Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. I ZR 182/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 323

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
182/11
Verkündet am:
13.
Dezember 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Metall auf Metall II
[X.] § 24 Abs. 1, § 85 Abs. 1 Satz 1
Eine entsprechende
Anwendung des §
24 Abs.
1 [X.] ist bei der [X.]nutzung fremder Tonaufnahmen ausgeschlossen, wenn es einem durchschnittlich aus-gestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der [X.]nutzung der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs gleichwertig ist (Fortführung von [X.], Urteil vom 20.
November 2008 -
I
ZR
112/06, [X.], 403 = [X.], 308

Metall auf Metall
I).
[X.], Urteil vom 13. Dezember 2012 -
I [X.] -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-lung vom 13.
Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Born-kamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr.
Büscher, Prof. Dr.
Schaffert und Dr.
Koch
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesge-richts [X.] -
5.
Zivilsenat -
vom 17.
August 2011 wird auf Kos-ten der [X.]klagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

[X.] einen Tonträger, auf dem sich unter anderem das Musik-szu
2 und 3 sind die Komponis-
zu
1 mit der Sängerin [X.] in zwei Versionen eingespielt hat. Diese Musikstücke befinden sich auf zwei im Jahre 1997 erschienenen Tonträgern.
Die Kläger behaupten, die [X.]klagten hätten eine etwa zwei Sekunden lange [X.]
, obwohl es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene [X.]ssequenz selbst einzuspielen. Sie meinen, die [X.]klagten hätten damit ihre Rechte als Tonträgerhersteller und ausübende Künstler verletzt. Hilfsweise stützen sie sich 1
2
-
3
-
auf die Verletzung des [X.]s
des Klägers zu
1, der den Titel kompo-niert und die Nutzungsrechte in den von ihnen
gemeinsam betriebenen Musik-verlag eingebracht
habe.
Äußerst
hilfsweise leiten
sie
ihre
Ansprüche aus
er-gänzendem
wettbewerbsrechtlichem
Leistungsschutz
her.

Die Kläger haben die [X.]klagten auf Unterlassung, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht, Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung in Anspruch genommen.

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.]rufungsgericht hat die [X.]rufung zurückgewiesen ([X.],
[X.], 3). Auf die [X.] der [X.]klagten hat der Senat das Urteil des [X.] und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (Urteil vom 20.
November 2008 -
I
ZR
112/06, [X.], 403 = [X.], 308 -
Metall auf Metall
I). Im wiedereröffneten
[X.]rufungsverfahren hat das
[X.]rufungsgericht die [X.]rufung der [X.]klagten er-neut zurückgewiesen ([X.], 396). Mit der vom [X.]rufungsgericht
zu-gelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgen die [X.]klagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das [X.]rufungsgericht hat angenommen, die [X.]klagten seien den [X.] zur Unterlassung, zum Schadensersatz, zur Auskunftserteilung
und zur Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verpflichtet, weil sie die Tonträgerherstellerrechte der Kläger
unterlegte [X.] sei nach dem Ergebnis der [X.]weisaufnahme den Takten

Die 3
4
5
-
4
-
[X.]klagten könnten sich nicht in entsprechender Anwendung des §
24 Abs.
1 [X.] auf ein Recht zur freien
[X.]nutzung der Tonaufnahme berufen. Die Kläger hätten nachgewiesen, dass die [X.]klagten in der Lage gewesen wären, die übernommene [X.]ssequenz selbst herzustellen.
B. Die gegen diese [X.]urteilung gerichteten
Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg.
[X.] Die Klage ist zulässig und insbesondere hinreichend bestimmt.

Ein Kläger, der
ein einheitliches Klagebegehren aus mehreren prozessu-alen Ansprüchen (Streitgegenständen) herleitet, verstößt zwar gegen das Ge-bot des §
253 Abs.
2 Nr.
2 ZPO, den Klagegrund bestimmt genug zu bezeich-nen, wenn er dem Gericht im Wege der alternativen Klagehäufung die Auswahl überlässt, auf welchen Klagegrund es die Verurteilung stützt ([X.], [X.]schluss vom 24.
März 2011 -
I
ZR
108/09, [X.]Z 189, 56 Rn.
6 bis 12
-
TÜV
I; Urteil vom 19.
April 2012 -
I
ZR
86/10, [X.], 1145 Rn.
17 = [X.], 1392

Pelikan). Geht der Kläger aus einem Schutzrecht vor, wird der Gegenstand der Klage durch den Antrag und das im Einzelnen bezeichnete Schutzrecht festgelegt (vgl. zum [X.] [X.], Urteil vom 24.
Mai 2007 -
I
ZR
42/04, [X.], 691 Rn.
17 = [X.], 996 -
St[X.]tsgeschenk). Im Streitfall lie-gen danach insofern drei unterschiedliche Streitgegenstände vor, als die Kläger ihr [X.]gehren auf ihr Leistungsschutzrecht als Tonträgerhersteller, auf ihr Leis-tungsschutzrecht als ausübende Künstler und auf das [X.]
des Klä-gers zu
1 am Musikwerk stützen. Ein weiterer Streitgegenstand liegt insofern vor, als die Kläger ihre Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz herleiten.
6
7
8
-
5
-
Ein Kläger kann jedoch dem [X.]stimmtheitsgebot noch in der [X.] nachkommen, indem er durch Angabe der Reihenfolge, in der er die Rechte aus den verschiedenen Klagegründen geltend macht, von der [X.] zur eventuellen Klagehäufung übergeht (vgl. [X.]Z 189, 56 Rn.
13 -
TÜV
I; [X.], [X.], 1145 Rn.
23
-
Pelikan). Die Kläger haben in der [X.] klargestellt, dass sie ihre Ansprüche in erster Linie auf ihr Leistungs-schutzrecht als Tonträgerhersteller, hilfsweise auf ihr Leistungsschutzrecht als ausübende Künstler, weiter hilfsweise auf das [X.] des Klägers zu
1 am Musikwerk und äußerst hilfsweise auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz stützen.
I[X.] Den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlas-sung
und
Feststellung der Schadensersatzpflicht (§
97 Abs.
1 [X.] aF), auf Auskunftserteilung (§
242 BGB)
und Herausgabe der Tonträger zum Zwecke der Vernichtung (§
98 [X.] aF) zu.
1. Die [X.]klagten haben in das Tonträgerherstellerrecht der Kläger aus §
85 Abs.
1 Satz
1 [X.] eingegriffen, indem sie dem von den Klägern herge-stellten Tonträger im Wege des Sampling zwei Takte einer [X.]ssequenz r-legt haben. Durch die Verwendung der fremden Tonaufnahme bei der Herstel-lung des eigenen Tonträgers und das anschließende Inverkehrbringen dieses Tonträgers haben sie
in das ausschließliche Recht der Kläger
eingegriffen, den von ihnen hergestellten Tonträger zu vervielfältigen und zu verbreiten ([X.], [X.], 403 Rn.
8 bis 18
-
Metall auf Metall
I).
2. Das [X.]rufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die [X.]klagten sich hinsichtlich des Eingriffs in das Tonträgerherstellerrecht der Klä-ger nicht mit Erfolg auf das Recht zur freien [X.]nutzung nach
§
24 Abs.
1 [X.]
9
10
11
12
-
6
-
berufen können, weil es ihnen möglich gewesen wäre, die übernommene [X.]ssequenz selbst herzustellen.
a) Nach
§
24 Abs.
1 [X.]
darf ein selbständiges Werk, das in freier [X.]-nutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.
Die Vorschrift ist hier nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nach ihrem Wortlaut die [X.]nutzung des Werkes eines anderen voraussetzt; die Regelung
ist jedoch im Falle der [X.]nutzung eines fremden Tonträgers grundsätzlich entsprechend an-wendbar ([X.], [X.], 403 Rn.
20
f.
-
Metall auf Metall
I). Eine entspre-chende Anwendung des
§
24 Abs.
1 [X.]
scheidet
nach der Rechtsprechung des Senats allerdings unter anderem dann aus, wenn es möglich ist, die auf dem Tonträger aufgezeichnete Tonfolge selbst einzuspielen ([X.], [X.], 403 Rn.
23 -
Metall auf Metall
I).
An dieser Einschränkung des Rechts zur freien [X.]nutzung eines fremden Tonträgers hält der Senat trotz der von der [X.] und im Schrifttum
geäußerten [X.]denken
fest (kritisch
Schack, [X.], 475, 476
f.; [X.], ZUM 2009, 223, 225; Hoeren, [X.], 257, 258; Lind-horst, [X.], 406, 409; [X.], [X.], 172, 174
f.; [X.]., [X.], 660
f.; terwandten Schutzrechte, Diss. [X.] 2011, S.
306
ff.).

Sinn und Zweck des
§
24 Abs.
1 [X.] ist es, Freiraum für eine schöpfe-rische Auseinan[X.]etzung mit bestehenden Werken zu schaffen ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
24 [X.] Rn.
1; [X.], [X.], 4.
Aufl., §
24 [X.] Rn.
2) und damit eine kulturelle Fortentwicklung zu ermöglichen. Dem liefe es zuwider, wenn zwar der Urheber eine freie [X.]nutzung seines
Werkes hinnehmen müsste, der Tonträ-gerhersteller aber eine freie [X.]nutzung des das Werk enthaltenden Tonträgers verhindern könnte. Muss selbst der Urheber eine [X.]schränkung seines Urhe-13
14
-
7
-
berrechts hinnehmen, ist auch dem Tonträgerhersteller eine Einschränkung seines Leistungsschutzrechts zuzumuten ([X.], [X.], 403 Rn.
21 -
Me-tall auf Metall
I, mwN).
Aus dem Sinn und Zweck des
§
24 Abs.
1 [X.], eine Fortentwicklung des [X.] zu ermöglichen, ergibt sich allerdings nicht nur der Grund, sondern auch eine Grenze für eine entsprechende Anwendung dieser [X.]stim-mung. Ist derjenige, der die auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, imstande, diese selbst her-zustellen, stehen die Rechte des [X.] einer Fortentwicklung des [X.] nicht im Wege. In diesem Fall gibt es für einen Eingriff in seine unternehmerische Leistung keine Rechtfertigung ([X.], [X.], 403 Rn.
23
-
Metall auf Metall
I).
[X.]) Die unterschiedlichen rechtlichen Maßstäbe, die danach
für die freie [X.]nutzung von Musikwerken einerseits und Tonträgern andererseits gelten, stehen nicht im Wi[X.]pruch zum Gebot des Art.
3 Abs.
1 GG, wesentlich [X.] gleich und wesentlich Ungleiches ungleich
zu behandeln (vgl. zum Gleich-heitssatz [X.], [X.]schluss vom 18.
Juli 2012 -
1
BvL
16/11, [X.], 2719, 2720 mwN).
Die im Vergleich zur freien [X.]nutzung von Werken nach §
24 Abs.
1 [X.] zusätzliche
Voraussetzung, dass der [X.] die [X.] nicht selbst herzustellen vermag, ist im Blick darauf gerechtfertigt, dass das [X.] am Musikwerk und das Leistungsschutzrecht am Tonträger unterschiedliche Schutzgegenstände haben ([X.], [X.], 403 Rn.
16

Metall auf Metall
I, mwN).
Das [X.] schützt das Werk als persönliche geistige Schöp-fung

2 Abs.
2 [X.]) und weist dem Urheber das ausschließliche Recht zu dessen Verwertung zu (§
15 [X.]). Wer ein fremdes Werk zu eigenem Schaf-15
16
17
-
8
-
fen benutzen möchte, kann sich dem Erfordernis einer Einwilligung des [X.] nicht dadurch entziehen, dass er zunächst dieses Werk reproduziert und sodann die Reproduktion zur Grundlage seines Schaffens macht. [X.]reits die Reproduktion stellt als körperliche Festlegung der geistigen Schöpfung eine nur mit Einwilligung des Urhebers zulässige Vervielfältigung (§
16 [X.]) und damit Verwertung (§
15 Abs.
1 Nr.
1 [X.]) des Werkes dar. Wer ein fremdes Werk
zu eigenem Schaffen verwenden und seine Schöpfung ohne Zustimmung des [X.] verwerten möchte, ist dazu nur berechtigt, wenn die Voraussetzungen einer freien [X.]nutzung nach §
24 Abs.
1 [X.] vorliegen. Ihm kann daher nicht entgegengehalten werden, er sei
auf das Recht zur freien [X.]nutzung des [X.] nicht angewiesen, weil er zu einer Reproduktion dieses Werkes und zur [X.]nutzung dieser Reproduktion in der Lage sei.
Schutzgegenstand des §
85 Abs.
1 Satz
1 [X.] ist nicht der Tonträger oder die Tonfolge selbst, sondern die zur Festlegung der Tonfolge auf dem [X.] erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des [X.] ([X.], [X.], 403 Rn.
13 -
Metall auf Metall
I, mwN). Wer auf einem fremden Tonträger aufgezeichnete Töne oder Klänge für eigene Zwecke verwenden möchte, ist deshalb -
soweit diese keinen [X.]schutz genießen -
aus rechtlichen Gründen nicht daran gehindert, sie selbst einzuspielen ([X.], [X.], 403 Rn.
17 -
Metall auf Metall
I, mwN). Die Fortentwicklung des Kunstschaffens kann durch die Ausübung des Tonträ-gerherstellerrechts daher nur behindert werden, wenn eine Reproduktion der Tonaufnahme aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Ist eine Reproduktion der Tonaufnahme möglich, ist eine [X.]einträchtigung der kulturellen Fortentwick-lung grundsätzlich ausgeschlossen und eine Einschränkung des [X.] durch das Recht zur freien [X.]nutzung nicht gerechtfertigt.
18
-
9
-
bb) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, der Senat stelle bei der entsprechenden Anwendung des §
24 Abs.
1 [X.] auf Klangfragmente an-dere Anforderungen als bei der entsprechenden Anwendung dieser [X.]stim-mung auf [X.], ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gebe.
Der Senat hat in den
von der Revision herangezogenen Entscheidungen
allerdings ausgeführt, bei der entsprechenden Anwendung des §
24 Abs.
1 [X.] auf [X.] gälten
grundsätzlich keine anderen Anforderungen als bei der unmittelbaren Anwendung auf Werke ([X.], Urteil vom 20.
Dezember 2007

I
ZR
42/05, [X.], 693 Rn.
25 = WRP 2008, 1121 -
TV-Total) und kom-me
es nicht auf die Erforderlichkeit der Übernahme an ([X.], Urteil vom 13.
April 2000 -
I
ZR
282/97, [X.], 703, 704 = [X.], 1243 -
Mattscheibe). Diese
Ausführungen betreffen allerdings -
an[X.] als hier -
Fallgestaltungen, in denen sich das neue Werk mit der benutzten Vorlage nach Darstellung des [X.] kritisch auseinan[X.]etzt und die Fragestellung, ob das neue Werk zu dem
aus der Vorlage [X.] einen so großen inneren Abstand hält, dass es als ein selbständiges Werk anzusehen ist (vgl. [X.], [X.], 703, 704

Mattscheibe; [X.], 693 -
TV-Total). Ob in einer vergleichbaren Fallge-staltung möglichweise ähnliche Überlegungen
für die Übernahme von Tonfolgen
zu gelten haben, ist offen und braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.
[X.]) Entgegen der Ansicht der Revision ist es auch im Blick darauf, dass das Sampling von Musiksequenzen als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen ist, nicht nach Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG geboten, der [X.]stimmung des §
24 Abs.
1 [X.] bei durch Sampling von [X.] geschaffenen Kunstwerken zu einem weiteren Anwendungsbereich zu verhelfen als bei nichtkünstlerischen Musikwerken.

19
20
21
-
10
-
Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG garantiert die Freiheit der [X.]tätigung im [X.] umfassend. Die Kunstfreiheit ist dabei zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich aus den Grundrechten anderer Rechtsträger wie der Eigentumsgarantie des Art.
14 Abs.
1 GG, die den Schutz des geistigen Eigentums und hier insbesondere des
Leistungs-schutzrechts
des [X.] erfasst. Auch das Eigentum ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet, sondern gebietet im [X.]reich des [X.] lediglich die grundsätzliche Zuordnung der vermögenswerten Seite die-ses Rechts an den Rechtsinhaber. Sachgerechte Maßstäbe für die Grenzen er-geben sich beispielsweise aus den Schrankenbestimmungen der §§
44a
ff.
[X.] und der Vorschrift
des §
24 [X.].
[X.]i der Anwendung dieser Regelungen sind die Schranken des Grundrechtsbereichs der einen Partei gegenüber dem der anderen Partei zu konkretisieren.
Dabei kann die durch Art.
5 Abs.
3 Satz
1 GG geforderte kunstspezifische [X.]trachtung es verlangen, solchen [X.]stim-mungen im Wege der Auslegung zu einem Anwendungsbereich zu verhelfen, der für Kunstwerke weiter ist als bei nichtkünstlerischen Werken
(vgl. zu §
51 Nr.
2 [X.] aF [X.], [X.]schluss vom 29.
Juni 2000 -
1
BvR
825/98, [X.], 149, 151
f. -
Germania
3).
[X.]i der
danach vorzunehmenden
Interessenabwägung kann zugunsten der [X.]klagten unterstellt werden, dass die Verwendung von Samples in der Musikbranche mittlerweile weit verbreitet ist
und sich die entlehnende [X.] zu einer eigenen Stilrichtung entwickelt hat. Diese tatsächliche Entwick-lung gebietet es jedoch -
entgegen der Auffassung der Revision -
auch bei
einer kunstspezifischen [X.]trachtung nicht, dass Musikproduzenten
bei ihrem künstle-rischen Schaffen sich
die durch §
85 Abs.
1 [X.]
geschützte wirtschaftliche (organisatorisch-unternehmerische) Leistung der Tonträgerhersteller
ohne de-ren Einwilligung und damit ohne Vergütung zu eigen machen dürfen, wenn es ihnen
möglich ist, die begehrte
Tonfolge ohne Eingriff in deren
Rechte selbst 22
23
-
11
-
herzustellen. Zum einen ist
in diesem Fall keine unangemessene [X.]hinderung der kulturellen
Fortentwicklung zu befürchten. Zum anderen lässt sich der Kunstfreiheit kein Schutz des -
unter Umständen auch von eigenen wirtschaftli-chen Interessen geprägten -
künstlerischen
Schaffens zu denkbar
günstigsten wirtschaftlichen Konditionen auf Kosten unternehmerischer
Leistungen Dritter
entnehmen.
[X.]) Soweit für die [X.]teiligten -
wie die Revision geltend macht -
Unsi-cherheit bei der [X.]urteilung
besteht, ob die Übernahme einer Tonfolge in ent-sprechender Anwendung von §
24 Abs.
1 [X.] gestattet ist, ist dies hinzuneh-men. Diese Unsicherheit können entlehnende Musikproduzenten dadurch [X.], dass sie die entsprechenden Rechte von den
Tonträgerherstellern
der
Originalaufnahme
erwerben, die Tonaufnahme selbst herstellen
oder
aber

wenn ihnen dieser Aufwand als zu hoch und wirtschaftlich nicht tragbar er-scheint
-
von einer Übernahme ganz absehen
([X.], [X.], 403 Rn.
17

Metall auf Metall
I).
b)
Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die vom [X.]rufungsgericht herangezogenen Maßstäbe zur [X.]urteilung
der Frage, ob es möglich ist, eine Tonfolge selbst einzuspielen.
[X.]) Das [X.]rufungsgericht hat angenommen, für die [X.]urteilung, ob es möglich gewesen wäre, die Tonfolge selbst einzuspielen, sei -
bezogen auf den Zeitpunkt der Entnahme der fremden Tonaufnahme -
auf die Fähigkeiten und technischen Möglichkeiten eines durchschnittlich ausgestatteten [X.] abzustellen. Ein Nachbau der fremden Tonaufnahme sei
bereits dann möglich, wenn es einem solchen
Musikproduzenten gelinge, eine dem
Original gleichwertige Tonaufnahme herzustellen. Eine -
im naturwissenschaftlichen Sinne -
vollständige Identität des Nachbaus mit dem Original sei nicht erforder-24
25
26
-
12
-
lich. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Nachbau aus der Sicht des [X.] von seinen Abnehmern -
hier also den Käufern eines
Tonträgers aus --
als gleichwertig angesehen werde. Dabei sei auf die Auffassung eines mit musikalischen Fragen einigermaßen vertrauten und [X.] aufgeschlossenen Hörers abzustellen. Der Nachbau sei mit dem Original nicht isoliert, sondern nur im musikalischen Verwendungszusammenhang
zu vergleichen. Unterschiede, die im direkten Vergleich wahrnehmbar seien, sich im musikalischen Zusammenhang aber nicht auswirkten, seien vom Musikpro-duzenten hinzunehmen.
bb) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, entgegen der Ansicht des [X.]rufungsgerichts sei auf die subjektive Einschätzung des entlehnenden Mu-sikproduzenten in [X.]zug auf die Erheblichkeit der Unterschiede zwischen [X.] und Nachbau und auf dessen individuelle musikalische oder technische Fähigkeit zur Reproduktion abzustellen.
Die Frage, ob die Ausschließlichkeits-rechte des [X.] im Allgemeininteresse einer Fortentwicklung des [X.] einzuschränken sind, ist nur nach objektiven Gesichtspunk-ten zu beurteilen. Andernfalls wäre ein unerfahrener oder unfähiger Produzent zur Verwertung einer
fremden
Tonfolge eher berechtigt als ein erfahrener und fähiger Produzent (vgl. [X.], [X.] 2010, 399, 410).
[X.]) Die Revision macht weiter ohne Erfolg geltend, an[X.] als das [X.] angenommen habe, sei eine entsprechende Anwendung des §
24 Abs.
1 [X.] nur dann ausgeschlossen, wenn ein identischer Nachbau der übernommenen Tonfolge möglich sei. Soweit ein gleichwertiger Nachbau mög-lich ist, gibt es keinen sachlichen Grund für eine Übernahme der fremden [X.]. Unterschiede des Nachbaus gegenüber dem Original, die bei objektiver [X.]trachtung eines durchschnittlichen Rezipienten nicht ins Gewicht fallen, sind daher vom Musikproduzenten hinzunehmen. [X.] diese Un-27
28
-
13
-
terschiede vermeiden, so steht es ihm frei, die Einwilligung des Herstellers der originalen Tonaufnahme einzuholen.
c)
Das [X.]rufungsgericht
hat angenommen, nach diesen Maßstäben wä-ren die
[X.]klagten
im Jahre 1997 in der Lage gewesen, einen Nachbau der aus i-dem Original gleichwertig gewesen wäre. Zu dieser Überzeugung ist das [X.]rufungsgericht insbesondere aufgrund eines Vergleichs zwischen dem Original der Tonaufnahmen und den
von den
Zeugen H.

und L.

hergestellten Nachbauten sowie einer Würdigung
der Aussagen
dieser Zeugen gelangt. Die dagegen gerichteten Rügen
der [X.] greifen nicht durch.
[X.]) Dem [X.]rufungsgericht kann entgegen der Ansicht der Revision nicht die Sachkunde zur [X.]urteilung der Gleichwertigkeit der Aufnahmen abgespro-chen werden.
Das [X.]rufungsgericht hat angenommen, seine Mitglieder zählten zu dem durch die Tonaufnahme angesprochenen [X.] und seien mit musi-kalischen Fragen einigermaßen vertraut und hierfür aufgeschlossen. Die Revi-sion hält dem
vergeblich entgegen,
es sei zweifelhaft, ob die Mitglieder des [X.]--

zählten, das
ein Phänomen der Jugendkultur darstelle. Der Umstand, dass es -solches Phänomen handeln mag, besagt nicht, dass Musikstücke dieses Genres nur von Jugendlichen gehört werden. Es gibt daher keinen Grund für die Annahme, der mit musikalischen Fragen einigermaßen vertraute und hierfür aufgeschlossene [X.]rufungssenat habe nicht beurteilen können, ob der Nachbau dem Original aus der Sicht des angesprochenen [X.] gleichwertig ist.

29
30
31
-
14
-
bb) Die Revision macht vergeblich
geltend, das [X.]rufungsgericht habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb
es von einer sehr hohen Ähnlichkeit von
Original und Nachbau ausgegangen sei.
Das [X.]rufungsgericht hat die von den Zeugen H.

und L.

herge-
stellten Nachbauten im Rahmen der [X.]weisaufnahme zunächst isoliert im takt-weisen Wechsel mit den entsprechenden Sequenzen des Originals und sodann im musikalischen Zusammenhang mit dem Intro des Titels

Es
hat angenommen, der Nachbau
des Zeugen H.

, der durch Hammer-
schläge auf eine Schubkarre und Schläge auf ein Zinkregal in Verbindung mit einem aus einer Klang-Bibliothek ausgewählten fertigen Sample hergestellt worden sei, weise bereits für sich genommen eine sehr hohe Ähnlichkeit mit der originalen [X.]ssequenz auf. Dies gelte sowohl für
den Grundrhythmus als auch für
die Tonhöhe und den Klang der Metallschläge. Im musikalischen Zu-sammenhang seien
die ohnehin geringfügigen Unterschiede kaum noch wahr-nehmbar. Dies gelte auch für den vom Zeugen H.

ausschließlich aus ferti-
gen Samples hergestellten Nachbau. [X.]i dem vom Zeugen L.

erstellten
Nachbau sei der Grundrhythmus in Takt und Klang identisch. Die Metallschläge seien zwar im Takt identisch, aber in Tonhöhe und Klang nicht so dicht am [X.] wie die Nachbauten des Zeugen H.

. Gleichwohl seien sie dem Origi-
nal immer noch sehr ähnlich. Im musikalischen Zusammenhang wirkten sich die Unterschiede im Klang der Metallschläge selbst für einen aufmerksamen und aufgeschlossenen Hörer nicht aus.
Diese
Ausführungen des [X.]rufungsgerichts lassen hinreichend deutlich
erkennen, auf welche Weise und aus welchen Gründen es
zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Nachbauten dem Original gleichwertig sind. Soweit die [X.] musikalische Unterschiede zwischen dem Original und den Nachbauten 32
33
34
-
15
-
geltend macht, setzt sie ihre eigene [X.]urteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung,
ohne dabei einen Rechtsfehler des [X.]rufungsgerichts aufzuzeigen.
[X.]) Die Revision rügt ohne Erfolg, das [X.]rufungsgericht hätte durchgrei-fende Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H.

und sei-
ner Glaubwürdigkeit haben müssen
und seine Aussage und seinen Nachbau daher nicht verwerten dürfen.
Das [X.]rufungsgericht hat die Aussage des Zeugen H.

als glaubhaft
erachtet, er habe bei Anfertigung des Nachbaus nicht gewusst, welche Gegen-zur Erzeugung der
Metallschläge bei der [X.] von

be;
auch der Kläger zu
1
habe dies nicht mehr gewusst, als er mit ihm im [X.] an die Anfertigung des ersten Gutachtens im Jahre 2010 darüber gesprochen habe. Das [X.]rufungsgericht hat angenommen, es gebe daher keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass dem Zeugen H.

bei der Anfertigung des Nachbaus spezielles Insiderwissen
zur Verfügung gestanden habe.
Die Revision macht ohne Erfolg geltend, aus dem Umstand, dass die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14.
Juni 1999 detailliert vorgetragen hätten, wie sie die [X.]sfigur im Jahre 1976 in ihrem Studio mit Röhren, Stäben, Ket-ten, Hämmern, Metallflächen und Stahlblechen erzeugt hätten, folge, dass die Aussage
des Zeugen H.

nicht zutreffen
könne. Es sei daher
davon auszu-
gehen, dass der Kläger zu
1 dem Zeugen H.

sein noch vorhandenes Wis-
sen mitgeteilt und der Zeuge H.

dieses Insiderwissen bei seinem Nachbau
verwertet
habe. Das [X.]rufungsgericht hätte seine Aussage und seinen
Nach-bau daher nicht verwerten
dürfen.
35
36
37
-
16
-
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass das [X.]rufungsgericht das [X.] der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 14.
Juni 1999 zur Erzeugung der [X.]sfigur übersehen hat. Die Annahme des [X.]rufungsgerichts, angesichts der vielfältigen metallischen Gegenstände, mit denen die Gruppe [X.] -

-
erzeugt habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Kläger zu
1 im Jahre 2010, als der Zeuge
H.

den Nachbau
erstellt
habe, nicht mehr gewusst
habe, mit welchen Ge-
genständen gerade die hier fraglichen Metallschläge erzeugt worden seien, wi-[X.]pricht entgegen der Ansicht der Revision auch nicht der Lebenserfahrung. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass eine Person, die sich nach 23 Jahren (hier im Jahr 1999) noch
an bestimmte Umstände erinnern konnte,
auch nach 34 Jahren (hier im Jahr 2010) noch an diese Umstände erinnern musste. Vielmehr entspricht es der Lebenserfahrung, dass das Erinnerungsvermögen mit zuneh-mendem Lebensalter abnimmt und die Erinnerung an konkrete Umstände mit zunehmendem Zeitabstand verblasst.
[X.]) Das [X.]rufungsgericht ist schließlich im Ergebnis mit
Recht davon ausgegangen, dass den [X.]klagten die Übernahme der [X.]ssequenz nicht deshalb gestattet ist, weil der Nachbau dieser Sequenz nach dem Ergebnis der [X.]weisaufnahme einen Zeitraum von zwei Tagen in Anspruch genommen [X.].
Eine entsprechende Anwendung des
§
24 Abs.
1 [X.]
ist -
wie ausge-führt -
bei der [X.]nutzung fremder
Tonaufnahmen ausgeschlossen, wenn es ei-nem durchschnittlich ausgestatteten und befähigten Musikproduzenten zum Zeitpunkt der [X.]nutzung
der fremden Tonaufnahme möglich ist, eine eigene Tonaufnahme herzustellen, die dem Original bei einer Verwendung im selben
musikalischen Zusammenhang aus Sicht des angesprochenen Verkehrs
gleich-wertig ist. Dagegen kommt es grundsätzlich
nicht darauf an, ob dem Musikpro-38
39
40
-
17
-
duzenten die Herstellung einer solchen Tonaufnahme zumutbar ist. [X.] wären mit einem großen zeitlichen und
finanziellen Aufwand hergestellte Originaltonaufnahmen weniger geschützt als Originaltonaufnahmen, die mit ei-nem geringerem Aufwand hergestellt worden und daher leichter zu reproduzie-ren sind.
Es ist daher unerheblich, ob ein Aufwand von zwei Tagen für den Nachbau der [X.]ssequenz -
wie das [X.]rufungsgericht angenommen hat -
angesichts des Umstandes zumutbar
war, dass die übernommene Sequenz ei-nen wesentlichen [X.]standteil des rhythmischen Grundgerüsts des von den [X.]-arstellt.
-
18
-
C. Danach ist die Revision gegen das [X.]rufungsurteil auf Kosten der [X.]-klagten (§
97 Abs.
1 ZPO) zurückzuweisen.
Bornkamm
Pokrant
Büscher

Schaffert
Koch

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.10.2004 -
308 [X.]/99 -

[X.], Entscheidung vom 17.08.2011 -
5 [X.] -

41

Meta

I ZR 182/11

13.12.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.12.2012, Az. I ZR 182/11 (REWIS RS 2012, 323)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 323

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

I ZR 182/11

5 U 48/05

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