Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2013, Az. StB 7/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 4674

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
____________
StB 7/13
vom
27. Juni 2013
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
geheimdienstlicher Agententätigkeit

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat am 27.
Juni 2013 gemäß §
304 Abs. 5 [X.] beschlossen:

Die Beschwerde des [X.] gegen den [X.] des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15.
April 2013 (1
BGs 121/13) wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Staatskasse.

Gründe:
Der Beschuldigte ist als Mitglied des Verwaltungsper-
sonals eines Konsulats seines Heimatstaates in [X.] gemeldet.
Der [X.] hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer geheimdienstlichen Agententätigkeit (§
99 StGB) gegen den [X.] eingeleitet. Dieser soll über einen Mittelsmann Informationen über in [X.] lebende Landsleute und verschiedene Organisationen eingeholt haben. Der [X.] hat beim Ermittlungsrichter des [X.] beantragt, die Überwachung und Aufzeichnung des über einen be-stimmten Telefonanschluss geführten Kommunikationsverkehrs des [X.] anzuordnen. Diesen Antrag hat der Ermittlungsrichter des [X.] mit Beschluss vom 15.
April 2013 abgelehnt. Dies hat er damit [X.], dass ein Verfahrens-
sowie Verfolgungshindernis nach §
19 [X.] be-stehe und es bereits an einem Tatverdacht fehle, weil die zufällig aus anderen Überwachungsmaßnahmen gewonnenen Erkenntnisse, die sowohl den Tele-fonanschluss des Konsulats als auch den privaten Mobilfunkanschluss des [X.]
-
3
-
schuldigten beträfen, unverwertbar seien. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des [X.], mit der er sein Begehren [X.] verfolgt.
Das gemäß § 304 Abs. 5 [X.] statthafte Rechtsmittel hat in der Sache keinen
Erfolg; der Ermittlungsrichter des [X.] hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Der vom [X.] begehrten Ermittlungsmaßnahme steht das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis der fehlenden deut-schen Strafgerichtsbarkeit gemäß §
19 Abs.
1 Satz
1 [X.], Art.
43 Abs.
1 [X.] entgegen.
1. Der Beschuldigte ist als Bediensteter des [X.] (Art.
1 Abs.
1 Buchst.
e, Art.
19
[X.]) vom persönlichen Anwendungsbereich des Art.
43 Abs.
1 [X.] erfasst.
2. Die ihm zur Last gelegten Handlungen unterfallen dem sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift.
a) Die konsularische Immunität nach Art.
43 Abs.
1 [X.] erstreckt sich ausschließlich auf Handlungen, die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben ("in the exercise of consular functions") vorgenommen worden sind. Die [X.] zwischen einer konsularischen Aufgabenwahrnehmung im Sinne des Art.
5 [X.] und einer sonstigen Tätigkeit kann im Einzelnen schwierig sein (vgl. [X.], 1961, Vol.
II, S.
117; Wag-ner/Raasch/Pröpstl, [X.], 2007, S.
296
ff.). Im Zweifelsfall kommt es darauf an, ob das Handeln des Konsuls oder seiner Beamten mit ihrer dienstlichen Betätigung noch irgendwie in einem inneren Zusammenhang steht ([X.], [X.] vom 4.
April 1990 -
StB 5/90, [X.]St
36, 396, 401; für eine eher weite 2
3
4
5
6
-
4
-
Auslegung von Art.
5 Buchst.
a bis e [X.] etwa [X.]/[X.], Canadian Yearbook of International Law
34 [1996], 293, 299). Ein solcher Zusammen-hang ist hier gegeben.
Der [X.] verdächtigt den Beschuldigten, gezielt [X.] über Angehörige des eigenen Staates, insbesondere zu solchen, die mit einer bestimmten (möglicherweise terroristischen) [X.], besorgt zu haben. Eine solche Informationsgewinnung kann zur Wahrnehmung der Interessen des [X.] sowie seiner Angehörigen im Empfangsstaat erforderlich sein, die zu den konsularischen Aufgaben gehört (Art.
5 Buchst.
a [X.]). Eine nähere Kenntnis über die Aktivitäten etwaiger ter-roristischer Organisationen, die sich gegen den [X.] wenden, liegt möglicherweise nicht allein im Interesse des [X.] selbst, sondern auch im Interesse seiner Angehörigen im Empfangsstaat, falls diese etwa als Angriffsziele terroristischer Handlungen in Betracht kommen. Insofern erschöp-fen sich die in Art.
5 Buchst.
a [X.] genannten konsularischen Aufgaben nicht in dem Verkehr mit Angehörigen des [X.] gemäß Art.
36 [X.]. Im Ergebnis bedürfen die in der Beschwerdeschrift näher erörterten Vorausset-zungen des Art.
36 [X.] hier somit keiner Prüfung.
Die weiteren bislang bekannten Umstände sprechen -
wie in dem [X.] Beschluss zutreffend ausgeführt -
ebenfalls dafür, dass der Beschul-digte in Zusammenhang mit seiner konsularischen Tätigkeit handelte: So
nimmt der [X.] an, dass der Beschuldigte auf Veranlassung des [X.] handelte. Auch nutzte er bei den ihm vorgeworfenen [X.] mehrfach den Telefonanschluss des Konsulats, was dem ersten
Anschein nach für Telefonate in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben spricht (vgl. dazu [X.], ZaöRV
1990, 761, 767). Die teilweise Benutzung des privaten Telefonanschlusses steht einer solchen Aufgabenwahrnehmung 7
8
-
5
-
nicht entgegen, da der Beschuldigte auch Gespräche über Pass-
und Visaan-gelegenheiten (s. Art.
5 Buchst.
d [X.]), teils erkennbar zu Bürozeiten und in den Räumen des Konsulats, über seinen Mobilfunkanschluss führte. Insgesamt besteht daher ein innerer Zusammenhang zur dienstlichen Betätigung.
b) Für die konsularische Immunität kommt es nicht darauf an, ob die in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben entfaltete Tätigkeit rechtmäßig war. Zwar zählt Art.
5 Buchst.
a [X.] den Interessenschutz nur innerhalb der völker-rechtlich zulässigen Grenzen zu den konsularischen Aufgaben. Überdies sind die Rechtsvorschriften des Empfangsstaates allgemein zu beachten (Art.
55 Abs.
1 Satz
1 [X.]; vgl. auch Art.
36 Abs.
2 [X.]). Doch ist die [X.] nicht von entscheidender Bedeutung für das Vorliegen der Immunität, da diese ansonsten im Ergebnis weitgehend wirkungslos bliebe (s. [X.], aaO S.
401
f.). Im Hinblick darauf hat die [X.] ([X.]) bei Ausarbeitung des [X.] über konsulari-sche Beziehungen bewusst davon abgesehen, die Immunität weiter zu [X.] und davon abhängig zu machen, dass die amtlichen Handlungen jeweils innerhalb der Grenzen des [X.]s liegen (vgl. [X.], 1961, Vol.
II, S.
117). Auch das Bundesverfas-sungsgericht hat am Rande einer (in der Beschwerdeschrift zitierten) Entschei-dung bemerkt, dass die Art.
41
ff. [X.] selbst Spione vor der Strafverfolgung schützen könnten: Zwar könnten sich diese nicht auf die Grundsätze der Staa-tenimmunität berufen; doch gelte unter anderem dann eine
Ausnahme, wenn sie den Schutz der Art.
41
ff. [X.] genössen (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Mai 1995 -
2 BvL 19/91 u.a., [X.]E
92, 277, 321; s. auch [X.], [X.], Bd.
1, 2007, S.
443, 487
f.; [X.], [X.] und [X.], 2.
Aufl.,
S.
211).

9
-
6
-
Diese Auslegung des Art.
43 Abs.
1 [X.] führt nicht zur Schutzlosigkeit des Empfangsstaates. Soweit ein konsularischer Bediensteter im Rahmen sei-ner Aufgabenwahrnehmung die Rechte des Empfangsstaates verletzt, ergeben sich dessen Reaktionsmöglichkeiten aber allein aus dem [X.] selbst. Dieses stellt insoweit eine in sich geschlossene Ordnung -
ein "self-contained régime"
-
dar (s. [X.], Urteil vom 24.
Mai 1980 -
General List No.
64, I.C.J.
Reports
1980,
3, 39
ff.; zur diplomatischen Immunität
[X.], Beschluss vom 10.
Juni 1997 -
2 BvR 1516/96, [X.]E
96, 68, 83). So kann etwa der Empfangsstaat jederzeit notifizieren, dass ein [X.] persona non grata oder dass ein anderes Mitglied des konsularischen Personals ihm nicht genehm ist (Art.
23 Abs.
1 Satz
1 [X.]), und damit dem etwaigen Missbrauch konsularischer Vorrechte begegnen (vgl. [X.], aaO S.
39
f.; [X.], Beschluss vom 4.
April 1990 -
StB 5/90, [X.]St
36, 396, 402; zu weiteren Reaktionsmög-lichkeiten [X.]/[X.], Canadian Yearbook of International Law
34 [1996], 293, 299
f.).
c) Einer Tätigkeit in Erfüllung konsularischer Aufgaben steht nicht entge-gen, dass der Beschuldigte (lediglich) Bediensteter des [X.] ist. Soweit der Anwendungsbereich des Art.
43 [X.] eröffnet ist, ist unerheb-lich, in welcher Funktion das Mitglied der konsularischen Vertretung handelte (vgl. dazu insbesondere den Standpunkt der [X.] Delegation bei den Verhandlungen zum [X.]: [X.], [X.], Official
Records, 1963, Vol.
I, S.
57).
2. Eine Ausnahme von der nach Art.
43 Abs.
1 [X.] gegebenen Immu-nität -
etwa aufgrund Verzichts des [X.]s (Art.
45 [X.]) -
liegt nicht vor.
10
11
12
-
7
-

3. Da die [X.] Strafgerichtsbarkeit in Bezug auf den dem [X.] vorgeworfenen Sachverhalt nicht gegeben ist, scheiden die vom Gene-ralbundesanwalt begehrten Ermittlungsmaßnahmen aus. Denn soweit die Ge-richtsbarkeit ("jurisdiction") des Empfangsstaates fehlt, sind gegen den [X.] bereits [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 14.
Dezember 1984 -
2 ARs
252/84, [X.]St
33, 97, 98; [X.]/[X.], [X.], 7.
Aufl., §
18 Rn.
18; [X.], [X.], 26.
Aufl., §
19 Rn.
8). Daher bedürfen die im Beschwerdeverfahren an-gesprochenen weiteren Fragen, ob die bislang gewonnenen Erkenntnisse ver-wertbar sind und inwieweit die Überwachung des privat angemeldeten Mobil-telefons zulässig ist, keiner Erörterung.
[X.]

Spaniol

13

Meta

StB 7/13

27.06.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2013, Az. StB 7/13 (REWIS RS 2013, 4674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4674

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

StB 7/13 (Bundesgerichtshof)

Immunität von Konsulaten: Reichweite der Immunität der Mitglieder der konsularischen Vertretungen im Hinblick auf die …


3 StR 318/07 (Bundesgerichtshof)


L 9 EG 32/17 (LSG München)

Elterngeldanspruch für Personal ausländischer Konsulate in Deutschland


S 5 EG 24/16 (SG Augsburg)

Kein Elterngeld für Konsulatsbedienstete


5 StR 116/01 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.