Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2010, Az. IX ZR 186/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5732

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 17. Juni 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja[X.] § 134 Abs. 1 a) Begleicht der Schuldner die gegen einen insolvenzreifen [X.] gerichtete Forderung des [X.]s, stehen werthaltige Außenstände des [X.] nur entgegen, wenn der Anfech-tungsgegner auf diese trotz der materiellen Insolvenz des [X.] hätte zugreifen können. b) Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der [X.] (Ergän-zung zu [X.], [X.]. v. 19. November 2009 - [X.], [X.], 36, 37 f). [X.], [X.]eil vom 17. Juni 2010 - [X.]/08 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2010 durch [X.] Dr. [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das [X.]eil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 11. September 2008 aufgeho-ben. Die Berufung gegen das [X.]eil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 8. Juni 2007 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. April 2004 eröffneten Insolvenzver-fahren über das Vermögen der J.

GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war mit der H. GmbH personell und wirt-schaftlich verflochten. Sie übernahm deren noch vorhandenes Anlagevermögen zum 31. Dezember 2002. Im Zeitraum vom 12. Mai bis zum 10. Dezember 2003 zahlte die Schuldnerin auf Steuerverbindlichkeiten der zu dieser Zeit schon zah-lungsunfähigen [X.] an das beklagte Land insgesamt 54.725,21 •. 1 - 3 -
Der Kläger nimmt den Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr der ihm zugeflossenen Beträge in Anspruch. Seine Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt er seinen Anspruch in vollem [X.] weiter. 2 Entscheidungsgründe: Die Revision ist begründet. 3 [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, es könne unter den konkreten Umständen des Einzelfalles nicht festgestellt werden, dass es sich bei den [X.] der Schuldnerin um unentgeltliche und nach § 134 Abs. 1 [X.] anfecht-bare Leistungen gehandelt habe. Zwar sei mit der Rechtsprechung des [X.] davon auszugehen, dass es für die Annahme der Unentgelt-lichkeit entscheidend darauf ankomme, ob der Empfänger seinerseits eine Ge-genleistung erbracht habe, wenn - wie hier - eine dritte Person in den [X.] oder [X.] eingeschaltet worden sei. Die Gegenleis-tung eines Leistungsempfängers, dessen gegen einen [X.], hier die [X.], gerichtete Forderung bezahlt werde, liege in der Regel darin, dass der Leistungsempfänger mit der Zahlung die Forderung gegen seinen Schuldner verliere. Sei diese Forderung wertlos, fehle es an einer Gegenleistung. Unge-achtet der vom [X.] unbeanstandet festgestellten Zahlungsunfähigkeit der [X.] könne die Wertlosigkeit der Ansprüche des beklagten [X.] gegen die Gesellschaft aber nicht festgestellt werden. Allein die [X.] der getilgten Forderung reiche hierfür nicht aus. [X.] - 4 - ge der beklagte Gläubiger und Zahlungsempfänger schlüssig dar, dass Erfolg versprechende Durchsetzungsmöglichkeiten für seine Forderung gleichwohl bestanden hätten, müsse der klagende Insolvenzverwalter beweisen, dass [X.] tatsächlich nicht bestanden hätten. Ausweislich ihrer Bilanz zum [X.] 2002 habe die [X.] Außenstände von über 193.484,51 • [X.], welche das beklagte Land hätte pfänden können. Da sich dem Vortrag des [X.] nicht entnehmen lasse, warum die Schuldner der [X.] nicht gezahlt hätten, könne auch nicht von der Uneinbringlichkeit der Steuer-schulden ausgegangen werden. I[X.] Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand. 5 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen im Verhältnis zwischen den Prozessparteien die Voraussetzungen für eine Anfechtung ge-mäß § 134 [X.] vor. Die Beklagte hat von der Schuldnerin in gläubigerbenach-teiligender Weise Zahlungen erhalten, und diese Zahlungen waren unentgeltli-che Leistungen. 6 a) Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ist die [X.] einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung anfechtbar, wenn die gegen den [X.] gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers wertlos war; dann hat der Zuwendungsempfänger wirtschaftlich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann ([X.] 174, 228, 231 Rn. 8 m.w.N.; [X.], [X.]. v. 6. Dezember 2007 - [X.] ZR 113/06, [X.], 232, 233 Rn. 14; v. 22. Oktober 2009 - [X.] ZR 182/08, Z[X.] 2009, 2241 Rn. 8; v. 19. November 2009 - [X.], [X.], 36, 37 Rn. 8; v. 27. April 2010 7 - 5 - - [X.] ZR 122/09 Rn. 6). Hiervon ist der Senat ohne weiteres ausgegangen, falls über das Vermögen des Forderungsschuldners wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet oder er zumindest insolvenzreif ist ([X.] 174, 228, 240 Rn. 38; [X.], [X.]. v. 30. März 2006 - [X.] ZR 84/05, [X.], 957, 959 Rn. 15; v. 1. Juni 2006 - [X.] ZR 159/04, [X.], 1396, 1397 Rn. 12; v. 22. Oktober 2009 - [X.] ZR 182/08, Z[X.] 2009, 2241 f Rn. 9). Auf die Frage, ob der Leistungsempfänger im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eine auf seine Forderung entfallende Quote erhalten [X.], kommt es nicht an. Ist der Dritte zumindest insolvenzreif, kann die Forderung nicht mehr durchgesetzt werden, weil nunmehr eine gemeinschaftliche [X.] aller ([X.] hat (§ 1 Satz 1 [X.]). Verschafft ein Leistungsmittler dem Gläubiger in dieser Lage eine gesonderte Befriedigung, hat der Gläubiger Befriedigung sei-ner gegen den [X.] nicht mehr durchsetzbaren Forderung erlangt, und zwar ohne Gegenleistung ([X.], [X.]. v. 22. Oktober 2009 aaO). b) Mit dieser Rechtsprechung ist die Entscheidung des Berufungsge-richts nicht zu vereinbaren. Aufgrund der vom [X.] unangegriffen fest-gestellten Zahlungsunfähigkeit der [X.] zum Zeitpunkt der Zahlun-gen der Schuldnerin, von der auch das Berufungsgericht ausgeht, hätte das beklagte Land sich durch Pfändung und Einziehung von [X.] ihrer Schuldnerin nicht mehr befriedigen können. Um Befriedigung aus den offenen Forderungen ihrer Schuldnerin zu erlangen, konnte das beklagte Land nur noch ein Insolvenzverfahren über deren Vermögen betreiben. Die offenen Forderun-gen - unterstellt sie waren überhaupt durchsetzbar - durften nicht mehr im We-ge der [X.] verwertet werden. Dies hätte dem Grundsatz widersprochen, dass bei Insolvenzreife des Schuldners eine gemeinschaftliche Befriedigung in dem dafür vorgesehenen Verfahren stattzufinden hat. Ob die [X.] im Fall der Pfändung ihrer Außenstände tatsächlich einen [X.] gestellt hätte und ob die Pfändung der Forderungen in diesem Fall nach § 88 [X.] unwirksam gewesen wäre oder ob der Insolvenzverwalter 8 - 6 - der [X.] sie hätte mit Erfolg anfechten können, ist unerheblich. [X.] ist, dass sich der Leistungsempfänger nicht darauf berufen kann, noch [X.] gegen seinen Schuldner gehabt zu haben, obwohl dieser bereits insolvenzreif war und Maßnahmen der Einzelvollstre-ckung in der Insolvenz keinen Bestand mehr haben konnten. Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich auch für Ansprüche des [X.] gegen den Schuldner, dessen Leistung angefochten ist. Eine Ausnahme ist nur für den Einzelfall angenommen worden, dass dem [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt eine werthaltige Forderung gegen den Schuld-ner zusteht, auf die der Zuwendungsempfänger im Vollstreckungsweg - anfech-tungsfrei - hätte zurückgreifen können (vgl. [X.], [X.]. v. 19. November 2009, aaO S. 37 f Rn. 11 und 14). Im Streitfall kann die Werthaltigkeit der beglichenen Forderung hieraus nicht hergeleitet werden. Der insoweit darlegungs- und [X.] Beklagte hat nicht einmal behauptet, die Schuldnerin habe sich verpflichtet, als Gegenleistung für die Übernahme des Anlagevermögens be-stimmte Verbindlichkeiten der [X.], zu denen die ausgeglichenen Steuerschulden gehörten, zu erfüllen. 9 Die Forderung des beklagten [X.] gegen die [X.] war deshalb ungeachtet der in der Bilanz zum 31. Dezember 2002 ausgewiesenen Außenstände wertlos. [X.] Darlegungen zur Einbringlichkeit der Forderun-gen bedurfte es nicht. Die Werthaltigkeit der beglichenen Forderung kann nicht damit begründet werden, dass es dem Leistungsempfänger unter Umständen bei Stillhalten des insolvenzreifen [X.] hätte gelingen können, sich eine an-fechtbare Befriedigung aus dessen [X.] zu verschaffen. Auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast im Blick auf die Einbringlichkeit der Außen-stände der [X.] kommt es entgegen der Auffassung des Berufungs-gerichts nicht an. Die von den Parteien problematisierte Frage, ob der Ge-schäftsführer der [X.] schon vor 2005 Antrag auf Eröffnung des [X.] - 7 - solvenzverfahrens über das Vermögen seiner seit Anfang 2003 [X.] hätte stellen müssen, ist nicht entscheidungserheblich. 2. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als rich-tig dar (vgl. § 561 ZPO). Soweit die Revisionserwiderung meint, die gemäß § 129 Abs. 1 [X.] für jede Insolvenzanfechtung erforderliche objektive Gläubi-gerbenachteiligung sei nicht gegeben, weil die [X.] zum Jahresende 2002 ihr noch vorhandenes restliches Anlagevermögen auf die Schuldnerin ü-bertragen habe und dies als Kompensation für die spätere Befriedigung von Drittgläubigern anzusehen sei, steht dies einer Anfechtung nach § 134 [X.] nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Senats ([X.] 174, 228, 234 ff Rn. 20 bis 22) schließt die vereinbarungsgemäße Verwendung von dem Schuldner zuvor übertragenen Teilen des Anlagevermögens die objektive Gläu-bigerbenachteiligung nicht aus, selbst wenn der Schuldner diese Mittel bei wirt-schaftlicher Betrachtungsweise einsetzt, um die Verbindlichkeiten des [X.] zu begleichen. Eine Vorteilsausgleichung findet - entgegen der Auffassung der Re-visionserwiderung - nicht statt. 11 II[X.] Das angefochtene [X.]eil kann damit nicht bestehen bleiben. Es ist [X.] (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen einer [X.] auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt 12 - 8 - und die Sache nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur Endent-scheidung reif ist, hat der Senat eine ersetzende Sachentscheidung getroffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). [X.] Gehrlein [X.] [X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.06.2007 - 1 O 144/06 - [X.], Entscheidung vom 11.09.2008 - 2 U 900/07 -

Meta

IX ZR 186/08

17.06.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.06.2010, Az. IX ZR 186/08 (REWIS RS 2010, 5732)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5732

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