Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2023, Az. VIa ZR 129/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9125

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 21. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] betreffend seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des erworbenen Fahrzeugs zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 15. Mai 2012 von der Beklagten einen von ihr hergestellten gebrauchten [X.] 220 [X.], der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist. In dem Fahrzeug wird die Abgasrückführung abhängig von der Außentemperatur gesteuert und unter Einsatz eines sogenannten "Thermofensters" außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs reduziert. Das Fahrzeug verfügt über eine [X.] ([X.]), die die Erwärmung des Motors verzögert.

3

Der Kläger hat die Beklagte unter dem Gesichtspunkt kaufrechtlicher Gewährleistung, bereicherungsrechtlicher Ansprüche wegen Nichtigkeit des Kaufvertrags und deliktischer Schädigung wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Er hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung, die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weitergehender aus der Manipulation des Fahrzeugs resultierender Schäden sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter, soweit er sie auf seine deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt.

Entscheidungsgründe

5

Die wirksam auf deliktische Schadensersatzansprüche beschränkte Revision (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 2023 - VIa ZR 1517/22, NJW 2023, 2635 Rn. 4 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in [X.]Z; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 1031/22, [X.] 2023, 1133 Rn. 8 f.; Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1620/22, juris Rn. 5 ff.) hat Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Der Kläger habe keinen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB. Es könne dahinstehen, ob es sich bei dem [X.] oder der [X.] um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, weil es an Anhaltspunkten für ein [X.] Vorgehen der Beklagten fehle. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] scheitere jedenfalls daran, dass die Vorschriften der [X.] keine Schutzgesetze darstellten.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.] 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, [X.], 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

Die Berufungsentscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der [X.] kann im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen [X.] darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang offen gelassenen - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] zu treffen haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass Ausgangspunkt für die Bemessung des [X.]s der gezahlte Kaufpreis ist ([X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 73). Etwa gewährte [X.] mindern entgegen den Einwänden der Revisionserwiderung in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] den [X.] nicht.

[X.]     

  

Götz     

  

Rensen

  

Wille     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 129/22

13.11.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Nürnberg, 21. Dezember 2021, Az: 5 U 172/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.11.2023, Az. VIa ZR 129/22 (REWIS RS 2023, 9125)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9125

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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