Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2015, Az. 5 StR 521/14

5. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13600

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
5 StR 521/14

vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen

wegen des Verdachts der schweren Vergewaltigung
u.a.

-
2
-

Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom
24.
März 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] Dr. [X.]

als Vorsitzender,

[X.]in Dr. [X.],
[X.] Dr. König,
[X.] [X.],
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt K.

als Verteidiger,

Rechtsanwalt Ba.

als Vertreter der Nebenklägerin Bö.

,

Rechtsanwältin T.

als Vertreterin der
Nebenklägerin [X.]

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

-
3
-

für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 24. März 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat
die Kosten des Rechtsmittels
und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen
zu tragen.
-
Von Rechts wegen
-

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen [X.] widerstandsunfähiger Personen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheits-strafe von drei Jahren verurteilt und ihn hinsichtlich weiterer vier Tatvorwürfe aus tatsächlichen Gründen
freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat der Senat im [X.] gemäß §
349 Abs. 2 StPO verworfen. Die [X.] wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen die
Freisprüche
des Angeklagten
wegen
drei
der weiteren
ihm vorgeworfenen
Straftaten. Das vom [X.] nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Dem Angeklagten lag zur Last,
in zwei Fällen jeweils eine schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben,
indem er im Mai 2010
die Geschädigte
Bö.

und im Juni 2010 die Geschädigte
[X.]

durch heimliche Beibringung eines bewusstseinstrüben-1
2
-
4
-

den
Mittels (sog. K.O.-Tropfen) in einen willenlosen Zustand versetzt und die-sen jeweils zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs ausgenutzt habe. Dar-über hinaus
war ihm vorgeworfen worden, eine räuberische Erpressung in [X.] zum Betrug
verübt zu haben;
er
habe

U.

und

L.

unter Androhung körperlicher Repressalien dazu gebracht, dass L.

unter Vortäuschung von
Zahlungswilligkeit und -fähigkeit einen Mobilfunk-vertrag abgeschlossen
und anschließend dem Angeklagten das erlangte [X.] nebst SIM-Karte weisungsgemäß ausgehändigt
habe.

2. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen:

a) Die Nebenklägerin Bö.

lernte den Angeklagten über einen Chat kennen und verabredete sich mit ihm
für den
Abend des
12.
Mai 2010. Begleitet von
ihrer Freundin P.

und einem Bekannten des Angeklagten besuchten sie eine Diskothek, in der sie
Alkohol tranken und sich küssten. Als ihr aufgrund des Alkoholkonsums schlecht wurde, wurde sie von mehreren Personen vor die Diskothek gebracht. Anschließend fuhr sie mit dem Angeklagten in einem
Taxi zu
dessen Wohnung. Dabei war sie alkoholbedingt enthemmt; sie wusste je-doch
noch, was sie tat,
und
konnte sich ihrem Willen entsprechend ohne erheb-liche Beeinträchtigung steuern und äußern
(UA S.
51). Nachdem sie,
in der Wohnung angelangt,
weiterhin unter Übelkeit gelitten hatte, zog sie sich aus, legte sich ins Bett und schlief ein.
Am nächsten Morgen verließ die Nebenkläge-rin Bö.

die Wohnung des noch schlafenden Angeklagten, ohne ihn zu [X.], weil ihr
Verhalten ihr peinlich war. Sie ließ sich von ihrem ehemaligen Freund nach Hause bringen, mit dem sie noch am selben Abend an einer Feier teilnahm.

3
4
-
5
-

b) In der Nacht zum 3.
Juni 2010 besuchte die Nebenklägerin [X.]

, am Morgen des 3.
Juni 2010 C,
mit Freunden
eine Disko-thek. Dort
traf sie
den ihr bereits bekannten Angeklagten, mit dem sie früher

e-tauscht hatte. Gemeinsam mit dem Angeklagten konsumierte sie innerhalb von zehn bis zwanzig
Minuten jeweils zehn
Gläser mit 4
cl

-.
Etwa eine Stunde später
fuhr sie mit dem Angeklagten und einem ihm Bekannten
zu
dessen Wohnung.
Dort
spielten sie bei
weiterem Alkoholkonsum zu [X.] ein Spiel, in dessen Verlauf sie sich einzelne Kleidungsstücke auszogen und
[X.]

, die alkoholbedingt

lediglich

enthemmt
ihre Mitspieler küsste. Außerdem kam es zwischen ihr und dem Angeklagten zum Geschlechtsverkehr. Nachdem
sie zuvor ihren Freunden gegenüber telefonisch ihre baldige Rückkehr in die Diskothek angekündigt hatte, nutzte nicht ausschließbar der Bekannte des [X.] einen Toilettenbesuch [X.]

s
dazu, aus ihrem Mobiltelefon die SIM-Karte zu entfernen,
zu
zerbrechen und zu verstecken, weil er sich bei ih-rem längeren Aufenthalt in seiner Wohnung einen intensiveren Austausch von Zärtlichkeiten mit ihr erhoffte. Gegen 6:00 Uhr schlief [X.]

auf einem
Sofa ein. Als sie kurz darauf
wieder erwachte, war ihr aufgrund des vorangegange-nen Alkohol-
und Drogenkonsums schwindelig und ihr fiel ein, dass sie einen Termin beim Arbeitsamt hatte. Sie verließ die Wohnung und fuhr zunächst zu ihren Freunden, denen gegenüber sie
über
Schmerzen an den Oberschenkeln klagte
und andeutete, sexuell bedrängt worden zu sein. Sie
konsumierte Liquid Ecstasy und ließ sich von ihrer Hausärztin krankschreiben.

c) Am 22.
Mai 2010 schloss

L.

auf Veranlassung seines Freundes U.

einen Mobilfunkvertrag, der die
Aushändigung eines Mobiltele-fons
umfasste. Hierbei täuschte er seine tatsächlich nicht bestehende Zah-lungswilligkeit und -fähigkeit vor. Die bis zum 13.
Juli 2010 angefallenen Tele-5
6
-
6
-

fonkosten in Höhe von 355 Euro
entrichtete er
nicht. Um sich weiteren Forde-rungen
des Mobilfunkanbieters und Vorwürfen seiner Mutter zu entziehen, dachte er sich aus, dass der sich mittlerweile in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte ihn und U.

unter Ankündigung, diesen
andernfalls töten zu wol-len, gezwungen habe, den Vertrag abzuschließen.

3. Die angefochtenen Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprü-fung
stand.

a) Die Beweiswürdigung ist dem Tatgericht vorbehalten (§
261 StPO). Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täter-schaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht grundsätz-lich hinzunehmen, da die Beweiswürdigung
Sache des Tatgerichts
ist. Der Be-urteilung durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob dem Tatgericht Rechts-fehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung wi-dersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist,
wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder das Gericht überspannte Anforderun-gen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr., vgl. etwa [X.], Urteil vom 10.
Dezember 2014

5 StR 136/14 mwN).
Dabei hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn
eine andere Beurteilung
näher gelegen hätte oder überzeugender
gewesen wäre (vgl. [X.], Urteil
vom 5.
Dezember 2013

4 StR 371/13,
NStZ-RR 2014, 87; [X.] in [X.], 26.
Aufl., §
261 Rn.
182 mwN).

b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung
nicht zu beanstanden. [X.] der Ansicht der Revision hat das [X.] die erforderliche Gesamt-würdigung der
be-
und entlastenden Umstände in jedem der angegriffenen [X.] vorgenommen
und sich mit den Angaben der betroffenen [X.] ausführlich
auseinandergesetzt.
Die Schlussfolgerungen und Wertungen des 7
8
9
-
7
-

[X.]s sind tatsachenfundiert,
lassen keine
Rechtsfehler erkennen und halten sich im tatgerichtlichen Beurteilungsspielraum. Die Revision hat weder Widersprüche
noch wesentliche Erörterungsmängel aufgezeigt. Die [X.] der Revision zielen auf eine andere Bewertung von Tatsachen ab, die das [X.]
aber
allesamt bedacht hat.

aa) Hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat zum Nachteil der
Nebenklägerin Bö.

hat
das [X.] nicht ausschließen können, dass deren Erinnerungsvermögen

entgegen ihren Angaben

bei [X.] Enthemmung nicht vorübergehend aufgehoben, sondern insgesamt [X.] geblieben war. Nachvollziehbar hat es das [X.] insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin Br.

für möglich gehalten, dass
Bö.

sich ein Erlebnis, das
ihr die
Zeugin Br.

im Zusammenhang mit
einer Ver-abreichung von

-geschildert hatte, zu eigen gemacht
habe, um eine
freiwillige Übernachtung bei dem Angeklagten gegenüber ihrer Mutter und ihrem ehemaligen Freund
zu rechtfertigen (UA S.
83 f.). Die Zeugin Br.

war von der Mutter der Nebenklägerin um ein Gespräch mit ihrer Tochter gebeten worden, weil die Mutter vermutet
hatte, dass es eine Verbindung mit dem ihr von Br.

berichteten Geschehen gäbe ([X.]). Das [X.] hat wei-ter
bedacht, dass die Nebenklägerin ihre
Angaben zur Aufnahme der alkoholi-schen Getränke, zu ihrer Erinnerungslücke und ihrem Zustand beim Erwachen gegenüber verschiedenen Personen im Zeitablauf verändert
hatte.
Es vermoch-te nicht festzustellen, dass sie zu ihren wechselnden Schilderungen
(vgl. UA S.
69, 71) etwa durch gravierende Angstzustände oder eine erhebliche
Beein-trächtigung des seelischen Befindens und der körperlichen Gesundheit [X.] worden sein könnte, da sie am Abend
nach dem Geschehen
mit
Freunden feierte
und Geschlechtsverkehr hatte (UA S.
75). Vielmehr hat das
[X.]
nicht ausschließen können, dass die Nebenklägerin und ihre Freundin P.

frühzeitig Handlungen, soweit sie elterlichen Erwartungen nicht entsprachen, 10
-
8
-

nicht oder nicht vollständig preisgegeben oder aber der Beigabe von

-geschrieben
hätten. Insoweit hatte
das [X.] neben der Aussage der Zeugin Br.

auch die Angaben der Zeugin P.

in deren
polizeilicher
Vernehmung
zu berücksichtigen, in
der sie einräumte, dass Bö.

deren

e-schwindelt habe, weil sie Ärger befürchtet habe, wenn sie die Wahr(UA S.
79 f.). Gegen
diese Beweiswürdigung ist nichts zu erinnern.

[X.]) In dem die Nebenklägerin [X.]

betreffenden Fall ist das [X.] von einem nicht ausschließbar einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwi-schen dem Angeklagten und [X.]

ausgegangen. Es
hat dabei sämtliche

für sich genommen gewichtigen
belastenden

Indizien, wie Schmerzen und eine schwache Unterblutung an der [X.], Nachweis von Sperma des Angeklagten in der Scheide der Nebenklägerin und von
Gammahydroxybuttersäure ([X.]) im Urin der Nebenklägerin ([X.], 96) erkannt und bewertet, sich aber nach umfassender Gesamtwürdigung im Er-gebnis nicht von dem in der Anklage vorgeworfenen Tatgeschehen zu überzeu-gen vermocht. Das [X.] hat
der Nebenklägerin [X.]

nicht geglaubt, dass sie
sich nicht
habe
erinnern können, ob es jemals zwischen ihr und dem
Angeklagten
Zärtlichkeiten in ansonsten unbeeinträchtigten Situationen gege-ben habe (UA S.
84, 87, 98). Es hat ferner bedacht, dass aus sachverständiger Sicht
eine Substanz mit dem Wirkstoff [X.] auch noch nach dem vorgeworfe-nen Tatgeschehen eingenommen worden sein könnte.
Das [X.]
ist
inso-fern zu dem

nach den Gesamtumständen möglichen

Schluss
gekommen, dass [X.]

, in deren Urin auch Amphetamine nachgewiesen worden sind,
am nächsten Morgen in der Wohnung ihrer Drogen konsumierenden
Freunde Liquid Ecstasy eingenommen hat.
Auch haben
sich für die sachverständig [X.] die von der Nebenklägerin beschriebene Erinnerungslücke und der Umstand, dass sie beim nächtlichen Telefonat mit ihrer Freundin
11
-
9
-

durcheinander

gewirkt habe, allein durch
den massiven Alkoholkonsum und nicht durch
die Einnahme eines Narkosemittels
erklären
lassen
(UA S.
88, 97).
Die gewissen Parallelen zu den weiteren Anklagevorwürfen
der
übrigen Neben-klägerinnen mit dem Angeklagten hat das [X.] gesehen ([X.]), es vermochte sich jedoch letztlich insbesondere wegen der Alkoholgewöhnung und der
wechselnden Angaben der Nebenklägerin [X.]

zu
ihrem Erinne-rungsvermögen nicht von einer erheblichen Willensbeeinträchtigung bei
Durch-führung des Geschlechtsverkehrs zu überzeugen.
Diese Würdigung hat der Senat angesichts des eingeschränkten revisionsrechtlichen [X.] hinzunehmen.

c) Auf die wenig verlässlichen, von erheblichem Belastungseifer getrage-nen und zum Teil
widersprüchlichen Angaben der Zeugen U.

und L.

hat die [X.] auch
eingedenk der erst im August 2010 erfolgten Anzeigen-erstattung zu Recht keine Verurteilung gestützt.

[X.]
[X.]
König

[X.]
Bellay

12

Meta

5 StR 521/14

24.03.2015

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.03.2015, Az. 5 StR 521/14 (REWIS RS 2015, 13600)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13600

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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