Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2013, Az. IX ZR 90/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6486

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 90/10

Verkündet am:

18. April 2013

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 134 Abs. 1
Begleicht der Schuldner die gegen einen [X.] gerichtete Forderung des Anfech-tungsgegners, kann seine Leistung entgeltlich sein, wenn sich der Zahlungsempfän-ger gegenüber seinem Schuldner durch Aufrechnung hätte Befriedigung verschaffen können.

[X.], Urteil vom 18. April 2013 -
IX ZR 90/10 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
18. April 2013
durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 22. April 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf eigenen Antrag vom 29.
September 2005 am 1.
Dezember 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Kaufhaus F.

R.

GmbH
& Co. KG (im Folgenden: Schuld-nerin). Die Schuldnerin überwies
am 29.
September 2005 aus einem Kontogut-haben 45.000

.

zur Tilgung von Steuerschulden der M. R.

GmbH
(fortan auch: GmbH), mit der sie gesell-schaftsrechtlich verflochten war.
Am selben
Tag stellte die GmbH ihren [X.] ein.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die
GmbH
zahlungsun-fähig war.
Das Finanzamt erstattete ihr
am 20. Oktober 2005 aus korrigierten Umsatzsteuervoranmeldungen 1.545,56

Februar 2006 aus [X.]
-
3
-
schaft-
und Umsatzsteuererklärungen für das Jahr
2004 42.871,82

und am 15.
August 2006 aus Körperschaft-
und Umsatzsteuererklärungen für das [X.] 20.655,59

Der Kläger nimmt das
beklagte
Land
unter dem rechtlichen Gesichts-punkt
der Schenkungsanfechtung auf Rückgewähr der Zahlung von 45.000

nebst Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Rückgewähran-spruchs nach §
143 Abs.
1, §
134
Abs.
1
[X.] bejaht. Es hat angenommen, bei der Zahlung der Insolvenzschuldnerin habe es sich um eine unentgeltliche Leis-tung gehandelt, weil die getilgte Steuerforderung des Beklagten gegen die GmbH wertlos gewesen sei. Die GmbH sei am 29.
September 2005 und auch danach nicht mehr in der Lage gewesen, die Steuerforderung zu erfüllen. Ihre einzigen Vermögenswerte seien der Wert der bei der Schuldnerin befindlichen 2
3
4
-
4
-
Kommissionsware in Höhe von 31.283,84

Schuldnerin in Höhe von [X.]

, die aber wegen der [X.] Schuldnerin
nicht mehr realisierbar gewesen sei. Die [X.] an die [X.] seien bei der Beurteilung der [X.] am 29.
September 2005 nicht zu berücksichtigen, weil es sich nicht um kurzfristig liquidierbare Forderungen gehandelt habe. [X.] auf Erstattung von [X.] entstünden zwar bereits mit Ablauf des Voranmeldungs-
beziehungsweise
Veranlagungszeitraums. Vor ih-rer Festsetzung durch einen Steuerbescheid seien sie aber nicht durchsetzbar.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in einem ent-scheidenden Punkt nicht stand.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ist die [X.] einer fremden Schuld als unentgeltliche Leistung nach §
134 Abs.
1 [X.] anfechtbar, wenn die gegen den [X.] gerichtete Forderung des [X.] wertlos war; dann hat der Zuwendungsempfänger wirtschaft-lich nichts verloren, was als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen wer-den kann ([X.], Urteil vom 16.
November 2007 -
IX
ZR 194/04, [X.]Z 174, 228 Rn. 8;
vom
6.
Dezember 2007 -
IX
ZR 113/06, WM
2008, 229
Rn. 14; vom
22.
Oktober 2009 -
IX
ZR 182/08, WM
2009, 2283
Rn.
8; vom 19.
November 2009 -
IX
ZR 9/08, WM
2010, 129
Rn.
8; vom 17.
Juni 2010 -
IX
ZR 186/08, [X.], 1421 Rn. 7). Hiervon ist, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, regelmäßig auszugehen, falls über das Vermögen des [X.] wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet oder er
zu-5
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-
5
-
mindest insolvenzreif war
([X.], Urteil vom
22.
Oktober 2009, aaO Rn. 8 f; vom 17. Juni 2010, aaO).

a) Mit Recht hat das Berufungsgericht bei der Beurteilung der [X.] zum Zeitpunkt der Zahlung vom 29.
September 2005 die im [X.] erfolgten Steuererstattungen unberücksichtigt gelassen. Denn in die Prüfung, ob ein Schuldner in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu er-füllen (§
17 Abs. 2 Satz 1 [X.]), sind nur diejenigen liquiden Mittel einzubezie-hen, die sich der Schuldner kurzfristig innerhalb von drei Wochen beschaffen kann ([X.], Urteil vom 24.
Mai 2005 -
IX
ZR 123/04, [X.]Z 163, 134, 139; Be-schluss vom 19.
Juli 2007 -
IX
ZB 36/07, [X.]Z 173, 286 Rn. 30).
Dies traf auf die [X.] der GmbH nicht zu.

b) Die Steuererstattungen können
gleichwohl für die Beurteilung des Streitfalles von Bedeutung
sein. Die Insolvenzreife des [X.] wird regelmäßig dazu führen, dass
die
Forderung des Zahlungsempfängers als wertlos und die Tilgung dieser Forderung durch einen [X.] deshalb als un-entgeltliche Leistung zu bewerten ist. Es können aber auch ausnahmsweise Umstände gegeben sein, die es rechtfertigen, die getilgte Forderung trotz Zah-lungsunfähigkeit des [X.] als werthaltig zu beurteilen. Solche Umstände können etwa vorliegen, wenn der Zahlungsempfänger die [X.] hat, durch Pfändung auf einen werthaltigen Rückgriffsanspruch
des Forde-rungsschuldners gegen den Insolvenzschuldner zuzugreifen ([X.], Urteil vom 19.
November 2009 -
IX
ZR 9/08, [X.], 129 Rn. 11; vgl. auch Urteil vom 27.
April 2010 -
IX
ZR 122/09, Z[X.] 2010, 1091 Rn.
7). In entsprechender Weise kann
die getilgte Forderung werthaltig
sein, wenn sich der [X.] durch Aufrechnung gegen eine Forderung seines Schuldners Befriedi-7
8
-
6
-
gung verschaffen
und auf diese Weise seine Forderung trotz [X.] Schuldners durchsetzen kann. So kann es sich im Streitfall verhalten.

aa) Bei der Beurteilung der Werthaltigkeit der getilgten Forderung ist [X.] auf den Zeitpunkt der Vollendung des [X.], also der [X.] Zahlung,
abzustellen
(§ 140 Abs. 1 [X.]). Vorangegangene Leistun-gen des Zuwendungsempfängers bleiben deshalb ebenso außer Betracht wie etwa Vorteile, die
erst in einem möglicherweise
später eröffneten Insolvenzver-fahren eintreten ([X.], Urteil vom 3.
März 2005 -
IX
ZR 441/00, [X.]Z 162, 276, 281; vom 16.
November 2007 -
IX
ZR 194/04, [X.]Z 174, 228 Rn.
10; vom 26.
April 2012 -
IX
ZR 146/11, [X.], 1131 Rn.
43). Die den Wert der [X.] bestimmende Durchsetzbarkeit muss gleichwohl nicht bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Begleichung in jeder Hinsicht gegeben sein. Es kann vielmehr genügen, dass die gegebenen Umstände die künftige [X.] einer Befriedigung durch Aufrechnung sicher erwarten lassen. Solche Um-stände verleihen -
anders als ungewisse Hoffnungen
-
der Forderung schon vorab einen entsprechenden Wert.

bb) Im Streitfall ist bisher nicht festgestellt, aufgrund welcher
Umstände die Körperschaft-
und Umsatzsteuererklärungen der [X.] und 2005 im [X.] zu beträchtlichen Steuererstattungen geführt haben. [X.] liegt, dass betreffend die Körperschaftsteuer geringere Gewinne erzielt wurden als in den Vorauszahlungsbescheiden angenommen (§
31 Abs.
1 Satz
1 KStG, § 37 EStG) und betreffend die Umsatzsteuer geringere Umsätze oder höhere Vorsteuerabzüge anfielen als vorangemeldet (§
18 UStG), und dass deshalb die [X.] die festgesetzten Steuern überstie-gen. In diesem Fall war das Entstehen der Aufrechnungslage im [X.] schon angelegt, als die angefochtene Zahlung der Insolvenzschuldnerin erfolgte. Dies 9
10
-
7
-
gilt
ohne weiteres für das Veranlagungsjahr 2004 und für das [X.]
jeden-falls dann, wenn die GmbH -
wofür die Einstellung ihres Geschäftsbetriebs am 29. September 2005 spricht
-
nach der Zahlung keine Geschäfte mehr tätigte, die für die in Rede stehenden Steuern von Bedeutung sein konnten, und auch keine Vorauszahlungen mehr leistete. Dann waren die für die entsprechenden Steuern maßgeblichen
Sachverhalte bereits verwirklicht
und die Grundlage für einen Erstattungsanspruch gelegt. Auf die
steuerrechtliche Entstehung

38 AO) oder gar Festsetzung des Erstattungsanspruchs kommt es in diesem Zu-sammenhang nicht an. Ansprüche auf Erstattung von [X.] entstehen allerdings bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeit-raums die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung ([X.], 114 Rn.
12
f mwN). Unter diesen Umständen wäre eine Aufrechnung selbst dann in Betracht gekommen, wenn über das Vermögen der GmbH das Insol-venzverfahren eröffnet worden wäre, bevor die Erstattungsansprüche der GmbH erfüllbar waren (§ 95 Abs. 1 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 24.
März 1994 -
IX
ZR 149/93, [X.], 1045, 1046; vom 9.
März 2000 -
IX
ZR 355/98, [X.], 933, 934; vom 29.
Juni 2004 -
IX
ZR 147/03, [X.]Z 160, 1, 4; vom 19.
Juli 2007 -
IX ZR 81/06, [X.], 1708 Rn.
23). Tatsächlich ist es zu ei-nem solchen Insolvenzverfahren bis heute nicht gekommen.

cc) Sofern die getilgte Steuerforderung des Beklagten gegen die GmbH die vorangemeldete Umsatzsteuer des Monats September 2005 betraf, hätte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH bis zur
Höhe
der späteren Körperschaft-
und [X.] für 2005 in Höhe

die Werthaltigkeit dieser Forde-rung haben können. Ohne die angefochtene Zahlung wären bei der Ermittlung der Steuerschuld der GmbH für das [X.] entsprechend geringere Voraus-11
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8
-
zahlungen berücksichtigt worden. Es hätte sich dann nicht, wie tatsächlich [X.], aufgrund der Körperschaft-
und Umsatzsteuererklärung der GmbH für das [X.] ein Guthaben der GmbH in Höhe von 20.655,59

Zahllast ergeben. Infolgedessen wäre der Betrag von 20.655,59

GmbH ausgezahlt worden. Fragen der Zulässigkeit einer Aufrechnung bei [X.] Eröffnung eines Insolvenzverfahrens hätten sich insoweit nicht
gestellt, weil es in diesem Umfang gerade nicht zu einer Aufrechnung oder auch nur Saldierung gekommen wäre.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§
561 ZPO). Die Voraussetzungen anderer Anfech-tungstatbestände als der vom Berufungsgericht angenommenen Schenkungs-anfechtung sind nicht festgestellt. Eine Deckungsanfechtung nach den §§
130, 131 [X.] scheitert daran, dass der Beklagte nicht
Insolvenzgläubiger der Schuldnerin war
und diese auch nicht auf eine vermeintliche eigene Schuld ge-genüber dem Beklagten zahlte (vgl. dazu [X.], Urteil vom 19.
Januar 2012 -
IX
ZR 2/11, [X.]Z 192, 221 Rn.
11 f). Für den Tatbestand der Vorsatzanfech-tung nach §
133 Abs.
1 [X.] fehlt es zumindest an Feststellungen zu einer Kenntnis des Beklagten von einem Vorsatz der Schuldnerin, ihre Gläubiger zu benachteiligen.

IV.

Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§
562 Abs.
1, §
563 Abs.
1 Satz 1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat nicht treffen, weil die Sache nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist (§
563 12
13
-
9
-
Abs.
3 ZPO).
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, auf der Grundlage des gegebenenfalls ergänzten Vortrags der Parteien die notwendigen Feststellungen zur Werthaltigkeit der getilgten
Steuerforderung des Beklagten zu treffen. Da
die auf eine Aufrechnungsmöglichkeit gestützte Werthaltigkeit einer Forderung gegen einen insolvenzreifen Schuldner
eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass Forderungen gegen zahlungsun-fähige Schuldner wertlos sind, trägt der [X.] die Darlegungs-
und Beweislast für diese Ausnahme.

Kayser
Gehrlein
Fischer

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.06.2009 -
20 O 319/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.04.2010 -
13 U 116/09 -

Meta

IX ZR 90/10

18.04.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2013, Az. IX ZR 90/10 (REWIS RS 2013, 6486)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6486

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

VII R 31/17

Zitiert

IX ZR 90/10

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