Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.03.2013, Az. X S 28/12

10. Senat | REWIS RS 2013, 7611

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Gegenstand

Zugangsvoraussetzungen der AdV - Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen drohender Vollstreckung


Leitsatz

NV: Die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO müssen bei Eingang des Antrags bei Gericht vorliegen .

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung ([X.]). Sie unterhält im Bezirk des Antragsgegners einen Gewerbebetrieb. Die Einkommensteuerveranlagung führt das Wohnsitzfinanzamt durch.

2

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]) hatte der Antragsgegner eine teilweise Änderung der Umsatzsteuerbescheide zu Gunsten der Antragstellerin zugesagt. Das [X.] hat die Klage sodann durch Urteil vom 10. November 2011  2 K 163/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 770) insgesamt abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Antragstellerin hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt (eingegangen am 30. November 2011, Az. [X.]), über die noch nicht entschieden ist.

3

Am 1. Dezember 2011 hatte ihr Prozessbevollmächtigter ([X.]) für die Antragstellerin bei dem Antragsgegner [X.] in einem im Einzelnen ungeklärten Umfang beantragt. Am 12. Januar 2012 gewährte der Antragsgegner [X.] der Umsatzsteuer 1999. Der [X.] hat Ablichtungen von Schreiben vorgelegt, mit denen er beim Antragsgegner die [X.] der Umsatzsteuer 2000 sowie der [X.], 2000 und 2001 beantragt habe.

4

Am 22. August 2012 teilte das Wohnsitzfinanzamt mit, es sei zwar Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben, aber keine erneute [X.] beantragt worden, und forderte zur Zahlung noch offener Einkommensteuer auf.

5

Mit einem am 27. August 2012 bei dem [X.] ([X.]) eingegangenen Schriftsatz teilte der [X.] mit, er habe bereits am 29. Dezember 2011 nach Mitteilung des Geschäftszeichens des Beschwerdeverfahrens die [X.] beantragt, und legte den Abdruck eines entsprechenden Schriftstücks vor. Er beantragte erneut [X.], hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dies teilte er auch dem Wohnsitzfinanzamt mit. Zum Beleg dafür, dass der Antrag bereits am 29. Dezember 2011 gestellt worden sei, legte er einen Ausdruck aus dem elektronischen Postausgangsbuch vor. Im [X.] ist ein Eingang eines Antrags vom 29. Dezember 2011 demgegenüber nicht festzustellen.

6

Im Hinblick auf die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) behauptet der [X.], er habe am 1. Dezember 2011 bei dem Antragsgegner die [X.] hinsichtlich aller Bescheide beantragt, und legt auch hierfür einen Ausdruck aus dem elektronischen Postausgangsbuch vor. Unstreitig habe er die [X.] der Umsatzsteuerbescheide 1999 und 2000 beantragt und auch erhalten, wenn auch erst am 9. Januar 2012. Über den ebenfalls gestellten [X.] hinsichtlich der [X.] sei hingegen nicht und damit auch nicht in angemessener Frist entschieden worden. Nachdem auf seinen Antrag keine Reaktion erfolgt sei, sei vom 29. Dezember 2011 an mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu rechnen gewesen.

7

Inhaltlich nimmt er auf die Beschwerdebegründung in dem Verfahren [X.] Bezug.

8

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Zugangsvoraussetzungen lägen nicht vor. Ein Antrag auf [X.] der [X.] sei, nachdem die [X.] im Einspruchsverfahren für dessen Dauer gewährt worden sei, weder bei ihm noch bei dem Wohnsitzfinanzamt gestellt worden. Die [X.] der Umsatzsteuer 1999 habe er gewährt. Die [X.] der Umsatzsteuer 2000 komme nicht in Betracht, da die Änderung des [X.] 2000 zu einer Erstattung geführt habe.

Entscheidungsgründe

9

II. Der --mittlerweile wirksam [X.] Antrag ist unzulässig.

1. Ob die Antragstellerin bereits am 29. Dezember 2011 AdV beim [X.] beantragt hat, kann dahinstehen. Mittlerweile liegt jedenfalls ein Antrag vor, über den der [X.] entscheidet.

2. Hinsichtlich der [X.] fehlt es an den Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO.

Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 (der Antrag bei dem Gericht der Hauptsache, hier dem [X.]) nur zulässig, wenn die Behörde einen [X.] ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nach § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO nicht, wenn (Nr. 1) die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder (Nr. 2) die Vollstreckung droht.

Die Zugangsvoraussetzungen müssen bei Eingang des gerichtlichen [X.]s vorliegen. Eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich (vgl. [X.]-Beschluss vom 28. Mai 2008 IX S 4/08 (PKH), [X.]/NV 2008, 1489).

a) Der Antragsgegner hat unstreitig keinen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt.

b) Er hat auch nicht über einen solchen Antrag in angemessener Frist i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO nicht entschieden. Der [X.] kann nicht feststellen, dass ein [X.] betreffend die [X.] 1999 bis 2001 bei dem Antragsgegner eingegangen ist. Der Antragsgegner hat dies bestritten. Die Antragstellerin hat keinen [X.] erbracht. Sie beschränkt sich auf die Darstellung, dass sie einen solchen Antrag abgesandt habe, und sucht dies zu belegen. Das beweist jedoch den Zugang nicht, zumal ihr Vorbringen in sich nicht widerspruchsfrei ist.

aa) So kann der [X.] schon nicht feststellen, dass ein solcher Antrag überhaupt abgesandt wurde.

Der PV hat AdV-Anträge hinsichtlich der [X.] 1999 bis 2001 sowie der Umsatzsteuer 2000 vorgelegt. Da der Antragsgegner die AdV hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 gewährt hat, müsste es auch einen entsprechenden Antrag, also insgesamt drei AdV-Anträge gegeben haben. Das hierzu vorgelegte [X.] weist unter dem 1. Dezember 2011 zu dem Mandantennamen lediglich zwei Ausgänge auf, die beide als Einspruch bezeichnet sind, deren einer sich auf die Umsatzsteuer 2000, deren anderer sich auf die [X.] beziehen soll. Das [X.] ist schon insofern entweder unzutreffend und unvollständig, als der [X.] hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 darin entweder gar nicht verzeichnet ist oder falsch bezeichnet wurde.

bb) Auch mutet es ungewöhnlich an, dass die Antragstellerin, wenn sie auf einen Antrag von Dezember 2011 im Januar 2012 die AdV hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 erhält, hingegen keine AdV hinsichtlich der [X.], nicht gelegentlich nach dem Stand der Bearbeitung gefragt hat.

c) Schließlich drohte auch nicht eine Vollstreckung i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO.

Allein der Fristablauf nach Zustellung des [X.] ließ die Vollstreckung noch nicht drohen, ebenso wenig wie das Schreiben des [X.] mit der Aufforderung, die Steuerschulden nunmehr zu begleichen. Mit einer Zahlungsaufforderung allein ist den Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO im Allgemeinen nicht genügt. Vielmehr setzt die Vorschrift voraus, dass die Finanzbehörde mit der Vollstreckung begonnen hat oder eine solche unmittelbar bevorsteht (vgl. [X.]sbeschluss vom 24. Oktober 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 460). Hierfür ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.

3. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 ist der [X.] wegen fehlenden [X.] unzulässig. Er geht ins Leere, da die AdV insoweit gewährt wurde.

4. Im Ergebnis dasselbe gilt hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000.

Die Antragstellerin meint, dem Antrag sei stattgegeben worden, während der Antragsgegner demgegenüber meint, für den Antrag sei mangels offener Steuerschuld kein Raum.

Der [X.] wertet die in sich widersprüchlichen Erklärungen der Antragstellerin dahin, dass sie lediglich die Aussetzung, nicht aber die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO begehrt. Wenn sie auf den entsprechenden Hinweis des Antragsgegners, es gebe nichts auszusetzen, ihren Antrag nicht ausdrücklich auf eine Aufhebung der Vollziehung umstellt, ist ihr daran offenbar nicht gelegen. Der Aussetzungsantrag hingegen geht, da es an einer offenen Steuerschuld fehlt, ins Leere und ist wiederum unzulässig.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Meta

X S 28/12

06.03.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

§ 69 Abs 4 S 2 Nr 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 06.03.2013, Az. X S 28/12 (REWIS RS 2013, 7611)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7611

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