Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2023, Az. VIa ZR 1065/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8411

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 23. Juni 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] betreffend seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des erworbenen Fahrzeugs zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte im [X.] 2010 von der Beklagten für 40.987,78 € ein von der Beklagten hergestelltes neues Kraftfahrzeug [X.] [X.], das mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. Die [X.] erfolgt unter anderem unter Verwendung eines Thermofensters und einer Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung.

3

Der Kläger, dessen Klage in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben ist, hat die Beklagte zuletzt auf Zahlung in Höhe des Kaufpreises abzüglich des Werts gezogener Nutzungen nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in Anspruch genommen und wegen einer ursprünglich höheren Forderung den Rechtsstreit einseitig für erledigt erklärt. Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten begehrt. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter, soweit er Ansprüche auf seine deliktische Schädigung durch die Beklagte stützt.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision des [X.] hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

Dem Kläger stehe kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Er habe die nach § 826 BGB erforderliche sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nicht hinreichend dargetan. In der Verwendung nicht nur den Betrieb des Fahrzeugs im Prüfstand betreffender Einrichtungen liege grundsätzlich kein [X.] Verhalten. Besondere Umstände, die eine andere Bewertung rechtfertigten, seien nicht vorgetragen. Es fehle überdies an hinreichenden Anhaltspunkten für ein Unrechtsbewusstsein verantwortlicher Personen und für eine billigende Inkaufnahme erkannter Rechtsverstöße.

7

Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV, denn der geltend gemachte Schaden falle nicht in den Schutzbereich der als Schutzgesetz in Frage kommenden Bestimmungen.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit über das schlichte, nicht weiter erläuterte Zitat des § 826 BGB in der Revisionsbegründung hinaus auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV in der maßgeblichen Fassung (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2023 - [X.], [X.], Rn. 9 ff.) aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die Berufungsentscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu den Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass Ausgangspunkt für die Bemessung des [X.]s der gezahlte Kaufpreis ist ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 73). Etwa gewährte [X.] mindern entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] den [X.] nicht.

[X.]     

      

Götz     

      

Rensen

      

Wille     

      

Vogt-Beheim     

      

Meta

VIa ZR 1065/22

13.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 23. Juni 2022, Az: 24 U 120/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2023, Az. VIa ZR 1065/22 (REWIS RS 2023, 8411)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8411

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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III ZR 303/20

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