsgründe).
Die Aufhebung des Schuldspruchs zwingt auch zur Aufhebung des -
für sich genommen nicht zu beanstandenden -
Schuldspruchs im Fall 2) der Ur-teilsgründe wegen versuchten
schweren
[X.]enschenhandels
sowie gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Geschädigten [X.]

, da insoweit [X.] mit der unter Fall 1) abgeurteilten ausbeuterischen
Zuhälterei zum Nach-teil der Geschädigten [X.].

besteht.
Die konkurrenzrechtliche [X.]ewertung des [X.], das demgegen-über Tatmehrheit angenommen hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die [X.] hat zwar im Ansatz bedacht, dass
das von dem Angeklagten
jeweils verwirklichte [X.] der Zuhälterei mehrere Handlungen zum Nach-25
26
27
28

-
13 -

teil verschiedener Frauen zur Tateinheit verklammern kann, wenn -
wie hier -
von demselben Täter zeitgleich auf mehrere Geschädigte in denselben Räum-lichkeiten eingewirkt wird (Senatsbeschluss vom 1.
August 2003 -
2 [X.], [X.]GHSt 48, 314, 322; Senatsurteil vom 15.
Juli 2005 -
2 [X.], [X.], 46, 47). Es hat dementsprechend die ausbeuterische Zuhälterei zum Nachteil der Geschädigten [X.].

und [X.]

, auf die der Angeklagte zeitgleich in derselben Wohnung einwirkte und die er gemeinsam von der [X.]it-angeklagten
[X.]

abkassieren ließ, zutreffend als einheitliche Tat gewertet. Auch hat das [X.] bedacht, dass die Zuhälterei als minder schweres [X.] den zum Nachteil
verschiedener Frauen begangenen [X.] nicht zur Tateinheit verklammern kann.
Der unter Fall 2) abgeurteilte versuchte schwere [X.]enschenhandel
richte-te sich indes nicht nur gegen die Geschädigte [X.]

, sondern gleichzeitig
auch gegen die Geschädigte [X.].

. Nach den Feststellungen diente die in ihrer Gegenwart am 25. April 2012 erfolgte körperliche Züchtigung der Geschä-digten [X.]

auch dazu, der Geschädigten [X.].

deutlich zu machen, was passieren werde, wenn sie weglaufen und ihren
vertraglichen Verpflichtun-gen gegenüber dem Angeklagten nicht nachkommen würde. Die Tat fand mithin nicht nur während einer gleichzeitigen Anwesenheit beider Geschädigten in denselben Räumlichkeiten
statt, sondern diente konkret dazu, die
im [X.]raum vom 20. [X.]ärz bis 26. April 2012 erfolgten Ausbeutung
der Geschädigten [X.].

zu fördern. Zwischen der zu deren Nachteil begangenen ausbeuterischen Zuhälterei und dem unter Fall 2) abgeurteilten
versuchten
schweren
[X.]en-schenhandel in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung zu Lasten der [X.] [X.]

besteht daher Tateinheit.
3. Gemäß §
357 StPO erfasst die Aufhebung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten S.

im Fall 1) der Urteilsgründe auch die Verurteilung der 29
30

-
14 -

nicht revidierenden [X.]itangeklagten [X.]

wegen [X.]eihilfe der zum Nachteil der Geschädigten [X.]

erfolgten tateinheitlich begangenen ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei.

[X.].
Die Revision der Nebenklägerin A.

gegen den Teilfreispruch [X.] ist
unbegründet.

[X.]
1.
Die Anklage hat den Angeklagten S.

und [X.]

unter Anklagepunkt 3 Folgendes zur Last
gelegt: Der Angeklagte S.

habe die Nebenklägerin A.

dazu gewonnen, in seiner Wohnung als Prostituierte zu arbeiten. Er [X.] mit ihr eine Tagesmiete von 75

vereinbart. Tatsächlich habe die Nebenklägerin in der [X.] vom Oktober 2011 bis zum 27. April 2012 ihre gesamten Einnahmen in Höhe von rund 39.400

der [X.]itangeklagten [X.]

zur Weiterleitung an den Angeklagten abgeben müs-sen;
lediglich 150

ieben.
Aus Furcht vor Gewalttätigkeiten des Angeklagten habe sie ihren Wunsch, nach [X.].

zu-rückzukehren, nur einmal im Februar 2012 geäußert.
Unter Anklagepunkt 46 und 47 hat die Anklage dem Angeklagten S.

darüber hinaus zur Last
gelegt, die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen zu haben, weil sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht er-wirtschaftet hatte.
31
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33

-
15 -

2. Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass die Nebenklägerin im vorgenannten [X.]raum in der Wohnung im ersten Stock des Hauses Sch.

als Prostituierte gearbeitet
hat. Dazu,
in welchem Umfang die Nebenklägerin A.

über ihre Einnahmen hat eigenständig verfügen [X.] und wer wann möglicherweise an ihren Einnahmen
partizipiert hat, hat das Gericht keine sicheren Feststellungen treffen können,
ebenso wenig zu stattge-fundenen Gewalttätigkeiten. Zwar habe der Angeklagte eingeräumt,
die Neben-klägerin einmalig geschlagen zu haben. Dies sei aber nach [X.], Ort und Anlass
unbestimmt geblieben. Die Angaben der Nebenklägerin, die mit der [X.]itange-klagten [X.]

befreundet gewesen sei und zusammen mit dieser auch die
Überwachung anderer Prostituierten übernommen habe, seien an zahlreichen Stellen in sich widersprüchlich
und durch Übertreibungen gekennzeichnet
ge-wesen. Auffällig sei auch gewesen, dass es die Nebenklägerin vermieden habe, konkrete
Angaben zu machen
und bei bestimmten Themen nur sehr zurückhal-tend und ausweichend geantwortet habe, weshalb ihre Angaben insbesondere auch im Hinblick auf die erfahrenen Schläge durch den Angeklagten insgesamt nicht glaubhaft
gewesen seien.

I[X.]
1. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
Soweit die Nebenklägerin rügt, der Vorsitzende habe sie in der [X.] ihrer Opferrechte verletzt, da ihre Vernehmung wegen Verhinderung ihres [X.]eistands nur in Anwesenheit
von
dessen nicht eingearbeitetem
Vertreter stattgefunden habe, ist nicht ersichtlich, dass das Urteil auf einem solchen Rechtsfehler beruhen könnte.

34
35
36

-
16 -

Die erhobene [X.] ist bereits unzulässig, weil keine bestimm-te [X.]eweistatsache behauptet wird.
2. Der Teilfreispruch hält auch sachlich-rechtlicher
Überprüfung stand.

Sieht der Tatrichter von einer Verurteilung ab, weil er Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzuneh-men. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt insoweit nur, ob dem Tatgericht
bei der [X.]eweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die [X.]eweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn er an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen stellt (st. Rspr.; vgl. [X.]GH, Urteil vom 11.
Januar 2005 -
1 [X.], [X.], 147; Urteil vom 30.
[X.]ärz 2004 -
1 [X.], [X.], 238).

a) Diesen Anforderungen wird die dem Freispruch zugrundeliegende [X.]eweiswürdigung gerecht. Die [X.] hat sich von
den,
den Angeklagten insoweit vorgeworfenen Taten vornehmlich aufgrund der in der Aussage der Nebenklägerin
enthaltenen, in den Urteilsgründen
im Einzelnen dargestellten Widersprüchen
und Übertreibungen im Ergebnis nicht überzeugen können.
Die [X.]eweiswürdigung lässt dabei keinen Rechtfehler erkennen.
b) [X.]edenken bestehen
zwar
gegen die [X.]eweiswürdigung im Hinblick auf eine weitere mögliche Körperverletzung des Angeklagten. Dieser hat nach den Feststellungen eingeräumt, er habe die Nebenklägerin jedenfalls einmal im Frühjahr 2012 mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, weil diese hinter seinem Rücken einer anderen Prostituierten Unwahrheiten über ihn erzählt [X.] (UA S.
45). Ein entsprechendes Geschehen hat auch die [X.]itangeklagte [X.]

geschildert (UA S.
34
f., 41). Die [X.]eweiswürdigung hierzu ist lückenhaft. Dies führt aber nicht zum Erfolg der Revision der Nebenklägerin, denn die vom 37
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41

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17 -

Angeklagten geschilderte Tat ist von der zugelassenen Anklage und damit auch nicht von der Kognitionspflicht des Tatgerichts
nicht
umfasst.
Gegenstand der zugelassenen Anklage sind zwei zu Lasten der Neben-klägerin erfolgten [X.].
Diese werden lediglich dahin
konkretisiert, dass der Angeklagte die Nebenklägerin in mindestens zwei Fällen geschlagen habe, wenn sie an schlechten Tagen die Tagesmiete nicht erwirt-schaftete. Der Anklage ist weiter zu entnehmen, dass dies
in der [X.] von Okto-ber 2011 bis Februar 2012 stattgefunden habe. Zwar wird für die unter [X.] den Angeklagten vorgeworfene Tat ein darüber hinaus gehender [X.]raum bis 27. April 2012 genannt.
In [X.]ezug auf die beiden
allein
dem Ange-klagten S.

vorgeworfenen [X.] wird dieser [X.]-raum aber durch die Anklage selbst
eingeschränkt, denn danach soll die [X.] ab Februar 2012 unter dem Eindruck der Gewalttätigkeiten

des Angeklagten gestanden haben.

l-dert die Anklage nur das zweimalige Schlagen
des Angeklagten.
Die vom Angeklagten eingeräumte Tat weicht daher sowohl im Hinblick auf ihren Anlass als auch den [X.]raum von der Tatschilderung der
Anklage ab.
Zwar braucht nicht jede Veränderung oder Erweiterung des Tatgeschehens
die Identität zwischen Anklage und abgeurteilter Tat aufzuheben (vgl. [X.]GH, [X.]e-schluss vom 22.
Juni 1994 -
3 [X.], [X.]GHR StPO § 200 Abs.
1 Satz
1 Tat
8), wenn die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von dieser [X.] nach anderen [X.]erkmalen individualisiert und dadurch weiterhin als einmaliges, unverwechselbares Geschehen gekennzeichnet ist (vgl. [X.]GH, Urteil vom 17.
August 2000 -
4 StR 245/00, [X.]GHSt 46, 130, 133;
Urteil vom 28.
[X.]ai 2002 -
5 [X.]; [X.]eschluss vom 13.
[X.]ärz 1996 -
3 [X.], [X.]GHR StPO,
§ 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 19). Eine solche weitere Umgrenzung des dem Ange-42
43

-
18 -

klagten pauschal vorgeworfenen

n-klage aber nicht.
Fischer [X.]
Eschelbach

[X.] Zeng

Meta

2 StR 297/13

09.10.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2013, Az. 2 StR 297/13 (REWIS RS 2013, 2202)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2202

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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